VwGH vom 09.11.2011, 2011/16/0067
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Ing. J in P, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Laudongasse 25/III, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/0814-W/07, betreffend Haftung nach §§ 9 und 80 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war seit als selbständig vertretender Geschäftsführer der P. GmbH im Firmenbuch eingetragen, über deren Vermögen mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom der Konkurs eröffnet wurde. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben.
Der P. GmbH waren auf Grund einer abgabenbehördlichen Prüfung (Lohnsteuerprüfung) mit Bescheid vom für den Zeitraum 1999 bis 2001 Lohnabgaben vorgeschrieben worden und zwar Lohnsteuer aus dem Titel der Haftung nach § 82 EStG und Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlag in einer gleichzeitig festgesetzten Höhe.
Mit Bescheid vom zog das Finanzamt den Beschwerdeführer zur Haftung für Abgaben der P. GmbH in Höhe von 134.956,96 EUR heran. Die haftungsgegenständlichen Abgaben erfassten Lohnabgaben für 1999 bis 2001 sowie Umsatzsteuer und Lohnabgaben aus einzelnen Monaten der Jahre 2002 und 2003.
Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer im "Recht nicht für verjährte Beträge haften zu müssen bzw. auf richtige Anwendung der Einhebungsverjährungsregelung", im "Recht auf ein mangelfreies Verfahren, in dem der Sachverhalt vollständig von Amts wegen erhoben wird" und im "Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren" verletzt erachtet.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides dem Beschwerdepunkt im Sinne des § 28 Abs 1 Z 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, weil der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen hat, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers verletzt wurde, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet. Durch den Beschwerdepunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist. Vom Beschwerdepunkt zu unterscheiden und mit ihm nicht zu verwechseln sind die Beschwerdegründe des § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG und die Aufhebungstatbestände des § 42 Abs. 2 VwGG (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. 2011/16/0013, mwN).
Mit dem angeführten Recht auf "ein mangelfreies Verfahren, in dem der Sachverhalt vollständig von Amts wegen erhoben wird" und im "Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren" wird kein Beschwerdepunkt dargestellt, denn die angesprochene Verletzung von Verfahrensvorschriften zählt zu den Beschwerdegründen. In welchem konkreten, aus einer Rechtsnorm ableitbaren subjektiven Recht der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid dadurch verletzt sein soll, wird durch diese Behauptung der Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht dargestellt (vgl. etwa den denselben Beschwerdeführer betreffenden hg. Beschluss vom , Zl. 2011/16/0054, mwN).
Somit verbleibt als tauglicher Beschwerdepunkt das geltend gemachte Recht, "nicht für verjährte Beträge haften zu müssen".
Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen haben nach § 80 BAO alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Die Festsetzungsverjährungsfrist beträgt nach § 207 Abs. 2 BAO fünf Jahre und wurde nach § 209 Abs. 1 BAO in der Stammfassung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen.
Das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt gemäß § 238 Abs. 1 BAO binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. § 209a gilt sinngemäß.
Die Verjährung fälliger Abgaben wird nach § 238 Abs. 2 leg. cit. durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Unterbrechungshandlungen im Sinn des § 238 Abs. 2 BAO sind anspruchsbezogen und entfalten ihre Wirkung somit nicht nur gegenüber etwa dem Primärschuldner, sondern auch gegenüber einem allfälligen Haftungspflichtigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/16/0072, mwN).
Gemäß § 9 Abs. 1 der im Beschwerdefall noch maßgeblichen Konkursordnung in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 370/1982 wird die Verjährung der angemeldeten Forderung durch die Anmeldung im Konkurs unterbrochen und beginnt die Verjährung der Forderung gegen den Gemeinschuldner von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Konkurses rechtskräftig geworden ist.
Der Beschwerdeführer trägt vor, der Haftungsbescheid erster Instanz vom sei nach Eintritt der Einhebungsverjährung erlassen worden, soweit er Beträge betraf, die vor dem fällig gewesen seien.
Dieses Vorbringen ist wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehenden Neuerungsverbotes unbeachtlich, das auch für solche Rechtsausführungen gilt, deren Richtigkeit nur auf Grund von Tatsachenfeststellungen überprüft werden kann, die deshalb unterblieben sind, weil im Verwaltungsverfahren diesbezüglich nicht vorgebracht wurde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/13/0289, mwN).
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren keinen die Verjährung betreffenden Einwand erhoben, worauf die belangte Behörde in der Gegenschrift - im Einklang mit der Aktenlage und vom Beschwerdeführer unwidersprochen - hinweist. Daher bewirkt das Fehlen von Feststellungen der belangten Behörde, ob und welche Unterbrechungshandlungen iSd § 209 Abs. 1 oder des § 238 Abs. 2 BAO gesetzt worden seien (aktenkundig sind etwa die abgabenbehördliche Prüfung betreffend Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlag für 1999 bis 2001 und der betreffende Haftungs- und Abgabenbescheid vom ) oder ob, wann und in welchem Umfang Abgabenforderungen im Konkurs über das Vermögen der P. GesmbH angemeldet worden seien (§ 9 Abs. 1 KO), keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.
Da sohin der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im geltend gemachten Recht nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am