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VwGH vom 29.04.2013, 2011/16/0004

VwGH vom 29.04.2013, 2011/16/0004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Bundes, Bundesministerium für Finanzen, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Salzburg vom , Zl. Jv 4992/10d-33- 5, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Das Kostenersatzbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am verstarb W.G., ohne eine letztwillige Verfügung zu hinterlassen. Sämtliche vom Gerichtskommissär ermittelten, als Erbe in Betracht kommenden Verwandten des Verstorbenen entschlugen sich der Erbschaft. Weitere Erben meldeten sich auch auf das diesbezügliche Edikt des Bezirksgerichtes Salzburg vom nicht.

Der Gerichtskommissär errichtete mit Protokoll vom das Inventar, welches einen reinen Nachlass von 1.664,06 EUR ergab, von welchem die voraussichtliche Gerichtskommissärgebühr von 720 EUR und der beantragte Belohnungsanspruch des - mit Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom bestellten - Verlassenschaftskurators zu entrichten seien.

Die Finanzprokuratur, welcher das Bezirksgericht Salzburg den Verlassenschaftsakt zur Einsicht zugeleitet hatte, beantragte mit Schriftsatz vom , den verbleibenden Restnachlass "der Republik Österreich als erblos zu übergeben" und die Überweisung auf ein näher angeführtes Konto anzuordnen.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom wurde die erblose Verlassenschaft auf diesen Antrag "heimfällig erklärt und der Republik Österreich übergeben." Gleichzeitig bestimmte das Bezirksgericht die Gebühren des Gerichtskommissärs und den Belohnungsanspruch des Verlassenschaftskurators und wies den Gerichtskommissär an, aus dem Treuhandkonto diese Gerichtskommissärgebühren einzubehalten, den Belohnungsanspruch zu bezahlen und das verbleibende Realisat der Finanzprokuratur auf ein näher bezeichnetes Konto zu überweisen.

Dafür wurden vom Auftraggeber "BMF-Bundesvermögen" 65 EUR an Gerichtsgebühren durch Überweisung entrichtet.

Gegen die Zahlungsaufforderung der Kostenbeamtin des Bezirksgerichtes Salzburg vom erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom Einwendungen.

Die Kostenbeamtin forderte darauf mit Zahlungsauftrag vom offene Gebühren von 175 EUR ein, welche sich aus einer Pauschalgebühr nach TP 12 lit. h GGG von 232 EUR abzüglich der Zahlung von 65 EUR und aus einer Einhebungsgebühr nach § 6 Abs. 1 GEG von 8 EUR zusammensetzte.

Die Finanzprokuratur brachte einen als "Rekurs" bezeichneten, mit (offensichtlich fehl-) datierten, am beim Bezirksgericht Salzburg eingelangten Schriftsatz ein, worin die Aufhebung des Zahlungsauftrages mit der Begründung begehrt wurde, die Pauschalgebühr für Verlassenschaftssachen betrage gemäß TP 8 GGG 0,5 % des reinen Nachlasses, mindestens jedoch 65 EUR, weshalb im Beschwerdefall auch 65 EUR entrichtet worden seien. Gemäß der Anmerkung 3 zu TP 8 GGG seien daneben keine weiteren Gebühren zu entrichten. Gebühren nach TP 12 GGG lit. h GGG für sonstige Anträge im Außerstreitverfahren seien im Beschwerdefall daher ausgeschlossen.

Die belangte Behörde wertete diesen Schriftsatz als Berichtigungsantrag, den sie mit dem angefochtenen Bescheid abwies. "Die Finanzprokuratur (der Staat)" sei kein Gesamtrechtsnachfolger so wie der Erbe. Daher könne die Pauschalgebühr nach TP 8 GGG niemandem vorgeschrieben werden. Jedoch besage § 184 AußStrG, dass nach Ablauf der nach § 157 Abs. 2 AußStrG gesetzten Frist und Errichtung des Inventars eine erblos verbliebene Verlassenschaft auf Antrag der Finanzprokuratur der Republik Österreich zu übergeben sei. Daher entstehe mit dem Antrag der Finanzprokuratur eine Gebührenpflicht nach TP 12 lit. h GGG.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der vor ihm gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom , B 1583/10-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten.

In dem die Mängel der Beschwerde behebenden Schriftsatz vom erachtet sich der Beschwerdeführer "als Gesamtrechtsnachfolgerin in Heimfälligkeitssachen" gerade noch ersichtlich im Recht darauf verletzt, dass Gerichtsgebühren für Verlassenschaftsabhandlungen (TP 8 GGG) und nicht für sonstige Anträge in außerstreitigen Verfahren (TP 12 GGG) vorgeschrieben werden.

Die belangte Behörde legte die Gerichtsakten vor und reiche eine Gegenschrift ein, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass die verfehlte Bezeichnung des Beschwerdeführers im Beschwerdeschriftsatz als "Republik Österreich (Bundesministerium für Finanzen)" umzudeuten ist und dass als Partei des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof offensichtlich der Bund (als Gebietskörperschaft, als juristische Person öffentlichen Rechts) gemeint ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2002/13/0228, VwSlg 8.157/F).

Gemäß § 6 Abs. 1 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes (GEG) ist unter dort näher beschriebenen Voraussetzungen vom Kostenbeamten des Gerichts erster Instanz die Einbringung geschuldeter Beträge an Gerichtsgebühren durch Erlassen eines Zahlungsauftrages zu veranlassen. Die Vorschreibung von Gerichtsgebühren nach dem GEG stellt kein gerichtliches, sondern ein Verwaltungsverfahren dar (vgl. die bei Wais/Dokalik, Gerichtsgebühren10, E. 2 zu § 6 GEG zitierte hg. Rechtsprechung), der Zahlungsauftrag ist ein Bescheid (vgl. die bei Wais/Dokalik, aaO, E. 23 und 24 zu § 6 GEG zitierte hg. Rechtsprechung).

Gemäß § 7 Abs. 1 GEG kann der Zahlungspflichtige, wenn er sich durch den Inhalt des Zahlungsauftrages beschwert erachtet, binnen 14 Tagen dessen Berichtigung verlangen. Über den Berichtigungsantrag entscheidet gemäß § 7 Abs. 3 GEG - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - der Präsident des Gerichtshofes erster Instanz im Justizverwaltungsverfahren durch Bescheid.

Die belangte Behörde hat den als Rekurs bezeichneten, am beim Bezirksgericht Salzburg eingelangten Schriftsatz des Beschwerdeführers offensichtlich in Anwendung der hg. Rechtsprechung zum Schutz rechtsunkundiger Parteien, wonach die falsche Bezeichnung eines Rechtsmittels nicht schadet (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2011/16/0200, mwN) als Berichtigungsantrag nach § 7 GEG gewertet, wodurch der Beschwerdeführer im geltend gemachten Recht nicht verletzt wurde.

Tarifpost 8 (TP 8) des Gerichtsgebührengesetzes (GGG) in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung des Familienrechts-Änderungsgesetzes 2009 (FamRÄG 2009), BGBl. I Nr. 75, legt Pauschalgebühren für Verlassenschaftsabhandlungen in einer Höhe von 5 vT des reinen Nachlassvermögens, mindestens jedoch 65 EUR fest.

§ 2 Z 1 lit. g GGG lautet:

"§ 2 Der Anspruch des Bundes auf die Gebühr wird, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, begründet:

1. hinsichtlich der Pauschalgebühren

….

g) für die Verlassenschaftsabhandlung mit dem Zeitpunkt der Abgabe des Einantwortungsbeschlusses an die Geschäftsstelle zur Ausfertigung;"

Im Abschnitt III. Verlassenschaftsabhandlung des GGG lautet der § 24:

"§ 24. (1) Die Pauschalgebühr wird nach den Verhältnissen am Todestage des Erblassers ermittelt. Maßgebend ist der reine Wert des abgehandelten Nachlassvermögens. Bei Ermittlung des reinen Wertes werden Vermächtnisse, Pflichtteilsrechte, die Kosten und die Gebühren der Abhandlung (einschließlich der Gebühren des Gerichtskommissärs) und die Erbschaftssteuer nicht abgezogen.

(2) Zur Entrichtung der Pauschalgebühr sind die Erben verpflichtet; sie sind berechtigt, von Vermächtnisnehmern und Noterben den Ersatz der Gebühr, die auf das auszufolgende Vermögen entfällt, zu fordern, es sei denn, dass ihnen der Erblasser die Gebührenentrichtung auferlegt hat."

TP 12 lit h GGG in der im Beschwerdefall noch anzuwenden Fassung des FamRÄG 2009 legt Pauschalgebühren für sonstige Anträge in außerstreitigen Verfahren (ausgenommen Verfahren nach dem UbG, nach dem HeimAufG sowie Verfahren über die Sachwalterschaft für behinderte Personen und Verfahren über die Obsorge minderjähriger Personen) in Höhe von 232 EUR fest.

§ 760 ABGB lautet:

"§ 760. Wenn kein zur Erbfolge Berechtigter vorhanden ist oder wenn niemand die Erbschaft erwirbt, fällt die Verlassenschaft als ein erbloses Gut dem Staate anheim."

Das Außerstreitgesetz, BGBl. I Nr. 111/2003, (AußStrG) regelt in seinem III. Hauptstück das Verlassenschaftsverfahren. Darin wird im 2. Abschnitt in den §§ 156 bis 181 die Verlassenschaftsabhandlung und im 3. Abschnitt in den §§ 182 bis 185 das Verfahren außerhalb der Abhandlung geregelt.

Der mit "Erblose Verlassenschaft" überschriebene § 184 AußStrG lautet:

"§ 184. (1) Nach Ablauf der nach § 157 Abs. 2 gesetzten Frist und Errichtung des Inventars ist eine erblos (§ 760 ABGB) verbliebene Verlassenschaft auf Antrag der Finanzprokuratur der Republik Österreich zu übergeben. …"

Der Beschwerdeführer erachtet sich als "Gesamtrechtsnachfolger in Heimfälligkeitssachen". Er trägt vor, die belangte Behörde habe die gebührenrechtlichen Bestimmungen dahingehend grob unrichtig angewandt, als sie den Antrag auf Erbloserklärung und Übergabe des erblosen Nachlasses, welcher den Eintritt in die Gesamtrechtsnachfolge gleich dem eines Erben erst ermöglicht hätte, als "sonstiges Geschäft des außerstreitigen Verfahrens" gemäß TP 12 lit. h GGG gewertet habe, anstatt die auf den gegenständlichen Sachverhalt anzuwendenden Bestimmungen des § 24 in Verbindung mit TP 8 GGG heranzuziehen. Sowohl die Einantwortung als auch die Übergabe des erblosen Nachlasses hätten nämlich die gleiche Wirkung einer Gesamtrechtsnachfolge, weswegen eine gebührenrechtliche Schlechterstellung im Verlassenschaftsverfahren gegenüber den Erben nicht normiert und auch nicht systemimmanent sei. Überdies würden Pauschalgebühren nach der Systematik des Gerichtsgebührengesetzes nicht mehr für einzelne Schriftsätze, sondern für gesamte Verfahren zu entrichten sein, weshalb die Vorschreibung einer Pauschalgebühr für einen einzelnen Antrag der Beschwerdeführerin in grobem Widerspruch dazu stünde.

Das Heimfallsrecht nach § 760 ABGB ist kein Erbrecht. Vielmehr wird der vom Gericht als erblos erklärte Nachlass dem Staat (auf Antrag) übergeben. Weder ist vom Bund eine Erbserklärung (Anmerkung: seit dem AußStrG, BGBl. I Nr. 111/2003, nunmehr Erbantrittserklärung) abzugeben, noch findet eine Einantwortung statt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 89/16/0216, VwSlg 6.535/F, mwN). Das Heimfallsrecht ist ein Aneignungsrecht spezifischer Art mit der Wirkung der Gesamtrechtsnachfolge, das in Wahrheit den Zweck hat, dass nachgelassenes Vermögen nicht herrenlos wird (vgl. in stRsp etwa die , und vom , 3 Ob 34/03a).

Nach ständiger hg. Rechtsprechung knüpft die Gerichtsgebührenpflicht bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elementes des im Gesetz umschriebenen Tatbestandes, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme hievon geknüpft ist, hinwegsieht, würde diesem Grundsatz nicht gerecht werden. Es geht auch nicht an, im Wege der Analogie einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Ausnahmetatbestand zu begründen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2007/16/0228, mwN).

TP 8 GGG legt Pauschalgebühren ausschließlich für Verlassenschaftsabhandlungen fest. Das im Beschwerdefall in Rede stehende Verfahren zur Erbloserklärung des Nachlasses und zur Übergabe an den Staat findet nach dem klaren Wortlaut des AußStrG außerhalb der Verlassenschaftsabhandlung statt. Ein Einantwortungsbeschluss, welcher nach § 2 Z 1 lit. g GGG für den Zeitpunkt der Entstehung einer Gebührenschuld nach TP 8 GGG maßgeblich wäre, war in diesem Verfahren nicht zu fassen. Ein Erbe, der gemäß § 24 Abs. 2 GGG als Schuldner der Gebühr nach TP 8 GGG heranzuziehen wäre, ist im Beschwerdefall nicht vorhanden, der Bund ist lediglich Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen im Wege des Heimfalls.

Die belangte Behörde hat daher den Antrag im Schriftsatz der Finanzprokuratur vom zutreffend als "sonstigen Antrag in außerstreitigen Verfahren" nach TP 12 lit. h GGG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung des FamRÄG 2009 gewertet.

Dabei war der belangten Behörde kein Ermessen eingeräumt, weshalb eine vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte, "bei sämtlichen Verlassenschaftsgerichten geübte Pauschalgebührenvorschreibung" unerheblich ist und die Verfahrensrüge ins Leere geht, die belangte Behörde habe keine diesbezüglichen Ermittlungen angestellt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Antrag der belangten Behörde auf Zuspruch von Aufwandersatz war abzuweisen, weil Rechtsträger der obsiegenden belangten Behörde wie auch der Beschwerdeführer der Bund ist. Im Falle der Identität des Rechtsträgers, dem der Kostenersatz aufzuerlegen wäre, mit jenem Rechtsträger, dem er zuzusprechen wäre, kommt ein Kostenersatz nach ständiger hg. Rechtsprechung nicht in Betracht (vgl. etwa das erwähnte hg. Erkenntnis vom , 2002/13/0228, VwSlg 8.157/F, und die dort zitierte hg. Vorjudikatur).

Wien, am