VwGH vom 28.03.2012, 2009/08/0137
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des B M in H, vertreten durch Dr. Rosemarie Aigner, Rechtsanwältin in 6382 Gasteig/Kirchdorf i.T., Bärnbichl 11, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. Vd-SV-1001-1-547/2, betreffend Feststellung der Beitragspflicht gemäß § 53a Abs. 3 und 4 ASVG (mitbeteiligte Partei: Tiroler Gebietskrankenkasse in 6020 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2-4), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, gemäß § 53a Abs. 3 und 4 ASVG den Betrag von EUR 376,02 an Kranken- und Pensionsversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 1. Jänner bis zu bezahlen.
Der Beschwerdeführer sei vom 1. Jänner bis bei der Firma M. vollversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Gleichzeitig habe er eine geringfügige Beschäftigung bei der Firma R. ausgeübt. Aus diesem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis resultiere für den genannten Zeitraum eine allgemeine Beitragsgrundlage von EUR 3.839,99. Hinsichtlich dieser geringfügigen Beschäftigung sei in Entsprechung des § 53a Abs. 3 und 4 ASVG ein Pauschalbeitrag in Höhe von EUR 376,02 vorzuschreiben. Dieser Betrag sei "in der beigelegten Beitragsvorschreibung vom enthalten, die Bestandteil der Begründung dieses Bescheides" sei.
Festzuhalten ist, dass die genannte Beitragsvorschreibung in den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens nicht enthalten ist.
In dem gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Einspruch legte der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine Einnahmen und Ausgaben dar und brachte vor, dass er jeden Monat bereits EUR 21,-- bezahlt habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Einspruch des Beschwerdeführers abgewiesen. Sie legt darin zunächst den Gang des Verwaltungsverfahrens und die anzuwendenden Rechtsvorschriften dar und stellt danach fest, dass der Beschwerdeführer vom 1. Jänner bis zum bei der M. GmbH vollversicherungspflichtig und zusätzlich bei der R. GmbH geringfügig beschäftigt gewesen sei, wobei er ein monatliches Entgelt von EUR 320,-- bezogen habe. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG bezüglich des Beschäftigungsverhältnisses bei der M. GmbH. Hinsichtlich des Dienstverhältnisses bei der R. GmbH gelte die Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 1 Z 2 ASVG, welche diese Beschäftigung als geringfügig qualifiziere.
Da es sich folglich beim Beschwerdeführer um einen vollversicherten Dienstnehmer handle, sei § 53a Abs. 3 ASVG heranzuziehen, welcher den Dienstnehmer im Fall einer geringfügigen Beschäftigung zu einem Pauschalbeitrag verpflichte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. § 53a Abs. 3 und 4 ASVG in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 71/2005 lauten:
"(3) Vollversicherte, die in einem oder mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen nach diesem Bundesgesetz oder dem Dienstleistungsscheckgesetz stehen, haben hinsichtlich dieser geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse einen Pauschalbeitrag zu leisten. Für jeden Kalendermonat beträgt dieser Pauschalbeitrag für die im § 51 Abs. 1 Z 1 lit. a genannten Personen 13,65%, für alle anderen Personen 14,2% der allgemeinen Beitragsgrundlage. (…)
(4) Beiträge zur Krankenversicherung und zur Pensionsversicherung für Vollversicherte gemäß Abs. 3 oder für Teilversicherte gemäß Abs. 3a sind nur so weit vorzuschreiben, als die Summe der allgemeinen Beitragsgrundlagen aus allen Beschäftigungsverhältnissen im Kalendermonat das Dreißigfache der Höchstbeitragsgrundlage (§ 45 Abs. 1) nicht überschreitet."
2. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, die belangte Behörde habe eine vom Beschwerdeführer bereits 2006 mit der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse getroffene "Vereinbarung" über monatliche Vorauszahlungen in der Höhe von EUR 21,23 nicht berücksichtigt. Diesen monatlichen Beitragszahlungen sei der Beschwerdeführer im Jahr 2007 ordnungsgemäß nachgekommen. Es sei dem Beschwerdeführer daher nicht verständlich, warum plötzlich im Jahr 2008 eine Nachzahlung erfolgen solle. Schließlich sei der Beschwerdeführer von sich aus bereits im Vorfeld an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse herangetreten und habe mit dieser monatliche Vorauszahlungen vereinbart, um seiner Verpflichtung zur Leistung der vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß nachzukommen. Dazu habe die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen.
3. Damit zeigt der Beschwerdeführer im Ergebnis einen Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides auf:
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat mit dem erstinstanzlichen Bescheid über eine konkrete Zahlungsverpflichtung des Beschwerdeführers abgesprochen. Im dagegen erhobenen Einspruch hat der Beschwerdeführer unter anderem vorgebracht, monatliche Zahlungen (in der Höhe von EUR 21,--; laut Beschwerde EUR 21,23) geleistet zu haben. Dieses Vorbringen kann nur dahin verstanden werden, dass der Beschwerdeführer damit die Richtigkeit der konkret zur Zahlung vorgeschriebenen Beiträge bestritten hat, da seine Zahlungen nicht berücksichtigt worden seien.
Die belangte Behörde hätte daher im angefochtenen Bescheid darzulegen gehabt, wie sich die Höhe der von ihr bestätigten Zahlungsverpflichtung des Beschwerdeführers errechnet. Dazu wäre neben der Feststellung der der Berechnung des Pauschalbetrages nach § 53a Abs. 3 ASVG zugrunde gelegten Beitragsgrundlage (nach dem angefochtenen Bescheid ein monatliches Entgelt von EUR 320,--; nach dem erstinstanzlichen Bescheid eine für den gesamten Jahreszeitraum berücksichtigte allgemeine Beitragsgrundlage von EUR 3.839,99, was auf eine Rundungsdifferenz schließen lässt) auch die Feststellung erforderlich gewesen, ob der Beschwerdeführer in der geringfügigen Beschäftigung als eine in § 51 Abs. 1 Z 1 lit. a ASVG genannte Person (Angestellter) anzusehen war. Vor allem wäre auch darzulegen gewesen, welche Beiträge sich aus den Beitragsgrundlagen aufgrund welches anzuwendenden Beitragssatzes ergeben und welche Zahlungen vom Beschwerdeführer schon geleistet wurden, sodass die festgestellte Zahlungspflicht rechnerisch nachvollzogen werden könnte.
4. Da der angefochtene Bescheid, auch in Verbindung mit dem - in den Verwaltungsakten nur unvollständig enthaltenen - erstinstanzlichen Bescheid, die rechnerische Nachprüfung der Beitragsforderung und insbesondere die Überprüfung, ob behauptete Zahlungen des Beschwerdeführers berücksichtigt wurden, nicht ermöglicht, erweist er sich als im Sinne des § 60 AVG mangelhaft begründet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am