VwGH 24.11.2010, 2009/08/0095
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | § 111 ASVG sieht iVm § 35 Abs 3 ASVG die Übertragung der nach den §§ 33 ff ASVG bestehenden Pflichten auf Bevollmächtigte vor, die dann auch nach § 111 legcit allein strafbar sind (Hinweis E , 85/08/0120, VwSlg 12011 A/1986). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Name und Anschrift dieser Bevollmächtigten und deren Mitfertigung dem zuständigen Versicherungsträger bekannt gegeben werden. Nach dieser Bestimmung kann auch ein Außenstehender zum Bevollmächtigten bestellt werden. Bei mehreren Geschäftsführern kann daher umso mehr einer von ihnen zum Bevollmächtigten im Sinne des § 35 Abs 3 ASVG bestellt werden. Auch in diesem Fall ist aber diese Bevollmächtigung in der im § 35 Abs 3 legcit vorgeschriebenen Weise der Gebietskrankenkasse mitzuteilen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 98/08/0268 E RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des Finanzamtes S, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom , Zl. UVS-5/13038/9-2009, betreffend Übertretung des § 111 ASVG iVm § 33 ASVG (mitbeteiligte Partei: H W in T, vertreten durch Dr. Helmut Fetz, Rechtsanwalt in 8700 Leoben, Hauptplatz 11; weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Das beschwerdeführende Finanzamt erstattete am Anzeige gegen den Mitbeteiligten wegen Übertretung des ASVG (§ 111 in Verbindung mit § 33 Abs. 1 ASVG) an die Verwaltungsstrafbehörde. Am sei um 16 Uhr auf der Baustelle Privathaus S durch Beamte des Finanzamtes und der Gebietskrankenkasse S eine Kontrolle nach dem AuslBG und ASVG durchgeführt worden. Dabei sei festgestellt worden, dass zwei Personen (Herr N und Herr B) nicht zur Sozialversicherung gemeldet seien; die beiden Personen hätten angegeben, für die S-H Bau GmbH zu arbeiten. Der Mitbeteiligte sei der zur Vertretung der S-H Bau GmbH Berufene.
Der Mitbeteiligte erklärte - nach Aufforderung zur Rechtfertigung - er habe sich im angeführten Zeitraum auf Urlaub befunden. Wie immer, wenn er seiner geschäftsführerischen Tätigkeit nicht nachkommen könne, finde vor seiner Abwesenheit über anstehende Fragen eine Besprechung statt und werde die geschäftsführerische Verantwortung auf H übertragen.
Mit Bescheid vom wurde das gegen den Mitbeteiligten eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren "nach § 9(1) VStG iVm §§ 33(1) und 111 ASVG" gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen und Angaben des Mitbeteiligten, dass sich dieser zur Tatzeit im Urlaub befunden habe (vom 22. bis zum ), sei subjektives Verschulden nicht gegeben, zumal ein gleichberechtigter handelsrechtlicher Geschäftsführer (H) gemäß § 9 Abs. 1 VStG "installiert" sei und somit alleinige Verantwortung für das Verwaltungsstrafverfahren zukomme.
Das beschwerdeführende Finanzamt erhob dagegen Berufung. Das Finanzamt könne der Verfahrenseinstellung nicht zustimmen, da gemäß § 28a Abs. 3 AuslBG kein verantwortlicher Beauftragter bestellt und der Zentralen Koordinationsstelle mitgeteilt worden sei. Damit sei der Mitbeteiligte wie sein gleichberechtigter handelsrechtlicher Geschäftsführer als ein gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der S-H Bau GmbH für die Verwaltungsübertretung verantwortlich.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass N bis zum im Betrieb des Beschuldigten als Arbeiter beschäftigt gewesen sei. Vom 3. Jänner bis habe er Arbeitslosengeld bezogen und sei seit wieder als Arbeiter bei der S-H Bau GmbH zur Sozialversicherung gemeldet. B sei bis zum und wieder seit als geringfügig beschäftigter Arbeiter bei der S-H Bau GmbH beschäftigt und zur Sozialversicherung gemeldet. Sowohl B als auch N hätten eine Wiederbeschäftigungszusage gehabt. Der Vorwurf je einer Verwaltungsübertretung gemäß § 33 Abs. 1 ASVG erfolge zu Unrecht, da die Bestimmung des § 34 Abs. 1 ASVG zur Anwendung komme, wonach der Dienstgeber den Wiedereintritt des Entgeltanspruches innerhalb von sieben Tagen dem zuständigen Krankenversicherungsträger zu melden habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet und - ebenso wie der Mitbeteiligte in seiner Gegenschrift - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. § 33 ASVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 31/2007) lautet:
"(1) Die Dienstgeber haben jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab) meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
(1a) Der Dienstgeber kann die Anmeldeverpflichtung so erfüllen, dass er in zwei Schritten meldet, und zwar
1. vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. die Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben Anmeldung) und
2. die noch fehlenden Angaben innerhalb von sieben Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung (vollständige Anmeldung).
(2) Abs. 1 gilt für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit. a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, daß die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind. ..."
Gemäß § 34 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber während des Bestandes der Pflichtversicherung jede für diese Versicherung bedeutsame Änderung, insbesondere jede Änderung im Beschäftigungsverhältnis, wie Änderung der Beitragsgrundlage oder Unterbrechung und Wiedereintritt des Entgeltanspruchs innerhalb von sieben Tagen dem zuständigen Krankenversicherungsträger zu melden.
Nach § 35 Abs. 3 ASVG kann der Dienstgeber die Erfüllung der ihm nach den §§ 33 und 34 ASVG obliegenden Pflichten auf Bevollmächtigte übertragen. Name und Anschrift dieser Bevollmächtigten sind unter deren Mitfertigung dem zuständigen Versicherungsträger bekanntzugeben.
Gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer (u.a.) als Dienstgeber oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet. Die Ordnungswidrigkeit ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen.
2. Entsprechend den Feststellungen der belangten Behörde waren N bis zum und sodann wieder ab als Arbeiter, B bis zum und wieder ab als geringfügig beschäftigter Arbeiter bei der S-H Bau GmbH beschäftigt.
Gemäß § 11 Abs. 1 ASVG erlischt die Pflichtversicherung mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses; fällt jedoch der Zeitpunkt, an dem der Anspruch auf Entgelt endet, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses zusammen, so erlischt die Pflichtversicherung mit dem Ende des Entgeltanspruches. Dass über die festgestellten Zeitpunkte ( bzw. ) hinaus ein Entgeltanspruch der Arbeiter bestanden hätte, wurde weder vorgebracht noch festgestellt. Auch liegt ein Fall des § 11 Abs. 3 lit. b bis d ASVG nicht vor. Eine Wiederbeschäftigungszusage änderte am Erlöschen der Pflichtversicherung schon deswegen nichts, weil für den Zeitraum bis zum kein Entgeltanspruch bestanden hat. Selbst wenn man die Wiederbeschäftigungszusage als bloße Arbeitsunterbrechung ohne Entgeltzahlung beurteilen würde, so hätte auch diesfalls keine Pflichtversicherung im Sinne des § 11 Abs. 3 lit. a ASVG bestanden, da diese Arbeitsunterbrechung die Dauer eines Monates überschritten hat. Daher endete die Pflichtversicherung mit bzw. .
Demnach erfolgte aber die Arbeitsaufnahme am nicht "während des Bestandes der Pflichtversicherung", sodass § 34 Abs. 1 ASVG nicht anwendbar ist. Die Anmeldung hatte vielmehr gemäß § 33 ASVG vor Arbeitsantritt zu erfolgen.
3. Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch (u.a.) juristische Personen, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Der Mitbeteiligte ist unstrittig als Geschäftsführer zur Vertretung der S-H Bau GmbH nach außen berufen.
Die hier anzuwendende Verwaltungsvorschrift des § 111 ASVG sieht iVm § 35 Abs. 3 ASVG die Übertragung der nach den §§ 33 ff ASVG bestehenden Pflichten auf Bevollmächtigte vor, die dann auch nach § 111 leg. cit. allein strafbar sind. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Name und Anschrift dieser Bevollmächtigten und deren Mitfertigung dem zuständigen Versicherungsträger bekannt gegeben werden. Nach dieser Bestimmung kann auch ein Außenstehender zum Bevollmächtigten bestellt werden. Bei mehreren Geschäftsführern kann daher umso mehr einer von ihnen zum Bevollmächtigten im Sinne des § 35 Abs. 3 ASVG bestellt werden. Auch in diesem Fall ist aber diese Bevollmächtigung in der im § 35 Abs. 3 leg. cit. vorgeschriebenen Weise der Gebietskrankenkasse mitzuteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/08/0268).
Das Vorbringen des Mitbeteiligten, er habe für den Zeitraum vom bis alle gewerbe- und handelsrechtlichen Agenden an den weiteren Geschäftsführer Herrn H übertragen, enthält für eine Bevollmächtigung im Sinne des § 35 Abs. 3 ASVG kein hinreichendes Tatsachensubstrat, da insbesondere eine Bekanntgabe an die Gebietskrankenkasse nicht behauptet wurde.
4. Der angefochtene Bescheid erweist sich demnach als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Eine Kostenentscheidung konnte entfallen, da der obsiegende Beschwerdeführer keinen Kostenersatz begehrt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2010:2009080095.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAE-89763