VwGH vom 30.04.2015, 2011/15/0198

VwGH vom 30.04.2015, 2011/15/0198

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Hohenecker, über die Beschwerde der D GmbH in K, vertreten durch die Prodinger Partner Wirtschaftstreuhand- Steuerberatungs GmbH Co KG in 5700 Zell am See, Auerspergstraße 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom , Zl. RV/0851-S/09, betreffend Körperschaftsteuer 2005 bis 2007, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr bilanzierende Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Bilanzstichtag 30. November), die Seilbahnen, Sessel- und Schlepplifte betreibt, schloss am einen Dienstbarkeitsvertrag ab, mit dem ihr das Recht eingeräumt wurde, auf bestimmten Liegenschaften Liftanlagen zu errichten und zu betreiben. Im Gegenzug verpflichtete sich die Beschwerdeführerin u. a. dazu, bei Einstellung des Liftbetriebes "sämtliche Anlagen und Gebäude auf eigene Kosten abzutragen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen" (Punkt VII des Dienstbarkeitsvertrages). Nach Erteilung der erforderlichen Konzessionen wurden die Liftanlagen errichtet. Im Wirtschaftsjahr 2003/04 begann die Beschwerdeführerin mit der Bildung einer Rückstellung für Abbau- und Rekultivierungsmaßnahmen. Die Rückstellung wurde 2005 (11.734 EUR), 2006 (11.974,99 EUR) und 2007 (12.444 EUR) mit insgesamt 36.152,99 EUR dotiert.

Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat der Prüfer den Standpunkt, dass die Bildung der Rückstellung für Abbau- und Rekultivierungsmaßnahmen nicht zulässig sei, weil diese "keinen Zusammenhang zu einer Schadensbegrenzung bzw. einem möglichen Schadenersatz iSd § 100 Seilbahngesetz" aufweise und Punkt VII des Dienstbarkeitsvertrages vom völlig offen lasse, "ob und wann eine Betriebseinstellung erfolgt. Auch liegt (...) keine bindende Erklärung der Gesellschaft vor, dass mit dem (voraussichtlichen) Konzessionsende 2033 (...) tatsächlich eine Betriebseinstellung mit dem Rückbau der Anlagen erfolgt und nicht eine Verlängerung der Konzession und eine Weiterführung des Unternehmens geplant ist."

Das Finanzamt folgte dem Prüfer, verfügte die Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren 2005 bis 2007 und erließ der angeführten - sowie weiteren nicht verfahrensgegenständlichen - Feststellung(en) entsprechende Körperschaftsteuerbescheide 2005 bis 2007.

Die Beschwerdeführerin berief gegen die Körperschaftsteuerbescheide und führte in der Berufung u.a. aus, dass Seilbahnunternehmen gemäß § 52 Seilbahngesetz für die Kosten der Abtragung und Rekultivierung aufzukommen hätten. Die gegenständlichen Seilbahnanlagen stünden auf Weide- und Waldgebiet. Im Bereich sensibler Hochgebirgsregionen schrieben die zuständigen Behörden aufwendige Abtragungs- und Rekultivierungsmaßnahmen vor. Durch die genannte gesetzliche Bestimmung und die in vergleichbaren Fällen bereits ergangenen Bescheide (ein solcher sei dem Prüfer übermittelt worden) sei die Notwendigkeit einer Rückstellungsbildung erwiesen.

Rekultivierungskosten stellten Aufwendungen für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands eines Grundstücks nach Beendigung der Nutzung dar. Es bestehe ein Zusammenhang mit laufenden Betriebseinnahmen, weshalb eine Ansammlungsrückstellung zu bilden sei. Der Ansammlungszeitraum bemesse sich nach der Dauer der Konzession, weil das Seilbahngesetz die Rekultivierung bei jeder Abtragung, jedenfalls aber mit Ablauf der Konzession fordere. Die Beschwerdeführerin habe die Rückstellung für jede Anlage, gesondert nach Konzessionsdauer ermittelt. Da der Betrieb einer Liftanlage mit der Konzessionsdauer begrenzt sei, enthielten Dienstbarkeitsverträge in der Regel keine Klauseln über den Zeitpunkt des Abbaus solcher Anlagen. Dass mit dem Eintreten einer Verbindlichkeit nicht zu rechnen sei, weil die Beschwerdeführerin "keine bindende Erklärung der Betriebseinstellung abgegeben hat und eine Weiterführung des Unternehmens nach dem Konzessionsende geplant ist", sei nicht nachvollziehbar, weil Aufwendungen für die Rekultivierung mit dem Ende der jeweiligen Konzession zusammenhingen. "Mit dem Konzessionsende ist das Ende einer einzelnen Seilbahnanlage, jedoch keine Betriebsaufgabe oder gänzliche Einstellung des Unternehmens geplant."

Mit Schriftsätzen vom und vom brachte die Beschwerdeführerin u.a. vor, dass die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands sowohl gesetzlich als auch vertraglich geboten sei. Das Gebot der Wiederherstellung setze einen Eingriff in den ursprünglichen Zustand voraus. Die (wenn auch zulässige "Zerstörung") beginne mit Errichtung der Liftanlage, die daher bereits die Verpflichtung zu ihrer Beseitigung in sich berge. Der Prüfer unterstelle hingegen, dass sich die Verpflichtung zum Rückbau erst aus der bescheidmäßigen Aufforderung hierzu ergäbe. Der Aufwand zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands sei untrennbar mit dem Betrieb der Liftanlagen verbunden und daher schon jetzt und nicht erst am Ende zu berücksichtigen. Den Schriftsätzen waren u. a. der Dienstbarkeitsvertrag vom und Bescheide, mit denen anderen Liftbetreibern Rekultivierungsmaßnahmen und die Abtragung nicht mehr benötigter Anlagen vorgeschrieben worden waren, beigelegt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie nahm als erwiesen an, dass sich die Beschwerdeführerin mit Dienstbarkeitsvertrag vom verpflichtet habe, die streitgegenständlichen Liftanlagen auf eigene Kosten abzutragen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen: Sie stimme der Beschwerdeführerin auch insoweit zu, als zunächst davon auszugehen sei, dass "aufgrund der allgemein gültigen öffentlich-rechtlichen Verpflichtung (nach den Bestimmungen des SeilbahnG)" grundsätzlich die Verpflichtung bestehe, die Anlagen mit Betriebseinstellung abzutragen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Öffentlich-rechtliche Verpflichtungen könnten aber nur dann Gegenstand einer Rückstellung nach § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 sein, wenn die Verpflichtung nach Inhalt und Entstehungszeitpunkt hinreichend konkretisiert sei. Dies treffe im Streitfall nicht zu, weil nach § 52 Seilbahngesetz erst für den Fall der gänzlichen und dauernden Betriebseinstellung entschieden werde, "ob überhaupt und wenn ja welche Teile zu beseitigen sowie ob überhaupt weitere Maßnahmen erforderlich sind". Ein zwingender behördlicher Auftrag sei daraus nicht ableitbar. Die entfernte Möglichkeit der Inanspruchnahme reiche zur Bildung einer Rückstellung nicht aus. Aufgrund des Dienstbarkeitsvertrages vom habe zu den streitgegenständlichen Abschlussstichtagen ebenfalls keine Inanspruchnahme gedroht. Der Vertrag sei auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und nicht aufgekündigt worden. Der Bestandgeber habe den Abbruch auch nicht ausdrücklich verlangt. Der Einwand, "das Ende der Betriebsanlage ergäbe sich zwangsläufig aufgrund der Begrenzung seitens der Konzessionsdauer", gehe ins Leere, weil die Konzession verlängerbar sei und nur die ernsthaft drohende Abtragung bzw. Beseitigung der Anlage über Bewilligung oder Anordnung der Behörde die Bildung einer Rückstellung rechtfertige. Ob und gegebenenfalls welche Auflagen die Behörde nach Betriebseinstellung erteilen werde, sei derzeit völlig ungewiss.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 EStG 1988 idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, können Rückstellungen u.a. gebildet werden für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten, wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen.

§ 9 Abs. 3 EStG 1988 legt als Voraussetzung für die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung fest, dass im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen der Verbindlichkeit ernsthaft zu rechnen ist.

Die Verbindlichkeitsrückstellung ist ein Gewinnkorrektivum, welches steuerrechtlich in der Höhe anerkannt wird, in der der Erfolg des betreffenden Wirtschaftsjahres voraussichtlich mit künftigen Ausgaben belastet wird. Voraussetzung einer steuerrechtlich anzuerkennenden Rückstellung ist stets, dass ein die Vergangenheit betreffender Aufwand bestimmter Art ernsthaft droht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2001/14/0081).

Bei einer drohenden Verbindlichkeit mit über mehrere Perioden verteilter wirtschaftlicher Verursachung ist eine Rückstellung laufend in den Jahren der wirtschaftlichen Verursachung aufzubauen (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom , 2001/14/0081).

Der Beschwerdeführerin wurde mit Dienstbarkeitsvertrag vom das Recht eingeräumt, auf bestimmten Liegenschaften Liftanlagen zu errichten und zu betreiben. Für den Fall, dass der Betrieb der Anlagen eingestellt wird, ist die Beschwerdeführerin laut Punkt VII des Dienstbarkeitsvertrages verpflichtet, "sämtliche Anlagen und Gebäude auf eigene Kosten abzutragen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen". Eine Verpflichtung zum Abbruch und zur Rekultivierung ergibt sich auch aus § 52 Seilbahngesetz.

Dass die Beschwerdeführerin die streitgegenständlichen Liftanlagen abzutragen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen haben wird, ist daher dem Grunde nach sicher. Unsicher sind lediglich der Zeitpunkt der Abtragung bzw. Rekultivierung und die Höhe der damit verbundenen Kosten. Bei Verbindlichkeiten, die dem Grunde nach sicher und nur dem Zeitpunkt und/oder der Höhe nach unsicher sind, ist eine Rückstellung zu bilden. Es liegen konkrete Umstände für die Bildung einer Rückstellung vor, weshalb es sich hier nicht um eine Pauschalrückstellung im Sinne des § 9 Abs. 3 EStG 1988 handelt (vgl. Doralt, EStG12, § 9 Tz 10/2). Die Verpflichtung zum Abbau und zur Rekultivierung wurde mit der Errichtung der gegenständlichen Anlagen begründet und hat ihre wirtschaftliche Verursachung im Betrieb der Anlagen. Für die Abbau- und Rekultivierungsverpflichtung ist daher in den Jahren zwischen Errichtung und voraussichtlichem Abbau der Anlagen eine Rückstellung zu bilden.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am