VwGH vom 16.09.2009, 2007/05/0187

VwGH vom 16.09.2009, 2007/05/0187

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie den Senatspräsidenten Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des Dr. FN in Villach, vertreten durch WT Tautschnig Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in 9020 Klagenfurt, Villacher Straße 1A/7, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 7-B-BRM-979/1/2007, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Stadt Villach), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist (gemeinsam mit N. J.) Eigentümer eines Grundstückes an der Etrichstraße in Villach. Auf diesem Grundstück befindet sich ein Wohngebäude; entlang der westlichen (seitlichen) Grundgrenze ist eine Garage mit Vorplatzüberdachung in einer Länge von 11,25 m und, entfernt davon in der südwestlichen Ecke des Grundstückes, ein Gartengerätehaus mit einer Länge von 1,70 m angebaut. Die Garage ist von der (nördlichen) Straßengrundgrenze 4,89 m entfernt. Auch auf dem Nachbargrundstück ist an die genannte seitliche Grenze eine 5,99 m lange Garage angebaut, und zwar 2,22 m von der Straßengrundgrenze entfernt, sodass die beide Garagen über 3,32 m aneinander gebaut sind.

Mit Schreiben vom übermittelte der Beschwerdeführer der Baubehörde eine Bauanzeige hinsichtlich der Errichtung einer Carportstellfläche. Das Carport mit 400 cm Länge (Tiefe) und 500 cm Breite würde in Fortsetzung der Garage in Richtung Straßengrundgrenze errichtet werden und, weil es unter das bestehende Garagenvordach geschoben werde, bis einen Meter an die Straßengrundgrenze heranreichen. Außerdem würde der Neubau einen Seitenabstand von 20 cm zur seitlichen Grundgrenze einhalten.

Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Einleitung eines Vorprüfungsverfahrens; das projektierte Bauvorhaben widerspreche nicht dem Textlichen Bebauungsplan der Stadt Villach, da die Gesamtlänge der Anlage an der seitlichen Grundgrenze 13,00 m nicht überschreite.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Villach vom wurde das Bauansuchen des Beschwerdeführers abgewiesen. In der Begründung führte die Baubehörde aus, dass entlang der westlichen Grundgrenze bereits eine Garage mit Vorplatzüberdachung in einer Länge von 11,25 m sowie ein Gerätehaus mit einer Länge von 1,70 m bestehe, sodass die Gesamtanbaulänge 12,95 m betrage. In § 6 Abs. 8 des textlichen Bebauungsplans für Villach sei vorgesehen, dass Nebengebäude und/oder Garagen und/oder Carports mit einer Flachdachoberkante bzw. Traufenhöhe bis maximal 3,00 m allein stehend oder als mehrere Bauten in Summe bis zu einer Gesamtlänge von max. 13,00 m bis unmittelbar an einer Nachbargrundstücksgrenze errichtetet werden dürften, sofern Interessen des Orts- und Landschaftsbildes nicht entgegenstünden. Allfällige baubewilligte Bestandsbauten in einem Abstand kleiner als 3,00 m zur gemeinsamen Nachbargrundstücksgrenze seien als Bestandteil des Bauvorhabens zu berücksichtigen. Diese gesetzlichen Vorgaben würden durch das projektierte Bauvorhaben des Beschwerdeführers bei Weitem überschritten.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, die Baubehörde habe den Textlichen Bebauungsplan unrichtig angewandt. Da das Bauvorhaben nicht unmittelbar an der Grundstücksgrenze liegen würden, müsse auf allfällige Bestandsbauten kein Bedacht genommen werden.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt Villach auf Grund eines Beschlusses desselben vom wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Begründend führte der Stadtsenat aus, § 6 Abs. 8 des Textlichen Bebauungsplans der Stadt Villach regle nur Bauvorhaben in der Abstandsfläche, sohin innerhalb des Bauwichs oberirdischer Haupt(- gebäude). Es sei unerheblich, ob das Bauvorhaben bis unmittelbar an die Grundstücksgrenze reiche oder, wie im gegenständlichen Fall, ein Abstand von 20 cm gewählt werde. Der genehmigte Bestand und das projektierte Carport würden die zulässige Gesamtlänge von 13,00 m überschreiten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung als unbegründet ab. In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das projektierte Bauvorhaben unterliege der Bewilligungspflicht und überschreite die vorgesehenen Abstandsvorschriften im Textlichen Bebauungsplan. Sämtliche Bauvorhaben im Abstand kleiner als 3,00 m, d.h. Bauvorhaben in der Abstandsfläche bis unmittelbar an die Nachbargrenze, seien für die Berechnung der Gesamtlänge von Bedeutung. Das projektierte Bauvorhaben stehe im Widerspruch mit § 6 Abs. 8 des Textlichen Bebauungsplanes der Stadt Villach, da die Summe des genehmigten Bestandes und des projektierten Carports die zulässige Gesamtlänge von 13,00 m überschreite.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom , B 785/07, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, in die 13,00 m-Grenze des textlichen Bebauungsplanes seien weder


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der Altbestand der Garage, soweit er an die Nachbargrenze auf eine Länge von 3,32 m angebaut sei,
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noch der entstehende Anbau über eine Länge von 2,67 m,
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noch das Gartengerätehäuschen
miteinzubeziehen, sodass sich lediglich eine anrechenbare Bebauung von 9,26 m (11,25 m minus 3,32 m minus 2,67 m plus 4,00 m) ergebe.
Die Nichtanrechenbarkeit aneinander gebauter Baulichkeiten schließt der Beschwerdeführer aus § 4 Kärntner Bauvorschriften; dessen Abs. 1 enthalte das Gebot des (längenunbegrenzten) Aneinanderbaues, weshalb derartige Teile aus der Betrachtung nach § 6 des Textlichen Bebauungsplanes auszuklammern seien. Die Nichteinbeziehung des Gerätehäuschens begründet der Beschwerdeführer damit, dass durch § 4 Abs. 2 Kärntner Bauvorschriften die Anwendbarkeit der privilegierenden Bestimmung für die in § 6 Abs. 2 lit. b Kärntner Bauvorschriften genannten Bagatellbauten nicht ausgeschlossen werden dürfe, weil sonst eine unsachliche Differenzierung gegeben wäre. Für das Gartengerätehaus enthalte der Textliche Bebauungsplan keine Regelung.
§ 4 Kärntner Bauvorschriften (Überschrift: "Abstände"), LGBl. Nr. 56/1985 (zuletzt geändert durch LGBl Nr. 101/2005; K-BV) lautet auszugsweise:

"(1) Oberirdische Gebäude und sonstige bauliche Anlagen sind entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder so anzuordnen, dass sie voneinander und von der Grundstücksgrenze einen ausreichenden Abstand haben. Der Abstand ist in Abstandsflächen (§ 5) auszudrücken.

(2) Wenn und soweit in einem Bebauungsplan Abstände festgelegt sind, sind die Bestimmungen des Abs 1 letzter Satz und der §§ 5 bis 10 nicht anzuwenden."

§ 6 K-BV beschreibt die Wirkung von Abstandsflächen. Abs. 2 dieser Bestimmung nennt Gebäude oder bauliche Anlagen, die in Abstandsflächen errichtet werden dürfen, dieser lautet:

"(2) In Abstandsflächen dürfen nur die nachstehend angeführten Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen errichtet werden, und zwar unabhängig davon, ob sie in Verbindung mit einem Gebäude oder einer sonstigen baulichen Anlage oder für sich allein errichtet werden:


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a)
...
b)
ein Gebäude oder eine sonstige bauliche Anlage, das keine Aufenthaltsräume und Feuerstätten enthält, wie eine Einzelgarage oder ein Nebengebäude von ähnlicher Form und Größe oder eine überdeckte, mindestens an zwei Seiten offene Terrasse von höchstens 25 m2 Grundfläche, wenn
aa) es nicht höher als 2,50 m über dem angrenzenden projektierten Gelände liegt,
bb) ein Lichteinfall im Sinne des § 48 Abs 1 erster und zweiter Satz hinsichtlich des zu errichtenden Vorhabens nicht verhindert und hinsichtlich bestehender Gebäude nicht verschlechtert wird und
cc) Interessen der Sicherheit, der Gesundheit und des
Schutzes des Ortsbildes nicht verletzt werden;
c) ..."
Für das gegenständliche Grundstück besteht ein rechtswirksamer Bebauungsplan; der mit "Baulinien" überschriebene § 6 des Textlichen Bebauungsplans der Stadt Villach vom (TBBP) lautet auszugsweise:

"(1) Baulinien sind Grenzlinien eines Baugrundstückes, innerhalb welcher Gebäude und bauliche Anlagen errichtet werden dürfen.

(2) Die Baulinie entlang öffentlicher Straßen verläuft, soferne nicht im Bundesstraßengesetz 1971, idgF, im K-StrG, idgF oder durch die Absätze (3) bis (9) andere Abstände vorgeschrieben oder für zulässig erklärt werden, in einem Abstand von mindestens 4,0 m vom Straßenrand.

(5) Bei Flugdachkonstruktionen wie zB. Carports, überdeckten Zugängen, Wetterdächern, Pergolen und dergleichen udgl. ist ein Mindestabstand von 1,0 m vom Straßenrand einzuhalten. Für die Bauhöhen gilt Abs. 3) sinngemäß.

(8) Nebengebäude und/oder Garagen und/oder Carports (definiert durch § 6 Abs. 2, lit. b der K-BV idgF) mit einer Flachdachoberkante bzw. Traufenhöhe bis max 3,0 m (max. Firsthöhe 3,50 m) dürfen alleinstehend oder als mehrere Bauten in Summe bis zu einer Gesamtlänge von max. 13,0 m (gemessen Dachkonstruktion außen/außen) bis unmittelbar an einer Nachbargrundstücksgrenze errichtet werden, soferne Interessen des Orts- und Landschaftsbildes nicht entgegenstehen.

Allfällige baubewilligte Bestandsbauten in einem Abstand kleiner als 3,0 m zur gemeinsamen Nachbargrundstücksgrenze sind als Bestandteil der Gesamtlänge der baulichen Anlage zu berücksichtigen.

(11) Hinsichtlich der übrigen Baulinien gelten die Bestimmungen der §§ 4 bis 10 der K-BV idgF über die Abstandsflächen."

Mit § 6 TBBP hat der Verordnungsgeber von der Ermächtigung Gebrauch gemacht, gemäß § 25 Abs. 2 lit. c GemeindeplanungsG Baulinien (das sind die Grenzlinien auf einem Baugrundstück, innerhalb derer Gebäude errichtet werden dürfen) festzulegen. Den Vorrang einer solchen Festlegung gegenüber den gesetzlichen Bestimmungen des § 4 Abs. 1 letzter Satz und der §§ 5 bis 10 K-BV normiert § 4 Abs. 2 K-BV; derartige Abstände in Form von Baulinien hat der TBBP für bestimmte Baulichkeiten festgelegt. In § 6 Abs. 11 TBBP wird "Im Übrigen" auf die gesetzlichen Bestimmungen (rück-)verwiesen.

Bestimmungen über die Abstände von Grundstücksgrenzen und von Gebäuden ergeben sich entweder aus den §§ 4 bis 10 K-BV oder aus einem Bebauungsplan. In einem Bebauungsplan können abweichend von § 4 K-BV Abstände festgesetzt werden (hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/05/0226). Dort wurde auch ausgeführt, dass die im § 6 des damals geltenden Textlichen Bebauungsplanes Villach 1994 enthaltenen Vorschriften Abstandsregelungen iSd § 4 Abs. 2 K-BV darstellten.

Der Beschwerdeführer vermeint aber, aus der Bestimmung des § 4 Abs. 1 erster Satz K-BV ein Privileg des "Aneinanderbauens" in Anspruch nehmen zu können.

Der Verwaltungsgerichtshof führte schon in seinem Erkenntnis vom , Zl. 96/05/0108, aus, dass aus § 4 Abs. 1 erster Satz K-BV weder eine normative Anordnung, dass Gebäude zusammengebaut werden müssen, noch eine solche, dass sie in einem ausreichenden Abstand zueinander errichtet werden müssen, abgeleitet werden kann. Es bedürfe daher im Bebauungsplan nicht des ausdrücklichen Ausschlusses der Anwendung des § 4 Abs. 1 erster Satz K-BV. Eine Regelung des Bebauungsplanes, in dem die Zulässigkeit des Zusammenbauens normiert wird, würde gleichfalls eine Abstandsregelung iSd § 4 Abs. 2 K-BV darstellen.

Eine andere Rechtsgrundlage für seine Auffassung, dass an der Grundgrenze aneinander gebaute Baulichkeiten in die gegenständliche Längenbegrenzung nicht einzubeziehen wären, kann der Beschwerdeführer nicht bieten. Mit dem Hinweis auf eine Unsachlichkeit der gegenständlichen Bebauungsbestimmung, die darin liege, dass im Gegensatz zu § 6 Abs. 2 lit. b K-BV auch Bagatellbauten angerechnet werden, verkennt der Beschwerdeführer, dass § 4 Abs. 2 K-BV kein "Verschlechterungsverbot" enthält; der Verordnungsgeber ist selbstverständlich ermächtigt, gegenüber den gesetzlichen Bestimmungen für den Bauwerber günstigere, aber auch ungünstigere Bedingungen festzulegen.

Dem in der Beschwerde nicht mehr aufrecht erhaltenen Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, die Anrechnung komme wegen des 20 cm-Abstandes nicht in Betracht, hält die belangte Behörde zu Recht entgegen, dass der erste und zweite Satz des § 6 Abs. 8 TBBP in einem unmittelbaren Regelungszusammenhang stehen, weshalb Bauvorhaben (und nicht nur der Bestand) im Abstand kleiner als 3,00 m von der Grundstücksgrenze in die Berechnung der Gesamtlänge einzubeziehen sind.

Zu Recht haben die Behörden daher die bestehenden Bauten (die Garage in ihrer gesamten Länge und das Gartenhäuschen) sowie das Vorhaben in die Längenbemessung nach § 6 Abs. 8 TBBP einbezogen; in Anwendung der §§ 15 Abs. 1, 13 Abs. 2 lit. b Kärntner Bauordnung wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am