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VwGH vom 07.09.2011, 2009/08/0098

VwGH vom 07.09.2011, 2009/08/0098

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der H U in U, vertreten durch Dr. Wolfgang Schimek Rechtsanwalt GmbH in 3300 Amstetten, Graben 42, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2009, betreffend Anspruch auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom wies die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (in der Folge: AMS) den Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Zuerkennung von Notstandshilfe gemäß § 33 AlVG iVm § 2 der Notstandshilfe-Verordnung (NH-VO) mangels Notlage ab, da das anrechenbare Einkommen des Lebensgefährten G der Beschwerdeführerin trotz Berücksichtigung der gesetzlichen Freigrenzen den Notstandshilfeanspruch der Beschwerdeführerin übersteigen würde.

Die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Berufung, in der im Wesentlichen eingewendet wurde, dass die Berücksichtigung des Partnereinkommens rechtswidrig sei, und vorgebracht wurde, dass die Beschwerdeführerin mit G lediglich eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft führe, keine Indizien wie gemeinsames Kind, Betreuung von Kindern oder Angehörigen im Haushalt, gemeinsames Konto oder Kontovollmacht und auch die gegenseitige finanzielle Unterstützung vorliegen würden und daher keine Lebensgemeinschaft bestehe, wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen.

In ihrer Bescheidbegründung stellte die belangte Behörde - soweit für den Beschwerdefall von Bedeutung - fest, dass die Beschwerdeführerin im Antrag auf Notstandshilfe angegeben habe, geschieden zu sein und eine Lebensgemeinschaft zu führen. Nach in ihrem Haushalt lebenden Angehörigen befragt, habe sie angegeben, mit G eine Lebensgemeinschaft zu führen und sie habe im Weiteren Alimentationsverpflichtungen des Lebensgefährten gegenüber dessen Tochter und dessen geschiedener Ehegattin ziffernmäßig genannt. Auf Grund des Berufungsvorbringens sei die Beschwerdeführerin am vom AMS niederschriftlich zum Vorliegen einer Lebensgemeinschaft mit G befragt worden. Sie habe dabei angeführt, gemeinsam mit G an einer näher bezeichneten Adresse wohnhaft zu sein. Es würde sich hierbei um eine Genossenschaftswohnung handeln und beide hätten dort ihren Hauptwohnsitz. Die Miete werde gemeinsam bezahlt. Die Wohnung habe ca. 80 m2 und würden derzeit alle Zimmer (z.B. Küchen, Schlafzimmer usw.) gemeinsam genützt. Gemeinsame Verbindlichkeiten (z.B. Kredite, Bürgschaften, gemeinsames Konto) würden nicht bestehen. Die Wohnung sei gemeinsam angeschafft worden und auch die Lebenshaltungskosten würden gemeinsam getragen. Die Haushaltsführung werde gemeinsam erledigt und beide würden kochen, putzen, waschen usw. Weiters habe sie ausgeführt, mit G keine gemeinsamen Kinder zu haben; dieser müsse jedoch für ein Kind und an seine Ex-Frau Alimente und Unterhalt bezahlen; im gemeinsamen Haushalt würden keine Kinder wohnhaft sein. Außerdem habe sie angegeben, mit G die Freizeit gemeinsam zu gestalten (z.B. Urlaub, Ausflüge usw.).

Auf Grund dieser von der Beschwerdeführerin mit ihrer Unterschrift bestätigten Angaben in der Niederschrift vom , ihren Angaben im Notstandshilfeantrag sowie ihrem Berufungsvorbringen sei - so die belangte Behörde - vom Bestehen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit G auszugehen; letzterer käme für das daraus abzuleitende Vorliegen einer Lebensgemeinschaft mit G nach der ständigen Judikatur des VwGH überragende Bedeutung zu, sodass der Umstand, dass die Beschwerdeführerin mit G keine gemeinsamen Kinder habe, "vernachlässigbar" sei. Im Weiteren legte die belangte Behörde ihre Berechnungen dar, wonach ausgehend von einem durchschnittlichen Nettoeinkommen aus unselbständiger Tätigkeit von G in Höhe von EUR 2.090,29 ein täglicher Betrag von EUR 36,26 anzurechnen sei, der den fiktiven Anspruch auf Notstandshilfe der Beschwerdeführerin von täglich EUR 32,14 übersteige.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG ist Voraussetzung für die Gewährung der Notstandshilfe unter anderem, dass sich der Arbeitslose in Notlage befindet.

Gemäß § 2 Abs. 1 der Notstandshilfeverordnung liegt Notlage vor, wenn das Einkommen des Arbeitslosen und das seines Ehepartners bzw. Lebensgefährten oder seiner Lebensgefährtin zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitslosen nicht ausreicht. Die Vorgangsweise bei Heranziehen des Einkommens des Ehepartners bzw. des Lebensgefährten oder der Lebensgefährtin für die Beurteilung der Notlage ist näher in § 6 Notstandshilfeverordnung geregelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das Wesen einer Lebensgemeinschaft in einem eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und (vor allem) Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber - wie auch bei einer Ehe - das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Jenes Element, um dessentwillen die Lebensgemeinschaft im konkreten Regelungszusammenhang von Bedeutung ist, nämlich das gemeinsame Wirtschaften, ist jedoch unverzichtbar (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0124).

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die belangte Behörde zu Unrecht vom Vorliegen einer Lebensgemeinschaft ausgegangen sei.

Soweit dazu in der Beschwerde gegen "ein gemeinsames Wirtschaften" erstmals vorgebracht wird, dass die Beschwerdeführerin erst kürzlich aus Wien an die Adresse des G gezogen sei, sich an der Miete lediglich im Sinne eines "Untermietverhältnisses" beteiligt habe, die Lebenshaltungskosten nicht gemeinsam getragen würden und die Haushaltsführung nicht gemeinsam erfolge, sondern beide (nur) jeweils für sich selbst kochen, putzen und waschen würden, handelt es sich um unbeachtliche Neuerungen (§ 41 Abs. 1 erster Satz VwGG).

Ausgehend von den von der Beschwerdeführerin in Bezug auf das Zusammenleben mit G in ihrem Notstandshilfeantrag vom , ihrer Berufung und bei der Niederschrift am gemachten und im Bescheid wiedergegebenen Angaben, kann es der belangten Behörde nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn sie bei dieser Sachlage das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft mit G bejaht und vor diesem Hintergrund auch das Bestehen einer Lebensgemeinschaft mit diesem angenommen hat. Auf Grund der eindeutigen Angaben der Beschwerdeführerin in der besagten Niederschrift (wonach sie die Kosten der Miete, der Lebenshaltungskosten und der Haushaltsführung jeweils gemeinsam tragen würden), ergab sich auch - entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen - keine Notwendigkeit zu weiteren Ermittlungen, wie insbesondere die nunmehr begehrte Einvernahme von G.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet des - hier vorliegenden - Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom , Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/07/0083, und vom , Zl. 2000/08/0072). Dieser Umstand liegt aber auch hier vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am

Fundstelle(n):
LAAAE-89779