VwGH vom 29.03.2017, Ro 2014/05/0009

VwGH vom 29.03.2017, Ro 2014/05/0009

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision des Dr. W A in T, vertreten durch die Anzböck & Brait Rechtsanwälte GmbH in 3430 Tulln, Stiegengasse 8, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-1869/001-2013, betreffend einen Abbruchauftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde H, vertreten durch Nistelberger & Parz Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Bräunerstraße 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Im Zuge eines am seitens des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde als Baubehörde erster Instanz durchgeführten Lokalaugenscheines auf der im Eigentum des Revisionswerbers stehenden Liegenschaft Nr. 529/3, KG G., wurde festgestellt, dass die Liegenschaft in nördlicher Richtung, in etwa auf Höhe des am Anrainergrundstück Nr. 529/4 bestehenden Wohnhauses, nicht weiter habe besichtigt bzw. begangen werden können, da der Bewuchs und die Hanglage dies nicht ermöglicht hätten. Ein Zutritt über das erwähnte Anrainergrundstück sei verwehrt worden. Von diesem Punkt aus habe lediglich ein hölzerner Unterstand mit gedeckter Dachfläche gesehen werden können. Weiters wurde festgehalten, dass der beigezogene bautechnische Amtssachverständige darauf hinweise, dass sich der Grundstücksteil, in welchem der Unterstand errichtet worden sei, im als Grünland gewidmeten Gebiet befinde, der Unterstand augenscheinlich als bauliche Anlage gemäß der NÖ Bauordnung 1996 (im Folgenden: BO) zu werten und gemäß § 14 BO als bewilligungspflichtig zu bezeichnen sei. Mit dem Revisionswerber sei vereinbart worden, dass dieser entsprechende Antragsunterlagen zur Überprüfung der Bewilligungspflicht der festgestellten Gebäude bzw. baulichen Anlagen bis spätestens vorlegen werde. Zum Vorbringen des Revisionswerbers, wonach es sich bei dem als Unterstand bezeichneten Objekt um eine Pergola handle, welche im Sinn des § 17 Abs. 1 Z 10 BO bewilligungs- und anzeigefrei sei, führte der Sachverständige aus, dass es sich bei einer Pergola im Sinn der BO lediglich um eine Steherkonstruktion ohne Dachdeckung handeln würde. Da die als Unterstand bezeichnete bauliche Anlage augenscheinlich eine Dachdeckung aufweise, könne diese nicht als Pergola bewertet werden.

2 In der Folge ersuchte der Revisionswerber um Verlegung der für anberaumten und um Abberaumung der für den anberaumten baubehördlichen Überprüfung auf seinem Grundstück.

3 Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde gemäß § 35 Abs. 2 Z 3 BO der Abbruch des hölzernen Unterstandes mit gedeckter Dachfläche auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück angeordnet. Begründend wurden die wesentlichen Passagen der Niederschrift über den am durchgeführten Lokalaugenschein wiedergegeben sowie weiters ausgeführt, dass der Revisionswerber entgegen der mit ihm vereinbarten Vorgangsweise der Baubehörde keine Unterlagen über den hölzernen Unterstand vorgelegt und zu den weiteren, für den und für den anberaumten Überprüfungsverhandlungen mitgeteilt habe, dass er diesen Ladungen wegen "wohlverdienten Urlaubes" bzw. "beruflicher Verhinderung" nicht habe Folge leisten können. Aus einer im Akt erliegenden Lichtbildaufnahme seien Lage und Umriss des Objektes, welches ein ungefähres Ausmaß von 5 m x 5 m habe, erkennbar. Da das gegenständliche Bauwerk eine Dachdeckung aufweise und offensichtlich als bauliche Anlage zu qualifizieren sei, sei es gemäß § 14 Z 2 BO baubewilligungspflichtig. Im Übrigen stehe das gegenständliche Bauwerk auf einem als Grünland gewidmeten Grundstück. Es liege keine Baubewilligung für das gegenständliche Bauwerk vor und es sei auch seitens des Revisionswerbers kein Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung eingereicht worden. Eine Aufforderung nach § 35 Abs. 2 Z 3 zweiter Fall BO habe unterbleiben können, weil sich das Bauwerk im Grünland befinde und daher jedenfalls unzulässig sei.

4 Diesen Bescheid unterzeichnete der geschäftsführende Gemeinderat J. O. für den Bürgermeister.

5 Mit dem auf dem Beschluss des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom beruhenden Bescheid vom wurde die dagegen erhobene Berufung des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde - soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich - ausgeführt, dass ein Abbruchauftrag an den Eigentümer des abzubrechenden Gebäudes, also gemäß § 297 ABGB im Zweifel an den Eigentümer des Grundstückes zu richten sei. Das Grundstück Nr. 529/3, KG G., auf welchem sich das gegenständliche Bauwerk befinde, stehe unstrittig im Eigentum des Revisionswerbers, welcher bisher auch nicht bestritten habe, Eigentümer dieses Bauwerkes zu sein. Die Baubehörde erster Instanz habe (im Zweifel) davon ausgehen können, dass der Revisionswerber Eigentümer des gegenständlichen Bauwerkes sei. Der Behauptung des Revisionswerbers, dass Adressat eines Abbruchauftrages der Bauführer sein müsse, stehe die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen.

6 Beim Lokalaugenschein vom sei ein hölzerner Unterstand mit gedeckter Dachfläche zu erkennen gewesen und es hätten auch Fotos davon angefertigt werden können. Der Bausachverständige habe festgestellt, dass das gegenständliche Objekt eine Dachdeckung aufweise und daher nicht als Pergola bewertet werden könne. Er sei vielmehr von einer baulichen Anlage ausgegangen, deren Errichtung gemäß § 14 Z 2 BO bewilligungspflichtig sei. Der Revisionswerber habe von der nach § 16 BO bestehenden Möglichkeit zur Feststellung der Bewilligungspflicht nicht Gebrauch gemacht und die ihm von der Baubehörde anlässlich des Lokalaugenscheines eingeräumte Frist zur Vorlage von Unterlagen zur Überprüfung der Bewilligungspflicht ungenützt verstreichen lassen.

7 Dass der Unterstand land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken dienen solle, habe der Revisionswerber nicht behauptet, sondern er habe lediglich allgemein vorgebracht, dass § 19 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 (im Folgenden: ROG) eine Bebauung im Grünland zulasse.

8 Nach der im Akt einliegenden Niederschrift über die Sitzung des Gemeindevorstandes am waren von den darin ausgewiesenen sieben Mitgliedern des Gemeindevorstandes zwei (der Vizebürgermeister und der geschäftsführende Gemeinderat B. G.) entschuldigt abwesend. Zudem haben vor Beratung und Beschlussfassung über die Berufung des Revisionswerbers der Bürgermeister, der den erstinstanzlichen Bescheid unterfertigende geschäftsführende Gemeinderat J. O. sowie ein weiterer geschäftsführender Gemeinderat wegen Befangenheit den Raum verlassen, sodass drei geschäftsführende Gemeinderäte verblieben sind, von welchen J. G., welcher zuvor vom Bürgermeister als dessen Vertreter bestimmt worden war, den Vorsitz führte.

9 Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die gegen den Berufungsbescheid erhobene Vorstellung des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die Niederösterreichische Landesregierung (im Folgenden: Vorstellungsbehörde) nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, es stehe zweifelsfrei fest, dass auf dem Grundstücksteil des Grundstückes Nr. 529/3 des Revisionswerbers, das die Widmung Grünland - Land- und Forstwirtschaft aufweise, ein hölzerner Unterstand mit Dach errichtet worden sei, für den keine Baubewilligung vorliege. Diese Feststellungen beruhten auf dem Lokalaugenschein vom und im Bauakt liege ein Foto des Unterstandes auf. Der Einwand des Revisionswerbers, dass die Dachdeckung des Unterstandes nicht ausreichend nachgewiesen worden sei, gehe daher ins Leere.

10 Der verfahrensgegenständliche Unterstand stelle ein Bauwerk im Sinn des § 4 Z 3 BO und keine Pergola dar. Auf Grund der gutachterlichen Aussagen des bautechnischen Sachverständigen, des Lokalaugenscheines am und des im Akt befindlichen Fotos sei für die Vorstellungsbehörde erwiesen, dass für die Errichtung des hölzernen Unterstandes mit Dacheindeckung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich gewesen sei und dass dieser Unterstand mit dem Boden kraftschlüssig verbunden sei. Es liege somit eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage nach § 14 Z 2 BO vor. Den Baubehörden könne auch keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vorgeworfen werden, da das Abbruchobjekt in seiner Lage und Ausführung eindeutig beschrieben worden sei und der Abbruchauftrag somit dem Bestimmtheitserfordernis entspreche. Das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) kenne auch kein Verbot, ein Foto eines Bürgermeisters zu verwerten, das dieser als "Privatperson" in seiner Freizeit angefertigt habe.

11 Zu der vom Revisionswerber geltend gemachten Einbringung eines Baubewilligungsansuchens für den gegenständlichen Holzunterstand am , also nach Erlassung des erstinstanzlichen Abbruchauftrages, sei auszuführen, dass die Einleitung eines Baubewilligungsverfahrens die Durchführung eines Abbruchauftrages nicht hindere. Der Revisionswerber habe im bisherigen Verfahren nicht einmal behauptet, nicht Eigentümer des Bauwerkes zu sein, und trete auch im erwähnten Baubewilligungsverfahren als Bauwerber und Grundeigentümer auf. Der Revisionswerber habe weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Berufung vorgebracht, dass der Holzunterstand für eine entsprechend nachhaltige landwirtschaftliche bzw. forstwirtschaftliche Nutzung des Grundstückes erforderlich wäre.

12 Zum Einwand der mangelnden Beschlussfähigkeit des Gemeindevorstandes sei nach Einsichtnahme in das Protokoll der Gemeindevorstandssitzung vom festzuhalten, dass der Gemeindevorstand gemäß § 56 Abs. 1 in Verbindung mit § 51 Abs. 1 und § 121 NÖ Gemeindeordnung 1973 (im Folgenden: GO) beschlussfähig gewesen sei.

13 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

14 Das gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG an die Stelle der Vorstellungsbehörde getreten Landesverwaltungsgericht Niederösterreich legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

15 Die mitbeteiligte Marktgemeinde beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 Der angefochtene Bescheid wurde dem Revisionswerber am zugestellt. Für die Behandlung der gemäß § 4 Abs. 1 erster Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 331/2013 in der Fassung BGBl. Nr. 122/2013, dagegen erhobenen Revision gelten gemäß § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß mit einer - im vorliegenden Zusammenhang nicht relevanten - Maßgabe.

17 Im Revisionsfall war die BO, LGBl. 8200-0, in der Fassung LGBl. 8200-21 anzuwenden.

Die maßgeblichen Bestimmungen der BO lauten auszugsweise:

"Bauvorhaben

§ 14

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

Nachstehende Bauvorhaben bedürfen einer Baubewilligung:

...

2. die Errichtung von baulichen Anlagen, durch welche

Gefahren für Personen und Sachen oder ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56) entstehen oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten;

..."

"§ 17

Bewilligungs- und anzeigefreie Vorhaben

(1) Bewilligungs- und anzeigefreie Vorhaben sind jedenfalls:

...

10. Errichtung und Aufstellung von Hochständen,

Gartengrillern, Spielplatzgeräten, Pergolen, Marterln, Grabsteinen und Brauchtumseinrichtungen (z.B. Maibäume, Weihnachtsbäume),

..."

"§ 35

Sicherungsmaßnahmen und Abbruchauftrag

...

(2) Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn

...

2. für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt und

o das Bauwerk unzulässig ist (§ 15 Abs. 3 und § 23 Abs. 1) oder

o der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung

erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.

..."

18 Im Revisionsfall war das ROG, LGBl. 8000-0, in der Fassung

LGBl. 8000-25 anzuwenden.

§ 19 ROG lautet auszugsweise:

"§ 19

Grünland

(2) Das Grünland ist entsprechend den örtlichen Erfordernissen und naturräumlichen Gegebenheiten in folgende Widmungsarten zu gliedern:

1a. Land- und Forstwirtschaft:

Flächen, die der land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung dienen. Auf diesen ist die Errichtung und Abänderung von Bauwerken für die Ausübung der Land- und Forstwirtschaft einschließlich deren Nebengewerbe im Sinne der Gewerbeordnung sowie für die Ausübung des Buschenschankes im Sinne des NÖ Buschenschankgesetzes, LGBl. 7045, zulässig. ...

(4) Im Grünland ist ein bewilligungs- oder anzeigepflichtiges Bauvorhaben gemäß der NÖ Bauordnung 1996 nur dann und nur in jenem Umfang zulässig, als dies für eine Nutzung gemäß Abs. 2 erforderlich ist und in den Fällen des Abs. 2 Z. 1a und 1b eine nachhaltige Bewirtschaftung erfolgt. Bei der Erforderlichkeitsprüfung ist darauf Bedacht zu nehmen, ob für das beabsichtigte Bauvorhaben geeignete Standorte im gewidmeten Bauland auf Eigengrund zur Verfügung stehen.

..."

19 Im Revisionsfall war die GO, LGBl. 1000-0, in der Fassung

LGBl. 1000-21 anzuwenden.

Die maßgeblichen Bestimmungen der GO lauten auszugsweise:

"§ 24

Gemeindevorstand

(1) Der Gemeindevorstand besteht aus dem(n) Vizebürgermeister(n) und den geschäftsführenden Gemeinderäten. ..."

"§ 27

Verhinderung und Vertretung des Bürgermeisters

...

(2) Wenn der Bürgermeister und der (die) Vizebürgermeister verhindert sind, wird der Bürgermeister durch den durch Verordnung von ihm bestimmten oder in Ermangelung einer solchen Bestimmung durch den vom Gemeindevorstand (Stadtrat) berufenen geschäftsführenden Gemeinderat (Stadtrat) vertreten. ..."

"§ 37

Bürgermeister

...

(2) Der Bürgermeister ist Vorsitzender des Gemeindevorstandes; ..."

"§ 51

Abstimmung

(1) Zu einem gültigen Beschluss ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Zustimmung von mehr als der Hälfte der in beschlussfähiger Anzahl anwesenden Mitglieder des Gemeinderates erforderlich.

..."

"§ 56

Besondere Bestimmungen für den Gemeindevorstand

(Stadtrat)

(1) Der Gemeindevorstand (Stadtrat) ist beschlußfähig, wenn der Vorsitzende und die Hälfte der Mitglieder anwesend sind. Wenn ein Vertreter des Bürgermeisters (§ 27) den Vorsitz führt, genügt insgesamt die Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder. Die Sitzungen sind nicht öffentlich. Eine öffentliche Kundmachung der Tagesordnung unterbleibt.

..."

"§ 121

Bruchzahlenberechnung

Soweit nach den Bestimmungen dieses Gesetzes Berechnungen von Bruchzahlen erforderlich sind, wird eine sich dadurch ergebene Dezimalzahl, wenn sie 0,5 übersteigt, als ganze Zahl gerechnet (z.B. 12,6 = 13), sonst nicht berücksichtigt (z.B. 9,5 = 9)."

20 Der Revisionswerber bringt im Wesentlichen vor, der erstinstanzliche Bescheid "vom " (richtig: ) sei vom Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde erlassen worden, welcher jedoch gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 AVG befangen sei. Diese Befangenheit sei bereits zum Zeitpunkt der ersten Amtshandlung gegeben gewesen und es sei insbesondere die Beschau vom durch eben diesen befangenen Bürgermeister durchgeführt worden; die nunmehr "angefochtenen Bescheide" würden sich ausschließlich auf die Ergebnisse dieser Beschau stützen. Das durch den Bürgermeister beigebrachte Lichtbild sei rechtswidrigerweise angefertigt worden, weil dieser dabei insbesondere das Grundstück des Revisionswerbers rechtswidrigerweise betreten habe. Diese Beweise dürften nach der hg. Judikatur zu § 64 (gemeint offenbar: § 46) AVG jedenfalls nicht berücksichtigt werden.

21 Der Revisionswerber sei zwar Eigentümer der Liegenschaft Nr. 529/3, KG G., aber nicht Eigentümer des abzubrechenden Gebäudes. Darüber hinaus handle es sich bei dem gegenständlichen Gebäude keinesfalls um ein bewilligungspflichtiges Bauwerk im Sinn des "§ 17" BO, sondern vielmehr um eine Pergola, deren Errichtung gemäß § 17 Abs. 1 Z 10 BO zulässig sei. Unter einer Pergola sei ein Unterstand zu verstehen, zu dessen Errichtung kein Fundament erforderlich bzw. erstellt worden sei. Tatsächlich verfüge das gegenständliche Gebäude nicht über ein Fundament welcher Art auch immer.

22 Es sei bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens, nämlich am , ein Antrag auf Erteilung der Baubewilligung für das gegenständliche Bauwerk gestellt worden, sodass schon aus diesem Grund ein Abbruchauftrag im laufenden Bauverfahren nicht hätte erteilt werden dürfen. Aus § 35 Abs. 2 Z 3 BO ergebe sich in einem Umkehrschluss, dass bei Einbringung eines Antrages auf Erteilung der Baubewilligung der Abbruch unzulässig sei. Dem Revisionswerber sei entgegen der genannten Bestimmung auch keine entsprechende Frist zur Einbringung eines Baubewilligungsantrages eingeräumt worden.

23 Schließlich bringt der Revisionswerber vor, dass die erforderliche Präsenz der Gemeindevorstandsmitglieder bei der Beschlussfassung über seine Berufung nicht gegeben gewesen sei, weil neben den ausgeschlossenen Personen der Vizebürgermeister und B. G. ortsabwesend gewesen seien.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

24 In der BO findet sich keine Definition des Begriffes "Pergola". Unter einer "Pergola" (= Rankgerüst) ist im Allgemeinen ein nicht überdeckter Laubengang in einer Gartenanlage zu verstehen, wobei die auf Stützen liegenden Unterzüge ein Gebälk tragen, das von Pflanzen umrankt ist. Entscheidende Funktion einer Pergola ist somit, dass sie als Rankgerüst in einer Gartenanlage Pflanzen Halt gewährt. Eine Pergola ist nach oben offen und nicht raumbildend (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/05/0170, mwN).

25 Sowohl aus dem in den Verwaltungsakten aufliegenden Foto von der Liegenschaft des Revisionswerbers als auch aus den in der Niederschrift über den Lokalaugenschein vom festgehaltenen Ausführungen des bautechnischen Amtssachverständigen geht klar hervor, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Bauwerk um einen hölzernen Unterstand mit gedeckter Dachfläche handelt. Da der betreffende Unterstand somit nicht nach oben offen ist, ist die Vorstellungsbehörde zu Recht davon ausgegangen, dass es sich dabei nicht um eine Pergola im Sinn des § 17 Abs. 1 Z 10 BO handelt. Nach der angeführten Definition reicht allein das Fehlen eines Fundamentes nicht aus, um vom Vorliegen einer Pergola auszugehen, weshalb entgegen der vom Revisionswerber vertretenen Ansicht Feststellungen dazu nicht erforderlich waren.

26 Der Einwand des Revisionswerbers, wonach der Bürgermeister bereits bei Durchführung des Lokalaugenscheines vom befangen gewesen sei und sich die maßgeblichen Feststellungen somit auf die Wahrnehmungen eines ausgeschlossenen Organes gründeten, geht schon deshalb ins Leere, weil die betreffenden Feststellungen auch auf den Wahrnehmungen und (insoweit übereinstimmenden) Ausführungen des bautechnischen Amtssachverständigen beruhen, und selbst der Revisionswerber eine Befangenheit dieses Sachverständigen nicht behauptet. Angesichts dieser im Zuge des Lokalaugenscheines am in Anwesenheit des Revisionswerbers getroffenen Feststellungen kommt dem in den Verwaltungsakten erliegenden Foto keine entscheidende Bedeutung zu, weshalb auf das Revisionsvorbringen, wonach das Foto einem Beweisverwertungsverbot unterliege, nicht eingegangen werden muss. Darüber hinaus wurde der erstinstanzliche Bescheid - gerade weil der Bürgermeister (ebenso wie der Vizebürgermeister) sich für befangen erklärt hat - nicht vom Bürgermeister selbst, sondern für diesen vom geschäftsführenden Gemeinderat J. O. unterzeichnet, weshalb das Vorbringen des Revisionswerbers, dieser Bescheid sei vom Bürgermeister O. R. als befangenen Organwalter erlassen worden, nicht zutrifft.

27 Adressat eines Auftrages nach § 35 Abs. 2 Z 3 BO ist der jeweilige Eigentümer des betroffenen Gebäudes oder der Baulichkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0087, mwN). Der Revisionswerber bestreitet nicht, Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft Nr. 529/3, KG G., zu sein. Gemäß § 297 ABGB gehören zu einer Liegenschaft grundsätzlich auch die darauf errichteten Bauwerke (Grundsatz "superficies solo cedit"), wobei das Gesetz von diesem Grundsatz Ausnahmen wie etwa für Superädifikate (§ 435 ABGB) sowie für Räume und Bauwerke unter der Erdoberfläche (§ 300 ABGB) vorsieht. Sofern nicht erwiesen ist, dass eine solche Ausnahme vorliegt, ist davon auszugehen, dass die Bauwerke im Eigentum des Liegenschaftseigentümers stehen; verbleibende Unklarheiten hinsichtlich des Bestehens eines Sondereigentums gehen somit zu Lasten desjenigen, der sich auf ein solches Sondereigentum beruft (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/05/0166, mwN).

28 Im Verwaltungsverfahren hat aber der Revisionswerber nicht behauptet, dass es sich bei dem gegenständlichen Unterstand um ein Superädifikat eines Dritten handle, und er hat auch keinen Dritten namhaft gemacht.

29 Soweit der Revisionswerber vermeint, dem Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde habe es an dem zur Beschlussfassung erforderlichen Präsenzquorum gefehlt, ist er auf § 56 Abs. 1 GO zu verweisen. Demnach genügt, wenn - wie bei der Beschlussfassung über die Berufung des Revisionswerbers - ein Vertreter des Bürgermeisters den Vorsitz führt, für die Beschlussfähigkeit des Gemeindevorstandes insgesamt die Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder. Wie sich aus dem Sitzungsprotokoll über die in Rede stehende Sitzung des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde ergibt, waren bei der Beschlussfassung über die Berufung des Revisionswerbers drei Mitglieder und somit die in Anwendung des § 121 GO ermittelte Hälfte der sieben Mitglieder des Gemeindevorstandes anwesend. Die Vorstellungsbehörde ging somit zutreffend davon aus, dass die Beschlussfähigkeit des Gemeindevorstandes gegeben war.

30 Mit seinem Vorbringen, er habe am (richtig laut dem in den Verwaltungsakten aufliegenden Antrag: am ) einen Antrag auf Erteilung der Baubewilligung für den gegenständlichen Unterstand gestellt, sodass bereits aus diesem Grund ein Abbruchauftrag im laufenden Bauverfahren nicht hätte erteilt werden dürfen, zeigt der Revisionswerber eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

31 Die Baubehörden sind davon ausgegangen, dass die Errichtung des betreffenden Unterstandes gemäß § 35 Abs. 2 Z 3 erster Fall BO unzulässig sei, weil der Grundstücksteil, auf welchem sich der Unterstand befindet, die Widmung Grünland - Land- und Forstwirtschaft aufweise und der Revisionswerber nicht vorgebracht habe, dass der Unterstand land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken im Sinn des § 19 Abs. 4 ROG dienen solle. Der Revisionswerber hat dies aber in seinem Baubewilligungsantrag vom , und somit noch vor der am erfolgten Beschlussfassung des Gemeindevorstandes über den Bescheid vom , unter Vorlage eines Betriebskonzeptes getan.

32 Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde hat sich damit jedoch nicht auseinandergesetzt, sodass im Zeitpunkt der Erlassung des im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Abbruchauftrages die Frage der Bewilligungsfähigkeit des Unterstandes nicht abschließend geklärt war. Es stand somit nicht fest, ob die in § 35 Abs. 2 Z 3 erster Fall BO genannte Voraussetzung für die Erteilung eines Bauauftrages, auf die sich die Baubehörden gestützt hatten, tatsächlich erfüllt war.

33 Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

34 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß § 3 Z 1 und § 4 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014 weiterhin anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das auf Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in dem in der Verordnung vorgesehenen Pauschalbetrag bereits berücksichtigt ist.

Wien, am

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