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VwGH vom 17.09.2014, Ro 2014/04/0060

VwGH vom 17.09.2014, Ro 2014/04/0060

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schweda, über die ordentliche Revision der D G in L, vertreten durch die Dr. Obrecht Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in 4020 Linz, Lederergasse 21, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , Zl. LVwG-850015/4/BMa/AK, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz (belangte Behörde) vom wurde der Revisionswerberin gemäß § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 die Gewerbeberechtigung "Massage" an einem näher bezeichneten Standort entzogen.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich (Verwaltungsgericht) wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet abgewiesen und der Bescheid bestätigt (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Landesinnung der Fußpfleger, Kosmetiker und Masseure, Sparte Gewerbe und Handwerk der Wirtschaftskammer Oberösterreich habe die belangte Behörde um Überprüfung ersucht, ob das Anbieten von Leistungen auf der Homepage der Revisionswerberin als sittenwidrig oder gegebenenfalls als Prostitution anzusehen sei.

Auf dieser Homepage würden Lingam(Penis)massagen und Prostatamassagen angeboten werden. Bei diesen Angeboten sei darauf hingewiesen worden, "dass es sich bei meinem Angebot um keine sexuelle oder geschlechtliche Handlung im Sinne der Prostitution handelt. Selbstverständlich bin ich normal bekleidet und das Berühren meiner Person ist weder erwünscht, noch gestattet". Die Lingam(Penis)massage sei als "eine fundierte Massage des männlichen Genitalorgans" beschrieben worden mit dem Zusatz "Ein Orgasmus ist hierbei nicht das Ziel, ist allerdings auch nicht ausgeschlossen". Zur Prostatamassage sei ausgeführt worden, diese werde "als ein effektives Mittel für gesünderes und verbessertes Sexualleben eingesetzt". Weiters seien auf der Homepage "www.xy (...)" Massagearten angeboten worden, wobei die in dieser Anzeige abgebildete Frau ident mit jener sei, die auch auf der Homepage der Revisionswerberin abgebildet sei. Die Revisionswerberin habe auch angegeben, diese Massagen seit Jahren laufend bei Kunden angewendet zu haben.

In der Beschwerde habe die Revisionswerberin im Wesentlichen vorgebracht, es würden jegliche Anhaltspunkte für die Einordnung als Prostitution fehlen. Darüber hinaus zähle die Lingammassage nicht mehr zum Leistungsangebot der Revisionswerberin, sodass es unzulässig sei, die gesamte Berechtigung zur Ausübung des Berufes als Masseurin zu entziehen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die von der Revisionswerberin gegen den Bescheid der belangten Behörde erhobene Berufung gelte gemäß § 3 Abs. 1 VwGbk-ÜG als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG.

Lingammassagen und Prostatamassagen seien nicht Gegenstand der Ausübung der Tätigkeit eines gewerblichen Masseurs nach § 94 Z 48 GewO 1994, was sich daraus ergebe, dass diese Massagen nicht als Massagepraktiken und -techniken in der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das reglementierte Gewerbe der Massage, BGBl. II Nr. 68/2003 in der Fassung BGBl. II Nr. 308/2013 (Massage-Verordnung), genannt seien.

Vielmehr seien diese Massagen als Sexualdienstleistungen nach dem Öo. Sexualdienstleistungsgesetz, LGBl. Nr. 80/2012 in der Fassung LGBl. Nr. 90/2013 (Oö. SDLG), anzusehen. Aus den Erläuterungen zu § 2 Abs. 1 Oö. SDLG (im Ausschussbericht des Oö. Landtages) ergebe sich, dass sich der Begriff der Sexualdienstleistung auf jene Tätigkeit beschränke, die einen sexuellen Bezug in physischer Hinsicht aufwiesen. Daher unterlägen auch erotische Massagen und Sexualassistenz für Menschen mit Behinderung dem Oö. SDLG, sofern dabei Tätigkeiten ausgeführt würden, die in physischer Hinsicht einen sexuellen Bezug aufwiesen. Es sei daher keine Form der Massage, die einen sexuellen Bezug habe, vom Anwendungsbereich des Oö. SDLG ausgenommen.

Die Ausübung von Prostitution im Rahmen der erteilten Gewerbeberechtigung gemäß § 94 Z 48 GewO 1994 sei als schwerwiegender Verstoß gegen die Wahrung des Ansehens des Berufsstandes der gewerblichen Masseure zu werten, da Prostitution nach dem Oö. SDLG nicht vom Umfang der erteilten Gewerbeberechtigung umfasst sei. Mit der Gleichsetzung von Sexarbeit mit gewerblicher Massage würde dem Berufsstand der gewerblichen Masseure Schaden zugefügt werden, da für erstere keine der Massageverordnung vergleichbare Ausbildung vorgesehen sei. Auch unter dem Aspekt der Altersbeschränkung für Sexualdienstleistungen nach § 5 Abs. 2 Z 2 Oö. Jugendschutzgesetz sei eine klare Abgrenzung des Gewerbes der Masseure nach § 94 Z 48 GewO 1994 von sexuellen Dienstleistungen unabdingbar.

Die Ausübung illegaler Prostitution im Zusammenhang mit dem reglementierten Gewerbe der Massage nach der GewO 1994 sei derart gravierend, dass auch eine Befristung nach § 87 Abs. 3 GewO 1994 nicht indiziert sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Revisionswerberin angebe, die Sexualdienstleistungen nicht mehr anzubieten, habe sie sich doch trotz Hinweises der Behörde, dass es sich um unzulässige Sexualdienstleistungen handle, über einen längeren Zeitraum geweigert, diese Leistungen in Zusammenhang mit ihrer Massagetätigkeit einzustellen und diese auch noch nach Zustellung des Entziehungsbescheides weiter beworben.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die beim Verwaltungsgericht eingebrachte ordentliche Revision.

Die belangte Behörde erstattete beim Verwaltungsgericht eine Revisionsbeantwortung.

Das Verwaltungsgericht legte dem Verwaltungsgerichtshof Revision und Revisionsbeantwortung mit den Akten des Verfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Rechtslage:

1.1. Die GewO 1994 lautet auszugsweise:

" 1. Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt, soweit nicht die §§ 2 bis 4 anderes bestimmen, für alle gewerbsmäßig ausgeübten und nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten.

...

9. Endigung und Ruhen der Gewerbeberechtigungen

...

§ 87. (1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn

...

3. der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt

...

Schutzinteressen gemäß Z 3 sind insbesondere die Hintanhaltung ... der illegalen Prostitution ...

...

1. Reglementierte Gewerbe

§ 94. Folgende Gewerbe sind reglementierte Gewerbe:

...

48. Massage

..."

1.2. Das Oö. SDLG lautet auszugsweise:

" § 1

Geltungsbereich

(1) Dieses Landesgesetz regelt die Anbahnung und Ausübung von Sexualdienstleistungen (...).

(2) Soweit durch Bestimmungen dieses Landesgesetzes der Zuständigkeitsbereich des Bundes berührt wird, sind sie so auszulegen, dass sich keine über die Zuständigkeit des Landes hinausgehende rechtliche Wirkung ergibt.

...

§ 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:

1. Sexualdienstleistung: Die gewerbsmäßige Duldung sexueller Handlungen am eigenen Körper oder die gewerbsmäßige Vornahme sexueller Handlungen.

...

4. Bordell: Betrieb, in dem die Sexualdienstleistung durch eine oder mehrere Personen angebahnt oder ausgeübt wird.

...

§ 3

Verbotsbestimmungen

...

(3) Verboten sind:

...

2. die Ausübung der Sexualdienstleistung außerhalb behördlich bewilligter Bordelle und außerhalb von Hausbesuchen (§ 13);

..."

2. Prostitution und Sittlichkeitspolizei:

Die Revision bringt gegen das angefochtene Erkenntnis zunächst vor, die Anwendung des Oö. SDLG auf den vorliegenden Sachverhalt sei verfehlt. Dieses Gesetz sei für Sexarbeiter geschaffen worden, um deren Sicherheit, Arbeitsbedingungen und Gesamtsituation zu verbessern. Es verfolge völlig andere Zwecke als die Revisionswerberin als langjährig tätige Inhaberin eines Massagefachinstitutes der illegalen Prostitution zu unterwerfen.

Zu diesem Vorbringen ist festzuhalten:

"Schwerwiegende Verstöße", die den Tatbestand des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 verwirklichen, können auch vorliegen, wenn keine Bestrafung erfolgt ist. In einem Fall, in dem (überhaupt) keine Bestrafung erfolgt ist und sich die "schwerwiegenden Verstöße" auf sonstige Fakten gründen, hat die Behörde anhand des sich aus den Verstößen ergebenden Persönlichkeitsbildes des Gewerbetreibenden zu beurteilen, ob dieser die Zuverlässigkeit im Sinn von § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 besitzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/04/0077, mwN).

Im vorliegenden Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht die Entziehung der Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 damit begründet, die Revisionswerberin habe durch die angeführten Massagen im Zusammenhang mit dem reglementierten Gewerbe der Massage (§ 94 Z 48 GewO 1994) die Prostitution ausgeübt und damit einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Wahrung des Ansehens des Berufsstandes der gewerblichen Masseure gesetzt.

Die Regelung der Prostitution, soweit sie der Abwehr von Gefahren dient, die der Sittlichkeit drohen, gehört zum Tatbestand "Sittlichkeitspolizei" nach Art. 118 Abs. 3 Z 8 B-VG und ist in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom , VfSlg. 11.860, mwN, sowie vom , VfSlg. 11.926; vgl. auch Grabler/Stolzlechner/Wendl , Kommentar zur GewO3 (2011), Rz. 8 zu § 1).

Daher hat sich das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung, ob die von der Revisionswerberin durchgeführten Massagen als Ausübung der Prostitution zu werten sind, zu Recht auf die Bestimmungen des Oö. SDLG gestützt.

Dieses Landesgesetz regelt (soweit vorliegend von Bedeutung) die Ausübung von Sexualdienstleistungen (§ 1 Abs. 1 Oö. SDLG). Nach diesem Landesgesetz ist die Ausübung der Sexualdienstleistung außerhalb behördlich bewilligter Bordelle und außerhalb von Hausbesuchen verboten (§ 3 Abs. 3 Oö. SDLG).

3. Massagen als Sexualdienstleistungen nach Oö. SDLG:

Fallbezogen ist daher entscheidend, ob die von der Revisionswerberin durchgeführten Massagen als Sexualdienstleistungen (nach § 2 Z 1 Oö. SDLG) anzusehen sind.

Gegen die diese Rechtsfrage bejahende Auffassung des Verwaltungsgerichtes wendet die Revision im Wesentlichen ein, bei diesen Massagen handle es sich niemals um eine sexuelle Handlung. Es handle sich nämlich um keine erotischen Massagen, sondern um fundamentierte und akademisch dokumentierte Massagen des männlichen Genitalbereichs, die eine umfassende Ausbildung als Masseurin erforderten. Das Berühren der Kunden erfolge ausschließlich durch die Hände, die Masseurin sei normal und vollständig bekleidet und ein Berühren des Körpers der Masseurin sei ausdrücklich nicht gestattet. Auch sei der Revisionswerberin im Zuge der Gewerbeanmeldung seitens der Wirtschaftskammer Oberösterreich mitgeteilt worden, dass diese Massagen durchgeführt werden könnten, sodass die Revisionswerberin in gutem Glauben gewesen sei.

Gemäß § 2 Z 1 Oö. SDLG ist die "die gewerbsmäßige Vornahme sexueller Handlungen" eine Sexualdienstleistung. Das Verwaltungsgericht verweist hiezu zutreffend auf die Erläuterungen zu dieser Bestimmung, wo es heißt, dass sich der Begriff der Sexualdienstleistung auf "jene Tätigkeiten beschränkt, die einen sexuellen Bezug in physischer Hinsicht aufweisen". Gesetzliche Ausnahmen seien nicht vorgesehen, daher unterlägen auch erotische Massagen diesem Landesgesetz (vgl. den Bericht des Ausschusses des Oö. Landtages für allgemeine innere Angelegenheiten, Beilage 618/2012 zu den Wortprotokollen des Oö. Landtages XXVII. GP, 6).

Von einem derartigen sexuellen Bezug in physischer Hinsicht kann ausgegangen werden, wenn zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige, somit dem männlichen oder weiblichen Körper spezifische eigentümliche Körperpartien sexual sinnbezogen und nicht bloß flüchtig berührt werden (vgl. idS die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) zur Unzucht im Sinne eines geschlechtlichen Missbrauchs in RIS Justiz RS0096677, etwa den , mwN). Darunter fallen - wie oben dargelegt - nach dem ausdrücklichen Willen des Landesgesetzgebers auch erotische Massagen.

Im vorliegenden Revisionsfall ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes ein solcher sexueller Bezug der von der Revisionswerberin durchgeführten Massagen deutlich erkennbar. Das Verwaltungsgericht hat daher diese Leistungen zutreffend als Sexualdienstleistungen (nach § 2 Z 1 Oö. SDLG) gewertet.

4. Schutzinteresse der Hintanhaltung der illegalen Prostitution:

Damit wurde durch Revisionswerberin das gesetzliche Verbot des § 3 Abs. 3 Z 2 Oö. SDLG übertreten und sohin illegal die Prostitution in Zusammenhang mit dem Gewerbe der Masseure (§ 94 Z 48 GewO 1994) ausgeübt.

Zu dem vom Verwaltungsgericht angenommenen schwerwiegender Verstoß gegen die Wahrung des Ansehens des Berufsstandes tritt somit auch die Verletzung des in § 87 Abs. 1 letzter Satz GewO 1994 ausdrücklich genannten Schutzinteresses der Hintanhaltung der illegalen Prostitution.

5. Beurteilung des Persönlichkeitsbildes:

Was nun die Beurteilung des sich aus den Verstößen ergebenden Persönlichkeitsbildes der Revisionswerberin anlangt, hat das Verwaltungsgericht nachvollziehbar dargetan, dass diese die Zuverlässigkeit im Sinn von § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 nicht mehr besitze. Wenn die Revision dem entgegen hält, die Revisionswerberin hätte auf Grund einer Auskunft der Wirtschaftskammer Oberösterreich in gutem Glauben gehandelt, so hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf verwiesen, dass sich die Revisionswerberin trotz des Hinweises der Behörde, dass es sich um unzulässige Sexualdienstleistungen handle, über einen längeren Zeitraum geweigert habe, diese Leistungen in Zusammenhang mit ihrer Massagetätigkeit einzustellen, und habe diese auch noch nach Zustellung des Entziehungsbescheides weiter beworben.

6. Die Revision war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am