VwGH vom 22.02.2012, 2009/08/0099
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des D T in Wien, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2009-0566-9-000302, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde einen Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld vom mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt ab.
Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer rumänischer Staatsbürger sei. Am habe er erstmals einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt. Davor sei er während mehrerer (näher genannter) Zeiträume bei der Firma Gartenbau K. arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die erforderlichen Beschäftigungsbewilligungen für diese Beschäftigungen seien jeweils im Rahmen eines Kontingents gemäß § 5 AuslBG erteilt worden, zuletzt vom 7. April bis .
Die Anwartschaft des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld sei jedenfalls erfüllt; innerhalb der letzten zwei Jahre vor Geltendmachung lägen insgesamt 435 Tage arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung.
Die weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld, nämlich dass der Beschwerdeführer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe, sei hingegen nicht erfüllt. Da er bisher immer und auch zuletzt vom 7. April bis im Rahmen eines Kontingents gemäß § 5 AuslBG beschäftigt gewesen sei, halte er sich "gemäß § 7 Abs. 6 AlVG nicht berechtigt auf, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen". Eine allgemeine Beschäftigungsbewilligung sei für den Beschwerdeführer bisher nicht erteilt worden. Diesbezügliche Anträge vom und seien jeweils abgelehnt worden, sodass eine Beurteilung hier nicht möglich sei. Das Recht auf freien Zugang zum Arbeitsmarkt habe der Beschwerdeführer bisher nicht erworben.
Inwiefern nunmehr aufgrund der vorhandenen Anmeldebescheinigung im Fall des Beschwerdeführers eine vereinfachte Prüfung im Verfahren zur Erteilung einer allgemeinen Beschäftigungsbewilligung bestehe, habe auf diese Entscheidung keinen Einfluss.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer (unter anderem) der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht.
Gemäß Abs. 2 steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer (unter anderem) eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf.
Gemäß § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG kann und darf eine Person eine Beschäftigung aufnehmen, die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben.
§ 7 Abs. 6 AlVG idF BGBl. I Nr. 102/2005 lautet:
"(6) Personen, die im Rahmen von Kontingenten gemäß § 5 AuslBG befristet beschäftigt sind, halten sich nach Beendigung ihrer Beschäftigung nicht berechtigt im Bundesgebiet auf, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben."
§ 5 AuslBG idF BGBl. I Nr. 78/2007 lautet (auszugsweise):
"§ 5. (1) Im Falle eines vorübergehenden zusätzlichen
Arbeitskräftebedarfs, der aus dem im Inland verfügbaren
Arbeitskräftepotenzial nicht abgedeckt werden kann, ist der
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ermächtigt, innerhalb des
hiefür nach der Niederlassungsverordnung (§ 13 NAG) vorgegebenen
Rahmens jeweils mit Verordnung zahlenmäßige Kontingente
1. für eine zeitlich befristete Zulassung
ausländischer Arbeitskräfte in einem bestimmten Wirtschaftszweig,
in einer bestimmten Berufsgruppe oder Region oder
2. für die kurzfristige Zulassung
ausländischer Erntehelfer, die zur sichtvermerksfreien Einreise in
das Bundesgebiet berechtigt sind,
festzulegen.
(…)
(3) Beschäftigungsbewilligungen im Rahmen von Kontingenten gemäß Abs. 1 Z 1 sind mit einer Geltungsdauer von höchstens sechs Monaten zu erteilen. Ausländer, die bereits über einen Aufenthaltstitel verfügen oder Niederlassungsfreiheit haben, sind zu bevorzugen. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit kann durch Verordnung eine Verlängerung um höchstens sechs Monate einräumen, wenn der Arbeitskräftebedarf des Arbeitgebers weiter besteht und nicht anderweitig abgedeckt werden kann. Für Ausländer, die schon in den vorangegangenen drei Jahren jeweils im Rahmen eines Kontingents gemäß Abs. 1 Z 1 im Wirtschaftszweig Land- und Forstwirtschaft beschäftigt waren und den Übergangsbestimmungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit unterliegen (§ 32a), können in diesem Wirtschaftszweig Beschäftigungsbewilligungen von vornherein bis zu einer Gesamtdauer von neun Monaten erteilt werden.
(…)
(4) Für einen Ausländer dürfen Beschäftigungsbewilligungen im Rahmen von Kontingenten gemäß Abs. 1 Z 1 und 2 nur für eine Gesamtdauer von zwölf Monaten innerhalb von 14 Monaten erteilt werden."
2. Zu § 7 Abs. 6 AlVG in der (im Wesentlichen inhaltsgleichen) Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 102/2005 führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0019, unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien aus, dass diese Bestimmung der Sache nach intendiert, es zu ermöglichen, ausländischen Staatsangehörigen in Wirtschaftsbereichen, in denen kurzfristig Arbeitskräfte benötigt werden, eine befristete Beschäftigungsbewilligung verbunden mit einer ebenso befristeten Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, wobei in der Regel davon auszugehen ist, dass sich diese Personen nur während, nicht aber auch nach Beendigung dieser Beschäftigung legal in Österreich aufhalten dürfen. Die Bestimmung in § 5 Abs. 3 AuslBG, wonach Ausländer, die bereits über einen Aufenthaltstitel verfügen oder Niederlassungsfreiheit genießen, dabei zu bevorzugen sind, deutet zwar darauf hin, dass der Personenkreis, dem Beschäftigungsbewilligungen nach § 5 Abs. 3 AuslBG (auch) erteilt werden können, möglicherweise weiter sein könnte, als der soeben beschriebene; die Gesetzesmaterialien zum EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetz zeigen aber, dass damit nur Angehörige der neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft gemeint sind.
Der Verwaltungsgerichtshof führte weiter aus, dass die Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs. 6 AlVG klarstellen, dass diese Bestimmung nur auf jene Personen anzuwenden ist, deren Aufenthaltsberechtigung an die Beschäftigungsbewilligung als Saisonier nach § 5 Abs. 3 AuslBG gebunden ist und mit dieser endet. Die in § 7 Abs. 6 AlVG enthaltene unwiderlegliche gesetzliche Vermutung, dass jemand ab Beendigung seiner Beschäftigung nicht mehr dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht und er deshalb vom Bezug von Leistungen nach dem AlVG ausgeschlossen werden kann, kann sich auch sachlicherweise nur auf einen Personenkreis beziehen, bei dem das Fehlen einer Berechtigung zu einem weiteren Inlandsaufenthalt tatsächlich vorausgesetzt werden kann (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0335 ).
3. Der Beschwerdeführer führt - unter Bezugnahme auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom - aus, es müsse darauf abgestellt werden, dass der Fremde einerseits zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei und ihm andererseits auch eine "Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Abs. 3 AuslBG" erteilt werden könne. Dass eine solche Erteilung bereits erfolgt sein müsste, sei hingegen nicht erforderlich, weshalb die Begründung der belangten Behörde dahingehend, dass dem Beschwerdeführer bisher keine allgemeine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden sei, ins Leere gehe. Der kategorische Ausschluss durch § 7 Abs. 6 AlVG in seiner aktuellen Fassung dahingehend, dass sich Personen, die im Rahmen von Kontingenten gemäß § 5 AuslBG befristet beschäftigt seien, nach Beendigung ihrer Beschäftigung nicht berechtigt im Bundesgebiet aufhielten, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben, müsse jedenfalls im Lichte der dargestellten Rechtsprechung gesehen werden. Zudem treffe dies für den Beschwerdeführer keinesfalls zu, da er als freizügigkeitsberechtigter EU-Bürger über eine Anmeldebescheinigung verfüge und somit entgegen der Rechtsmeinung der belangten Behörde sehr wohl dem "Arbeitsmarkt zur Verfügung" stehe.
4. Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Antragstellung über einen gültigen Aufenthaltstitel im Inland verfügte. Im Verwaltungsakt findet sich eine diesbezügliche Anmeldebescheinigung gemäß § 53 NAG. Somit liegt im Lichte der dargestellten Rechtsprechung aber kein Anwendungsfall des § 7 Abs. 6 AlVG vor, da die Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers nicht an die Beschäftigungsbewilligung gemäß § 5 Abs. 3 AuslBG geknüpft war, sondern nach Auslaufen dieser weiterhin aufrecht war.
Im Hinblick auf die Verfügbarkeit stellt § 7 Abs. 3 Z 2 AlVG nur auf die Aufenthaltsberechtigung ab, nicht aber auf die Erfüllung noch etwaiger anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften (wie die Erteilung einer weiteren Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG), die für den tatsächlichen konkreten Antritt einer Beschäftigung im Einzelfall eventuell noch nötig sein könnten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0183). Die belangte Behörde konnte daher die Verfügbarkeit des Beschwerdeführers nicht allein deswegen verneinen, weil dessen Beschäftigungsbewilligung nach § 5 Abs. 3 AuslBG abgelaufen war. Sie hätte vielmehr - da die Anmeldebescheinigung nach § 53 Abs. 1 letzter Satz NAG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 100/2005 zugleich als Bescheinigung des Daueraufenthalts galt, aber keine rechtskräftige Entscheidung über das Fortbestehen des Daueraufenthaltsrechts darstellte - prüfen müssen, ob der Beschwerdeführer die Voraussetzung nach § 51 Abs. 1 Z 1 NAG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 100/2005 weiterhin erfüllte und er damit ein gemeinschaftsrechtliches Niederlassungsrecht hatte, oder ob der Beschwerdeführer (auch) die Voraussetzungen für eine Beschäftigungsbewilligung iSd § 32a Abs. 2 AuslBG erfüllte.
5. Der angefochtene Bescheid war wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war aufgrund der für die Eingabengebühr bewilligten Verfahrenshilfe abzuweisen.
Wien, am