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VwGH vom 22.12.2011, 2011/16/0068

VwGH vom 22.12.2011, 2011/16/0068

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der L in H, vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 14, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2733-W/08, betreffend Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine polnische Staatsangehörige, reiste im Jahr 2005 nach Österreich ein und erzielte seither Einkünfte aus Gewerbebetrieb, welche zu einem steuerpflichtigen Einkommen von 4.346 EUR (2005), 8.293,20 EUR (2006) und 7.887,88 EUR (2007) führten, das jeweils den Einkommensteuerbescheiden vom für 2005, vom für 2006 und vom für 2007 zu Grunde gelegt wurde.

Mit Antrag vom begehrte die Beschwerdeführerin die Zuerkennung von Familienbeihilfe für ihren am geborenen Sohn K, für ihre am geborene Tochter B und für deren am geborenen Sohn P.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag im Instanzenzug ab.

Die Beschwerdeführerin sei mit Hauptwohnsitz bei ihrem Lebensgefährten HG in H gemeldet und lebe mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft. Ihren Beruf übe sie in W aus, aus dem sie die oben angeführten Einkünfte aus Gewerbebetrieb erziele. Die Beschwerdeführerin sei von SL, dem Vater ihres Sohnes K geschieden. Ihre Tochter B befinde sich voraussichtlich bis Ende September 2009 in Berufsausbildung und erhalte eine Lehrlingsentschädigung in Höhe von 200 polnischen Zloty monatlich und einen Unterhaltsbeitrag von ihrem Vater in Höhe von 271,99 polnischen Zloty monatlich. Der Vater des P, des Enkels der Beschwerdeführerin, sei unbekannt. SL, der geschiedene Ehemann der Beschwerdeführerin, sowie deren Kinder B und K und das Enkelkind P wohnten ständig in Polen gemeinsam in einer Genossenschaftswohnung. SL sei seit Mieter dieser Genossenschaftswohnung in B. Die Beschwerdeführerin, ihr Sohn K, ihre Tochter B und ihr Enkel P hätten ein Wohnrecht in dieser Wohnung.

Die Beschwerdeführerin verbringe jeweils mindestens zwei Wochen pro Monat in Österreich. Hier befinde sich der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen. Die restliche Zeit verbringe sie in Polen und wohne dort in der erwähnten Genossenschaftswohnung in einem eigenen Zimmer. Die Beschwerdeführerin wohne nicht im gemeinsamen Haushalt mit ihren Kindern in Polen.

Die Beschwerdeführerin trage ab August 2006 die Kosten der Energieversorgung für die polnische Wohnung in Höhe von monatlich durchschnittlich 109 Zloty und die Kosten des privaten digitalen Fernsehens für diese Wohnung in Höhe von 139 Zloty, ab Dezember 2006 die Kosten für die Miete der Wohnung in Höhe von durchschnittlich 480 Zloty und ab September 2006 die Kosten des Telefons für die Wohnung in Höhe von durchschnittlich 83 Zloty. Pro Monat habe sie an Gesamtkosten für diese Wohnung 811 Zloty getragen, was etwa 213 EUR entspreche. Die Beschwerdeführerin trage die Unterhaltskosten für ihre zwei Kinder und ihr Enkelkind daher nicht überwiegend.

Dazu gelange die belangte Behörde auf Grund folgender Beweiswürdigung:

Dass die Beschwerdeführerin im gemeinsamen Haushalt mit HG in H lebe, sei aus ihrem eigenen Vorbringen ersichtlich. So habe sie in der Niederschrift vor dem Finanzamt ausgesagt, dass sie in H bei HG wohne, keine Miete zahle, dieser für ihren Lebensunterhalt am Wochenende aufkomme und sie mit ihm ein gemeinsames Schlafzimmer teile.

Die Beschwerdeführerin habe auf einen entsprechenden Vorhalt nicht bekannt gegeben, in welcher Höhe sie - abgesehen von den festgestellten Zahlungen - zu den Unterhaltskosten für die Kinder beigetragen habe.

Daraus folgerte die belangte Behörde, dass die Kinder und das Enkelkind der Beschwerdeführerin nicht mit der Beschwerdeführerin im gemeinsamen Haushalt lebten und dass die Beschwerdeführerin nicht die Unterhaltskosten für diese Kinder und das Enkelkind überwiegend trage.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin ersichtlich im Recht auf Gewährung der Familienbeihilfe verletzt erachtet.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a und b FLAG in der im Beschwerdefall noch maßgebenden Fassung vor der Änderung durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, hatten Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder und für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet wurden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung eines Berufes nicht möglich war.

Anspruch auf Familienbeihilfe hat nach § 2 Abs. 2 FLAG die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Nach § 2 Abs. 5 FLAG gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn das Kind u.a. sich nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält oder für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt.

Im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/13/0120, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Beantwortung der Frage, mit welcher Person ein Kind die Wohnung teilt, ganz wesentlich davon abhängt, in wessen Wohnung das Kind regelmäßig nächtigt, und zwar jedenfalls dann, wenn die betreffende Person die üblicherweise mit diesen Nächtigungen im Zusammenhang stehenden altersadäquaten Betreuungsmaßnahmen erbringt. Zu diesem Gesichtspunkt der gemeinsamen Wohnung komme der Aspekt der Wirtschaftsführung, wer nämlich zum überwiegenden Teil die laufenden Ausgaben für das Kind getragen hat, wobei es nicht nur auf die Ausgaben für die Nahrung, sondern darüber hinaus vor allem auch auf jene für die sonstigen Dinge des täglichen Bedarfs sowie für Bekleidung ankommt.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegen getreten werden, dass sie einen gemeinsamen Haushalt der Beschwerdeführerin mit HG in Österreich angenommen hat, sich auf den Umstand gestützt hat, dass sich die Beschwerdeführerin mindestens zwei Wochen monatlich an ihrem Hauptwohnsitz oder an ihrem Berufsort in Österreich aufhalte, die Kinder und das Enkelkind der Beschwerdeführerin in der Wohnung des SL, des ehemaligen Ehemannes der Beschwerdeführerin, in Polen lebten und die Beschwerdeführerin bei ihren Besuchen in Polen in einem eigenen Zimmer wohne, und daraus gefolgert hat, dass die Kinder und das Enkelkind der Beschwerdeführerin nicht zum Haushalt der Beschwerdeführerin iSd § 2 Abs. 2 und 5 FLAG gehören.

Dass SL, in dessen Wohnung in Polen die Kinder und das Enkelkind der Beschwerdeführerin leben, keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat, ist unstrittig, weshalb er nach dem FLAG nicht berechtigt ist, Familienbeihilfe zu beziehen.

Dass SL früher einen Wohnsitz in Österreich gehabt und deshalb Familienbeihilfe bezogen hätte und dass er dann nach Polen gezogen wäre und deshalb diesen Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem (Romana Slanina), Rn 32, allenfalls aus unionrechtlichen Gründen beibehalten hätte, hat die belangte Behörde nicht festgestellt und behauptet auch die Beschwerdeführerin nicht.

Da im Beschwerdefall somit keine andere Person als die Beschwerdeführerin nach § 2 Abs. 2 FLAG anspruchsberechtigt ist, ist auschlaggebend, ob die Beschwerdeführerin, deren Haushalt die Kinder nicht angehören, im Sinn des § 2 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. die Unterhaltskosten für die Kinder und ihr Enkelkind überwiegend getragen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/13/0240).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hängt die Antwort auf diese Frage davon ab, ob die Beschwerdeführerin überwiegend den Geldunterhalt geleistet hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/13/0241).

Ob eine Person die Unterhaltskosten für ein Kind überwiegend getragen hat, hängt einerseits von der Höhe der gesamten Unterhaltskosten für ein den Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelndes Kind in einem bestimmten Zeitraum und andererseits von der Höhe der im selben Zeitraum von dieser Person tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeträge ab. Ohne (zumindest schätzungsweise) Feststellungen der gesamten Unterhaltskosten lässt sich, wenn dies nicht auf Grund der geringen absoluten Höhe der geleisteten Unterhaltsbeiträge ausgeschlossen werden kann, somit nicht sagen, ob die Unterhaltsleistung in einem konkreten Fall eine überwiegende war (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/15/0044, und vom , Zl. 2009/15/0205).

Die Beschwerdeführerin führt das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom ins Treffen und vermisst Feststellungen der belangten Behörde über die tatsächlichen Unterhaltskosten, weil die von ihr selbst im Verwaltungsverfahren bekannt gegebenen durchschnittlichen Kosten einer vierköpfigen Familie in Polen, welche die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid erwähnt, nicht ausschlaggebend seien. Die belangte Behörde habe sich ausschließlich damit auseinander gesetzt, welche Unterhaltsbeiträge die Beschwerdeführerin nach Polen zur Verfügung gestellt habe.

Dass die Beschwerdeführerin über die von der belangten Behörde festgestellten Zahlungen in Höhe von rund 213 EUR monatlich für die oben dargestellten Leistungen hinaus weitere Zahlungen geleistet oder weitere Kosten getragen hätte, behauptet die Beschwerdeführerin weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde.

Da diese Zahlungen jedoch nach den insoweit unbekämpften Feststellungen der belangten Behörde für die Wohnung und damit zusammenhängende Aufwendungen (Telephon, Fernsehen) geleistet wurden und die Wohnung eine Genossenschaftswohnung des ehemaligen Ehemannes der Beschwerdeführerin ist, in welchem die Kinder und das Enkelkind der Beschwerdeführerin lediglich ein Wohnrecht haben, stellen diese Zahlungen keinen Geldunterhalt für die Kinder und das Enkelkind der Beschwerdeführerin dar, sondern Unterstützungsleistungen an den geschiedenen Ehemann der Beschwerdeführerin. Da die Beschwerdeführerin darüber hinausgehende Zahlungen nicht behauptet, war es nach der genannten Rechtsprechung nicht erforderlich, die Höhe der tatsächlichen Unterhaltskosten festzustellen.

Die Beschwerdeführerin zeigt daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am