VwGH vom 28.03.2012, 2009/08/0138

VwGH vom 28.03.2012, 2009/08/0138

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und den Hofrat Dr. Strohmayer sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des V Z in L, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Burghard-Breitner-Straße 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMASK- 421366/0001-II/A/3/2009, betreffend Aussetzung eines Feststellungsverfahrens gemäß § 194a GSVG (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer meldete mit seine Gewerbeberechtigung als Spengler, Glaser und Schwarzdecker ruhend. Das bis dahin von ihm geführte Spengler- und Glaserunternehmen verpachtete er zu einem Pachtzins von EUR 7.000,-- monatlich an die Z. GmbH, deren alleiniger Gesellschafter er war.

Auf Antrag des Beschwerdeführers stellte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in einem Verfahren nach § 194a GSVG fest, dass die Einkünfte des Beschwerdeführers aus gewerblicher Liegenschaftsverpachtung eine die Pflichtversicherung begründende Erwerbstätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG darstellten. Den dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Einspruch wies der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom als unbegründet ab. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde.

Diese schlug den Verfahrensparteien mit Schreiben vom vor, "den rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid (für das Kalenderjahr 2008) abzuwarten und dann über die Berufung zu entscheiden". Dies wurde sowohl vom Beschwerdeführer als auch von der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft abgelehnt.

In der Folge erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, mit dem sie das Verfahren gemäß § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung der "Vorfrage bezüglich der Feststellung der Einkommensteuerpflicht durch die zuständige Abgabenbehörde" aussetzte.

Begründend führte sie nach der Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage aus, dass die zuständige Abgabenbehörde noch keinen Einkommensteuerbescheid betreffend die steuerrechtliche Qualifikation der Einkünfte für das Kalenderjahr 2008 ausgestellt habe. Der Verwaltungsgerichtshof gehe von einer Bindungswirkung der an die jeweiligen Sozialversicherungsanstalten computerunterstützt weitergeleiteten Daten der rechtskräftigen Einkommensteuerbescheide bei der Feststellung der Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG aus. Prinzipiell sei die Erlassung eines Bescheides nach § 194a GSVG hier zwar zulässig, aber verfahrensökonomisch nicht sinnvoll, weil das Vorliegen einer Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG wesentlich von der steuerlichen Beurteilung der Einkünfte abhänge. Die Beurteilung als Vorfrage durch die Einspruchsbehörde sei nach Ansicht der belangten Behörde nicht hinreichend begründet. Die Angabe des steuerlichen Vertreters, dass man die Einkünfte gemäß § 23 EStG 1988 veranlagen werde, die die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ihrer Entscheidung zugrunde gelegt habe, sei auch keine hinreichende Basis für eine Entscheidung, wenn in absehbarer Zeit eine bescheidmäßige Absprache der dazu berufenen Behörde zu erwarten sei und damit Rechtssicherheit geschaffen werde. Dabei gehe es nicht um die Frage der Höhe der Einkünfte (und damit um das Überschreiten der Versicherungsgrenze), sondern um die Qualifikation als Einkünfte gemäß §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und/oder 23 EStG 1988.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Nach dem (gemäß § 194 GSVG iVm § 357 Abs. 1 ASVG anzuwendenden) § 38 AVG ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen; sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 38 AVG setzt demnach jedenfalls voraus, dass die Vorfrage schon Gegenstand eines anhängigen Verfahrens ist oder ein solches Verfahren gleichzeitig -

durch die aussetzende Behörde selbst (vgl. Hengstschläger/Leeb , AVG § 38 Rz 45) - anhängig gemacht wird. Andernfalls besteht die Pflicht, die Vorfrage selbst zu beurteilen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/18/0221, VwSlg. 16.728 A).

Dass ein Verfahren betreffend die Einkommensteuerpflicht des Beschwerdeführers aus der Verpachtung seines Gewerbebetriebs anhängig sei, wurde von der belangten Behörde aber nicht festgestellt. In der Beschwerde wird die Anhängigkeit eines solchen Verfahrens (zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) - unter Vorlage einer Bestätigung des zuständigen Finanzamtes - ausdrücklich bestritten.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit schon deswegen als rechtswidrig, weil die belangte Behörde offenbar verkannt hat, dass die Vorfrage bereits Gegenstand eines anhängigen Verfahrens hätte sein müssen, um eine Aussetzung gemäß § 38 AVG zu ermöglichen (das gleichzeitige Anhängigmachen eines solchen Verfahrens durch die belangte Behörde kam im Beschwerdefall nicht in Betracht).

Folglich war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am