VwGH vom 05.04.2011, 2011/16/0083

VwGH vom 05.04.2011, 2011/16/0083

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch MMag. Robert Keisler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/1927- W/07, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum März 2001 bis Mai 2003, September bis November 2003, Juli 2004 bis Mai 2005 und Jänner 2006, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war im für das verwaltungsgerichtliche Verfahren bedeutsamen Zeitraum vom März 2001 bis zum Jänner 2006 Staatsangehörige des damaligen Staates Serbien und Montenegro und bezog für ihren am geborenen Sohn T.G. Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

Im Zuge der "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom auf, u.a. "Meldezettel" für die Zeit vom bis und vom bis zu übermitteln und bekannt zu geben, wo sie in dieser Zeit aufhältig gewesen sei.

Die Beschwerdeführerin antwortete durch einen Vermerk auf dem zurückgesandten Schreiben, "Ich (Beschwerdeführerin) über gebe meine Mutter L. G. die Kinder Beihilfe von T.G. zu über nemen weil er lebt bei ihr".

In der in den vorgelegten Verwaltungsakten in Ablichtung einliegenden Geburtsurkunde des T.G. ist kein Vater eingetragen.

Vom Finanzamt eingeholte Auskünfte beim zentralen Melderegister vom ergaben folgende Meldedaten:

Für die Beschwerdeführerin:

bis : in W, S.straße, Unterkunftgeber T.A.

bis : in W, T.straße, Unterkunftgeber unleserlich

bis : in W, G.straße, Unterkunftgeber L.G.

bis : in W, H.gasse, Unterkunftgeber T.A.

bis : in W, G.straße, Unterkunftgeber L.G.

bis : in W, H.gasse, Unterkunftgeber T.A.

seit : in W, G.straße, Unterkunftgeber L.G.

Für T.G.:

bis : in W, S.straße, Unterkunftgeber T.A.

bis : in W, T.straße, Unterkunftgeber T.A.

bis : in W, E.straße, Unterkunftgeber L.N.

bis : in W, G.straße, Unterkunftgeber L.G.

bis : in W, H.gasse, Unterkunftgeber T.A.

bis : in W, M.straße, Unterkunftgeber T.A.

seit : in W, G.straße, Unterkunftgeber L.G.

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Beschwerdeführerin Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für T.G. für die Zeiträume März 2001 bis Mai 2003, September 2003 bis November 2003, Juli 2004 bis Mai 2005 und Jänner 2006 zurück. Anspruch auf Familienbeihilfe hätten bis Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt seien und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet bezögen, wobei kein Anspruch bestehe, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauere. Dies gelte bis nicht für Personen, die sich seit mindestens 60 Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhielten sowie für Staatenlose und Flüchtlinge. Sei bis der Elternteil, der den Haushalt überwiegend führe, nicht österreichischer Staatsbürger, genüge für dessen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn der andere Elternteil österreichischer Staatsbürger sei. Da bei der Beschwerdeführerin alle diese Voraussetzungen für die Rückforderungszeiträume nicht zuträfen, sei die Familienbeihilfe zurückzufordern. Für den Monat Jänner 2006 werde die Familienbeihilfe zurückgefordert, weil die Beschwerdeführerin für diesen Monat keine aufrechte Meldung in Österreich gehabt habe und auch keiner Tätigkeit nachgegangen sei.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin und legte ein Schreiben des Magistrats der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie Soziale Arbeit mit Familien, vom vor, wonach "die Familie" dem Amt seit Jahren bekannt sei. Die Beschwerdeführerin habe immer wieder den Wohnsitz gewechselt, ihr Sohn T.G. habe sich aber seit seiner Geburt bei den Großeltern N.G. und L.G. aufgehalten und werde auch von diesen zur Gänze versorgt. Die Großeltern nähmen auch immer wieder die Beschwerdeführerin bei sich auf. Die Beschwerdeführerin sei "vom Jahr 2004 an, vom bis nicht gemeldet. Der Ex-Lebensgefährte habe sie da ohne ihr Wissen abgemeldet."

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Zur Begründung wiederholte das Finanzamt die Ausführungen im Rückforderungsbescheid vom und fügte hinzu, die Beschwerdeführerin habe in der Berufung auch erklärt, dass "in diesen Zeiträumen" die Großeltern zur Gänze für den Unterhalt des Sohnes der Beschwerdeführerin aufgekommen seien.

Dagegen brachte die Beschwerdeführerin zusammen mit einem Schreiben des Magistrats der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie Soziale Arbeit mit Familien, vom einen Vorlageantrag ein. In jenem Schreiben führt der Magistrat der Stadt Wien aus, der "mütterliche Großvater" des T.G. habe vorgesprochen und mitgeteilt, dass er von seiner Tochter, der Beschwerdeführerin, immer die Familienbeihilfe bekommen habe, weil deren Sohn in seinem Haushalt lebe. Dies könne der Magistrat der Stadt Wien bestätigen. Die Familie sei immer wieder aufgeklärt worden, dass die Großmutter, die berufstätig sei, die Obsorge für T.G. übernehmen solle. Die Beschwerdeführerin wohne derzeit im Haushalt "der Großeltern" (gemeint wohl des T.G.).

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin sei ledig. Ihr im Jahr 1997 geborener Sohn sei nach ihren eigenen Angaben seit seiner Geburt bei seinen Großeltern untergebracht und werde zur Gänze von diesen versorgt. Zudem behaupte die Beschwerdeführerin mehrfach, die erhaltene Familienbeihilfe dem Großvater (des T.G.) weitergegeben zu haben. Die Beschwerdeführerin sei vom bis und vom bis nicht in Österreich gemeldet gewesen. Beschäftigt sei die Beschwerdeführerin vom Juni bis August 2003, vom Dezember 2003 bis Juni 2004 und vom Mai 2005 bis Dezember 2005 gewesen. Daraus ergäben sich "die strittigen Rückforderungszeiträume". Die Beschwerdeführerin habe keinen Anspruch auf Familienbeihilfe, weil sich ihr Sohn nicht in ihrem Haushalt, sondern in dem der Großeltern befunden habe. Außerdem habe die Beschwerdeführerin deshalb keinen Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, weil sie "in den streitanhängigen Zeiträumen" unbestritten keiner über drei Monate hinausgehenden Beschäftigung nachgegangen sei. Die Behauptung, die Beschwerdeführerin sei von ihrem früheren Lebensgefährten ohne ihr Wissen abgemeldet worden, stelle keinen tauglichen Beweis dafür dar, dass sie sich "im fraglichen Zeitraum" ununterbrochen mehr als 60 Kalendermonate in Österreich aufgehalten habe. Derartiges behaupte die Beschwerdeführerin auch nicht einmal ansatzweise.

In der dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin im Recht auf Unterlassung der Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die streitgegenständlichen Zeiträume verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und reichte eine Gegenschrift ein, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder. Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind hat nach § 2 Abs. 2 leg. cit. die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Für die Streitzeiträume März 2001 bis Mai 2003, September bis November 2003 und Juli 2004 bis Mai 2005 hatten Personen, die nicht österreichische Staatsbürger waren, nach § 3 Abs. 1 FLAG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 646/1977 nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt waren und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet bezogen; kein Anspruch bestand jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauerte. Kein Anspruch bestand außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstieß.

§ 3 Abs. 1 FLAG in der zitierten Fassung galt für die Streitzeiträume März 2001 bis Mai 2003 und September bis November 2003 nach § 3 Abs. 2 FLAG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 646/1977 nicht für Personen, die sich seit mindestens 60 Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhielten, sowie für Staatenlose und für Flüchtlinge im Sinne des Art. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom , BGBl. Nr. 55/1955, und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974.

§ 3 Abs. 1 FLAG in der zitierten Fassung galt für den Streitzeitraum Juli 2004 bis Mai 2005 nach § 3 Abs. 2 FLAG in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. Nr. 142/2004, nicht für Personen, die sich seit mindestens 60 Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhielten, sowie für Staatenlose und Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde.

Für diese Streitzeiträume vor 2006 genügte nach § 3 Abs. 3 FLAG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 367/1991 für den Anspruch eines Elternteils, der den Haushalt überwiegend führte, jedoch nicht österreichischer Staatsbürger war, wenn der andere Elternteil österreichischer Staatsbürger war oder die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1 oder 2 erfüllte.

Für den Streitzeitraum Jänner 2006 hatten Personen, die nicht österreichische Staatsbürger waren, nach § 3 Abs. 1 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaktes 2005, BGBl. I Nr. 100, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach den §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) rechtmäßig in Österreich aufhielten. Abweichend von § 3 Abs. 1 FLAG hatten Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 3 Abs. 3 FLAG idF des Fremdenrechtspaketes 2005.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG) in den Fassungen der Bundesgesetze BGBl. I Nr. 79/1998 und 59/2001 stand einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes Familienbeihilfe gewährt wurde, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG anzuwenden.

Dass die Beschwerdeführerin in den die Rückforderung betreffenden Zeiträumen vor 2006 in Österreich eine mehr als dreimonatige Beschäftigung im Sinn des § 3 Abs. 1 FLAG in der für diese Zeiträume maßgebenden Fassung hätte aufweisen können, behauptet sie selbst nicht. Dass sie Flüchtling im Sinne des Art. 1 des oben erwähnten Abkommens gewesen wäre oder dass ihr Asyl gewährt worden wäre (§ 3 Abs. 2 FLAG in den für diese Zeiträume maßgebenden Fassungen), geht weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten hervor noch wird dies in der Beschwerde behauptet.

Die Beschwerdeführerin trägt vor, der Vater ihres Sohnes sei österreichischer Staatsbürger. Dieses einen Anspruch auf Familienbeihilfe für die Zeiträume vor 2006 nach § 3 Abs. 3 FLAG in der damals geltenden Fassung geltend machende Vorbringen verstößt gegen das vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG).

In Ausführung der Verfahrensrüge bekämpft die Beschwerdeführerin die - vom Verwaltungsgerichtshof lediglich auf ihre Schlüssigkeit zu prüfende - Beweiswürdigung der belangten Behörde, welche zum Ergebnis führte, dass sich die Beschwerdeführerin in den Streitzeiträumen nicht seit mindestens 60 Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufgehalten habe und somit die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 FLAG in den für diese Zeiträume maßgebenden Fassungen nicht gegeben gewesen seien. Allerdings verschweigt die Beschwerdeführerin bereits sowohl im Verwaltungsverfahren als auch noch in der Beschwerde, seit wann sie sich ständig im Bundesgebiet aufgehalten haben will. Schon allein deshalb konnten weder die Abgabenbehörden beider Instanzen noch kann der Verwaltungsgerichtshof nachvollziehen, wann dieser allfällig ständige Aufenthalt im Bundesgebiet begonnen hätte und für welche der streitgegenständlichen Zeiträume er seit mindestens 60 Kalendermonaten gedauert hätte.

Dass sich die Beschwerdeführerin in den Zeiten, in denen sie in Österreich unstrittig nicht gemeldet war, dennoch tatsächlich nicht in einem Drittland, sondern im Bundesgebiet (oder einem anderen EU-Mitgliedstaat) aufgehalten hätte, behauptet sie im Übrigen auch in der Beschwerde nicht ausdrücklich, sondern wirft der belangten Behörde lediglich vor, diese hätte den Aufenthalt der Beschwerdeführerin ermitteln müssen.

Die Beschwerdeführerin führt ins Treffen, in dem mit der Berufung vorgelegten Schreiben des Magistrats der Stadt Wien (vom ) werde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin zwar für einzelne der streitgegenständlichen Zeiträume nicht gemeldet gewesen sei, dieser Umstand sich allerdings nicht darauf zurückführen lasse, dass die Beschwerdeführerin nicht in Österreich aufhältig gewesen sei, sondern vielmehr darauf, dass der ehemalige Lebensgefährte der Beschwerdeführerin diese ohne deren Wissen abgemeldet habe. Damit entfernt sich die Beschwerdeführerin vom Akteninhalt, weil in dem erwähnten Schreiben nicht aufscheint, dass sich das Fehlen einer Anmeldung nicht auf das Fehlen eines Aufenthalts in Österreich zurückführen ließe.

Für den Streitzeitraum Jänner 2006 behauptet die Beschwerdeführerin auch in der Beschwerde nicht konkret, sich nach den §§ 8 und 9 NAG in Österreich rechtmäßig aufgehalten zu haben.

Da die Beschwerdeführerin sohin der Annahme der belangten Behörde nicht erfolgreich entgegentritt, dass die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe nach § 3 FLAG in den maßgeblichen Fassungen gegeben gewesen wären, erübrigt es sich, auf die Einwendungen der Beschwerdeführerin näher einzugehen, dass die belangte Behörde auch davon ausgegangen sei, T.G. habe in den in Rede stehenden Zeiträumen nicht zum Haushalt der Beschwerdeführerin gehört (§ 2 Abs. 2 erster Satz FLAG).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am