VwGH vom 09.11.2011, 2011/16/0079

VwGH vom 09.11.2011, 2011/16/0079

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Dipl.-Oec. W in W, vertreten durch die Proksch Partner Rechtsanwälte OG in 1030 Wien, Am Heumarkt 9/I/11, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. ABK - 253/07, betreffend Haftung nach §§ 7 und 54 WAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war seit als handelsrechtlicher Geschäftsführer der A. GesmbH im Firmenbuch eingetragen.

Das Handelsgericht Wien eröffnete mit Beschluss vom den Konkurs über das Vermögen der A. GesmbH.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid zog die belangte Behörde den Beschwerdeführer nach §§ 7 und 54 der WAO zur Haftung für Kommunalsteuer für März bis Dezember 2006 und Jänner und Februar 2007 samt Säumniszuschlag sowie für Dienstgeberabgabe für Februar 2007 im Gesamtausmaß von 2.080,96 EUR heran. Wenngleich dem Beschwerdeführer lediglich hinsichtlich des Zeitraumes vom 13. bis zum die Begehung einer schuldhaften Pflichtverletzung vorgeworfen werde, hafte er doch auch für Abgabenrückstände aus vorher gehenden Zeiträumen, weil die Gesellschaft verpflichtet bleibe, Abgabenschuldigkeiten zu erfüllen, mit deren Abfuhr oder Einzahlung sie in Rückstand geraten sei. Der Beschwerdeführer habe jedoch anderen Gläubigern ihre zum Teil beträchtlichen Forderungen zur Gänze bezahlt, ohne die Ansprüche der Abgabengläubigerin entsprechend zu berücksichtigen. Die Privilegierung einzelner Gläubiger stehe dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung entgegen. Zur Ermessensbegründung führte die belangte Behörde aus, bei Abstandnahme von der Haftung würde der Abgabengläubiger seines Anspruches verlustig gehen und es sei nicht unbillig, dass ein seine abgabenrechtlichen Pflichten verletzender Geschäftsführer zur Haftung herangezogen werde, weil andernfalls jene Abgabepflichtigen und ihre Vertreter, die ihre Pflichten erfüllten, im wirtschaftlichen Wettbewerb benachteiligt würden. Weiters sei die ehemalige Geschäftsführerin U.E. ebenfalls zur Haftung herangezogen worden, bemerke die belangte Behörde zum Auswahlermessen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer ersichtlich im Recht verletzt erachtet, nicht zur Haftung für die in Rede stehenden Abgaben herangezogen zu werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Gemäß § 54 Abs. 1 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Wiener Abgabenordnung - WAO haben u.a. die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 7 Abs. 1 WAO haften die in den §§ 54 ff. bezeichneten Vertreter neben den Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten, sei es abgabenrechtlicher oder sonstiger Pflichten, bei den Abgabepflichtigen nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 7 Abs. 1 WAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/13/0047).

Der Beschwerdeführer trägt vor, bereits bei der Übernahme der Geschäftsführung durch ihn habe es sich um eine insolvente und mit Altlasten behaftete Gesellschaft gehandelt. Da das GmbH-Gesetz selbst davon ausgehe, dass eine GesmbH einen Geschäftsführer benötige, was so weit gehe, dass bei Fehlen eines Geschäftsführers sogar Notgeschäftsführer zu bestellen seien, könne in der Übernahme der Geschäftsführung weder Rechtswidrigkeit noch Verschulden erblickt werden, unabhängig davon, ob Verbindlichkeiten bestünden oder nicht. Der Beschwerdeführer habe sich umgehend über die finanzielle Situation der Gesellschaft unterrichtet. Da sich herausgestellt habe, dass die Gesellschaft komplett überschuldet gewesen sei, sei umgehend die Konkursantragstellung erfolgt. Er habe lediglich Zug-um-Zug-Zahlungen geleistet, welche für die Beurteilung des Unternehmens und die darauf folgende Konkursantragstellung unerlässlich gewesen seien. Dabei habe es sich um die Bezahlung der Leibwächter für den Beschwerdeführer gehandelt, weil andernfalls nicht einmal eine Sicherung der Unterlagen der A. GesmbH ohne Gefahr für Leib und Leben möglich gewesen wäre. Weiters sei ein EDV-Techniker zu beauftragen gewesen, weil auf Grund der Machenschaften der ehemaligen Geschäftsführung die Computer derart manipuliert gewesen seien, dass sie ohne technische Hilfe nicht mehr hätten hochgefahren werden können. Schließlich sei eine Rechtsanwaltskanzlei zu beauftragen gewesen, was zur dringend notwendigen Beratung über Voraussetzungen und Folgen eines Konkursantrages sowie die tatsächliche Einbringung desselben erforderlich gewesen sei.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. neben dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom , Zl. 89/15/0021, etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/13/0085, und vom , Zlen. 2007/13/0005 bis 0007) hat sich der Vertreter bei Übernahme seiner Funktion auch darüber zu unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene GesmbH bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei, weil die Pflicht der GesmbH zur Abgabenentrichtung erst mit deren Abstattung endet. Die GesmbH bleibt verpflichtet, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr oder Einzahlung sie in Rückstand geraten ist, zu erfüllen, und zur Erfüllung dieser Verpflichtung ist der Geschäftsführer der GesmbH verhalten.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung gehen die Einwände des Beschwerdeführers ins Leere, er habe seine Pflichten nicht schuldhaft verletzt, weil er die Geschäftsführung übernommen habe, und nach Übernahme der Geschäftsführung (knapp drei Wochen später) sei der Konkurs über die Gesellschaft eröffnet worden.

Traf den Beschwerdeführer sohin mit Übernahme der Geschäftsführung die Pflicht zur zumindest anteiligen Entrichtung der rückständigen Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft nach dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (die im Haftungsbetrag enthaltenen Abgaben für Februar 2007 wurden erst am , sohin nach Übernahme der Geschäftsführung fällig), so gehen seine Ausführungen ins Leere, er habe lediglich aus den vorhandenen Mitteln Zug-um-Zug-Zahlungen getätigt. Denn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. jüngst etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/16/0084, mwN) bezieht sich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch auf Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind, und kann eine Bevorzugung von Gläubigern auch in der Barzahlung von Wirtschaftsgütern in Form von sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften bestehen.

Mit der allgemeinen Behauptung, der Fortbetrieb der Gesellschaft hätte noch wesentlich höheren Schaden verursacht, wenn der Beschwerdeführer nicht die Geschäftsführung übernommen und rasch den Konkursantrag gestellt hätte, zeigt der Beschwerdeführer, der im Verwaltungsverfahren kein Vorbringen gegen die Ermessensausübung durch die Abgabenbehörde erstattet hatte, nicht auf, dass die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung das ihr eingeräumte Ermessen überschritten oder missbraucht hätte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am