TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 16.12.2014, 2014/16/0077

VwGH vom 16.12.2014, 2014/16/0077

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision des R S in I, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Hamerlingplatz 7/14, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/3100660/2012, betreffend Gewährung (erhöhter) Familienbeihilfe ab September 2011, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren der Bundesministerin für Familien und Jugend wird abgewiesen.

Begründung

Der am geborene, besachwaltete Revisionswerber beantragte durch seinen Sachwalter am unter Verwendung des Formblattes Beih 1 eine ab rückwirkende Gewährung von Familienbeihilfe. Im Formblatt führte er an, er lebe "dauernd getrennt" und vermerkte hiezu "Scheidungsverfahren".

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt Innsbruck diesen Antrag für den Zeitraum "ab Sep. 2011" mit der Begründung ab, dass die "Ex-Gattin" des Revisionswerbers zu Unterhaltsleistungen verpflichtet worden sei.

Mit Schriftsatz vom berief der Revisionswerber dagegen und brachte vor, der vorläufige Unterhalt, der derzeit erst noch eingeklagt werden müsse, sei mit einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichtes Innsbruck vom festgesetzt worden. Er habe jedoch bisher keine Unterhaltszahlung erhalten. Es stehe fest, dass der einstweilige Unterhalt, den seine frühere Ehefrau leisten müsse, in keiner Weise ausreichend sei, um den Lebensbedarf des Revisionswerbers auch nur annähernd zu sichern. Er sei damit nicht selbsterhaltungsfähig. Der einstweilige Unterhalt seiner früheren Ehefrau bleibe auch weit unter der Höhe des Richtsatzes für Ausgleichszulagenbezieher oder für die Bezieher der bedarfsorientierten Mindestsicherung.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die als Beschwerde angesehene Berufung ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte das Bundesfinanzgericht fest, der Revisionswerber sei am geboren und habe das 21. Lebensjahr somit 1982 vollendet. Er sei seit dem Jahr 1994 besachwaltet und habe im Jahr 2004 geheiratet. Im Jahr 2011 habe er in Scheidung gelebt. Seine Ehefrau sei in einem Provisorialverfahren rechtskräftig zur Zahlung von Unterhalt in Höhe von monatlich 265,40 EUR ab Juli 2011 verpflichtet worden. Dass der Revisionswerber nach Vollendung des 21. (bis zur Vollendung des 27.) Lebensjahres in Berufsausbildung gestanden sei, sei weder behauptet worden noch feststellbar. Ab dem Jahr 1978 bis ins Jahr 1986 sei er in unterschiedlichen äußerst kurzfristigen Dienstverhältnissen gestanden, von 1994 bis Anfang 2008 habe eine Selbstversicherung in der Krankenversicherung bestanden. Nach Verbüßung einer mehrjährigen Haftstrafe sei er von Mitte 2009 bis Mitte 2011 wieder in einem halbtägigen Dienstverhältnis gestanden, danach seien Zeiten des Arbeitslosengeldbezuges und der Weiterversicherung in der Pensionsversicherung der Arbeiter gefolgt. Dem ärztlichen Sachverständigengutachten aus dem Jahr 2014 sei zu entnehmen, dass der Revisionswerber als Trödler auf Flohmärkten gearbeitet habe.

Mit der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen aus dem Jahr 2004 sei dem Revisionswerber bestätigt worden, dass er voraussichtlich dauernd außer Stande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine rückwirkende Feststellung dieses Umstandes sei mit dieser Bescheinigung nicht erfolgt. In einem neuerlichen ärztlichen Sachverständigengutachten vom sei wiederum attestiert worden, dass der Revisionswerber voraussichtlich dauernd außer Stande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. In dieser Bescheinigung sei eine rückwirkende Feststellung mit Mai 2010 erfolgt.

Nach näheren Ausführungen kam das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis, der Revisionswerber sei nicht auf Grund einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen Behinderung dauernd außer Stande sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, weshalb die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG nicht erfüllt seien. Weiters sei die vormalige Ehefrau gegenüber dem Revisionswerber zur Unterhaltszahlung verpflichtet. Damit sei nach § 6 Abs. 1 lit. b FLAG ein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 6 Abs. 1 lit. b FLAG fehle.

Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, in welcher sich der Revisionswerber im Recht auf Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe verletzt erachtet.

Das Bundesfinanzgericht legte die Revision sowie die Revisionsbeantwortungen des Finanzamtes Innsbruck und der Bundesministerin für Familien und Jugend unter Anschluss der Akten des Verfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

§ 6 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) lautet auszugsweise:

"§ 6. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn

a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und

c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

(2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie ...

(3) ...

(4) ...

(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3)."

Der Revisionswerber trägt vor, am sei vor dem Bezirksgericht Innsbruck ein Vergleich zwischen ihm und seiner Ehegattin, von welcher er seinen Unterhalt eingeklagt habe, geschlossen worden, wonach ihm aus Billigkeitserwägungen der Höhe nach derzeit kein nachehelicher Unterhalt nach § 69 Abs. 3 Ehegesetz zustehe. Der Vergleich sei am rechtskräftig geworden. Dies sei vom Gericht ausführlich begründet worden.

Ein aus diesem Vorbringen abgeleiteter Entfall der Unterhaltspflicht der früheren Ehegattin des Revisionswerbers ab dem im Vorbringen genannten Zeitpunkt könnte sich bei dem einen zeitraumbezogenen Abspruch enthaltenden Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom , 2012/16/0052) auswirken, ist im vorliegenden Revisionsverfahren allerdings unbeachtlich, weil dieses Vorbringen gegen das vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehende Neuerungsverbot (§ 41 erster Satz VwGG) verstößt.

Ausgehend von dem - bis zum angeführten gerichtlichen Vergleich - unbestrittenen Sachverhalt, dass der Revisionswerber von seiner früheren Ehefrau Unterhalt eingeklagt hatte und ihm dieser in einem Provisorialverfahren zugesprochen wurde, durfte das Bundesfinanzgericht davon ausgehen, dass die frühere Ehefrau des Revisionswerbers diesen Unterhalt zu leisten hatte.

Ob die frühere Ehefrau des Revisionswerbers tatsächlich Unterhalt geleistet hat, ist dabei unbeachtlich. Die vom Revisionswerber ins Treffen geführte hg. Rechtsprechung, wonach es auf eine Pflicht zur Unterhaltsleistung nicht ankomme, betrifft die Unterhaltsleistungen von Eltern nach § 6 Abs. 5 FLAG. Bei dieser Bestimmung kommt es auf die tatsächliche Unterhaltsleistung und nicht auf eine Unterhaltspflicht an (vgl. etwa das erwähnte hg. Erkenntnis vom sowie das hg. Erkenntnis vom , 2009/16/0087, VwSlg 8.509/F), sie weist allerdings einen anderen Wortlaut auf ("Unterhalt leisten") als die hier anzuwendende Bestimmung des § 6 Abs. 1 lit. b FLAG ("Unterhalt zu leisten ist").

Dass die Unterhaltspflicht des (früheren) Ehegatten einen Umfang erreichen müsse, der dazu führe, dass damit der überwiegende Unterhalt des Unterhaltsberechtigten abgedeckt würde, wird vom Wortlaut des § 6 Abs. 1 lit. b FLAG nicht gefordert. Die diesbezüglichen Ausführungen des Revisionswerbers zur Höhe des die frühere Ehefrau des Revisionswerbers treffenden Unterhalts gehen daher ins Leere.

Da somit im Revisionsfall ein Anspruch auf (erhöhte) Familienbeihilfe nach § 6 Abs. 1 lit. b FLAG bereits ausgeschlossen war, war auf die Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes einerseits und des Revisionswerbers andererseits zu den Voraussetzungen eines Familienbeihilfenanspruchs durch eine Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht weiter einzugehen.

Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren der Bundesministerin für Familien und Jugend war abzuweisen, weil ein Aufwandersatz nach § 47 Abs. 1 VwGG lediglich den Parteien im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zukommt, die Bundesministerin jedoch im vorliegenden Revisionsverfahren keine Parteistellung hat, sie insbesondere nicht Partei nach § 21 Abs. 1 Z 3 VwGG ist, weil kein Fall des § 22 zweiter Satz leg. cit. vorliegt, und die Bundesministerin die Revisionsbeantwortung nicht als Partei sondern zufolge der Bestimmung des § 30a Abs. 5 iVm § 29 VwGG eingebracht hat.

Wien, am