TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 14.10.2015, Ro 2014/04/0051

VwGH vom 14.10.2015, Ro 2014/04/0051

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Revision des J W in P, vertreten durch Prof. Haslinger Partner Rechtsanwälte in 4020 Linz, Zollamtstraße 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-222695/2/KI/MG/TK, betreffend Übertretungen der Gewerbeordnung 1994 (in das Verfahren eingetretenes Verwaltungsgericht: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich; weitere Partei: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Der Revisionswerber betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb, in dem er jährlich ca. 780 Mastschweine hält. Von diesen Schweinen werden ca. 90% in seinem Betrieb weiterverarbeitet, die restlichen 10% werden als "Urprodukte" weiterverkauft.

2. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (BH) vom wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, das Fleischergewerbe ohne die dafür erforderliche Gewerbeberechtigung ausgeübt zu haben, indem er die auf seinem Betrieb gemästeten Schweine zu diversen Fleisch- und Wurstwaren weiterverarbeitet und verkauft habe. Weiters habe er eine - näher umschriebene - Fleischereibetriebsanlage ohne die dafür erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung betrieben. Dadurch habe er § 366 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 und § 94 Z 19 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) bzw. § 366 Abs. 1 Z 2 in Verbindung mit § 74 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 und 2 GewO 1994 verletzt. Über ihn wurden Geldstrafen in Höhe von jeweils EUR 900,-

- verhängt.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (im Folgenden: UVS) wurde die dagegen erhobene Berufung des Revisionswerbers abgewiesen und das bekämpfte Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

Der UVS ging - gestützt insbesondere auf die Angaben des Revisionswerbers in zwei "Antwortschreiben" an die BH - davon aus, dass es durch die Weiterverarbeitung von ca. 90% der gemästeten Schweine zumindest zu einer Verdopplung der gesamten Wertschöpfung des Naturproduktes Schwein komme. Der Umsatzerlös aus den weiterverarbeiteten Schweinen betrage ca. EUR 330.000,-- gegenüber einem Erlös von ca. EUR 18.000,-- aus dem Verkauf der Schweine als "Urprodukt". Die Kosten und der Arbeitsaufwand für den Bereich Weiterverarbeitung würden diejenigen für den Bereich Urproduktion übersteigen.

Angesichts dieses Sachverhaltes erfolge die vom Revisionswerber durchgeführte Verarbeitung der Mastschweine zu diversen Fleisch- und Wurstprodukten - so der UVS in seinen rechtlichen Erwägungen - in einem Umfang bzw. in einer Art und Weise, dass nicht mehr von einem Charakter des Betriebes als landwirtschaftlicher Betrieb auszugehen sei bzw. ein Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 1 GewO 1994 nicht mehr vorliege. Aus dem Begriff "Nebengewerbe" ergebe sich, dass dieses nicht Haupttätigkeit eines Landwirtes sein könne. Es müsse sich vielmehr um eine untergeordnete Tätigkeit handeln. Für die wirtschaftliche Unterordnung seien die Tätigkeiten der Erzeugung des Naturproduktes bzw. der Weiterverarbeitung einander vergleichend gegenüberzustellen. Dabei sei auf das Ausmaß der Wertschöpfung, die Höhe des Ertrages und der Kosten sowie den Aufwand an Arbeitskräften und Arbeitszeit Bedacht zu nehmen. Im Hinblick auf die - dargestellte - Gegenüberstellung der beiden Tätigkeitsbereiche sei vorliegend der Charakter des Betriebes als Land- und Forstwirtschaft nicht mehr gegeben.

Die Einordnung einer Tätigkeit unter die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 4 Z 1 GewO 1994 finde dort ihre Grenze, wo die Ausübung der Tätigkeit dem Erscheinungsbild eines Betriebes entspreche, wie er von einem Gewerbetreibenden - losgelöst von der Land- und Forstwirtschaft - geführt werde. Auch im Hinblick auf die vorliegenden Betriebs-, Verkaufs- und Auslieferungszeiten sei mehr der Charakter eines Gewerbebetriebes als jener eines landwirtschaftlichen Betriebes gegeben.

Zweifel im Sinn des § 348 GewO 1994 seien nicht entstanden. Die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 5 GewO 1994 sei nicht anwendbar, das objektive Tatbild sei erfüllt.

Abschließend enthält der angefochtene Bescheid Ausführungen zur subjektiven Tatseite und zur Strafbemessung. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung - so der UVS - könne abgesehen werden, weil sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus dem Akt ergebe, in der Berufung nur unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet und von keiner Partei eine Verhandlung beantragt worden sei.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 116/2014-4, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom ,

B 116/2014-6, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In seiner über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes verbesserten (Übergangs)Revision beantragt der Revisionswerber die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine "Gegenschrift", in der es die Abweisung der Revision beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Hat der Verfassungsgerichtshof die gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG erhobene Beschwerde nach Ablauf des dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, ist in sinngemäßer Anwendung des § 4 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) vorzugehen (vgl. die hg. Beschlüsse vom , Ro 2014/10/0029, und vom , Ro 2014/04/0014). Im Hinblick auf das diesbezügliche Vorbringen in der genannten "Gegenschrift" ist darauf hinzuweisen, dass das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich gemäß den §§ 4 und 9 VwGbk-ÜG in das Verfahren eintritt (siehe zum Eintritt eines Verwaltungsgerichtes in einer Konstellation wie der vorliegenden den hg. Beschluss vom , Ro 2014/12/0038).

Richtet sich die Revision - wie vorliegend - gegen den Bescheid einer unabhängigen Verwaltungsbehörde, so sind für ihre Behandlung gemäß § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass statt der Ablehnung der Beschwerde gemäß § 33a VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung die Revision als unzulässig zurückgewiesen werden kann.

2. § 2 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl. Nr. 194 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 85/2012, lautet auszugsweise:

§ 2. (1) Dieses Bundesgesetz ist - unbeschadet weiterer ausdrücklich angeordneter Ausnahmen durch besondere bundesgesetzliche Vorschriften - auf die in den nachfolgenden Bestimmungen angeführten Tätigkeiten nicht anzuwenden:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
die Land- und Forstwirtschaft (Abs. 2 und 3);
2.
die Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft (Abs. 4);
...

(4) Unter Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses Bundesgesetzes (Abs. 1 Z 2) sind zu verstehen:

1. die Verarbeitung und Bearbeitung überwiegend des eigenen Naturproduktes unter der Voraussetzung, daß der Charakter des jeweiligen Betriebes als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gewahrt bleibt; die Be- und Verarbeitung kann auch durch einen befugten Gewerbetreibenden im Lohnverfahren erfolgen; der Wert der allenfalls mitverarbeiteten Erzeugnisse muß gegenüber dem Wert des bearbeiteten oder verarbeiteten Naturproduktes untergeordnet sein;

...

(5) Werden für ein land- und forstwirtschaftliches Nebengewerbe Anlagen eingesetzt, die weder für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des Abs. 1 Z 1 noch für den Betrieb von Nebengewerben, die bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 63/1997 als land- und forstwirtschaftliches Nebengewerbe anerkannt sind, verwendet werden, gelten für diese Anlagen die Bestimmungen über die Betriebsanlagen und die zusammenhängenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes (§§ 74 bis 84h, 333 bis 338, 353 bis 360, 362, 366 bis 369 und 371 bis 373); dies aber nur unter der Voraussetzung, daß der Kapitaleinsatz zur Bearbeitung und Verarbeitung im Vergleich zum Kapitaleinsatz, der im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft (Abs. 1 Z 1) erfolgt, unverhältnismäßig hoch ist oder wenn fremde Arbeitskräfte überwiegend für die Be- und Verarbeitung der Naturprodukte beschäftigt werden.

..."

3. Der Revisionswerber bringt vor, es gebe keine Judikatur dazu, wo - in quantitativer Hinsicht - die Grenzen der wirtschaftlichen Unterordnung einer Nebentätigkeit konkret liegen bzw. wie sich die einzelnen, bei der Beurteilung heranzuziehenden Merkmale (Wertschöpfung, Ertrag, Kosten, Aufwand) zueinander verhalten würden. Zudem stelle § 2 Abs. 4 Z 1 GewO 1994 seit der Gewerberechts-Novelle 1997 (BGBl. I Nr. 63) nicht mehr auf eine wirtschaftliche Unterordnung der Nebentätigkeit (Verarbeitung) gegenüber der landwirtschaftlichen Tätigkeit (Erzeugung der Naturprodukte) ab. Es sei Intention dieser Novelle gewesen, die Nebenrechte der Landwirte weiter zu fassen und es ihnen zu ermöglichen, ihre Urproduktion weiterverarbeiten zu können, ohne dass dies dem Gewerberecht unterliege.

Die in § 2 Abs. 4 Z 1 GewO 1994 normierte Voraussetzung, wonach der Wert der zugekauften Produkte (im vorliegenden Fall: Gewürze, Salz) nur untergeordnet sein dürfe, erfülle der Revisionswerber. Der Charakter des landwirtschaftlichen Betriebes bleibe unberührt, zumal von den insgesamt 49 ha bewirtschafteter Fläche nur 250 m2 für die Weiterverarbeitung benötigt würden. Es liege ein Nebengewerbe vor, weil die Fleisch- und Wurstproduktion untrennbar mit dem landwirtschaftlichen Betrieb verbunden sei.

Selbst wenn man weiterhin vom Erfordernis der wirtschaftlichen Unterordnung ausgehen sollte, sei diese gegeben, weil der Aufwand an Kosten und Fläche für den landwirtschaftlichen Hauptbetrieb denjenigen für die Weiterverarbeitung bei weitem übersteige.

4. Zu dem vom Revisionswerber behaupteten Vorliegen des Ausnahmetatbestandes nach § 2 Abs. 4 Z 1 GewO 1994 (und somit zum objektiven Tatbild) wird Folgendes ausgeführt:

4.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem zur Gewerbeordnung 1973 (GewO 1973), BGBl. Nr. 50/1974, ergangenen Erkenntnis vom , 81/04/0244, festgehalten, dass die Tatbestände der (damals) Z 1 bis 7 des § 2 Abs. 4 GewO 1973 nicht insgesamt eine Definition des Begriffs "Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft" enthalten bzw. dass in diesen Bestimmungen lediglich die Typen jener Tätigkeiten angeführt sind, die unter den Begriff "Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft" fallen. Dieser Begriff enthalte über die Merkmale der ausdrücklich vorgesehenen einzelnen Tätigkeitstypen hinaus noch weitere Begriffsmerkmale, die allerdings nicht in Form einer ausdrücklichen Legaldefinition in die Gewerbeordnung 1973 Eingang gefunden hätten. Unter Bezugnahme auf die Materialien zur Gewerbeordnung 1973 sowie auf Lehrmeinungen führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass

"dem Begriff 'Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft', unabhängig von der Typisierung der einzelnen nebengewerblichen Tätigkeiten im Sinne der Z. 1 bis 7 des § 2 Abs. 4 GewO 1973, die Begriffsmerkmale einer mit der Land- und Forstwirtschaft organisatorisch eng verbundenen Erscheinungsform und der Unterordnung der gewerblichen Tätigkeit gegenüber der Land- und Forstwirtschaft inne(wohnen)."

In den Erläuterungen zur Gewerbeordnung 1973 (RV 395 BlgNR 13. GP 111) heißt es, die Unterordnung der Nebengewerbe unter die Land- und Forstwirtschaft ergebe sich schon aus der Bezeichnung "Nebengewerbe".

Diese Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof - auch nach einer Reihe von Änderungen des § 2 Abs. 4 GewO 1973 bzw. GewO 1994 - in weiteren Erkenntnissen bestätigt (siehe insbesondere die Erkenntnisse vom , 90/04/0147, vom , 98/04/0016, und vom , 2007/07/0117). Im Erkenntnis 98/04/0016 hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass die in § 2 Abs. 4 GewO 1994 angeführten Tätigkeiten nicht schlechthin unter den Begriff des Nebengewerbes der Land- und Forstwirtschaft fallen, sondern lediglich "fallen können".

Für das Vorliegen eines Nebengewerbes der Land- und Forstwirtschaft ist daher zum einen erforderlich, dass einer der in den Ziffern des § 2 Abs. 4 GewO 1994 aufgezählten Tatbestände verwirklicht ist, und zum anderen müssen die allgemeinen Begriffsmerkmale der organisatorisch eng verbundenen Erscheinungsform und der Unterordnung erfüllt sein (siehe das bereits zitierte Erkenntnis 2007/07/0117).

4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis 81/04/0244 zum Ausdruck gebracht, dass für den Tätigkeitstypus der Z 1 des § 2 Abs. 4 GewO 1973 (Verarbeitung und Bearbeitung) nicht auf das allgemeine Begriffsmerkmal der Unterordnung gegenüber der Land- und Forstwirtschaft zurückzugreifen ist, sondern dass derartige Tätigkeiten an dem in dieser Bestimmung diesbezüglich ausdrücklich vorgesehenen Tatbestandselement "soweit die Tätigkeit der Verarbeitung und Bearbeitung gegenüber der Tätigkeit der Erzeugung des Naturproduktes wirtschaftlich untergeordnet bleibt" zu messen sind. Bei der geforderten vergleichenden Gegenüberstellung sei auf alle wirtschaftlichen Merkmale der betreffenden Tätigkeiten, insbesondere auf das Ausmaß der Wertschöpfung, auf die Höhe des Ertrages und der Kosten und auf den Aufwand an Arbeitskräften und Arbeitszeit, Bedacht zu nehmen.

4.3. Die dem Begriff "Nebengewerbe" innewohnende Unterordnung gegenüber der Haupttätigkeit Land- und Forstwirtschaft ist somit einer besonderen Ausgestaltung in einzelnen Tätigkeitstypen zugänglich. Allerdings kann im Rahmen des § 2 Abs. 4 GewO 1994 von einer Berücksichtigung des allgemeinen (aus dem Einleitungssatz erfließenden) Unterordnungsmerkmales nur insoweit abgesehen werden, als an seine Stelle ein besonderes, ausdrücklich vorgesehenes Tatbestandsmerkmal tritt, das dem Umstand Rechnung trägt, dass die Ausübung der darin aufgezählten nebengewerblichen Tätigkeiten durch Landwirte nicht generell, sondern nur in bestimmten Grenzen von der Gewerbeordnung ausgenommen werden soll.

Für den im vorliegenden Fall einschlägigen Tatbestand der "Verarbeitung und Bearbeitung" gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 GewO 1994 ist zu beachten, dass dieser durch die GewO-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 63, insofern eine Änderung erfahren hat, als nicht mehr (wie zuvor und auch schon in der GewO 1973) auf die wirtschaftliche Unterordnung der Tätigkeit der Verarbeitung und Bearbeitung gegenüber der Tätigkeit der Erzeugung der Naturprodukte abgestellt wird, sondern darauf, dass der Charakter des jeweiligen Betriebes als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gewahrt bleibt. Zwar geben die Erläuterungen zur Regierungsvorlage über die Hintergründe dieser Änderungen keinen eindeutigen Aufschluss, allerdings deuten die Materialien (Sten. Prot. zur 78. Sitzung, 20. GP, S 67) darauf hin, dass den Landwirten die Möglichkeit gegeben werden sollte, ihre Rohproduktion stärker in die Be- und Verarbeitung einzubeziehen. Das Vorliegen eines Nebengewerbes der Land- und Forstwirtschaft nach der Z 1 des § 2 Abs. 4 GewO 1994 ist daher nicht mehr allein am Maßstab der wirtschaftlichen Unterordnung zu prüfen. Im Hinblick auf die nach wie vor bestehende Einreihung der Ausnahme unter die "Nebengewerbe" der Land- und Forstwirtschaft in § 2 Abs. 4 GewO 1994 ist der Wahrung des Charakters eines Betriebes als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb aber eine - die Reichweite der Ausnahme begrenzende - Funktion beizumessen, die der Sache nach ein Surrogat des allgemeinen Unterordnungskriteriums darstellt (siehe zur Bedeutung des Einleitungssatzes zu § 2 Abs. 4 GewO 1994 für die Auslegung der Wahrung des Charakters als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb auch Gruber/Paliege-Barfuß , GewO7, § 2 Rz. 190).

5. Gestützt auf diese Grundsätze ist - unter Zugrundelegung des vom UVS zum objektiven Tatbild festgestellten Sachverhaltes - zur Verneinung des Charakters des Betriebes des Revisionswerbers als landwirtschaftlicher Betrieb durch den UVS Folgendes anzumerken (die darüber hinaus normierte Voraussetzung, dass der Wert der mitverarbeiteten Erzeugnisse gegenüber dem Wert des bearbeiteten oder verarbeiteten Naturproduktes untergeordnet sein muss, ist im vorliegenden Fall unstrittig erfüllt, weshalb darauf nicht weiter eingegangen wird):

5.1. § 2 Abs. 4 Z 1 GewO 1994 stellt auf den Charakter "des jeweiligen Betriebes" ab. Vor dem Hintergrund der für ein "Nebengewerbe" allgemein geforderten organisatorischen Verflechtung der nebengewerblichen Tätigkeit mit der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit ist auf den Betrieb als Gesamtheit abzustellen. In diesem Zusammenhang kann auf den zum "Nebengewerbe" allgemein entwickelten Grundsatz zurückgegriffen werden, dass die Ausübung der Tätigkeiten nicht dem Erscheinungsbild eines Betriebes entsprechen darf, wie er in Ansehung der jeweils in Frage stehenden Tätigkeiten von einem Gewerbetreibenden losgelöst von der Land- und Forstwirtschaft geführt wird (siehe das zitierte Erkenntnis 81/04/0244, sowie das - zu § 2 Abs. 4 Z 6 GewO 1994 ergangene - hg. Erkenntnis vom , 2009/04/0065, 0066).

Für die Beurteilung, ob insgesamt der Charakter des gegenständlichen Betriebes als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gewahrt wird (oder umgekehrt der Charakter eines Gewerbebetriebes vorliegt), kann auf eine Mehrzahl von Aspekten abgestellt werden, die nach der Methode eines beweglichen Systems in eine Gesamtbetrachtung einfließen.

5.2. Bezogen auf den vorliegenden Fall lässt sich dazu Folgendes festhalten:

Der UVS hat (unter anderem) auf die Betriebszeiten in der Verarbeitung, die Verkaufs- und Öffnungszeiten sowie die Auslieferungs- und Versandzeiten abgestellt (zugrunde gelegt wurde eine Verarbeitungs- und Verkaufstätigkeit an jeweils mehreren Tagen jede Woche). Derartige betriebliche Strukturen stellen Indizien für den Charakter als Gewerbebetrieb dar (siehe zur Wahrung des Charakters als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb auch Wallnöfer , § 2, in Ennöckl/Raschauer/Wessely (Hrsg.), Gewerbeordnung 1994, Rz. 19). Denkbar wäre auch eine Heranziehung von Strukturen etwa im Bereich der Vermarktung der verarbeiteten Produkte. Weiters kann berücksichtigt werden, ob eine Betriebsstätte besteht, wie sie üblicherweise von Gewerbetreibenden verwendet wird. Dabei kann der räumlichen und maschinellen Ausstattung im Bereich der Bearbeitung und Verarbeitung Indizwirkung zukommen, wenn diese im Hinblick auf Umfang, Anzahl und Größe gegen den Charakter des Gesamtbetriebes als landwirtschaftlicher Betrieb spricht (im vorliegenden Fall wurden jeweils eine Vielzahl von Räumlichkeiten - Waschraum, Zerlegeraum, Selche, Kühlräume, Verpackungsraum, Reiferaum und Pökelraum - sowie von Geräten - Cutter, Fleischwolf, Vakuumverpackungsmaschine, Elektroselche, Wurstspritze und Kühllieferwagen - angeführt).

Es ist auch nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn der UVS - neben anderen Kriterien - betriebswirtschaftliche Parameter bei der Beurteilung der Wahrung des Charakters als landwirtschaftlicher Betrieb nach § 2 Abs. 4 Z 1 GewO 1994 mit einbezogen hat (in diese Richtung auch Winkler , Landwirtschaft und Gewerbeordnung nach der Gewerberechtsnovelle 1997, ZfV 1998, 454 (466)). Insbesondere der für die jeweiligen Tätigkeiten investierte Aufwand an Arbeitszeit und -kraft sowie Kapital, aber auch der jeweils erwirtschaftete Ertrag sind für den Charakter eines Betriebes mitbestimmend. Die diesbezüglich vom UVS herangezogenen Kennzahlen (die Kosten für die Weiterverarbeitung übersteigen die Kosten der Urproduktion bei Weitem und die verfügbare Arbeitskraft wird zu ca. 58% in der Weiterverarbeitung eingesetzt; aus der Weiterverarbeitung wird ein 13-mal höherer Ertrag erzielt als aus der Urproduktion) stellen - auch wenn sie für die geforderte Beurteilung nicht allein maßgeblich sind - Indizien dafür dar, dass die landwirtschaftliche Tätigkeit nicht mehr im Vordergrund steht und der vorliegende Betrieb in seiner Gesamtheit somit nicht mehr den Charakter eines landwirtschaftlichen Betriebes aufweist.

Unter Zugrundelegung der vom UVS dazu getroffenen Feststellungen ist seine Einschätzung, dass der Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 4 Z 1 GewO 1994 fallbezogen nicht erfüllt ist, im Ergebnis somit nicht zu beanstanden. Der vom Revisionswerber ins Treffen geführte Umstand, wonach sein Betrieb aus insgesamt 49 ha bestehe, für die Weiterverarbeitung aber nur 250 m2 benötigt werden, vermag daran nichts zu ändern, weil diese flächenmäßige Gegenüberstellung für sich allein bei einer Gesamtbetrachtung die gegen den Charakter als landwirtschaftlicher Betrieb sprechenden Indizien nicht aufzuwiegen vermag. Dass der Revisionswerber eine Landwirtschaft betreibt und über dafür notwendige Gebäude und Maschinen verfügt, ist unstrittig, führt aber nicht dazu, dass jegliche Verarbeitungstätigkeit als bloßes Nebengewerbe anzusehen wäre.

5.3. Eine exakte quantitative Grenzziehung hinsichtlich der wirtschaftlichen Unterordnung - wie vom Revisionswerber eingefordert - kann es im Bereich des Nebengewerbes der Bearbeitung und Verarbeitung gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 GewO 1994 nicht geben, weil es - wie dargelegt - nicht allein auf wirtschaftliche Parameter ankommt, sondern für die Prüfung der Wahrung des Charakters als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb eine Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung einer Mehrzahl von Aspekten vorzunehmen ist.

5.4. Der Revisionswerber erachtet das Erfordernis einer Unterordnung des Nebengewerbes aus unionsrechtlichen Erwägungen als unzulässig und verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Verordnung Nr. 2085/93 des Rates vom zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 4256/88 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL). Unionsrechtliche Bedenken gegen die innerstaatliche Umschreibung des Anwendungsbereichs der Gewerbeordnung werden mit diesem - nicht weiter ausgeführten - Vorbringen nicht aufgezeigt, zumal die vom Revisionswerber ins Treffen geführten Verordnungsbestimmungen Förderungsmaßnahmen durch einen auf Unionsebene eingerichteten Fonds zum Inhalt haben.

5.5. Ausgehend vom Vorliegen einer der Gewerbeordnung 1994 unterliegenden Tätigkeit kommt dem Revisionsvorbringen, es sei keine Betriebsanlagengenehmigung erforderlich, weil kein Gewerbebetrieb vorliege, keine Berechtigung zu. Soweit der Revisionswerber auf die Regelung des § 2 Abs. 5 GewO 1994 verweist, wonach die für ein land- und forstwirtschaftliches Nebengewerbe eingesetzten Anlagen nur unter bestimmten engen Voraussetzungen den betriebsanlagenrechtlichen Bestimmungen unterliegen, ist ihm entgegenzuhalten, dass § 2 Abs. 5 GewO 1994 nur bei einem - fallbezogen verneinten - Vorliegen eines landwirtschaftlichen Nebengewerbes anwendbar ist.

5.6. Soweit der Revisionswerber einen Verstoß gegen § 348 GewO 1994 geltend macht, genügt es darauf hinzuweisen, dass es keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit darstellt, wenn eine Behörde ein bei ihr anhängiges Verwaltungsstrafverfahren nicht gemäß § 348 Abs. 1 GewO 1994 unterbrochen hat (siehe das hg. Erkenntnis vom , 2009/04/0065, 0066).

6. Der Revisionswerber rügt, der UVS habe entgegen der Vorschrift des § 51e Abs. 3 VStG keine Verhandlung durchgeführt. Zwar habe er in der Berufung eine mündliche Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt, er sei aber unvertreten gewesen und habe von der Möglichkeit der Beantragung einer Verhandlung nicht wissen müssen, weshalb daraus nicht auf einen Verzicht geschlossen werden könne. Weiters bringt er vor, er habe in seiner Berufung das Tatbild bestritten und diesbezüglich sachverhaltsbezogenes Vorbringen sowie Ausführungen zur subjektiven Tatseite - insbesondere zu seinem mangelnden Verschulden - erstattet.

Eine Bestreitung des Sachverhaltes hinsichtlich der objektiven Tatseite lässt sich der Berufung des Revisionswerbers zwar nicht entnehmen, allerdings führt er abschließend aus, ihm sei kein Verschulden zur Last zu legen, weil er sich bei seinem Handeln an der Rechtsmeinung seiner gesetzlichen beruflichen Interessenvertretung, der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, orientiert habe.

Ausgehend von diesem Vorbringen zum Verschulden kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Revisionswerber in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet habe (siehe die hg. Erkenntnisse vom , 2010/04/0057, und vom , 2009/02/0359).

Die Voraussetzungen für das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 VStG lagen somit nicht vor. Der UVS war gemäß § 51e Abs. 1 VStG verpflichtet, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (zum Vorliegen eines "absoluten" Verfahrensmangels siehe das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/02/0065, mwN).

7. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

8. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

9. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG sowie - gemäß § 3 Z 1 und § 4 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8 - auf § 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am