VwGH 06.06.2012, 2009/08/0072
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | ASVG §49 Abs1; KollV Angestellte und Lehrlinge Handelsbetriebe; |
RS 1 | Der OGH ist in seinem Urteil vom , 9 ObA 33/11k - auch in Auseinandersetzung mit der Entscheidung 8 ObA 189/02f - zusammenfassend zu folgendem Ergebnis gelangt: Da es sich bei der Tätigkeit einer Ladenkassierin in Selbstbedienungsläden an einer Scanner-Kasse nicht um eine atypische Tätigkeit dieses Berufsbildes handelt, dieses nach dem klaren Wortlaut des Kollektivvertrages für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben in Beschäftigungsgruppe 3 eingeordnet ist und keine hinreichenden Gründe dafür vorliegen, die Wertung der Kollektivvertragsparteien in Zweifel zu ziehen, ist die Einstufung einer überwiegend an der Scanner-Kasse einer Supermarktfiliale tätigen Dienstnehmerin in die Beschäftigungsgruppe 3 vorzunehmen. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Beurteilung an. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der A Genossenschaft mbH in B, vertreten durch die NM Norbert Moser Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in 9020 Klagenfurt, Pfarrplatz 5/III, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom , Zl. 14-SV-3343/1/08, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Kärntner Gebietskrankenkasse in 9021 Klagenfurt, Kempfstraße 8), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse verpflichtete die beschwerdeführende Partei mit Bescheid vom , als Dienstgeberin aus dem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis mit der Dienstnehmerin G für den überprüften Zeitraum ( bis ) nachträglich EUR 1.970,34 an Sozialversicherungsbeiträgen und Fondsbeiträgen sowie EUR 352,58 an Nachtragszinsen zu bezahlen.
Begründend führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse im Wesentlichen aus, im Zuge einer Prüfung sei festgestellt worden, dass die Dienstnehmerin G in der Zeit vom 1. Dezember (ersichtlich gemeint: Jänner) 2000 bis überwiegend - bezogen auf die tägliche Arbeitsleistung - als Ladenkassiererin tätig gewesen sei. Die beschwerdeführende Partei als Dienstgeberin habe die Dienstnehmerin der Beschäftigungsgruppe 2 des Kollektivvertrages für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben zugeordnet und entsprechend dieser Beschäftigungsgruppe die Entlohnung vorgenommen. Eine Ladenkassiererin in einem Selbstbedienungsladen sei aber in die Beschäftigungsgruppe 3 einzustufen.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Einspruch. Auf das Dienstverhältnis sei der Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben anzuwenden; die Dienstnehmerin G sei in Beschäftigungsgruppe 2 eingestuft. Die Dienstnehmerin habe einfache Tätigkeiten als Verkäuferin im Betrieb der beschwerdeführenden Partei verrichtet.
Kassiertätigkeiten seien nur in einem Umfang von etwa 40% der Gesamttätigkeit zu verrichten gewesen, sodass jedenfalls eine überwiegende Tätigkeit der Beschäftigungsgruppe 2 durchgeführt worden sei. Die Kassiertätigkeit an sich stelle keineswegs eine - für die Einstufung in die Beschäftigungsgruppe 3 notwendige - schwierige Tätigkeit dar, zumal nur vorgegebene Preise automatisch durch den Scanner zu erfassen seien. Die Aussagekraft der Tätigkeitsbeispiele im Kollektivvertrag gehe nicht so weit, dass in einem Fall, in dem aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles trotz des Zutreffens der Beispielstätigkeit die Grundvoraussetzungen der Beschäftigungsgruppe eindeutig nicht verwirklicht seien, dessen ungeachtet die Einstufung in die betreffende Beschäftigungsgruppe vorzunehmen wäre. Die im Kollektivvertrag zitierte Beispielstätigkeit "Ladenkassierer in Selbstbedienungsläden" beziehe sich auf Tätigkeiten im Büro- und Rechnungswesen, nicht im Ein- und Verkauf.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, strittig sei, ob die Dienstnehmerin G nach dem Kollektivvertrag in Beschäftigungsgruppe 2 oder in Beschäftigungsgruppe 3 einzustufen sei. Von der beschwerdeführenden Partei sei schriftlich bestätigt worden, dass G mehr als 50% ihrer Arbeitszeit im Prüfungszeitraum als Kassiererin tätig gewesen sei; das Ausmaß der Kassiertätigkeit sei somit außer Streit gestellt worden. Nach dem Kollektivvertrag seien in den Kalenderjahren 2000 bis 2004 Kassiere an Sammelkassen und Ladenkassiere in Selbstbedienungsläden jeweils in der Beschäftigungsgruppe 3 einzustufen gewesen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens durch die belangte Behörde sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erwogen hat:
1. Die beschwerdeführende Partei macht geltend, in dem Geschäft, in dem auch die Dienstnehmerin G tätig sei, seien vier Verkäuferinnen beschäftigt. Die Marktleiterin sei in Beschäftigungsgruppe 3, alle anderen Verkäuferinnen in Beschäftigungsgruppe 2 eingeordnet. Die Aufgaben der Dienstnehmerin G seien die Ausfolgung von Waren an Kunden, die Regalbetreuung sowie Kassiertätigkeiten auf Grund der vorgegebenen Preise. Die Kassentätigkeit bestehe lediglich darin, die Preise mittels Scanner zu erfassen. Dispositionsbefugnisse stünden der Dienstnehmerin in diesem Zusammenhang nicht zu. Die Preise seien vorprogrammiert. Die Dienstnehmerin habe lediglich die Aufgabe, mit den Produkten über den Scanner zu fahren, wodurch der Preis automatisch erfasst werde. Es handle sich dabei keineswegs um eine schwierige Tätigkeit; solche Kassiertätigkeiten könnten auch von ungelernten Kräften durchgeführt werden. Die belangte Behörde verweise nur auf die im Kollektivvertrag angeführten Beispiele und übersehe dabei, dass nach ständiger Rechtsprechung für die Einordnung in eine Beschäftigungsgruppe die Art der Tätigkeit des Arbeitnehmers maßgeblich sei. Die bei den einzelnen Beschäftigungsgruppen angeführten Tätigkeitsbezeichnungen stellten nur Beispiele für gleichwertige Tätigkeiten dar (Hinweis auf OGH 8 ObA 189/02f).
Die belangte Behörde habe nicht dargelegt, welche Tätigkeiten die Dienstnehmerin G tatsächlich verrichtet habe; insoweit liege ein Begründungsmangel vor. Auch habe die belangte Behörde die von der beschwerdeführenden Partei beantragten Beweise zur tatsächlichen Tätigkeit der Dienstnehmerin G nicht aufgenommen. Bei Aufnahme dieser Beweise wäre die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, dass es bei den Kassiertätigkeiten der Dienstnehmerin G lediglich ihre Aufgabe sei, mit den Produkten, die einen vorgegebenen Preis hätten, über den Scanner zu fahren, wodurch der Preis automatisch erfasst werde. Es handle sich dabei um keine schwierige Tätigkeit. Die Dienstnehmerin habe auch keine Dispositionsbefugnis gehabt; bei Problemen habe sie die Marktleiterin zu kontaktieren gehabt. Die im Kollektivvertrag zitierte Beispielstätigkeit "Ladenkassierer in Selbstbedienungsläden" beziehe sich lediglich auf Tätigkeiten im Büro- und Rechnungswesen und nicht im Ein- und Verkauf.
2. Gemäß § 44 Abs. 1 ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte der im Beitragszeitraum gebührende (gerundete) Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen. Als Arbeitsverdienst gilt bei den pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Entgelt iSd § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6 ASVG.
Nach § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.
3. Die - in den Streitjahren anwendbaren - maßgeblichen Bestimmungen des Kollektivvertrages für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben lauten:
"Beschäftigungsgruppe 2
Angestellte, die einfache Tätigkeiten ausführen
z.B.
a) Im Ein- und Verkauf:
Verkäufer, soweit sie nicht in eine höhere Beschäftigungsgruppe einzustufen sind, (…)
c) Im Büro und Rechnungswesen:
(…) soweit sie nicht in eine höhere Beschäftigungsgruppe einzustufen sind Ladenkassiere; (…)
Beschäftigungsgruppe 3
Angestellte, die auf Anweisung schwierige Tätigkeiten
selbstständig ausführen
z.B.
a) Im Ein- und Verkauf:
Erste Verkäufer,
Verkäufer mit besonderen Fähigkeiten, z.B. (…)
c) Im Büro- und Rechnungswesen:
(…)
Kassiere an Sammelkassen,
Ladenkassiere in Selbstbedienungsläden,
Ladenkassiere, die neben ihrer Kassiertätigkeit mit
buchhalterischen Arbeiten beschäftigt sind (…)"
4. Mit den zitierten Bestimmungen dieses Kollektivvertrages hat sich der OGH in seinem Urteil vom , 9 ObA 33/11k, eingehend befasst. Er ist dabei - auch in Auseinandersetzung mit der von der beschwerdeführenden Partei zur Stützung ihres Standpunktes angeführten Entscheidung 8 ObA 189/02f - zusammenfassend zu folgendem Ergebnis gelangt: Da es sich bei der Tätigkeit einer Ladenkassierin in Selbstbedienungsläden an einer Scanner-Kasse nicht um eine atypische Tätigkeit dieses Berufsbildes handelt, dieses nach dem klaren Wortlaut des Kollektivvertrages in Beschäftigungsgruppe 3 eingeordnet ist und keine hinreichenden Gründe dafür vorliegen, die Wertung der Kollektivvertragsparteien in Zweifel zu ziehen, sei die Einstufung der dortigen Klägerin (einer überwiegend an der Scanner-Kasse einer Supermarktfiliale tätigen Dienstnehmerin) in die Beschäftigungsgruppe 3 vorzunehmen.
Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Beurteilung an.
In der Beschwerde ist (anders als im Einspruch) nicht mehr strittig, dass die Dienstnehmerin G überwiegend als Ladenkassiererin tätig war. Eine nähere Prüfung der konkreten Kassentätigkeit sowie Feststellungen hiezu waren aufgrund der an der Typizität der Tätigkeit anknüpfenden Regelung des Kollektivvertrags entbehrlich, sodass auch der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht vorliegt.
5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Da sich die Gegenschrift darin erschöpft, auf die Begründung des angefochtenen Bescheides zu verweisen, steht lediglich der Vorlageaufwand zu, das Mehrbegehren war hingegen abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | ASVG §49 Abs1; KollV Angestellte und Lehrlinge Handelsbetriebe; |
Schlagworte | Kollektivvertrag |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2012:2009080072.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAE-89696