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VwGH vom 09.09.2014, 2014/22/0001

VwGH vom 09.09.2014, 2014/22/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der M, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 158.238/2- III/4/11, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die Bundesministerin für Inneres (in der Folge: Behörde) den Antrag der Beschwerdeführerin, einer afghanischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zwecks Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich aufhältigen Ehemann gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass der zusammenführende Ehepartner zum Zeitpunkt der Erstantragstellung am das erforderliche

21. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt habe und somit die besondere Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Antragstellung, dass nämlich beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels das 21. Lebensjahr vollendet haben müssen, nicht erfüllt sei.

Das Alterserfordernis von 21 Jahren stehe im Einklang mit Art. 4 Abs. 5 der Familienzusammenführungsrichtlinie 2003/86/EG. Der Ehemann der Beschwerdeführerin habe zwar am sein 21. Lebensjahr vollendet, jedoch sei gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 NAG der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich und nicht der der Bescheiderlassung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides im März 2011 sind die Bestimmungen des NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 anzuwenden und es beziehen sich nachstehende Zitierungen auf diese Rechtslage.

Gemäß § 46 Abs. 4 NAG kann Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen unter weiteren Voraussetzungen eine "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" erteilt werden.

§ 2 Abs. 1 Z 9 NAG definiert den Familienangehörigen als Ehegatten oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind (Kernfamilie), dies gilt auch für eingetragene Partner; "Ehegatten und eingetragene Partner müssen das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollendet haben". Die Erläuterungen zur Novelle BGBl. I Nr. 122/2009 (330 BlgNR 24. GP, 41) führen dazu aus, dass die Definition des Begriffs "Familienangehöriger" im Hinblick auf die Neuregelung des 4. Hauptstücks angepasst werde und die Erhöhung der Altersgrenze auf 21 Jahre statt wie bisher 18 Jahre im Einklang mit Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2003/86/EG (des Rates vom betreffend das Recht auf Familienzusammenführung; in der Folge:

RL) erfolge.

Vorliegend ist unbestritten, dass die nachziehende Beschwerdeführerin das 21. Lebensjahr auch zum Zeitpunkt der Antragstellung schon vollendet gehabt hat, hingegen der Ehemann zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht 21 Jahre alt war.

Vorerst ist zu klären, ob das Erfordernis dieses Lebensalters auch auf den Zusammenführenden zu beziehen ist und nicht nur auf den nachziehenden Drittstaatsangehörigen. An sich ist der Begriff "Familienangehöriger" nicht auf den Zusammenführenden, sondern auf den Nachziehenden bezogen, da dieser der Fremde ist, der nach § 46 Abs. 4 NAG den Aufenthaltstitel begehrt. Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG spricht von "Ehegatten und eingetragenen Partnern", was jedoch auch die Umschreibung eines bestimmten Personenkreises bedeuten kann und nicht unbedingt auf das konkrete Ehepaar bezogen werden muss. Da jedoch mit dieser Bestimmung die RL umgesetzt werden soll, ist eine Auslegung anhand dieser RL vorzunehmen. Diese sieht in Art. 4 Abs. 5 Folgendes vor:

"Zur Förderung der Integration und zur Vermeidung von Zwangsehen können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Zusammenführende und sein Ehegatte ein Mindestalter erreicht haben müssen, das höchstens auf 21 Jahre festgesetzt werden darf, bevor der Ehegatte dem Zusammenführenden nachreisen darf."

Demnach müssen beide Ehepartner das vom Mitgliedstaat festgelegte Alterserfordernis erfüllen (so auch schon das hg. Erkenntnis vom , 2010/21/0440). Das gilt auch in dem Fall, in dem der Zusammenführende - wie hier - anerkannter Flüchtling ist (vgl. Art. 10 Abs. 1 RL).

Das an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) im vorliegenden Fall gerichtete Ersuchen um Vorabentscheidung hat dieser mit Urteil vom , Rechtssache C-338/13, beantwortet. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes war dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 5 RL nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob das Abstellen auf den Zeitpunkt der Antragstellung mit dieser Bestimmung in Einklang stehe. Sie erlaubt nämlich den Mitgliedsstaaten - wie bereits zitiert - das Festsetzen eines Mindestalters von höchstens 21 Jahren, das der Zusammenführende und sein Ehegatte erreicht haben müssen, "bevor der Ehegatte dem Zusammenführenden nachreisen darf". Diese Regelung lässt aber offen, ob darunter der Zeitpunkt der behördlichen Bewilligung, jener der tatsächlichen Einreise oder ein sonstiger Zeitpunkt zu verstehen ist.

Dieses Vorabentscheidungsersuchen beantwortete der EuGH dahin, dass der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaaten dadurch einen Gestaltungsspielraum lassen wollte, indem er nicht präzisiert hat, ob die nationalen Behörden zur Klärung der Frage, ob diese Voraussetzung des Mindestalters erfüllt ist, auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Familienzusammenführung oder auf den Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag abstellen müssen (Rnr. 14). Durch die hier vorliegende nationale Regelung werde weder die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung verhindert noch die Familienzusammenführung übermäßig erschwert (Rnr. 16). Es stehe im Einklang mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit, wenn zur Klärung der Frage, ob die Voraussetzung des Mindestalters erfüllt sei, auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Familienzusammenführung abgestellt wird (Rnr. 17). Die genannte Richtlinienbestimmung stehe somit der aufgezeigten nationalen Regelung nicht entgegen (Rnr. 19).

Somit ist der angefochtene Bescheid, mit dem die Behörde der Beschwerdeführerin die Eigenschaft als Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG abgesprochen hat, nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Wien, am