VwGH 21.12.2011, 2009/08/0100
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des R B in G, vertreten durch Mag. Dr. Anton Karner und Mag. Dr. Michael Mayer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Steyrergasse 103/II, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl. LGS600/SfA/0566/2009-Dr.Si/S, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice G vom wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt keine Folge gegeben. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass laut Auskunft vom Bundesasylamt G der Beschwerdeführer nur bis ein vorläufiges Aufenthaltsrecht besessen habe.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom wendete der Beschwerdeführer im Wesentlichen ein, er sei seit verheiratet und habe mit Datum einen Antrag für eine Aufenthaltsgenehmigung eingereicht. Bei der Fremdenpolizei habe er um eine Frist von drei Monaten ersucht "um seine Angelegenheit zu klären".
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und gab neben der Zitierung von § 7 AlVG als Begründung an:
"Laut Auskunft der Bundespolizeidirektion besteht keine Aufenthaltsberechtigung. Ihnen wurde - unter Androhung der Schubhaft - eine Frist bis Ende Mai 2009 eingeräumt, um das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen.
Da Sie keinen gültigen Aufenthaltstitel besitzen, sind Sie zur Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung nicht berechtigt. Sie stehen daher der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaft erfüllt und die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat. Nach § 7 Abs. 2 AlVG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer (unter anderem) eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf.
Gemäß § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG idF BGBl. I Nr. 102/2005 kann und darf eine Person eine Beschäftigung aufnehmen, die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben.
2. Der Beschwerdeführer wendet ein, die belangte Behörde habe den Sachverhalt unvollständig festgestellt. Er sei mit Dr. A. S., einer slowakischen Staatsangehörigen und somit EU-Bürgerin, verheiratet und lebe mit ihr in ehelicher Lebensgemeinschaft in G. Er sei somit Angehöriger einer freizügigkeitsberechtigten EU-Bürgerin. Gemäß § 54 NAG sei der Beschwerdeführer sohin zur Niederlassung berechtigt. Dies ergebe sich schon aus der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom .
§ 54 NAG idF BGBl. I Nr. 100/2005 lautet:
"§ 54. (1) Angehörige von freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51), die nicht EWR-Bürger sind und die die in § 52 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zur Niederlassung berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Daueraufenthaltskarte für die Dauer von zehn Jahren auszustellen. Dieser Antrag ist spätestens nach Ablauf von drei Monaten ab ihrer Niederlassung zu stellen.
(2) Zum Nachweis des Rechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass sowie
1. nach § 52 Z 1 ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe;
2. nach § 52 Z 2 und 3 ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern über 21 Jahren und Verwandten des EWR-Bürgers oder seines Ehegatten in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung
vorzulegen."
Zur Auslegung der Richtlinie 2004/38/EG und dem sich aus dieser Richtlinie (sowie aus § 54 NAG) abzuleitenden Aufenthaltstitel eines begünstigten Drittstaatsangehörigen, auch wenn dieser die Angehörigeneigenschaft erst im Aufnahmemitgliedstaat erworben hat, kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0029, und die dort angeführte Begründung verwiesen werden.
Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung vorgebracht, verheiratet zu sein und unter einem seine Heiratsurkunde vorgelegt. Dies hätte die belangte Behörde zu einer näheren Prüfung veranlassen müssen, ob die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38/EG (bzw. des § 54 NAG) erfüllt waren und sich der Beschwerdeführer aus diesem Grund berechtigt im Inland aufhielt um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben.
Die einzige aus dem Verwaltungsakt ersichtliche Ermittlungshandlung der belangten Behörde ist eine Anfrage per E-Mail an die Bundespolizeidirektion G, in deren Beantwortung der dortige Sachbearbeiter angab, der Beschwerdeführer sei nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt. Ihm sei - unter Androhung von Schubhaft - eine Frist bis Ende Mai 2009 eingeräumt worden, um das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen.
Die Begründung des angefochtenen Bescheids erschöpft sich darin, diese Rechtsmeinung der Bundespolizeidirektion G wiederzugeben und festzustellen, dass der Beschwerdeführer keinen gültigen Aufenthaltstitel besitze. Ob der Beschwerdeführer auf Grund seiner Eheschließung mit einer Unionsbürgerin einen Aufenthaltstitel aus der Richtlinie 2004/38/EG ableiten konnte, hat die belangte Behörde nicht geprüft, was den Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.
3. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | 32004L0038 Unionsbürger-RL; AlVG 1977 §7 Abs1; AlVG 1977 §7 Abs2; AlVG 1977 §7 Abs3 Z2; NAG 2005 §54; VwGG §42 Abs2 Z3 litb; VwGG §42 Abs2 Z3 litc; |
Schlagworte | Begründung Begründungsmangel |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:2009080100.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAE-89788