VwGH vom 22.02.2012, 2009/08/0104
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des C W in Wien, vertreten durch Dr. Leopold Rieß, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Zeltgasse 3/12, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2008-0566-9- 003596, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 10 iVm § 38 AlVG der Verlust seines Anspruchs auf Notstandshilfe im Zeitraum vom 31. Oktober bis ausgesprochen. Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG wurde nicht gewährt.
Als Sachverhalt stellte die belangte Behörde im Wesentlichen fest, der Beschwerdeführer habe Berufserfahrung als EDV-Techniker und verfüge darüber hinaus über einen Diplomlehrgang zum Trainer für Wirtschafts- und Sozialkompetenz, den er 2006 absolviert habe. Weiters habe er eine Ausbildung zum Netzwerkadministrator erfolgreich abgeschlossen. Er suche vornehmlich eine Stelle als EDV-Techniker bzw. EDV-Trainer für Anwendungen.
Laut der zwischen dem Beschwerdeführer und dem Arbeitsmarktservice zuletzt am abgeschlossenen Betreuungsvereinbarung solle er auf Stellenangebote, die ihm das Arbeitsmarktservice übermittle, reagieren und dem Arbeitsmarktservice binnen 14 Tagen über die Bewerbung Rückmeldung erstatten.
Der Beschwerdeführer sei seit August 1999 laufend ohne Beschäftigung und habe im Auftrag des Arbeitsmarktservice diverse Schulungen absolviert. Seit Jänner 2001 stehe er im Bezug von Notstandshilfe. Sein letztes arbeitslosenversicherungspflichtiges Dienstverhältnis habe mit geendet. Von Jänner bis September 2008 sei er bei der B. GmbH geringfügig beschäftigt gewesen.
Am sei dem Beschwerdeführer seitens des Arbeitsmarktservice eine Beschäftigung als Callcenter Mitarbeiter bei der Firma P. in Wien angeboten worden. Es habe sich um eine nach Kollektivvertrag entlohnte Ganztagsstelle gehandelt. Den Stellenvorschlag habe der Beschwerdeführer am anlässlich einer persönlichen Vorsprache beim Arbeitsmarktservice erhalten. Er hätte sich zwecks einer Bewerbung für diese Stelle zu einer vom Arbeitsmarktservice D täglich von Montag bis Freitag in der Zeit von 8:30 bis 10:30 Uhr veranstalteten Personalauswahl begeben sollen.
Der Stellenvorschlag habe wie folgt gelautet:
"Reifenfirma in Wien sucht Callcenter-Mitarbeiter/in - Contact Center Mitarbeiter/in zum sofortigen Arbeitsbeginn.
(…)
Bitte wenden Sie sich mit Ihren schriftlichen Bewerbungsunterlagen (Lebenslauf, Dienstzeugnisse) unter Angabe der Auftragsnummer zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch von Montag bis Freitag, jeweils von 8:30 bis 10:30 Uhr an das Arbeitsmarktservice (….) D"
Der Beschwerdeführer habe sich für die Stelle nicht beworben. Der "Vermittlungsauftrag" der Firma P. sei mit datiert und auf sechs Wochen befristet gewesen. Grundsätzlich habe das Arbeitsmarktservice sechs Wochen lang Personal für die Firma P. vorauswählen sollen. Die Stelle sei am besetzt und der Vermittlungsauftrag von der Firma P. beendet worden.
Der Beschwerdeführer habe dem Arbeitsmarktservice eine Krankenstandsbestätigung des Dr. F., Arzt für Allgemeinmedizin, vorgelegt, aus der ersichtlich sei, dass er vom 20. bis zum erkrankt gewesen sei.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, ein Arbeitsloser habe alle ihm zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um den Zustand der Arbeitslosigkeit raschest zu beenden. Der Beschwerdeführer habe sich nicht, wie vereinbart, binnen 14 Tagen für die Stelle bei der Firma P. beworben. Den Stellenvorschlag habe er am persönlich erhalten. Er hätte sich ehest möglich im Rahmen einer wochentags täglich beim Arbeitsmarktservice D stattfindenden Personalvorauswahl für die Stelle bewerben sollen. Das habe er unterlassen.
Die Berufungseinwendung, er hätte sich nur innerhalb von drei Tagen um die Stelle bewerben können, da dies in den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" des Arbeitsmarktservice E so vorgesehen sei und er gerade während dieser drei Tage krank gewesen sei, könne von der belangten Behörde nicht nachvollzogen werden. Selbstverständlich sei ein Arbeitsloser angehalten, sich raschest möglich um eine Stelle zu bewerben, da Dienstgeber ihr Personal ebenfalls im Allgemeinen rasch benötigen würden. Die Argumentation, eine Bewerbung nach Beendigung seines dreitägigen Krankenstands widerspräche den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" des Arbeitsmarktservice E, da dort Bewerbungen nur innerhalb von drei Tagen möglich seien, sei geradezu absurd. Selbstverständlich sei ein Arbeitsloser nicht verpflichtet, während eines Krankenstandes Bewerbungsaktivitäten zu setzen, nach Beendigung seines Krankenstandes bestehe diese Verpflichtung aber sehr wohl bzw. lebe wieder auf. Im Fall des Beschwerdeführers, der sich nur drei Tage im Krankenstand befunden habe, wäre eine Bewerbung für die Stelle bei der Firma P. in jedem Fall auch nach seiner Genesung noch sehr aussichtsreich gewesen, da der Stellenauftrag der Firma erst am 17. Oktober ergangen und die Stelle im konkreten Fall erst am 21. November besetzt worden sei. Eine Bewerbung des Beschwerdeführers nach Beendigung des Krankenstands wäre somit in jedem Fall möglich und aussichtsreich gewesen.
Da sich der Beschwerdeführer ohne triftigen Grund bei der Firma P. nicht beworben habe, habe er das Zustandekommen eines zumutbaren Dienstverhältnisses vereitelt und damit einen Tatbestand nach § 10 AlVG verwirklicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG idF BGBl. I Nr. 104/2007 verliert die arbeitslose Person, wenn sie sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Diese Bestimmung ist gemäß § 38 AlVG sinngemäß auf die Notstandshilfe anzuwenden.
Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht. Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0049, uva).
2. Der Beschwerdeführer macht unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0189, geltend, dass ein Arbeitsloser nicht verpflichtet sei, sich zu bewerben, wenn und solange er infolge Krankheit arbeitsunfähig im Sinne des § 138 ASVG sei. Er sei vom 20. bis zum arbeitsunfähig gewesen sei und habe sich im Krankenstand befunden.
Zwischen dem Beschwerdeführer und dem Arbeitsmarktservice sei eine dreitägige Bewerbungsfrist für die zugewiesene Beschäftigung vereinbart worden. Der Beschwerdeführer verweist dazu auf ein - der Beschwerde angeschlossenes - Beiblatt zu einem Stellenangebot vom , in dem es unter anderem heißt:
"Bitte bewerben Sie sich unverzüglich binnen drei Werktagen und geben Sie den bestätigten Vermittlungsvorschlag, binnen 14 Tagen, MO - DO in der Zeit von 13:00 - 15:00, in der Informationsstelle ab."
Die belangte Behörde habe in diesem Zusammenhang "unterschiedliche Feststellungen getroffen" und hätte sich darüber hinaus, sollte tatsächlich eine andere Frist als die vom Beschwerdeführer angenommene dreitägige Frist vereinbart worden sein, mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auch dahingehend auseinanderzusetzen gehabt, dass entweder eine dreitägige Frist vereinbart worden sei oder eben ein "Tatbildirrtum vorliegt, sodass ein Vorsatz des Beschwerdeführers jedenfalls auszuschließen ist."
3. Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzuhalten, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen hat, die Bewerbung während seines Krankenstands vom 20. bis zum unterlassen zu haben. Als Vereitelungshandlung wurde von der belangten Behörde jedoch qualifiziert, dass der Beschwerdeführer die Bewerbung für die zugewiesene Beschäftigung auch nach Beendigung seines Krankenstands unterlassen hat.
4. Soweit der Beschwerdeführer auf eine angeblich "vereinbarte" dreitägige Frist verweist, ist er darauf hinzuweisen, dass nach den - mit dem Akteninhalt übereinstimmenden - Feststellungen im angefochtenen Bescheid im "Stellenvorschlag", der ihm von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice am mit der Aufforderung zur Bewerbung übergeben worden war, keine Frist für die Bewerbung genannt war, sondern eine Bewerbung vielmehr "von Montag bis Freitag" zu näher angegebenen Zeiten erwünscht war.
Die mit der Beschwerde erfolgte Vorlage eines anderen Stellenangebots vom , nach dem eine Bewerbung "unverzüglich binnen drei Werktagen" erfolgen sollte, ist nicht geeignet, die - auch nicht ausdrücklich bekämpften - Feststellungen der belangten Behörde über das konkrete Stellenangebot vom als unschlüssig erkennen zu lassen.
Damit steht aber fest, dass der am (einem Freitag) übergebene Stellenvorschlag keine ausdrückliche Frist für eine Bewerbung von drei Tagen vorgesehen hat, und dass der - unstrittig - (nur) vom 20. bis zum arbeitsunfähige Beschwerdeführer sich um die angebotene Beschäftigung auch nach dem Ende seines Krankenstandes nicht beworben hat.
Da er damit jegliches auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln unterlassen hat, ohne - nach dem - durch Krankheit daran gehindert gewesen zu sein, hat er eine Vereitelungshandlung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG gesetzt.
5. Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, dass in der "Betreuungsvereinbarung" vom eine Rückmeldungsfrist enthalten sei, die von der belangten Behörde unzulässiger Weise mit jener Frist gleichgesetzt werde, innerhalb derer eine Bewerbung zu erfolgen habe. Die belangte Behörde stelle zudem nicht ausreichend klar fest, welche Frist tatsächlich vereinbart worden sei. Sie übersehe, dass es vereinbarte Bewerbungsfristen gebe, an die sich auch das Arbeitsmarktservice zu halten habe. Die Feststellung der vereinbarten Bewerbungsfrist sei wesentliche Voraussetzung für die Klärung, ob dem Beschwerdeführer ein Verschulden vorzuwerfen sei.
Dazu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in seiner Berufung auf die "AGB" des Arbeitsmarktservice verwiesen hat, nach denen sich Arbeitslose auf Stellenangebote "umgehend bzw. innerhalb der vereinbarten Frist" zu bewerben hätten. Weiters behauptete der Beschwerdeführer, ohne dies näher zu belegen, dass die "vereinbarte Frist" für Bewerbungen "beim AMS E mit drei Werktagen festgesetzt" sei. Dem ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid dadurch entgegengetreten, dass sie den konkreten Inhalt des Stellenvorschlags - aus dem keine derartige Frist hervorgeht - festgestellt hat; weiters hat die belangte Behörde zum Ausdruck gebracht, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Festlegung einer dreitägigen Bewerbungsfrist bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice E nicht zutrifft. Schließlich hat die belangte Behörde auf die von ihr so bezeichnete "Betreuungsvereinbarung" (richtig: den Betreuungsplan, vgl. dazu § 38c AMSG) verwiesen, nach dem der Beschwerdeführer sich auf Stellenangebote zu bewerben und innerhalb von 14 Tagen Rückmeldung über die Bewerbung zu geben habe.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kommt es im Beschwerdefall aber nicht darauf an, ob mit der zuletzt genannten Frist von 14 Tagen auch eine "Bewerbungsfrist" vereinbart wurde, wie dies die belangte Behörde anzunehmen scheint. Zumal nämlich - wie bereits dargelegt - die vom Beschwerdeführer behauptete "vereinbarte" Frist von drei Tagen, nach deren Ablauf eine Bewerbung nicht mehr vorzunehmen wäre, tatsächlich nicht festgestellt wurde, kommt es nur darauf an, ob der Beschwerdeführer im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unverzüglich - nach Ende seines Krankenstandes - ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln entfaltet hat. Schon im Hinblick darauf, dass er der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice innerhalb von 14 Tagen Rückmeldung über seine Bewerbung zu geben hatte, konnte der Beschwerdeführer nach seinem dreitägigen Krankenstand jedenfalls nicht ohne Rücksprache mit dem Arbeitsmarktservice davon ausgehen, dass das - keine Befristung enthaltende - Stellenangebot bereits gegenstandslos und eine Bewerbung daher nicht mehr möglich sei. Der Beschwerdeführer hat damit ohne triftigen Grund - auch innerhalb von 14 Tagen ab Erhalt des Stellenvorschlags - keine Schritte zur Erlangung der Beschäftigung gesetzt, was der Sache nach einer Weigerung gleich zu setzen ist. Dadurch, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer damit eine schuldhafte Vereitelung vorgeworfen hat, hat sie ihn nicht in Rechten verletzt.
6. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am