VwGH 14.10.2009, 2009/08/0150
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Das Arbeitsmarktservice kann einen Arbeitslosen nach § 10 Abs. 1 Z. 4 AlVG auffordern, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen. Wird eine solche Aufforderung dahingehend konkretisiert, dass der Arbeitslose in bestimmter Zeit eine bestimmte Zahl von Bewerbungen nachweisen soll, kann dies aber nichts daran ändern, dass der Arbeitslose dennoch nur nachweisen muss, dass er ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung gemacht hat. Es ist Aufgabe der Behörde zu beurteilen, ob die nachgewiesenen Anstrengungen unter den konkreten Verhältnissen vor dem Hintergrund des - ebenfalls darzustellenden - Umfeldes auf dem konkret in Frage kommenden Teil des Arbeitsmarktes nach den persönlichen Verhältnissen des Arbeitslosen ausreichend waren oder nicht. Kommt sie zum Ergebnis, die Anstrengungen seien nicht ausreichend, hat sie ihre diesbezüglichen Erwägungen in der Begründung des Bescheides darzulegen. Die Bescheidbegründung hat eine Würdigung der Anstrengungen zu enthalten. Hiebei ist das Gesamtverhalten des Arbeitslosen von der Aufforderung bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zu beurteilen (vgl. zu im Wesentlichen gleichlautenden früheren Fassungen der §§ 9 und 10 AlVG die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 96/08/0241, vom , Zl. 95/08/0030, vom , Zl. 99/02/0155, und vom , Zl. 2004/08/0169). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2005/08/0041 E RS 1 |
Normen | |
RS 2 | Nach der hg. Rechtsprechung gelten im Leistungsverfahren der Arbeitsämter (nunmehr: des Arbeitsmarktservice) unter anderem das Prinzip der Amtswegigkeit, der Grundsatz des Parteiengehörs sowie die Grundsätze der freien Beweiswürdigung und der Unbeschränktheit der Beweismittel. Das Offizialprinzip im Leistungsverfahren verpflichtet die Behörde, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen festzustellen. Daher obliegt es dem Arbeitsmarktservice, Erhebungen, die zur Klärung des Sachverhalts benötigt werden, durchzuführen. Dabei erstreckt sich die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes auf die Ermittlung aller unter dem Gesichtspunkt der anzuwendenden Rechtsvorschriften im konkreten Fall in Betracht kommenden Tatsachen und deren Erhärtung durch Beweise (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 91/08/0188, mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2004/08/0247 E RS 1 |
Norm | AVG §46; |
RS 3 | Die Verwaltungsbehörden sind berechtigt, im Rahmen des im Verwaltungsverfahren geltenden Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel auch telefonische Erhebungen vorzunehmen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des Mag. S B in Wien, vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/10, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt. 3-AlV, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer bezieht seit Juli 2002 mit kurzen Unterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, seit in Form von Notstandshilfe.
Am wurde mit dem im Bezug von Notstandshilfe stehenden Beschwerdeführer von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Niederschrift aufgenommen. Daraus geht hervor, dass der Beschwerdeführer vom Arbeitsmarktservice aufgefordert wurde, wöchentlich zumindest eine Bewerbung glaubhaft zu machen. Die von ihm unterschriebene Niederschrift enthält weiters den Hinweis, dass sowohl die mangelnde Eigeninitiative zur Erlangung einer Beschäftigung als auch das Unterlassen einer vorgeschriebenen Kontrollmeldung ohne triftigen Grund den vorübergehenden Verlust des Leistungsanspruches gemäß § 10 bzw. § 49 AlVG zur Folge haben könne.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 iVm § 38 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) für den Zeitraum 18. November bis des Anspruches auf Notstandshilfe für verlustig erklärt.
In ihrer Begründung dazu führte die belangte Behörde neben Zitierung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen aus, dass der seit mit kurzen Unterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung - seit in Form von Notstandshilfe - beziehende Beschwerdeführer in der mit ihm am von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aufgenommenen und von ihm unterschriebenen Niederschrift aufgefordert worden sei, wöchentlich zumindest eine Bewerbung glaubhaft zu machen. Angesichts seiner persönlichen Verhältnisse, seines Alters und Ausbildungsstandes (mit abgeschlossenem Studium der Geologie sowie Berufserfahrung als Laborant und Abteilungsleiter) sei ihm eine Bewerbung wöchentlich (auch in Form sogenannter "Blindbewerbungen") zumutbar. Angesichts des derzeitigen dynamischen Arbeitsmarktes in Wien sowie des Umstandes, dass ihm als Notstandshilfebezieher kein Berufsschutz zukomme, sei ihm auch zumutbar sich im nichtakademischen Bereich zu bewerben. Am habe der Beschwerdeführer auf Nachfrage hinsichtlich der erfolgten Bewerbungen einen Stapel Visitenkarten vorgelegt und zu von ihm ausgewählten 18 Visitenkarten angegeben, sich bei den (darin) genannten Personen beworben zu haben.
Aus dem bezüglich dieser achtzehn Visitenkarten mittels telefonischer Kontaktaufnahme durchgeführten erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren, dessen einzelne Ergebnisse von der belangten Behörde im Detail angeführt wurden, ergaben sich - zusammengefasst - keine Bewerbungen des Beschwerdeführers (in acht Fällen sei von den kontaktierten Personen angegeben worden, dass keine Bewerbung eingegangen sei; in weiteren zehn Fällen sei die angegebene Telefonnummer entweder falsch gewesen oder es habe niemand erreicht werden können bzw. sei darunter - in zwei Lokalen - nur die Aufnahme von Bestellungen möglich gewesen).
Im Weiteren legte die belangte Behörde dar, dass dieses Ermittlungsergebnis am dem Beschwerdeführer - im erstinstanzlichen Verfahren - vom Sachbearbeiter im Beisein von zwei Abteilungsleitern des Arbeitsmarktservice zur Kenntnis gebracht worden sei. Der Beschwerdeführer habe angegeben, die Stellungnahme nicht anzuerkennen; er habe sich beworben und Absagen erhalten, wobei er bei seinen Bewerbungen keine Telefonnummern etc. kontrollieren, sondern auf die Richtigkeit der Daten vertrauen würde. Im Berufungsverfahren seien zusätzlich die vom Beschwerdeführer als Dienstgeber genannten (sieben) Personen angeschrieben worden.
In diesem Ermittlungsverfahren, dessen einzelne Ergebnisse von der belangten Behörde wiederum im Detail angeführt wurden, ergaben sich - zusammengefasst - ebenfalls keine Bewerbungen des Beschwerdeführers (in fünf Fällen sei von den kontaktierten Personen bestätigt worden, dass keine Bewerbung eingegangen sei bzw. diese überhaupt keine Stellen zu vergeben hätten; in zwei Fällen seien die angeschriebenen Betriebe verzogen und die vom Beschwerdeführer angegebenen Adressen offenkundig falsch gewesen).
Die belangte Behörde setzte in ihrer Begründung fort, dass der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 10. (richtig: 19.) März 2009 vom Stand des Ermittlungsverfahrens in Kenntnis gesetzt und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden sei, wobei er im Hinblick auf sein Vorbringen beim Arbeitsmarktservice, dass er wiederholt betreffend bereits getätigter Bewerbungen nachfrage, aufgefordert worden sei, auch diesbezüglich Nachweise vorzulegen. In der Folge habe der Beschwerdeführer am bei der belangten Behörde vorgesprochen und im Wesentlichen angegeben, sich bei allen 18 auf den Visitenkarten genannten Personen beworben zu haben; weitere Nachweise haben er nicht vorgelegt.
Die belangte Behörde kam auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer keine Bewerbungen nachweisen habe können, sodass eine Sanktion gemäß § 10 AIVG zu verhängen sei. Die achtwöchige Sanktionsfrist wurde damit begründet, dass bereits im Jahr 2006 eine Sanktion gemäß § 10 A1VG verhängt und seither keine neue Anwartschaft erworben worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Das Arbeitsmarktservice kann einen Arbeitslosen nach § 10 Abs. 1 Z. 4 AlVG auffordern, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen. Wird eine solche Aufforderung dahingehend konkretisiert, dass der Arbeitslose in bestimmter Zeit eine bestimmte Zahl von Bewerbungen nachweisen soll, kann dies aber nichts daran ändern, dass der Arbeitslose dennoch nur nachweisen muss, dass er ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung gemacht hat.
Es ist Aufgabe der Behörde zu beurteilen, ob die nachgewiesenen Anstrengungen unter den konkreten Verhältnissen vor dem Hintergrund des - ebenfalls darzustellenden - Umfeldes auf dem konkret in Frage kommenden Teil des Arbeitsmarktes nach den persönlichen Verhältnissen des Arbeitslosen ausreichend waren oder nicht. Kommt sie zum Ergebnis, die Anstrengungen seien nicht ausreichend, hat sie ihre diesbezüglichen Erwägungen in der Begründung des Bescheides darzulegen. Die Bescheidbegründung hat eine Würdigung der Anstrengungen zu enthalten. Hierbei ist das Gesamtverhalten des Arbeitslosen von der Aufforderung bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0041).
Soweit im konkreten Fall in den Beschwerdausführungen auch eine Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet und dazu ein Verstoß gegen die Manuduktionspflicht der belangten Behörde sowie mangelhafte Ermittlungen geltend gemacht bzw. erkennbar die Beweiswürdigung gerügt wird, vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen:
Nach der hg. Rechtsprechung gelten im Leistungsverfahren des Arbeitsmarktservice unter anderem das Prinzip der Amtswegigkeit, der Grundsatz des Parteiengehörs sowie die Grundsätze der freien Beweiswürdigung und der Unbeschränktheit der Beweismittel. Das Offizialprinzip beim Leistungsverfahren verpflichtet die Behörde, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen festzustellen. Daher obliegt es dem Arbeitsmarktservice, Erhebungen, die zur Klärung des Sachverhaltes benötigt werden, durchzuführen. Dabei erstreckt sich die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes auf die Ermittlung aller unter dem Gesichtspunkt der anzuwendenden Rechtsvorschriften im konkreten Fall in Betracht kommenden Tatsachen und deren Erhärtung durch Beweise (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0051).
Die Verwaltungsbehörden waren daher berechtigt, im Rahmen des im Verwaltungsverfahren geltenden Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel auch telefonische Erhebungen vorzunehmen.
Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer darüber hinaus nicht nur im erstinstanzlichen Verfahren die Möglichkeit einer Stellungnahme zu den telefonischen Ermittlungsergebnissen geboten, sondern es wurden auch - wie oben dargelegt - zusätzliche Erhebungen durch schriftliche Kontaktaufnahmen vorgenommen, wozu der Beschwerdeführer wiederum Stellung nehmen konnte. Wenn der Beschwerdeführer (letztlich) trotz der ausdrücklichen Aufforderung im Schreiben vom keine weiteren Nachweise erbringt und auch keine (weiteren) Zeugen namhaft macht, ist die belangte Behörde weder zu einer weiteren Manuduktion des Beschwerdeführers noch - angesichts der eindeutigen Erhebungsergebnisse - zur Durchführung weiterer Ermittlungen verhalten. Ebensowenig kann der Beschwerdeführer mit der Wiederholung seines Standpunktes die nachvollziehbar auf den dargelegten Ermittlungsergebnissen aufbauenden beweiswürdigende Erwägungen der belangten Behörde erschüttern. Aus dem Umstand, dass bei einem von ihm ins Treffen geführten Restaurant die telefonische Kontaktaufnahme dadurch, dass unter der Telefonnummer nur Bestellungen angenommen wurden, kein eindeutiges Ergebnis brachte, ist für den vom Beschwerdeführer angestrengten Nachweis wöchentlicher und damit laufender Bewerbungen zwecks Dartuung ausreichender Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nichts zu gewinnen.
Davon ausgehend ist auch die Rechtsrüge verfehlt: Die belangte Behörde hat völlig zutreffend unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers und angesichts der Beweisergebnisse das Vorliegen ausreichender Anstrengungen seitens des Beschwerdeführers zur Erlangung einer Beschäftigung verneint und auf dieser Grundlage unter Einbeziehung der Sanktion gemäß § 10 AlVG aus dem Jahr 2006 - auf das heutige Erkenntnis zur Zl. 2008/08/0215 wird verwiesen - eine achtwöchige Sanktionsfrist verhängt.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
Schlagworte | Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Grundsatz der Unbeschränktheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2009:2009080150.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAE-90002