VwGH vom 26.05.2011, 2011/16/0077
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/2856- W/07, betreffend Gewährung von Familienbeihilfen für Dezember 2006, (mitbeteiligte Partei: Dr. K in W, vertreten durch die "Cura" Treuhand- und Revisionsgesellschaft mbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 26) zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom beantragte der Mitbeteiligte die Gewährung von Familienbeihilfe u.a. für den Monat Dezember 2006 für seinen am geborenen Sohn D. Der Mitbeteiligte habe im Juni 2006 eine Mitteilung des Finanzamtes über den Wegfall des Anspruches auf Familienbeihilfe für D erhalten. Im September 2006 sei auf Grund des Berufsschulbesuchs Ds neuerlich der Familienbeihilfenanspruch entstanden. Weiters habe D die Lehrabschlussprüfung am abgelegt, wobei er diese zum überwiegenden Teil bestanden habe.
Der Mitbeteiligte legte eine Bestätigung der Berufsschule für Elektro- und Veranstaltungstechnik in W, wonach D vom 4. bis den Lehrgang in dieser Berufsschule besucht habe, und ein Prüfungszeugnis der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer W vor, wonach D am die Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Veranstaltungstechniker nicht bestanden habe. Der Gegenstand Veranstaltungskonzeption (Fachgespräch) sei zu wiederholen.
Mit Schriftsatz vom legte der Mitbeteiligte auf Vorhalt des Finanzamtes das Prüfungszeugnis der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer W für D vor, wonach dieser am die Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Veranstaltungstechniker bestanden habe.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag des Mitbeteiligten für Dezember 2006 ab. Familienbeihilfe stehe nur dann zu, wenn das Kind in Berufsausbildung stehe. Die wesentlichen Merkmale einer Berufsausbildung seien praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt werde, eine angemessene Unterrichtsdauer sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung. Da D im Dezember 2006 nicht in Berufsausbildung gestanden sei, sei der Antrag abzuweisen gewesen.
Dagegen berief der Mitbeteiligte mit der Begründung, die Familienbeihilfe sei auch für die Dauer von drei Monaten nach Abschluss der Berufsausbildung zu gewähren. Im Übrigen sei die Berufsausbildung abgeschlossen, wenn die letzte Prüfung, die nach den Ausbildungsvorschriften vorgesehen sei, mit Erfolg abgelegt werde. Da D nachweislich im Dezember 2006 die Lehrabschlussprüfung zum größten Teil und den letzten Teil der Lehrabschlussprüfung im Februar 2007 abgelegt habe, sei D u.a. im Dezember 2006 in Berufsausbildung gestanden.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Die Lehrlingsausbildung gliedere sich in einen praktischen und einen theoretischen Teil. Die fachliche Ausbildung werde durch den Lehrvertrag geregelt. Das Lehrverhältnis ende mit Ablauf der im Lehrvertrag vereinbarten Dauer der Lehrzeit. Das in weiterer Folge erworbene theoretische Wissen im Rahmen eines Berufsschulbesuches könne der Berufsausbildung hinzugerechnet werden. Da D am die Berufsschule abgeschlossen habe, sei an diesem Tag die Berufsausbildung beendet gewesen. Die Zeit danach stelle keine Berufsausbildung mehr dar, weil weder fachliches noch theoretisches Wissen vermittelt worden sei. Die Vorbereitung zur Lehrabschlussprüfung sei demnach nicht als Berufsausbildung anzusehen.
Im dagegen erhobenen Vorlageantrag führte der Mitbeteiligte aus, die Berufsausbildung Ds sei nicht mit Abschluss der Berufsschule am , sondern mit erfolgreicher Ablegung der Lehrabschlussprüfung im Februar 2007 beendet worden. Im Übrigen verwies er auf seine Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und hob den vor ihr bekämpften Bescheid (ersatzlos) auf. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und rechtlichen Ausführungen stellte die belangte Behörde fest, D habe am die Lehrabschlussprüfung abgelegt und zum überwiegenden Teil bestanden, im Februar 2007 habe er nachweislich den kleinen zu wiederholenden Prüfungsteil bestanden. Die Berufsausbildung sei abgeschlossen, wenn die letzte Prüfung, die nach den Ausbildungsvorschriften vorgesehen sei, mit Erfolg abgelegt werde. Darüber hinaus bestehe für die drei Monate nach Abschluss der Berufsausbildung bei Vorliegen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen noch Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern nicht der "Grenzbetrag" während der Berufsausbildung in diesem Jahr überschritten worden sei. Daher stehe dem Mitbeteiligten für Dezember 2006 die Familienbeihilfe für seinen Sohn D zu. Da ein Bescheid nur dann zu erlassen sei, wenn einem Antrag auf Familienbeihilfe nicht oder nicht vollinhaltlich stattgegeben werde, sei die Erlassung eines Abweisungsbescheides durch das Finanzamt rechtswidrig und sei dieser Bescheid ersatzlos aufzuheben gewesen.
Dagegen richtet sich die gemäß § 292 BAO vom Finanzamt erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein. Der Mitbeteiligte reichte ebenfalls eine Gegenschrift ein, in welcher er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 23/1999 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. d FLAG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung des Gesetzes über die Ausbildung von Frauen im Bundesheer - GAFB, BGBl. I Nr. 30/1998, haben die genannten Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Dauer von drei Monaten nach Abschluss der Berufsausbildung, sofern sie weder den Präsenz- oder Ausbildungsdienst noch den Zivildienst leisten.
Nach § 5 Abs. 1 FLAG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 142/2000 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat und in dem es ein zu versteuerndes Einkommen bezogen hat, das den Betrag von 8.725 EUR übersteigt. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens des Kindes bleiben u.a. das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht - hiebei bleibt das zu versteuernde Einkommen für Zeiträume nach § 2 Abs. 1 lit. d unberücksichtigt - und die Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis außer Betracht.
Gemäß § 6 Abs. 1 des Berufsausbildungsgesetzes - BAG hat die Dauer der Lehrzeit in einem Lehrberuf in der Regel drei Jahre zu betragen. Der Lehrvertrag ist nach § 13 Abs. 1 leg.cit. für die für den Lehrberuf festgesetzte Dauer der Lehrzeit abzuschließen.
Das Lehrverhältnis endet nach § 14 Abs. 1 BAG mit Ablauf der im Lehrvertrag vereinbarten Dauer der Lehrzeit. Vor dem Ablauf der vereinbarten Lehrzeit endet das Lehrverhältnis nach § 14 Abs. 2 lit. e leg.cit., wenn der Lehrling die Lehrabschlussprüfung erfolgreich ablegt, wobei die Endigung des Lehrverhältnisses mit Ablauf der Woche eintritt, in der die Prüfung abgelegt wird.
Der Lehrberechtigte ist nach § 18 Abs. 1 BAG verpflichtet, den Lehrling, dessen Lehrverhältnis mit ihm gemäß § 14 Abs. 1 oder § 14 Abs. 2 lit. e endet, im Betrieb drei Monate im erlernten Beruf weiterzuverwenden.
Nach § 21 Abs. 1 BAG ist Zweck der Lehrabschlussprüfung, festzustellen, ob sich der Lehrling die im betreffenden Lehrberuf erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse angeeignet hat und in der Lage ist, die dem erlernten Lehrberuf eigentümlichen Tätigkeiten selbst fachgerecht auszuführen. Die Lehrabschlussprüfung gliedert sich in eine praktische und eine theoretische Prüfung und besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. Die Lehrlingsstellen haben nach § 21 Abs. 2 leg. cit dafür zu sorgen, dass sich alle Lehrlinge am Ende der Lehrzeit der Lehrabschlussprüfung unterziehen können.
Zur Lehrabschlussprüfung im erlernten oder in einem verwandten Lehrberuf sind nach § 23 Abs. 1 BAG Lehrlinge, Personen, die die festgesetzte Lehrzeit allenfalls unter Anrechnung bestimmter Zeiten beendet haben, und Personen, die auf Grund einer schulmäßigen Ausbildung keine Lehrzeit zurücklegen müssen, unter der Voraussetzung zuzulassen, dass die Dauer der zurückgelegten oder anzurechnenden Lehrzeit oder das Zeugnis über den die Lehrzeit ganz oder teilweise ersetzenden erfolgreichen Besuch einer Schule, und der Besuch der Berufsschule oder die Befreiung von der Berufsschulpflicht sowie die Entrichtung der Prüfungstaxe nachgewiesen werden. Die Zulassung zur Lehrabschlussprüfung für Lehrlinge ist nach § 23 Abs. 2 leg. cit. bei der für den Lehrbetrieb (die Ausbildungsstätte) des Lehrlings örtlich zuständigen Lehrlingsstelle frühestens sechs Monate vor Beendigung der festgesetzten Lehrzeit, sonst nach Wahl des Prüfungswerbers entweder bei der nach dem Arbeitsort oder bei der nach dem Wohnort des Prüfungswerbers örtlich zuständigen Lehrlingsstelle zu beantragen. Die Lehrlingsstelle hat über den Antrag zu entscheiden und den Prüfungstermin festzusetzen, der bei Lehrlingen auch in den letzten zehn Wochen der festgesetzten Lehrzeit, jedoch bei ganzjährigen oder saisonmäßigen Berufsschulen nicht früher als sechs Wochen vor dem Ende des Unterrichtsjahres, bei Lehrberufen mit zweieinhalb- oder dreieinhalbjähriger Dauer der Lehrzeit sechs Wochen vor Beendigung der Berufsschulpflicht und bei lehrgangsmäßigen Berufsschulen nicht vor dem Ende des letzten Lehrgangs liegen darf.
Der Termin für die Lehrabschlussprüfung ist gemäß § 3 Abs. 1 der Allgemeinen Lehrabschlussprüfungsordnung, BGBl. Nr. 670/1995, von der Lehrlingsstelle unter Berücksichtigung der vorgeschriebenen Dauer der Prüfung festzusetzen. Der Zeitraum zwischen den einzelnen Prüfungsteilen ist möglichst kurz zu halten und darf insgesamt sechs Wochen nicht überschreiten. Die Lehrlingsstelle hat dem Prüfungswerber den festgesetzten Prüfungstermin gemäß § 3 Abs. 2 der zitierten Verordnung spätestens drei Wochen vor diesem Termin schriftlich bekanntzugeben. Im Einzelfall kann im Interesse des Prüfungswerbers diese Frist unterschritten werden.
Für Prüfungswerber, die während der Lehrzeit oder u. a. während der Zeit der Weiterverwendung gemäß § 18 BAG erstmals zur Lehrabschlussprüfung antreten, hat der letzte Lehrberechtigte gemäß § 4 Abs. 1 der zitierten Verordnung die Prüfungsmaterialien kostenlos zur Verfügung zu stellen. In sonstigen Fällen hat nach § 4 Abs. 2 dieser Verordnung der Prüfungswerber die benötigten Prüfungsmaterialien mitzubringen oder beizustellen.
Nach § 2 der Veranstaltungstechnik-Ausbildungsordnung, BGBl. II Nr. 281/2005, soll durch die Berufsausbildung im Lehrbetrieb und in der Berufsschule der ausgebildete Lehrling befähigt werden, die näher beschriebenen Tätigkeiten fachgerecht, selbstständig und eigenverantwortlich ausführen zu können.
Um von einer Berufsausbildung sprechen zu können, ist außerhalb des im § 2 Abs. 1 lit b FLAG besonders geregelten Besuchs einer Einrichtung im Sinn des § 3 des Studienförderungsgesetzes nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das ernstliche, zielstrebige und nach außen erkennbare Bemühen um einen Ausbildungserfolg erforderlich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/13/0157, mwN). Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die erfolgreiche Absicht tatsächlich gelingt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/15/0089).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist festzuhalten, dass sich die Berufsausbildung im Lehrberuf Veranstaltungstechnik im Beschwerdefall jedenfalls auf die Dauer eines Lehrverhältnisses und des Berufsschulbesuches erstreckt. Die anschließende Zeit bis zur Lehrabschlussprüfung ist dann zur Berufsausbildung zu zählen, wenn der Prüfungswerber das in der Rechtsprechung geforderte ernstliche und zielstrebige Bemühen erkennen lässt. Dies ist der Fall, wenn er zeitgerecht (§ 23 Abs. 2 BAG) die Zulassung zur Lehrabschlussprüfung beantragt.
Ob dies im Beschwerdefall, welcher lediglich den Monat Dezember 2006 betrifft, zugetroffen hat und ob der Zeitraum zwischen dem Ende des Berufsschulbesuches () bis zum Antritt der Lehrabschlussprüfung im Dezember 2006 auch als Berufsausbildung zu werten ist, der Familienbeihilfenanspruch für Dezember 2006 somit aus dem Titel des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG bestünde, kann dahingestellt bleiben.
Nimmt man nämlich - wie das Finanzamt schon in der Berufungsvorentscheidung und auch in der vorliegenden Beschwerde selbst ausführt - einen Abschluss der Berufsausbildung mit dem Ende des Berufsschulbesuchs des Sohnes des Mitbeteiligten im September 2006 an, so stand dem Mitbeteiligten für die drei anschließenden Monate Oktober, November und den Streitmonat Dezember 2006 Familienbeihilfe bereits gemäß § 2 Abs. 1 lit. d FLAG in der im Beschwerdefall anzuwendenden angeführten Fassung zu.
Dass die Einschränkung des § 5 Abs. 1 FLAG gegeben wäre, geht aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht hervor und behauptet auch das beschwerdeführende Finanzamt nicht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am