VwGH vom 11.07.2012, 2009/08/0131
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des L K in Wien, vertreten durch Dr. Gerhard Mitterböck, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Josefstädter Straße 34/18, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMASK-421486/0001-II/A/3/2009, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Parteien: 1. Institut X in Wien, 2. Wiener Gebietskrankenkasse in Wien, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30/3,
3. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65-67), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 und der zweitmitbeteiligten Gebietskrankenkasse in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die zweitmitbeteiligte Gebietskrankenkasse stellte mit Bescheid vom fest, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Tätigkeit als nebenberuflicher Erwachsenenbildner bei der erstmitbeteiligten Partei als Dienstgeber in der Zeit vom 1. Jänner bis gemäß § 5 Abs. 1 Z 5 ASVG von der Vollversicherungspflicht aufgrund eines Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm § 4 Abs. 2 ASVG sowie von der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 14 aufgrund der Verpflichtung zur Erbringung von Dienstleistungen aufgrund eines freien Dienstvertrages gemäß § 4 Abs. 4 ASVG ausgenommen sei; er unterliege in dieser Zeit auch nicht der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG. Weiter stellte die zweitmitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, der Beschwerdeführer unterliege aufgrund seiner Tätigkeit als nebenberuflicher Erwachsenenbildner bei der erstmitbeteiligten Partei als Dienstgeber in der Zeit vom bis nicht der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG, er unterliege in dieser Zeit auch nicht der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 14 ASVG aufgrund der Verpflichtung zur Erbringung von Dienstleistungen aufgrund eines freien Dienstvertrages gemäß § 4 Abs. 4 ASVG.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Einspruch.
Mit Bescheid vom stellte der Landeshauptmann fest, dass der Beschwerdeführer in der Zeit vom bis zur erstmitbeteiligten Partei als Dienstgeber weder in einem die Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis gemäß § 4 Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG gestanden habe, noch gemäß § 4 Abs. 4 ASVG auf Grund eines freien Dienstvertrages zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichtet gewesen sei. Die Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides lautet:
"Sie können gegen diesen Bescheid binnen zwei Wochen nach Zustellung schriftlich, auch per Fax oder E-Mail, berufen.
In diesem Fall müssen Sie in der Berufung den angefochtenen Bescheid bezeichnen und einen begründeten Berufungsantrag stellen.
Die Berufung ist an die Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1101 Wien, zu senden. Vom Versicherungsträger, der den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, ist die Berufung an den Landeshauptmann von Wien, Magistratsabteilung 40, zu senden."
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung zugestellt; Beginn der Abholfrist war der .
Mit E-Mail vom an den Landeshauptmann ("MA 40 Post", adressiert an die zweitmitbeteiligte Gebietskrankenkasse) erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes. Unter anderem verwies er darauf, dass er, da er im Moment erkrankt sei, erst Anfang nächster Woche Kopien von Unterlagen über seine Einnahmequellen schicken könne;
er werde dies umgehend machen, sobald er wieder im Büro sei.
Der Landeshauptmann übermittelte diese Berufung per Mail am
an die zweitmitbeteiligte Gebietskrankenkasse.
Am übermittelte der Beschwerdeführer die
Berufung per E-Mail auch an die zweitmitbeteiligte
Gebietskrankenkasse.
Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom vor, dass die Berufungsfrist am geendet habe; die Berufung sei erst am per E-Mail beim Landeshauptmann eingelangt; zu diesem Zeitpunkt sei die Berufungsfrist bereits abgelaufen gewesen. Die Berufung sei überdies bei der falschen Behörde (Landeshauptmann anstelle der zweitmitbeteiligten Gebietskrankenkasse) eingebracht worden; der Landeshauptmann habe die Berufung aber am an die zweitmitbeteiligte Gebietskrankenkasse weitergeleitet.
Der Beschwerdeführer antwortete per E-Mail am . Sein verspäteter "Einspruch" sei die Folge seiner Erkrankung vom
2. bis 26. Februar; eine ärztliche Bestätigung werde per Fax zugesandt.
Laut einer Aktennotiz vom sei der Beschwerdeführer telefonisch darüber aufgeklärt worden, dass die Berufung vom als verspätet anzusehen sei; ihm sei erklärt worden, dass in Bezug auf die Verspätung der Berufung auf Grund seiner Krankheit noch die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung offen stehe; diese müsse er jedoch an die Gebietskrankenkasse richten. Der Beschwerdeführer sei gebeten worden, den Antrag auf Wiedereinsetzung auch an die belangte Behörde weiterzuleiten. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei aber nicht eingebracht worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als verspätet zurück. Begründend führte die belangte Behörde - nach Schilderung des Verfahrensganges - aus, der Bescheid des Landeshauptmannes gelte als am ersten Tag der Abholfrist () als ordnungsgemäß zugestellt. Ab diesem Zeitpunkt habe die zweiwöchige Rechtsmittelfrist zu laufen begonnen; diese habe daher am geendet. Die Rechtsmittelbelehrung des Landeshauptmannes habe auf die richtige Frist und Einbringungsstelle hingewiesen.
Irrtümlicherweise sei die an die Gebietskrankenkasse adressierte Berufung vom Beschwerdeführer per E-Mail beim Landeshauptmann und nicht bei der Gebietskrankenkasse eingebracht worden. Die Einbringungsfrist sei bei der Weiterleitung an die zuständige Behörde somit nur dann gewahrt, wenn die unzuständige Behörde das Rechtsmittel zur Weiterleitung spätestens am letzten Tag der Rechtsmittelfrist zur Post gebe oder das Rechtsmittel bis zu diesem Zeitpunkt bei der zuständigen Stelle einlange. Die Berufung sei jedoch schon bei der unzuständigen Behörde verspätet eingelangt. Die Berufungsfrist habe am geendet; die Berufung sei beim Landeshauptmann erst am eingelangt. Die Weiterleitung der Berufung an die Gebietskrankenkasse sei zwar noch am selben Tag erfolgt, doch sei die Berufung jedenfalls als verspätet anzusehen.
Dem Beschwerdeführer sei die Verspätung vorgehalten worden. Der von ihm vorgebrachte Grund (Krankheit) wäre allenfalls im Rahmen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand iSd § 71 AVG geltend zu machen gewesen. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei aber nicht gestellt worden.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift durch die zweitmitbeteiligte Gebietskrankenkasse in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
1. Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies nach § 63 Abs. 5 dritter Satz AVG als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten.
2. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe die Berufung um einen Tag verspätet (und noch dazu bei der falschen Behörde, die das Rechtsmittel noch am selben Tag an die zuständige Gebietskrankenkasse weitergeleitet habe) eingebracht. Der Vorhalt der Verspätung sei vom Beschwerdeführer mit dem Vorliegen einer schweren Erkrankung begründet und die entsprechenden ärztlichen Bestätigungen vorgelegt worden. Der Inhalt der E-Mail des Beschwerdeführers vom sei als Wiedereinsetzungsantrag zu interpretieren; der Beschwerdeführer habe die verspätete Rechtsmitteleinbringung auf ein unabwendbares Ereignis gestützt und diesen Umstand durch die Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel glaubhaft gemacht. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei auch klar zu entnehmen, dass er erst durch den Vorhalt vom Kenntnis von der Fristversäumung erlangt habe, an der rechtzeitigen Einbringung des Rechtsmittels krankheitsbedingt verhindert gewesen sei und er um Nachsicht der Versäumung ersucht habe. Dieses Vorbringen wäre als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu werten gewesen, allenfalls wäre der Beschwerdeführer gemäß § 13a AVG dazu anzuhalten gewesen, den Beschwerdeführer zur Stellung eines formentsprechenden Wiedereinsetzungsantrages aufzufordern oder ihn zumindest auf diese Möglichkeit sowie die dafür vorgesehene Frist hinzuweisen. Der angefochtene Bescheid sei auch nicht ausreichend begründet, da sich dieser mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers im E-Mail vom überhaupt nicht auseinandersetze und auch keine Erwägungen anführe, aus denen die belangte Behörde zur Überzeugung gelange, dass weder ein Wiedereinsetzungsantrag noch der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund vorliege.
3. Mit diesem Vorbringen kann der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deswegen nicht aufzeigen, weil über die Frage der Verspätung eines Rechtsmittels - von Fällen abgesehen, in denen einem Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 6 AVG aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde - unabhängig von einem anhängigen, aber noch nicht bejahend entschiedenen Wiedereinsetzungsantragsogleich aufgrund der Aktenlage zu entscheiden ist. Wird die Wiedereinsetzung später bewilligt, so tritt der Zurückweisungsbescheid nach § 72 Abs. 1 AVG von Gesetzes wegen außer Kraft (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/08/0143, mwN).
Nach den - in der Beschwerde nicht bestrittenen, hinsichtlich der Verspätung der Berufungseinbringung ausdrücklich zugestandenen - Feststellungen der belangten Behörde wurde der Bescheid des Landeshauptmannes vom dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung zugestellt; Beginn der Abholfrist war der . Dass die Zustellung unwirksam gewesen sei (oder die Wirksamkeit der Zustellung erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten sei), behauptet der Beschwerdeführer auch in der Beschwerde nicht. Damit endete die Frist zur Einbringung der Berufung am . Die am eingebrachte Berufung wurde daher zutreffend von der belangten Behörde als verspätet zurückgewiesen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom (auch) als (allenfalls iSd § 13 Abs. 3 AVG mangelhafter) Antrag auf Wiedereinsetzung zu beurteilen wäre.
Zu einer Entscheidung über einen allfälligen Antrag auf Wiedereinsetzung wäre die belangte Behörde jedenfalls nicht zuständig gewesen; allenfalls wäre dieser Antrag gemäß § 6 AVG auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle, das ist gemäß § 63 Abs. 5 AVG die Behörde, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat (also die zweitmitbeteiligte Gebietskrankenkasse) weiterzuleiten gewesen. Es ist aber auch aus dem Beschwerdevorbringen nicht abzuleiten, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung rechtzeitig gestellt worden wäre; der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss gemäß § 71 Abs. 2 AVG binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt werden. Hindernis für die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde war - nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers - seine Erkrankung, welche am geendet hatte. Dass er sich überdies in einem Irrtum über den Ablauf der Berufungsfrist befunden hätte (und dieser Irrtum nur auf einem Verschulden minderen Grades beruhen würde), hatte der Beschwerdeführer nicht vorgebracht.
4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am