VwGH vom 26.04.2017, Ro 2014/05/0049
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision der W GmbH in W, vertreten durch Dr. Harald Friedl, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 4/4a, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 153/12, betreffend Versagung der Baubewilligung (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Mit Eingabe vom ersuchte die Revisionswerberin beim Magistrat der Stadt Wien um Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Zubaus (Presshaus mit Weinkeller) gemäß § 70 Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien. Gleichzeitig ersuchte die Revisionswerberin um Bewilligung von Abweichungen von den Vorschriften des Bebauungsplanes gemäß § 69 BO. Die Abweichungen ergäben sich insbesondere in Bezug auf die vorgeschriebene Dachneigung und das Verbot der Errichtung von unterirdischen Gebäuden und seien unter anderem wegen des bestehenden Naturdenkmales (eine mitten im 14 m umfassenden "Baufleisch" stockende riesige Eibe) notwendig. Dem Ansuchen angeschlossen war weiters der Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom betreffend die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen für die Bauliegenschaft.
2 In ihrer Stellungnahme vom führte die Amtssachverständige der Magistratsabteilung 19 - Architektur und Stadtgestaltung, Dipl.-Ing. L., mit näherer Begründung aus, dass die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 Z 3 BO für die beabsichtigte Abweichung von den Bebauungsbestimmungen erfüllt seien. Weiters stellte sie fest, dass ein öffentliches Interesse an der Gestaltung der Bauvorhaben in Schutzzonen § 69 Abs. 3 BO gegeben sei.
3 Mit Schreiben vom teilte die Magistratsabteilung 22 - Wiener Umweltschutzabteilung mit, dass die sich auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft befindliche Eibe im Jahr 1937 unter Schutz gestellt worden sei und sich der geplante Zubau außerhalb des geschützten Bereiches des Naturdenkmales befinde.
4 In seiner Stellungnahme vom führte der Amtssachverständige der Magistratsabteilung 21 A - Stadtteilplanung und Flächennutzung, Dipl.-Ing. S, nach Darstellung der Rechtslage sowie des Projektes und der geplanten Abweichungen von den Bebauungsbestimmungen im Wesentlichen aus, Zielsetzung des maßgeblichen Flächenwidmungs- und Bebauunsplanes, Plandokument Nr. 7372, sei es, das zusammenhängende erhaltenswürdige Grünareal des Hanges zwischen dem historischen Bebauungsbereich entlang der C.gasse im Süden und dem R.weg im Norden zu erhalten und somit die Übergangszone zu den noch teilweise unmittelbar angrenzenden Weinkulturen im Schutzgebiet/Wald- und Wiesengürtel zu sichern. Auf Grund dieser topografischen und naturräumlichen Gegebenheiten sei hier somit nicht nur die gärtnerische Ausgestaltung ausgewiesen, sondern darüber hinaus auch eine Unterbauung dieses Grünareals mit seinem Vegetationsbestand untersagt.
5 Die geplante unterirdische Bebauung entlang der Nachbarliegenschaft in einer Tiefe von 37 m entspreche daher nicht den stadtplanerischen Zielsetzungen für dieses sensible Gebiet. Die Berücksichtigung des Naturdenkmales sei anzuerkennen und es entspreche auch der Intention des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes diese Eibe zu erhalten, indem hier nur 80 % des Bauplatzteiles bebaubar seien. Da laut Rechtslage derzeit noch maximal 397 m2 (ohne Berücksichtigung des Baumbestandes) unterirdisch bebaut werden könnten, sei die geplante unterirdische Bebauung im Ausmaß von ca. 450 m2 aus stadtplanerischer Sicht zu groß. Weiters finde auch die Tiefe der in den Hang bzw. Garten hineinragenden unterirdischen Bebauung keine Zustimmung. Vielmehr sollte hier im Sinne eines kompakten unterirdischen Bauwerkes der Eingriff in den Hangbereich und somit in die topografischen Gegebenheiten möglichst hintangehalten werden.
6 Der Abweichung vom Gebot der Dachneigung innerhalb der Schutzzone bzw. der Errichtung von Flachdächern, die begrünt werden sollten, könne hingegen zugestimmt werden.
7 Mit Schreiben vom teilte der Magistrat der Stadt Wien der Revisionswerberin mit, dass die beabsichtigten Abweichungen von den Vorschriften des Bebauungsplanes die Zielrichtung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes unterliefen, sodass die Baubewilligung zu versagen sei.
8 In ihrer dazu erstatteten Stellungnahme vom ersuchte die Revisionswerberin um Mitteilung, welche Änderungen an der Einreichplanung vorgenommen werden müssten, um eine Baubewilligung zu erlangen, wobei sie Einschnitte in die bzw. eine Reduktion der Raumkubatur, Nutzflächen oder Betriebsabläufe ausschloss.
9 Mit Bescheid vom versagte der Magistrat der Stadt Wien gemäß §§ 70 und 71 BO die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung von Zubauten, beinhaltend Räume für einen Weinbaubetrieb. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der von der Revisionswerberin in Form eines Flügelbaus an der linken Grundgrenze beantragte Zubau rage, vom bestehenden Gebäude aus betrachtet, 28 m auf eine Breite von 7,5 m in die Tiefe des Grundstückes und reiche somit ca. 14 m über die Baufluchtlinie hinaus in den gärtnerisch zu gestaltenden Bereich der Liegenschaft. Zudem befinde sich ein Aufzugsschacht aus dem geplanten unterirdischen Kellergeschoß in einer Entfernung von ca. 13 m von der Baufluchtlinie im gärtnerisch zu gestaltenden Bereich der Liegenschaft. Weiters solle ein unterirdisches Kellergeschoß im Gesamtausmaß von 476 m2 errichtet werden, wobei 289 m2 dieses Kellergeschoßes auf einer Fläche zu liegen kämen, für die die Errichtung von unterirdischen Gebäuden untersagt sei.
10 Die geplante unterirdische Bebauung entlang der Nachbarliegenschaft in einer Tiefe von ca. 22 m auf jenem Teil der Liegenschaft, auf dem die Errichtung unterirdischer Gebäude untersagt sei, entspreche nicht der Zielrichtung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes. Die gesamte bebaubare Fläche des Bauplatzes betrage ca. 795 m2, die geplante oberirdische Bebauung hinter der Baufluchtlinie im gärtnerisch zu gestaltenden Bereich sei ca. 110 m2 groß und betrage daher ca. 15 % der zulässig bebaubaren Fläche. Weiters betrage der Abstand zwischen der Baulinie und der hinteren Baufluchtlinie im Maximalfall ca. 33 m. Die Überschreitung der hinteren Baufluchtlinie um ca. 14 m stelle daher in Relation zur Maximaltiefe des bebaubaren Bereiches eine solche um 42 % dar. Eine Überschreitung der hinteren Baufluchtlinie in einem derartigen Ausmaß sei schon allein nach dem Wortsinn als eine Abweichung von den Bebauungsbestimmungen zu werten, die das geringfügige Ausmaß übersteige.
11 Das geplante unterirdische Kellergeschoß weise eine bebaute Fläche von 476 m2 auf. Der Bauplatzteil, welcher mit den besonderen Bebauungsbestimmungen BB2, BB4 und BB9 bezeichnet sei und eine Tiefe von 14 m aufweise, habe eine Fläche von ca. 395 m2. Die geplante unterirdische Bebauung sei wesentlich größer als die maximal nach den Bebauungsbestimmungen zulässige, sodass auch aus diesem Gesichtspunkt die Intention des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes unterlaufen werde.
12 In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Revisionswerberin - soweit noch wesentlich - vor, auf dem mit G BB8 bezeichneten Grundstücksteil sollten ca. 22 m x 12 m, somit ca. 260 m2, im Keller (gänzlich unterirdisch) sowie ca. 13 m x 7,5 m, somit ca. 97 m2, im Erdgeschoß (oberirdisch) verbaut werden. Der geplante Zubau in der Widmung G BB8 sei gemäß § 69 BO genehmigungsfähig, weil auf Grund des bestehenden Naturdenkmales nur ein sehr kleiner Teil der zur Verbauung gewidmeten Fläche (in W I 4,5 m), nämlich ca. 168 m2 im Keller und ca. 105 m2 im Erdgeschoß, verbaut werden könne. Die im Bereich G BB8 geplante unterirdisch verbaute Fläche von ca. 240 m2 (gemeint wohl: ca. 260 m2) entspräche nur ca. 13 % der mit "G" bezeichneten Grundfläche und nur ca. 8 % der gesamten Grundfläche. Die in "W I 4.5 m g" oberirdisch verbaubare Kubatur betrage unter Berücksichtigung der besonderen Bestimmungen (BB2 und BB9) ca. 1.880 m3. Die gesamte geplante Bebauung entspräche nur 45 % der zulässigen Kubatur. Die im zur Bebauung vorgesehenen Bereich befindlichen, mit G bezeichneten Grundflächen seien schon seit Jahrzehnten befestigt und versiegelt.
13 Der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan würde in der von der Baubehörde vorgenommenen Interpretation die Zielsetzung der Erhaltung und Förderung des Winzerdorfes G. unterlaufen, da die Errichtung von zeitgemäßen Produktions- und Lagereinrichtungen dadurch verhindert würde. Die geplante oberirdische Bebauung entspreche der Zielrichtung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, weil sie keine Überschreitung der zulässigen Bebauung darstelle, sondern es nur zu einer Verschiebung auf Grund des Naturdenkmales komme. Bloß die unterirdische Bebauung überschreite relativ geringfügig die bauliche Ausnutzbarkeit. Zudem würden nur ca. 98 m2 in Relation zu ca. 2.700 m2 gesamte Grundfläche oberirdisch verbaut werden, im Gegenzug jedoch ca. 280 m2 des bebaubaren Bereiches gänzlich unbebaut bleiben und als Garten verbleiben. Vegetationsbestand gebe es nicht, es handle sich um eine einfache Wiese, die, selbst wenn diese unterirdisch bebaut werde, als solche wiederhergestellt werden könne. Im Übrigen sei der gesamte Bereich längst verbaut, um nicht zu sagen verhüttelt, und es sei nur eine sehr kleine Fläche im näheren Umfeld als "Sww" ausgewiesen. Überwiegend handle es sich um Bauland, von unmittelbar an die Bauliegenschaft angrenzenden Weinkulturen könne keine Rede sein; diese seien zumindest 500 m bis 700 m Luftlinie entfernt und dazwischen liege ausschließlich dichtest verbautes Bauland.
14 § 69 Abs. 2 BO sei so zu verstehen, dass die Abweichungen in Schutzzonen unter der Voraussetzung, dass das öffentliche Interesse überwiege, eben auch entsprechend "größer" ausfallen dürften. Das öffentliche Interesse an lebenden Weinbaubetrieben in G. könne gar nicht hoch genug angesetzt werden. Das weitere Abwandern von Weinbaubetieben aus G. würde die Intentionen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes unterlaufen, niemals jedoch die Genehmigung von zeitgemäßen Zubauten zu einem Weinbaubetrieb.
15 Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Bauoberbehörde für Wien (im Folgenden: Berufungsbehörde) die Berufung der Revisionswerberin als unbegründet ab. Begründend führte die Berufungsbehörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, nach dem maßgeblichen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 7372, seien für den verfahrensgegenständlichen Bauplatz die Widmung Bauland - Wohngebiet in der Bauklasse I (eins) sowie die geschlossene Bauweise festgesetzt, wobei die Gebäudehöhe für den vorderen, an der Baulinie gelegenen bebaubaren Bereich auf 7,50 m beschränkt sei. Für den unmittelbar an den straßenseitig bebaubaren Bereich anschließenden, durch Baufluchtlinien ausgewiesenen und 14,00 m tiefen Bereich sei die Gebäudehöhe auf 4,50 m beschränkt. Im Anschluss daran sei für den Bauplatz die gärtnerische Ausgestaltung festgesetzt, wobei in diesem Bereich die Errichtung von unterirdischen Gebäuden untersagt sei. Zudem sei für den Bauplatz eine Schutzzone festgesetzt.
16 Für das Bauvorhaben der Revisionswerberin sei wegen der Überschreitung der "rückwärtigen" Baufluchtlinie und der sowohl ober- als auch unterirdischen Bebauung gärtnerisch auszugestaltender Flächen sowie auf Grund der Herstellung von Flachdächern an Stelle von Steildächern eine Bewilligung von Abweichungen von den Bebauungsvorschriften erforderlich.
17 Gemäß § 69 BO in der Fassung vor der Novelle LGBl. für Wien Nr. 25/2009 sei Grundvoraussetzung für die Gewährung einer Ausnahmebewilligung gewesen, dass durch diese der Umfang einer unwesentlichen Abänderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes nicht überschritten werde. Durch die Neufassung des § 69 BO sei diese Bestimmung der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes angepasst worden, sodass Abweichungen von den Vorschriften des Bebauungsplanes als Grundvoraussetzung die Zielrichtung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes nicht unterlaufen dürften.
18 Da der Verwaltungsgerichtshof bereits bei der Beurteilung nach § 69 alte Fassung der BO auf dieses Kriterium abgestellt habe, könne die bisherige diesbezügliche Judikatur weiterhin herangezogen werden. Zur Frage, ob die Zielrichtung des geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes durch das Bauvorhaben unterlaufen werde, liege im Behördenakt eine Stellungnahme des Amtssachverständigen für Stadtplanung vom ein. Diesen Ausführungen sei die Revisionswerberin in ihren Berufungsausführungen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Der Amtssachverständige habe seiner Beurteilung und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen den für die vom Bauvorhaben betroffene Liegenschaft geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan zu Grunde gelegt und sich mit der von der Revisionswerberin vorgetragenen Begründung für die Abweichungen von den Bebauungsvorschriften auseinandergesetzt, wobei seine Schlussfolgerungen für die Berufungsbehörde nachvollziehbar seien.
19 Die Voraussetzungen des § 69 BO lägen im gegenständlichen Fall deshalb nicht vor, weil ein Ausmaß von zumindest ca. 265 m2 (ca. 22 m x 12 m) der unterirdisch bebauten Fläche des Zubaus mit einer unterirdischen Gesamtfläche von ca. 445 m2 (ca. 37 m x 12 m) und damit von annähernd 60 % hinter der "rückwärtigen" Baufluchtlinie in der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche, auf der die Errichtung von unterirdischen Gebäuden untersagt sei, liege. Weiters betrage das Ausmaß der Bebauung des oberirdisch in Erscheinung tretenden Teiles des Zubaus in der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche ca. 97,50 m2 (ca. 12,50 m x 7,80 m). Die Überschreitung der "rückwärtigen" Baufluchtlinie durch den oberirdisch in Erscheinung tretenden Teil des Zubaus um ca. 12,50 m betrage im Vergleich zur "rückwärtigen" bebaubaren Fläche mit einer Tiefe von 14,00 m somit mehr als 82 %. Eine Überschreitung der "rückwärtigen" Baufluchtlinie in einem derartigen Ausmaß sei als eine das unwesentliche Ausmaß übersteigende Abweichung von Bebauungsbestimmungen zu werten. Auch sei die Überschreitung der "rückwärtigen" Baufluchtlinie durch die unterirdische Bebauung in einer gärtnerisch auszugestaltenden Fläche, auf der die Errichtung unterirdischer Gebäude untersagt sei, im dargestellten Ausmaß im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls als wesentlich anzusehen. Dies habe auch der Amtssachverständige für Stadtplanung in seiner Stellungnahme vom dargelegt. Aus diesen Gründen sei davon auszugehen, dass durch diese Abweichungen des Bauvorhabens von den Bebauungsvorschriften die Ziele des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes unterlaufen würden.
20 Darüber hinaus müsse eine Abweichung von den Vorschriften des Bebauungsplanes in der - hier festgesetzten - Schutzzone aus dem Überwiegen des öffentlichen Interesses aus Stadtbildgründen genehmigungsfähig sein und es dürfe die zulässige Ausnützbarkeit des Bauplatzes nicht überschritten werden. Wie die Revisionswerberin selbst ausführe, werde durch die Größe der (unterirdisch) bebauten Fläche des Zubaus die zulässige bauliche Ausnützbarkeit des Bauplatzes überschritten, weshalb aus diesem Grund die entsprechenden gesetzlich geforderten Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung ebenfalls nicht vorlägen.
21 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , B 1350/2012-4, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
22 In ihrer über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes verbesserten Revision beantragte die Revisionswerberin, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
23 Das gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG an die Stelle der Berufungsbehörde in das Verfahren eingetretene Verwaltungsgericht Wien hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
24 Hat der Verfassungsgerichtshof - wie im vorliegenden Fall -
eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung erst nach dem Ablauf des an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten, ist in sinngemäßer Anwendung des § 4 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz - VwGbk-ÜG, BGBl. I Nr. 33/2013, vorzugehen, sodass die Beschwerde als Revision gilt und für deren Behandlung nach § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß - mit einer im vorliegenden Zusammenhang nicht relevanten Maßgabe - gelten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/05/0078, mwN).
25 Im Revisionsfall war die BO, LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung LGBl. Nr. 46/2010 anzuwenden.
Die §§ 5 und 69 BO lauten auszugsweise:
"Inhalt der Bebauungspläne
§ 5. ...
(6) In den Bebauungsplänen können folgende Fluchtlinien festgesetzt werden:
...
e) Baufluchtlinien, das sind die Grenzen, über die mit
einem Gebäude oder Gebäudeteil mit Ausnahme der gemäß § 84 zulässigen Vorbauten nicht vorgerückt werden darf;
..."
"Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes
§ 69. (1) Für einzelne Bauvorhaben hat die Behörde
über die Zulässigkeit von Abweichungen von den Vorschriften des
Bebauungsplanes zu entscheiden. Diese Abweichungen dürfen die
Zielrichtung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes
nicht unterlaufen. Darüber hinaus darf
1. die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen ohne
nachgewiesene Zustimmung des betroffenen Nachbarn nicht vermindert
werden,
2. an Emissionen nicht mehr zu erwarten sein, als bei einer
der Flächenwidmung entsprechenden Nutzung typischerweise entsteht,
3. das vom Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan
beabsichtigte örtliche Stadtbild nicht störend beeinflusst werden und
4. die beabsichtigte Flächennutzung sowie Aufschließung
nicht grundlegend anders werden.
(2) Abweichungen, die die Voraussetzungen des Abs. 1
erfüllen, sind weiters nur zulässig, wenn sie nachvollziehbar
1. eine zweckmäßigere Flächennutzung bewirken,
2. eine zweckmäßigere oder zeitgemäße Nutzung von
Bauwerken, insbesondere des konsensgemäßen Baubestandes, bewirken,
3. der Herbeiführung eines den zeitgemäßen Vorstellungen
entsprechenden örtlichen Stadtbildes dienen oder
4. der Erhaltung schützenswerten Baumbestandes dienen.
(3) Für Bauvorhaben in Schutzzonen dürfen Abweichungen nach Abs. 1 nur bewilligt werden, wenn das öffentliche Interesse an einer besonderen Situierung und Ausbildung des Baukörpers zur Gestaltung des örtlichen Stadtbildes überwiegt und die zulässige Ausnützbarkeit des Bauplatzes nicht überschritten wird.
..."
26 Die Revisionswerberin bringt im Wesentlichen vor, nach § 69 BO komme es nunmehr darauf an, dass die geplante Bebauung nicht der Zielrichtung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes widerspreche. Die Berufungsbehörde lege § 69 BO unrichtig aus und missachte den Telos der Gesetzesänderung. Auch eine nicht mehr unwesentliche Abweichung vom Flächenwidmungs- und Bebauungsplan sei nun grundsätzlich einer Bewilligung nach § 69 BO zugänglich, solange die geplante Abweichung nur nicht den mit diesen Plänen verfolgten Absichten der Stadtplanung widerspreche. Nach der neuen Rechtslage komme es ausschließlich auf die einem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan innewohnende Zielrichtung an, welche von der Berufungsbehörde nicht ermittelt worden sei. Die Berufungsbehörde habe lediglich die Ausführungen des Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 21 A wiedergegeben, der jedoch seinerseits bloß eine Behauptung zur Zielrichtung aufstelle, ohne darzulegen, aus welchen Unterlagen er die Zielrichtung ermittelt habe. Bei der Beurteilung, ob eine bestimmte Abweichung vom Bebauungsplan den Absichten der Stadtplanung zuwiderlaufe, seien grundsätzlich jene Unterlagen heranzuziehen, die Grundlagen für die Beschlussfassung des Gemeinderates über das betreffende Plandokument gewesen seien. Darüber hinaus hätte die Berufungsbehörde selbst erkennen müssen, dass das Gutachten des Amtssachverständigen das "Abwägungsmaterial" nicht offen lege, und auf eine Ergänzung für die eigene Ermessensentscheidung dringen müssen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass eine Eibe als Naturdenkmal die nach der Zielrichtung vorgesehene Bebaubarkeit im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan verhindere und daher das Naturdenkmal selbst der Zielrichtung widerspreche, eine schonende Bebauung durchzuführen. Die geplante oberirdische Bebauung entspreche dieser Zielrichtung, weil sie keine Überschreitung der zulässigen Bebauung darstelle, sondern es nur zu einer Verschiebung auf Grund des im bebaubaren Bereich stockenden Naturdenkmales komme.
27 Zudem enthielten die Ausführungen des Amtssachverständigen keine Schlussfolgerungen oder eine Begründung dazu, auf welchem Weg er zu seinem Urteil gekommen sei. Die Revisionswerberin habe in ihrer Berufung umfangreich dargelegt, weswegen sie der Meinung sei, dass die geplanten Abweichungen nicht die Zielsetzungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes unterliefen, und vorgetragen, dass der Befund des Amtssachverständigen unvollständig und damit mangelhaft geblieben sei. Im bebaubaren Bereich gebe es entgegen dem Gutachten des Amtssachverständigen keinen Vegetationsbestand, sondern es handle sich um eine einfache Wiese. Jene mit "G" bezeichnete Grundfläche, die zur Bebauung vorgesehen sei, sei bereits seit Jahrzehnten befestigt und versiegelt. Mit diesem Vorbringen habe sich die Berufungsbehörde nicht auseinandergesetzt. Auch von unmittelbar angrenzenden Weinkulturen könne keine Rede sein. Dies alles hätte die Berufungsbehörde aus dem im Verwaltungsakt aufliegenden Luftbild erkennen müssen. Die tatsächlichen Gegebenheiten hätten bei Durchführung des beantragten Lokalaugenscheines eruiert werden können. Die Berufungsbehörde habe es zudem unterlassen, im Zusammenhang mit der auf der Liegenschaft befindlichen Eibe ein Sachverständigengutachten der Magistratsabteilung 22 einzuholen.
28 Die Berufungsbehörde habe nicht dargelegt, weshalb sie das Vorbringen der Revisionswerberin zur unterlassenen Ermittlungstätigkeit betreffend die Gesamtkubatur bzw. den Flächenausgleich unberücksichtigt gelassen habe, und sie habe dadurch ihre Begründungspflicht verletzt. Der Amtssachverständige für Stadtplanung habe das dazu erstattete Vorbringen der Revisionswerberin in den Punkten 3. und 7. ihres Ansuchens gänzlich außer Acht gelassen.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Revisionswerberin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
29 Wie sich aus dem im Revisionsfall maßgeblichen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr. 7372, ergibt, ist für den verfahrensgegenständlichen Bauplatz die Widmung Bauland - Wohngebiet in der Bauklasse I (eins) sowie die geschlossene Bauweise festgesetzt, wobei in dem - im Revisionsfall nicht maßgeblichen - straßenseitigen (der C.gasse zugewandten) Bereich die Gebäudehöhe auf 7,50 m beschränkt ist. Für den unmittelbar anschließenden hofseitigen Bereich, welcher bis zur hinteren Baufluchtlinie eine Tiefe von 14,00 m aufweist (und auf welchem sich das in Rede stehende Naturdenkmal befindet), ist die Gebäudehöhe auf 4,50 m beschränkt. In diesem mit BB2, 4 und 9 bezeichneten Bereich darf unter anderem gemäß Punkt 4.4. des genannten Plandokumentes das Ausmaß der bebauten Fläche maximal 80 v.H. des jeweiligen Teiles des Bauplatzes betragen. Für den zwischen der hinteren Baufluchtlinie und dem R.weg liegenden und mit G BB8 bezeichneten Bereich ist die gärtnerische Ausgestaltung festgesetzt, wobei in diesem Bereich gemäß Punkt 4.7. des genannten Plandokumentes die Errichtung von unterirdischen Gebäuden untersagt ist. Für den Bauplatz ist zudem eine Schutzzone festgesetzt, weshalb Dächer gemäß Punkt 5.1. des genannten Plandokumentes eine Dachneigung von 35 Grad nicht unterbzw. 45 Grad nicht überschreiten dürfen.
30 Entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin, hat die Berufungsbehörde § 69 BO nicht unrichtig ausgelegt. Sie hat in ihrer Beurteilung vielmehr zutreffend darauf abgestellt, ob durch die erforderlichen Abweichungen von den Bebauungsbestimmungen die Zielrichtung des Flächenwidmungsplanes und Bebauungsplanes unterlaufen wird. Die Berufungsbehörde hat in diesem Zusammenhang zu Recht auch darauf hingewiesen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits in seiner zu § 69 BO in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 25/2009 ergangenen Rechtsprechung in Bezug auf die damals normierte Voraussetzung der Unwesentlichkeit der Abweichung auf die Tendenz des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes abgestellt hat, weshalb diese Rechtsprechung auch auf § 69 BO in der im Revisionsfall maßgeblichen Fassung übertragbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2013/05/0142, 0146 und 0147, mwN).
31 Nach dieser zu § 69 BO in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 25/2009 ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte die Wesentlichkeit einer Abweichung nur dann zu Recht behauptet werden, wenn dieser "eine dem geltenden Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan unterlaufende Tendenz" innewohnte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/05/0207, mwN). Daraus ergibt sich, dass eine im Sinn der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wesentliche Abweichung - entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin - die Zielrichtung des Flächenwidmungsplanes und Bebauungsplanes unterläuft und damit einer Bewilligung nach § 69 BO nicht zugänglich ist.
32 Dass die Zielrichtung des im Revisionsfall maßgeblichen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes nicht ermittelt worden sei, trifft angesichts der dazu erstatteten Ausführungen des Amtssachverständigen Dipl.-Ing. S. in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom nicht zu. Die Berufungsbehörde hat sich bei ihrer Beurteilung, dass die geplanten Abweichungen von den Vorschriften des Bebauungsplanes die Zielrichtung des maßgeblichen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes unterlaufen würden, insbesondere auf diese gutachterliche Stellungnahme gestützt. Ihr ist darin beizupflichten, dass die Revisionswerberin dieser gutachterlichen Stellungnahme nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist. Entgegen ihrer nunmehr aufgestellten Behauptung hat die Revisionswerberin im Verfahren auch nicht eine Unvollständigkeit oder Unschlüssigkeit dieser gutachterlichen Stellungnahme behauptet.
33 Die Prüfung der Zulässigkeit von Abweichungen von den Vorschriften des Bebauungsplanes hat sich an der jeweils festgelegten Bestimmung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes zu orientieren, von der abgewichen werden soll (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2012/05/0120 bis 0122, mwN). Sieht ein Bebauungsplan etwa, wie im Revisionsfall, Baufluchtlinien vor, über die mit einem Gebäude oder Gebäudeteil (abgesehen von den zulässigen, im Revisionsfall nicht maßgeblichen Vorbauten) nicht vorgerückt werden darf (vgl. § 5 Abs. 6 lit. e BO), so hat sich die Prüfung der Zulässigkeit einer Abweichung von dieser Anordnung - auch wenn das Ausmaß der bebaubaren Fläche nicht überschritten bzw. die beabsichtigte Flächennutzung nicht grundlegend anders werden sollte - an der festgelegten Beschränkung (hier: 14,00 m Tiefe) zu orientieren (vgl. dazu auch das oben zitierte hg. Erkenntnis vom ). Die Berufungsbehörde war daher nicht gehalten, sich mit dem Vorbringen der Revisionswerberin betreffend die Gesamtkubatur und den Flächenausgleich auseinanderzusetzen oder ein Gutachten der Magistratsabteilung 22 zum Schutzbereich der Eibe einzuholen, sodass die in diesem Zusammenhang behaupteten Verfahrensmängel nicht vorliegen.
34 Die Berufungsbehörde hat bei ihrer Prüfung im Einzelfall unter anderem nachvollziehbar dargelegt, dass dem gegenständlichen Bauvorhaben auf Grund der Überschreitung der hinteren Baufluchtlinie durch den oberirdisch in Erscheinung tretenden Teil des Zubaus um ca. 12,50 m auf einer Breite von ca. 7,50 m eine die Zielrichtung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes unterlaufende Tendenz innewohnt, und diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden. Vor diesem Hintergrund hat sie die Baubewilligung zu Recht versagt.
35 Die Revision erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
36 Die Revisionswerberin hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
37 Der Verwaltungsgerichtshof kann gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.
38 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seinen Entscheidungen vom , Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom , Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal habe, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlicher Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichthof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige. Der EGMR hat in seinem Urteil vom , Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein), in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. Die geltend gemachten Verfahrensmängel lagen nicht vor. Im Übrigen waren ausschließlich Rechtsfragen zu lösen, wozu im Sinn der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinn des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Wien, am
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