VwGH vom 25.03.2010, 2007/05/0137
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der A L in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Türkenstraße 25/11, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-2/07, betreffend Bauauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/19, erteilte der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) als Eigentümerin der Baulichkeit auf der Liegenschaft in 1190 Wien, hinter Suttingergasse 3-5, Gst. Nr. 666/2 in EZ. 1310 der KG Untersievering, folgenden Auftrag:
"1.) Das Gebäude in Holzkonstruktion mit den Ausmaßen von ca. 7m Länge und ca. 5,9 m Breite, sowie das Flugdach, welches im Anschluss daran errichtet wurde mit den Ausmaßen von einer Länge von ca. 6,4 m und einer Breite von ca. 4 m, an der rechten hinteren (südlichen) Grundgrenze, zum Hornspergsteig hin, (im Wald und Wiesengürtel) gelegenen, sind entfernen zu lassen.
2.) Das vor obgenannten Gebäude, im südwestlichen Bereich der Liegenschaft gelegene Schwimmbecken in Massivbauweise mit den Ausmaßen von einer Länge von 9 m, einer Breite von 3,6 m und einer durchschnittlichen Tiefe von 1,5 m ist entfernen zu lassen.
3.) Das verschiebbare, raumbildende Schwimmbeckenverdeck aus Aluminium und Kunststoff ist entfernen zu lassen.
Die Maßnahmen sind binnen 12 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides durchzuführen."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen gerichtete Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes festgehalten: Die Beschwerdeführerin sei unstrittig Eigentümerin der genannten Baulichkeiten auf der angeführten Liegenschaft in 1190 Wien. Bei einer am von der Baubehörde erster Instanz durchgeführten Verhandlung vor Ort sei festgestellt worden, dass auf der besagten Liegenschaft im Schutzgebiet - Wald - und Wiesengürtel ohne die hiefür erforderliche Baubewilligung an der rechten hinteren Grundstücksgrenze zum Hornspergsteig ein Gebäude mit einer Länge von ca. 7 m und einer Breite von ca. 5,9 m sowie im Anschluss daran ein Flugdach mit einer Länge von 6,4 m und einer Breite von ca. 4 m errichtet worden seien. Weiters sei ohne die erforderliche Baubewilligung ein Schwimmbecken mit einer Länge von ca. 9 m, einer Breite von 3,6 m und einer durchschnittlichen Tiefe von 1,2 m hergestellt worden. Daraufhin sei der obenstehende Bauauftrag erlassen worden.
Der bautechnische Amtssachverständige habe in seiner Stellungnahme vom ausgeführt, dass das vom Bauauftrag umfasste Gebäude samt Flugdach auf Grund der Art der Konstruktion, der Außenmaße sowie des Umstands, dass eine neue Bodenplatte hergestellt worden sei, eindeutig einen gänzlichen Neubau darstelle. Das ehemals vorhandene Gebäude sei abgetragen worden. Bezüglich des Schwimmbades habe der Amtssachverständige ausgeführt, dass das mit Bescheid vom bewilligte Schwimmbecken mit den Abmessungen von 8,0 m x 4,0 m, wie die Auswertung der Mehrzweckkarte und der Luftaufnahme aus dem Jahr 2001 bis Ende 2004 ergeben hätten, ebenfalls nicht mehr existiere. Stattdessen bestehe ein Schwimmbecken mit den Ausmaßen 9,0 m x 3,0 m.
Dazu habe die Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom ausgeführt, dass das Schwimmbad samt Badehaus zugleich mit dem angeführten Kleinhaus, jedoch an anderer Stelle als eingereicht, errichtet worden seien; dies könne durch Fotos aus dem Familienarchiv belegt werden. Der am vor Ort durchgeführte Augenschein, welcher die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen bestätigen würde, könne sich nur auf dieses Objekt beziehen. Es sei niemals an einer anderen Stelle nachweislich ein anderes Schwimmbad errichtet worden. Weiters sei das bestehende Gebäude unter Wiederverwendung der generalsanierten Teile des Altbestands umgestaltet und mit teilweise veränderter Dachform erweitert worden, anstelle der geschlossenen Umkleidekabinen seien gläsernen Faltkabinen gesetzt worden.
Unbestritten bestünden zwischen den ursprünglich bewilligten Baulichkeiten und der nunmehr bestehenden Baulichkeit Abweichungen, für die eine Baubewilligung bislang nicht erwirkt worden sei. Auf Grund der schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des bautechnischen Amtssachverständigen sei davon auszugehen, dass der Altbestand des Gebäudes abgetragen worden und damit einhergehend die erteilte Baubewilligung für diese Baulichkeit untergegangen sei. Das neu errichtete Gebäude samt Flugdach stelle somit, auch wenn alte Bauteile nach deren Sanierung wiederverwendet worden seien, eine konsenslose Baulichkeit dar. Die Errichtung einer neuen Bodenplatte werde von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt, deren Aussage, dass das Gebäude unter Verwendung von sanierten Teilen des Altbestandes wieder hergestellt worden sei, könne daher nur dahingehend interpretiert werden, dass dies nach Abtragung des bestehenden Gebäudes durch den Neubau erfolgt sei.
Auch das Schwimmbad weise unstrittig andere Abmessungen und eine andere Lage auf dem Grundstück auf, als dies bewilligt worden sei. Es stelle daher ebenfalls eine konsenswidrige Baulichkeit dar. Eine Benützungsbewilligung könne eine Baubewilligung nicht ersetzen, durch die Erteilung der Benützungsbewilligung könne eine Konsenswidrigkeit nicht geheilt werden. Da das Schwimmbecken mit seiner Abdeckung auf einem einer als Grünland - Schutzgebiet - Wald- und Wiesengürtel gewidmeten Fläche situiert sei, könne § 62a Abs. 1 Z. 22 BO nicht zur Anwendung kommen, weil danach eine Bewilligungsfreiheit nur für Schwimmbecken im Bauland bestehe.
Auf Grund der Herstellung einer betonierten Bodenplatte sowie von Betonwänden, die einerseits dem Erddruck und andererseits dem Wasserdruck und somit wechselnden statischen Belastungen standhalten müssten, sei offenkundig, dass zur Herstellung des Schwimmbads samt Abdeckung ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich sei, weshalb die vorliegende Baulichkeit unzweifelhaft gemäß § 60 Abs. 1 lit. b BO bewilligungspflichtig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die folgende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Vorschriftswidrig im Sinne des § 129 Abs. 10 BO ist ein Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den aber ein solcher Konsens nicht vorliegt. Bei Abweichungen von Bauvorschriften können nach § 129 Abs. 10 BO Bauaufträge sowohl für bewilligungspflichtige, anzeigepflichtige als auch bewilligungsfreie Bauvorhaben erteilt werden (vgl. dazu sowie zum Folgenden das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0162, mwH). Der Grund für die Abweichung von der Bewilligung ist unerheblich. Die Frage der Bewilligungsfähigkeit der vorgenommenen Abweichungen von der Baubewilligung ist im Auftragsverfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen. Ob eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden kann, ist demnach auch keine für die Erlassung eines Abtragungsauftrages nach § 129 Abs. 10 BO zu lösende Vorfrage. Selbst ein allfälliges noch nicht erledigtes entsprechendes Baubewilligungsgesuch hindert die Erlassung eines solchen Auftrages nicht, wohl aber könnte ein solcher Auftrag während der Anhängigkeit eines entsprechenden Ansuchens um nachträgliche Bewilligung und nach der Erteilung einer nachträglichen Bewilligung nicht (mehr) vollstreckt werden.
Die an die Baubehörde gerichtete Anordnung, dass "gegebenenfalls Aufträge erteilt werden können", bedeutet, dass die Behörde von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 erster Satz BO einen Auftrag erteilen muss, sofern nicht der Verpflichtete selbst im Sinne der gesetzlichen Anordnung die Abweichung von den Bauvorschriften behebt oder den vorschriftswidrigen Bau beseitigt. Der Behörde ist nur insofern ein Gestaltungsspielraum bei der Durchführung des Bauauftragsverfahrens nach § 129 Abs. 10 BO eingeräumt, als ihr die Möglichkeit an die Hand gegeben ist, mit der Erlassung des Bauauftrages zuzuwarten und dieses - vorläufige -
Unterbleiben eines Auftrages sachlich gerechtfertigt ist. Die Beschwerdeführerin ist jedenfalls in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt, wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall auch ohne Vorliegen einer Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen durch die vorschriftswidrigen Bauten einen Auftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO erlassen hat.
2. Dem Einwand, die belangte Behörde habe es unterlassen, in ihren Bescheid die Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom einfließen lassen, ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde in der Bescheidbegründung (wie oben wiedergegeben) ohnehin auf dieses Schreiben einging.
Die vom Bauauftrag erfassten Baulichkeiten liegen unstrittig auf einer als Grünland - Schutzgebiet - Wald- und Wiesengürtel gewidmeten Fläche. Da gemäß § 62a Abs. 1 Z. 22 BO nur für Bauführungen für (bestimmte) Schwimmbecken im Bauland weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich ist, vermag die Beschwerdeführerin mit ihrem auf § 62a Abs. 1 BO abstellenden Vorbringen für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen.
Weiters wird in der Beschwerde eingeräumt, dass die in Rede stehende Schwimmbeckenanlage auf dem Grundstück anders als in der Baubewilligung vorgesehen situiert ist. Bei einer Annahme, diesbezüglich könnte ein Austauschplan im Akt verlustig gegangen sei, weil andernfalls ein Fehlverhalten der Baubehörde vorläge, handelt es sich um eine nicht weiter substantiierte Vermutung, mit der die Beschwerdeführerin für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen vermag.
Mit der ins Treffen geführten Benützungsbewilligung "für die seinerzeit errichtete Schwimmteichanlage" vermag die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, weil aus der Erteilung einer Benützungsbewilligung kein anderes Recht als das auf Benützung abgeleitet werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0104, mwH). Eine Benützungsbewilligung, deren Gegenstand und Inhalt ausschließlich die Erlaubnis zur Benützung des Bauwerkes bildet, kann den Baukonsens nicht abändern oder ersetzen; eine Abänderung des Baubewilligungsbescheides durch den Benützungsbewilligungsbescheid ist nur dann denkbar, wenn die Benützungsbewilligung auch Elemente einer Baubewilligung enthält; für letzteres besteht vorliegend kein Anhaltspunkt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0116).
Vor diesem Hintergrund ist es nicht erheblich, dass nach Meinung der Beschwerdeführerin schon das seinerzeitige Schwimmbecken eine Länge von 9 m aufgewiesen habe. Ebenso fehl geht das Vorbringen, die belangte Behörde habe die bezüglich des Schwimmbeckens vorgelegten Lichtbilder in den Berufungsbescheid nicht einfließen lassen.
Anders als die Beschwerde meint kann auch nicht gesagt werden, dass die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliege gutachterliche Äußerung nicht von einem unabhängigen Sachverständigen stamme, weil dieser schon Sachverständiger im erstinstanzlichen Bauverfahren gewesen sei. Dass die belangte Behörde eine gutachterliche Äußerung des Sachverständigen der Baubehörde erster Instanz einholte, vermag keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu begründen. Auf dem Boden der hg. Rechtsprechung stellt es keine Verletzung von Verfahrensvorschriften dar, wenn zur Begutachtung im Verfahren erster und zweiter Instanz derselbe Sachverständige herangezogen wird (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/05/0183, und vom , Zl. 2002/06/0023).
3. Die Beschwerde erweist sich auf dem Boden der hg. Rechtsprechung somit insgesamt als unbegründet, weshalb sie in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
DAAAE-89854