VwGH vom 22.02.2012, 2009/08/0107

VwGH vom 22.02.2012, 2009/08/0107

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des H B in P, vertreten durch Dr. Frank Riel, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Gartenaugasse 1, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid des Arbeitsmarktservice Niederösterreich Landesgeschäftsstelle vom , Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2009, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice K vom wurde gegenüber dem Beschwerdeführer der Verlust seines Anspruchs auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. Oktober bis ausgesprochen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung keine Folge gegeben und ausgesprochen, dass der Tatbestand des § 10 iVm § 38 AlVG erfüllt sei und keine Nachsichtsgründe gemäß § 10 Abs. 3 iVm § 38 AlVG vorlägen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei gelernter Tischler mit Lehrabschlussprüfung und Meisterprüfung. Am sei ihm vom Arbeitsmarktservice eine Vollzeitbeschäftigung mit zumindest kollektivvertraglicher Entlohnung als Tischler bei der L. GmbH in K mit möglichem Arbeitsantritt am angeboten worden. Laut Rückmeldung des potentiellen Dienstgebers sei bis keine Vorstellung des Beschwerdeführers erfolgt, es sei kein Vorstellungstermin mit dem Beschwerdeführer vereinbart worden, und es habe sich auch namentlich niemand an ihn erinnern können.

Niederschriftlich habe der Beschwerdeführer am zum Nichtzustandekommen der zugewiesenen Beschäftigung bei der L P GmbH erklärt, dass er hinsichtlich der konkret angebotenen Entlohnung, der angebotenen beruflichen Verwendung, der vom Unternehmen geforderten Arbeitszeiten, hinsichtlich körperlicher Fähigkeiten, Gesundheit und Sittlichkeit, der täglichen Wegzeit und Betreuungspflichten keine Einwendungen habe. Als sonstige Gründe habe er vorgebracht, dass er bei der L. GmbH angerufen habe. Er habe jedoch nicht sofort einen Vorstellungstermin vereinbart, sondern gesagt, dass er sich nächste Woche wegen eines Vorstellungstermins melden werde. Er habe sich bei der Firma K. beworben, weil diese ab ein Küchenstudio übernehme. Während der ersten 14 Tage werde die Kundenfrequenz beobachtet und danach über eine Aufnahme entschieden. Zu den Angaben des Dienstgebers habe der Beschwerdeführer erklärt, dass er angerufen habe, ob die Stelle frei sei, er habe jedoch wegen seiner favorisierten (anderen) Bewerbung keinen Termin vereinbart.

Laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vom habe der Beschwerdeführer während der verhängten Ausschlussfrist keine Beschäftigung aufgenommen und habe im entscheidungsrelevanten Zeitraum kein Krankengeld bezogen.

Unstrittig sei, dass eine Vorstellung des Beschwerdeführers beim potentiellen Dienstgeber nicht erfolgt sei. Der potentielle Dienstgeber habe erklärt, dass ein Vorstellungstermin nicht vereinbart worden sei, es habe sich auch namentlich niemand an den Beschwerdeführer erinnern können. Der Beschwerdeführer gebe an, er habe zwar angerufen und gefragt, ob die Stelle frei sei, einen Vorstellungstermin habe er aber nicht vereinbart.

Um sich arbeitswillig zu zeigen, bedürfe es eines auf die Erlangung eines Arbeitsplatzes ausgerichteten aktiven Handelns des Arbeitslosen, wozu nicht nur lediglich die Anfrage, ob die Stelle noch frei sei, zähle, sondern die tatsächliche Vereinbarung eines Vorstellungstermins. Von einem tatsächlich Arbeitsuchenden könne verlangt werden, dass er zumindest einen Vorstellungstermin vereinbare, auch wenn eine andere Arbeitsmöglichkeit angestrebt werde. Der Beschwerdeführer habe es sohin unterlassen, ein aktives Handeln - nämlich die unverzügliche Vereinbarung eines Vorstellungstermins aufgrund der am erfolgten Zuweisung der offenen Stelle - zu setzen. Er habe damit die mögliche Arbeitsaufnahme vereitelt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (u.a.) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Eine Beschäftigung ist zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet und angemessen entlohnt ist; als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung (§ 9 Abs. 2 AlVG).

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen.

Gemäß § 38 AlVG sind diese Regelungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Diese Bestimmungen sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0008).

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen -, somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. zB das Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0151).

2. Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer keinen Vorstellungstermin bei dem potentiellen Dienstgeber der ihm zugewiesenen Beschäftigung vereinbart hat.

Der Beschwerdeführer behauptet jedoch, die Feststellung der belangten Behörde, wonach er bei der L. GmbH angerufen und dort die Nachricht hinterlassen habe, sich in der kommenden Woche wegen eines Vorstellungstermins zu melden, sei aktenwidrig, weil sie nicht mit den niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers übereinstimmen würde. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer in der Niederschrift am folgende Angaben gemacht:

"Ich habe aufgrund des Beschäftigungsanbots der Regionalen Geschäftsstelle K vom unverzüglich telefonisch mit der (L. GmbH) Kontakt aufgenommen. Von der Firma (L. GmbH) konnte mir bei meiner telefonischen Kontaktaufnahme keine weiteren Auskunft bezüglich der mir angebotenen Beschäftigung erteilt werden. Es wurde mir mitgeteilt, dass tatsächlich der mir angebotene Posten als Tischler noch nicht besetzt ist. Mir wurde bekannt gegeben, dass sich die Firma (L. GmbH) zuverlässig mit mir in Verbindung setzen wird, um die näheren Einzelheiten bezüglich eines Vorstellungsgespräches und bezüglich des Antrittes der mir angebotenen Beschäftigung zu besprechen. Dieser Rückruf ist jedoch niemals erfolgt. Ich habe mich parallel zur Kontaktaufnahme mit der (L. GmbH) auch um eine Beschäftigung bei der Firma (K.) in (S.) bemüht. Ich habe jedoch weder von der (L. GmbH) noch bei der Firma (K.) eine Beschäftigung erlangen können."

Die diesem Inhalt der Niederschrift entgegen gesetzten Feststellungen seien daher aktenwidrig.

3. Zu diesem Vorbringen ist festzuhalten, dass der mit den Verwaltungsakten vorgelegten, vor der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Krems am 1. Oktober aufgenommenen Niederschrift folgende "sonstige Gründe" des Beschwerdeführers für das Nichtzustandekommen der Beschäftigung zu entnehmen sind:

"Ich habe bei der Firma (L. GmbH) und auch den anderen Firmen angerufen. Jedoch habe ich mir nicht sofort einen Vorstellungstermin vereinbart sondern gesagt, dass ich mich nächste Woche wegen eines Vorstellungstermins melde. Ich habe mich bei der Fa (K.) (Auftrag Nr 3690237 - Montagetischler für Küchen) beworben, weil er ab in (H.) ein Küchenstudio übernehmen will. Die ersten 14 Tage will (er) erst schauen, wie die Kundenfrequenz ist, dann entscheidet er über eine Aufnahme."

Nach Vorhalt der Stellungnahme des potentiellen Dienstgebers erklärte der Beschwerdeführer laut der vorliegenden Niederschrift:

"Ich habe dort angerufen, ob die Stelle frei ist und dann wegen meiner dzt favorisierten Bewerbung keine Termin vereinbart."

Der vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde - selbst aktenwidrig - behauptete Inhalt der Niederschrift stimmt mit dem tatsächlichen Inhalt dieser Niederschrift, wie sie im Original mit den Verwaltungsakten vorgelegt wurde, nicht überein. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt daher nicht vor, da die Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht vom tatsächlichen Inhalt der Niederschrift abweichen. Der Beschwerdeführer hat auch sonst im Verwaltungsverfahren, insbesondere auch in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid, kein Vorbringen erstattet, das dem nunmehr in der Beschwerde behaupteten Inhalt der Niederschrift entsprechen würde.

4. Gemäß § 15 AVG liefert, soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, eine unter Einhaltung des § 14 AVG aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorgangs bleibt zulässig.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde keine Unrichtigkeit der Niederschrift darzulegen versucht, sondern lediglich - fälschlich - behauptet, dass diese Niederschrift einen anderen Inhalt habe. Selbst wenn man sein Beschwerdevorbringen aber dahin verstehen wollte, dass er damit die Richtigkeit der Niederschrift in Zweifel ziehen wollte, wäre dies als eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung zurückzuweisen.

5. Nach den damit nicht erschütterten Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer bei der L. GmbH angerufen, jedoch nicht unmittelbar einen Vorstellungstermin vereinbart, sondern gesagt, dass er sich nächste Woche wegen eines Vorstellungstermins melden werde. Eine neuerliche Meldung des Beschwerdeführers zur Vereinbarung eines Vorstellungsgesprächs fand nicht statt.

Der Beschwerdeführer hat damit kein zielgerichtetes, auf die Erlangung der Beschäftigung ausgerichtetes Handeln entfaltet, sodass die belangte Behörde zurecht eine Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG angenommen hat.

6. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am