VwGH vom 19.11.2014, 2014/22/0010

VwGH vom 19.11.2014, 2014/22/0010

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

Ra 2014/22/0012

Ra 2014/22/0011

Ra 2014/22/0014

Ra 2014/22/0013

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2014/22/0132 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schweda, über die Revision der Bundesministerin für Inneres gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zlen. LVwG 26.8-1913/2014-9, LVwG 26.8-1906/2014-6, LVwG 26.8- 1909/2014-6, LVwG 26.8-1910/2014-6, LVwG 26.8-1912/2014-6, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Parteien: 1. K, 2. A,

3. S 4. E und 5. I, zweit- bis fünftmitbeteiligte Partei vertreten durch K, alle in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die mitbeteiligten Parteien (die erstmitbeteiligte Partei ist die Mutter der weiteren - minderjährigen - mitbeteiligten Parteien, alle sind Staatsangehörige der Russischen Föderation) stellten am einen Antrag auf Erteilung jeweils eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft G (BH) vom wurden diese Anträge gemäß § 41a Abs. 9 NAG abgewiesen. In ihrer Begründung verwies die BH darauf, dass gegen die mitbeteiligten Parteien asylrechtliche Ausweisungen (rechtskräftig seit dem ) erlassen worden seien. Auch unter Berücksichtigung der Einstellungszusage und des Sprachzertifikates der erstmitbeteiligten Partei, des Schulbesuchs der zweit- und drittmitbeteiligten Partei sowie der vorgelegten Empfehlungsschreiben würde kein seit Rechtskraft der Ausweisungsentscheidungen maßgeblich geänderter Sachverhalt vorliegen, weshalb keine positive Erledigung möglich sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht) den dagegen erhobenen, nunmehr als Beschwerden zu qualifizierenden Berufungen der mitbeteiligten Parteien Folge und sprach wie folgt aus: "Die angefochtenen Bescheide werden behoben und die beantragten Aufenthaltstitel erteilt." Weiters erklärte das Verwaltungsgericht die ordentliche Revision für unzulässig.

In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht zunächst das bisherige Verwaltungsgeschehen und die Ergebnisse der am durchgeführten mündlichen Verhandlung dar. Insbesondere im Hinblick auf die vorgelegten Unterstützungsschreiben, die vorangetriebene Integration (etwa durch ehrenamtliche Tätigkeit und Weiterbildungsaktivitäten), die Einstellungszusage für die erstmitbeteiligte Partei sowie die Teilnahme am sozialen Leben in Österreich aller mitbeteiligten Parteien ging das Verwaltungsgericht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung davon aus, dass ein Eingriff in Rechte nach Art. 8 EMRK nicht mehr verhältnismäßig wäre. Gemäß § 11 Abs. 3 NAG seien den mitbeteiligten Parteien "die beantragten Aufenthaltstitel zu erteilen", weil dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens geboten sei.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 3a NAG erhobene außerordentliche Revision der Bundesministerin für Inneres (im Folgenden: Revisionswerberin).

Zum Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung führt die Revisionswerberin (u.a.) aus, dass es dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses an der erforderlichen Bestimmtheit mangle, weil nicht konkretisiert werde, für welche zeitliche Geltungsdauer der jeweils "beantragte Aufenthaltstitel" erteilt werde. Wenn in einem Erkenntnis über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgesprochen werde, so habe der Spruch neben der genauen Bezeichnung des Aufenthaltstitels auch die Dauer zu bestimmen, für die der Titel erteilt werde. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Anforderungen an den Bestimmtheitsgrad eines Ausspruches, mit dem ein befristeter Aufenthaltstitel erteilt werde, - so die Revisionswerberin weiter -

fehle bislang. Diese Rechtsfrage könne auch aus den heranzuziehenden Normen nicht eindeutig gelöst werden.

Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Revisionsbeantwortung, in der sie zum Spruch des Erkenntnisses auf § 20 Abs. 1 NAG verweisen, dem zufolge befristete Aufenthaltstitel - sofern nicht anderes bestimmt ist - für die Dauer von zwölf Monaten auszustellen sind, es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer der Aufenthaltstitel beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 26 NAG sind die mit Ablauf des beim Bundesminister für Inneres anhängigen Berufungsverfahren ab vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach den Bestimmungen des NAG idF vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Die maßgeblichen Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 50/2012

lauten wie folgt:

"Gültigkeitsdauer von Aufenthaltstiteln

§ 20. (1) Sofern nicht anderes bestimmt ist, sind befristete Aufenthaltstitel für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen, es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer der Aufenthaltstitel beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.

..."

"Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus'

§ 41a. ...

(9) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, ein Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus' zu erteilen, wenn

1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt,

2. dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

3. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 14a) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausübt."

Gemäß § 59 Abs. 1 AVG, der auf Grund des § 17 VwGVG im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten sinngemäß anzuwenden ist, hat der Spruch (eines Erkenntnisses) die in Verhandlung stehende Angelegenheit in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen.

Die Frage der ausreichenden Bestimmtheit des Spruches des angefochtenen Erkenntnisses wurde von der Revisionswerberin auch zutreffend als grundsätzliche Rechtsfrage aufgeworfen, weshalb sich die außerordentliche Revision als zulässig erweist.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies Folgendes: Der Verwaltungsgerichtshof hat - im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Notstandshilfe bzw. der Versicherungspflicht - zum Ausdruck gebracht, dass über den Zeitraum bzw. die Dauer eines Anspruches bzw. einer Pflicht eindeutig bestimmbar abzusprechen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/08/0165, und vom , Zl. 2001/08/0034). Im Spruch des gegenständlich angefochtenen Erkenntnisses wird zum Zeitraum, für den die beantragten Aufenthaltstitel erteilt werden, keine Aussage getroffen. Es wird nicht einmal zum Ausdruck gebracht, ob die Titelerteilung befristet oder unbefristet erfolgen soll. Somit wird die Gültigkeitsdauer der erteilten Aufenthaltstitel nicht festgelegt.

Die Gültigkeitsdauer der erteilten Aufenthaltstitel ergibt sich auch nicht unmittelbar aus § 20 Abs. 1 NAG. Zum einen gilt § 20 Abs. 1 NAG nur für befristete Aufenthaltstitel, dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses lässt sich aber - wie dargestellt -

nicht entnehmen, ob die Aufenthaltstitel befristet oder unbefristet erteilt werden sollen. Zum anderen bestimmt § 20 Abs. 1 NAG seinem Wortlaut nach nicht, dass Aufenthaltstitel, für die im Zuge der Erteilung keine bestimmte Dauer normiert wird, "ex lege" als für die Dauer von zwölf Monaten erteilt zu gelten haben, sondern er ordnet (lediglich) an, für welchen Zeitraum - nämlich für zwölf Monate - Aufenthaltstitel grundsätzlich auszustellen sind, wenn keiner der angeführten Ausnahmefälle (es wurde eine kürzere Dauer der Aufenthaltstitel beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf) vorliegt.

Somit ist die Dauer, für die die beantragten Aufenthaltstitel erteilt werden sollen, auch unter Berücksichtigung des § 20 Abs. 1 NAG nicht eindeutig bestimmbar.

Daran kann auch der Hinweis der mitbeteiligten Parteien in ihrer Revisionsbeantwortung darauf, dass sie über keine Reisedokumente verfügen würden und auch keine abweichende Dauer beantragt hätten, nichts ändern, weil dieses Parteienvorbringen nicht für die Beurteilung der Bestimmtheit des Spruchs eines Erkenntnisses herangezogen werden kann.

Da die Dauer, für die ein Aufenthaltstitel erteilt wird, nicht vom Umstand der Titelerteilung an sich getrennt werden kann, belastet die fehlende Bestimmtheit des Zeitraumes, für den die beantragten Aufenthaltstitel erteilt werden sollten, das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit. Ausgehend davon musste auf die Frage der hinreichend bestimmten Bezeichnung der Art der erteilten Aufenthaltstitel sowie auf das weitere Revisionsvorbringen betreffend die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK nicht mehr eingegangen werden.

Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am