VwGH vom 15.12.2014, Ro 2014/04/0068

VwGH vom 15.12.2014, Ro 2014/04/0068

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser und Dr. Mayr sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Revision der Bietergemeinschaft bestehend aus 1. der H GmbH in L und 2. der P GmbH in L, vertreten durch MMag. Dr. Claus Casati, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 1b/17, gegen das mündlich verkündete Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 44.20-3073/2014, betreffend Nachprüfungsantrag in einem Vergabeverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Bietergemeinschaft bestehend aus der T AG in U und der S AG in G, vertreten durch die Mecenovic Rechtsanwalt GmbH in 8010 Graz, Burggasse 16/III; 2. L, vertreten durch Held Berdnik Astner Partner Rechtsanwälte in 8010 Graz, Schlögelgasse 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Revisionswerberin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1. Die Revisionswerberin stellte am beim Landesverwaltungsgericht Steiermark (in der Folge: Verwaltungsgericht) den Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung in einem von der Zweitmitbeteiligten durchgeführten Vergabeverfahren betreffend einen Bauauftrag im Unterschwellenbereich. Die Bildung der Bietergemeinschaft durch zwei marktbeherrschende Unternehmen, die als präsumtive Zuschlagsempfängerin hervorgegangen sei, stelle eine gegen die guten Sitten bzw. den Grundsatz des lauteren Wettbewerbs verstoßende Abrede dar, weshalb diese Bietergemeinschaft (hier die erstmitbeteiligte Partei) zwingend auszuscheiden gewesen sei.

2. In diesem Nachprüfungsverfahren führte das Verwaltungsgericht - wie dem entsprechenden Protokoll zu entnehmen ist - am eine mündliche Verhandlung durch und verkündete im Anschluss an diese in Anwesenheit der Revisionswerberin sowie der mitbeteiligten Parteien, dass dem Nachprüfungsantrag keine Folge gegeben werde (Spruchpunkt I.), dass die Antragstellerin die Pauschalgebühren selbst zu tragen habe (Spruchpunkt II.) und dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei (Spruchpunkt III.). Aus den protokollierten Entscheidungsgründen geht hervor, dass das erkennende Verwaltungsgericht davon ausgehe, ein Verstoß gegen das Kartellgesetz liege im Wesentlichen vor, wenn durch eine Abrede der Wettbewerb eingeschränkt werde. Ein Mitglied der Erstmitbeteiligten hätte auch ohne die vertragliche Vereinbarung betreffend die Bietergemeinschaft ein eigenes Angebot gelegt. Da zumindest fünf oder sechs Bieter am sachlich und örtlich relevanten Markt aufträten, sei ein ausreichender Wettbewerb gewährleistet. Die vergaberechtswidrige Unterlassung der kartellrechtlichen Prüfung durch den Auftraggeber habe keinen wesentlichen Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens gehabt.

Mit Schriftsatz vom richtete die Revisionswerberin das Ersuchen an das Verwaltungsgericht, den am mündlich verkündeten "Bescheid" ehestmöglich schriftlich auszufertigen.

Die erfolgte Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung der mündlich verkündeten Entscheidung ist nicht aktenkundig und wurde im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht dargetan.

3. Gegen das in der Verhandlung vom mündlich verkündete Erkenntnis des Verwaltungsgerichts richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, dieses zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und der Revisionswerberin den Aufwandersatz zuzuerkennen.

Das Verwaltungsgericht legte die Revision und die Revisionsbeantwortungen der mitbeteiligten Parteien sowie den Verfahrensakt vor.

Die Revisionsbeantwortungen beantragen jeweils, die Revision zurück- bzw. abzuweisen.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4.1. Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013) sind die Erkenntnisse im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen. Sie sind zu begründen. Hat eine Verhandlung in Anwesenheit von Parteien stattgefunden, so hat in der Regel das Verwaltungsgericht gemäß Abs. 2 leg. cit. das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen sogleich zu verkünden. Gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG ist den Parteien eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zuzustellen.

4.2. In Hinblick auf die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss vom , E 163/2014-13, geäußerten Bedenken betreffend die Bestimmung des § 29 VwGVG ist zur Frage der Anfechtbarkeit bloß mündlich verkündeter Entscheidungen auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage vor dem betreffend das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten zu verweisen, wonach unabhängig von der Einhaltung der Verpflichtung, den Parteien gemäß § 67g Abs. 3 AVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 (a.F.) eine schriftliche Ausfertigung zuzustellen, ohne dass dafür ein besonderes Verlangen der Parteien erforderlich wäre, der gemäß § 67g Abs. 1 AVG a.F. mündlich verkündete Bescheid bereits mit seiner mündlichen Verkündung rechtlich existent wird, sodass gegen ihn zulässigerweise eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben werden konnte. Dabei hat das Fehlen der Wiedergabe der Begründung im Protokoll auf die Rechtsgültigkeit der (wenn auch inhaltlich fehlerhaften) Erlassung des Bescheides durch mündliche Verkündung keinen Einfluss (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/21/0404, und vom , Zl. 2008/20/0448, mwN.). Auch vor dem Hintergrund des hier anzuwendenden § 29 VwGVG bestehen derzeit keine Bedenken gegen die Möglichkeit der Anfechtung bereits des nur mündlich verkündeten Erkenntnisses.

4.3. § 29 Abs. 1 VwGVG statuiert die Verpflichtung zur Begründung der Erkenntnisse durch die Verwaltungsgerichte. Im Sinne des gemäß § 17 VwGVG im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anzuwendenden § 60 AVG sind in der Begründung des Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen, sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/03/0076) erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Angesichts ihrer sich aus Art. 130 B-VG ergebenden Zuständigkeit werden die Verwaltungsgerichte den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG iVm § 60 AVG ergehenden Anforderungen dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. zur Anwendbarkeit des § 60 AVG im Zusammenhang mit mündlich verkündeten Bescheiden nach § 67 AVG a.F. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0258).

4.3.1. Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht: Zwar ist dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom eine grobe Zusammenfassung der Entscheidungsgründe zu entnehmen, jedoch sind diese für sich nicht ausreichend, um dem Verwaltungsgerichtshof eine nachprüfende Kontrolle des angefochtenen Erkenntnisses zu ermöglichen, zumal auch im Verkündungsprotokoll auf die näheren Begründungsausführungen in der schriftlichen Bescheidausfertigung verwiesen wird, die jedoch nach dem Gesagten nicht vorliegt.

Indem die Revision diese Begründungsmängel vorbringt, zeigt sie einen revisiblen Verfahrensmangel auf, weil die lückenhafte Darstellung der Entscheidungsgründe eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung verhindert.

5. Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil mit dem Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand auch die Umsatzsteuer abgegolten wird.

Wien, am