VwGH vom 29.04.2015, Ro 2014/03/0081
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des J K in S, vertreten durch Dr. Robert Steiner Rechtsanwalt GmbH in 9800 Spittal/Drau, Ortenburgerstraße 4, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom , Zl BMVIT-630.331/0008-III/PT2/2013, betreffend die Parteistellung in einem Verfahren nach dem Telekommunikationsgesetz 2003,
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. II. den Beschluss gefasst:
Die Anträge des Revisionswerbers, der Verwaltungsgerichtshof möge "die Beschwerde mit (der) Gegenschrift neuerlich dem VfGH zur Entscheidung über (die) behaupteten Grundrechtsverletzungen übermitteln" und "dem VfGH eine Gesetzesprüfung vorschlagen" werden zurückgewiesen.
Begründung
I. Sachverhalt und Revisionsverfahren
1. Der Revisionswerber beantragte beim Fernmeldebüro für Steiermark und Kärnten am , ihm den Bewilligungsbescheid hinsichtlich einer in seiner Nachbarschaft an einem näher bezeichneten Standort errichteten und in Betrieb genommenen Mobilfunksendeanlage zuzustellen und ihm Parteistellung im Bewilligungsverfahren zuzuerkennen, weil ein rechtliches Interesse - vor allem zum Schutz seiner Gesundheit, der Gesundheit seiner Familienangehörigen und seines Eigentums - bestehe.
2. Das Fernmeldebüro für Steiermark und Kärnten übermittelte den Antrag dem seiner Ansicht nach zuständigen Fernmeldebüro für Wien, Niederösterreich und Burgenland, welches ihn mit Bescheid vom "mangels Parteistellung" des Revisionswerbers zurückwies; die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom ab.
3. Mit Erkenntnis vom , 2010/03/0077, hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Berufungsbescheid auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, dem Revisionswerber komme zwar keine Parteistellung im Bewilligungsverfahren nach § 74 TKG 2003 (in der Fassung vor der Novelle BGBl I Nr 102/2011) zu, die belangte Behörde habe jedoch die - mit Hinweis auf das hg Erkenntnis vom , 2011/03/0226, näher begründete - Unzuständigkeit der Erstbehörde nicht aufgegriffen und den Berufungsbescheid dadurch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
4. Mit Bescheid vom hob die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren die erstinstanzliche Entscheidung wegen Unzuständigkeit der Erstbehörde auf.
5. Mit Eingabe vom an das Fernmeldebüro für Steiermark und Kärnten stellte der Revisionswerber folgenden Antrag:
"In meiner unmittelbaren Nachbarschaft (89m) und zwar am Standort Parz. Nr. xx KG S Nr. y wurde eine Mobilfunksendeanlage errichtet und in Betrieb genommen, ohne dass dafür das TKG 2003 § 74 in Verbindung mit § 81 Abs 6 vorgeschriebene Bewilligungsverfahren durchgeführt wurde.
Unter Hinweis auf § 78 (3) TKG 2003 beantrage ich, dass die Fernmeldebehörde die Einstellung des Betriebes dieser Mobilfunksendeanlage verfügt, bis das im TKG verbindlich vorgeschriebene Bewilligungsverfahren positiv abgeschlossen ist und berufe mich dabei auf das Erkenntnis des VwGH Zl 2010/03/0077- 6 vom .
Gleichzeitig beantrage ich die Zuerkennung der Parteistellung in diesem Bewilligungsverfahren, da ein rechtliches Interesse - vor allem zum Schutz meiner Gesundheit und der Gesundheit meiner Familienangehörigen, sowie meines Eigentums - besteht."
6. Mit Bescheid vom wies das Fernmeldebüro für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Anträge des Revisionswerbers vom und vom "" (erkennbar gemeint: ) auf Zuerkennung der Parteistellung und Einstellung des Betriebs der Funkanlage zurück.
7. Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab (Spruchpunkt 1.). Einen mit der Berufung verbundenen Antrag auf Nichtigerklärung des erstinstanzlichen Bescheides wies sie zurück (Spruchpunkt 2.).
Begründend führte die belangte Behörde aus, das Fernmeldebüro für Wien, Niederösterreich und Burgenland sei nach § 81 Abs 3 TKG 2003 (in der Fassung BGBl I Nr 102/2011) für die Erledigung der Anträge zuständig gewesen, weil mit der gegenständlichen Funkanlage Frequenzen genutzt würden, die von der Regulierungsbehörde gemäß § 55 TKG 2003 zugeteilt worden seien.
In der Sache verwies die belangte Behörde zunächst auf das hg Erkenntnis vom , Zl 2010/03/0077, wonach dem Revisionswerber keine Parteistellung zukomme. Daran habe sich auch durch die Novelle BGBl I Nr 102/2011 nichts geändert. Da für die Funkanlage eine aufrechte rechtskräftige Betriebsbewilligung vorliege, seien die Voraussetzungen des § 78 Abs 3 TKG 2003 nicht gegeben. Im Übrigen gewähre diese Bestimmung einer Einzelperson kein individuelles Recht auf Betriebseinstellung einer bestimmten Funkanlage.
8. Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom , B 65/2014-4, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
II. Erwägungen
1. Tritt der Verfassungsgerichtshof - wie im vorliegenden Fall - eine Bescheidbeschwerde gemäß Art 144 Abs 1 B-VG nach Ablauf des an den Verwaltungsgerichtshof ab, ist nach ständiger hg Rechtsprechung in sinngemäßer Anwendung des § 4 VwGbk-ÜG vorzugehen. Für die Behandlung der Revision gelten demnach die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung - mit einer hier nicht relevanten Maßgabe - sinngemäß (vgl , mwN).
2. Der Revisionswerber geht davon aus, dass für die verfahrensgegenständliche Funkanlage die von ihm als erforderlich erachtete "Standortbewilligung" bisher nicht erteilt worden sei. Bei der mit "Bescheid des Fernmeldebüros für Wien, Niederösterreich und das Burgenland vom , GZ 101000- JD/07, zuletzt geändert am , GZ 631.516/0006- III/FBW/2008", erteilten Bewilligung, auf welche sich die belangte Behörde berufen habe, handle es sich um eine vom Standort unabhängige Allgemeinbewilligung, die den störungsfreien Betrieb gegenüber anderen Funkanlagen regle. Sein Begehren richtet sich einerseits darauf, Parteistellung in dem von ihm als erforderlich erachteten Bewilligungsverfahren zu erlangen, in dem für die verfahrensgegenständliche Funkanlage eine weitere - "standortabhängige" - Bewilligung zu erteilen sei, und andererseits darauf, dass die Behörde die Einstellung des Betriebs dieser Funkanlage verfüge, bis das vom Revisionswerber als erforderlich erachtete - weitere - Bewilligungsverfahren abgeschlossen sei.
Dazu ist zunächst festzuhalten, dass sich weder aus dem Verwaltungsakt noch auch aus dem Vorbringen des Revisionswerbers Anhaltspunkte dafür ergeben, dass tatsächlich ein Verwaltungsverfahren zur Bewilligung des Betriebs der gegenständlichen Funkanlage anhängig wäre. Wie die belangte Behörde bereits in der - vom Revisionswerber auch zitierten - Gegenschrift zum Vorverfahren (Zl 2010/03/0077) dargelegt hat, wurde die verfahrensgegenständliche Mobilfunksendeanlage bescheidmäßig bewilligt; die belangte Behörde geht demgemäß auch nicht davon aus, dass eine vom Revisionswerber als erforderlich erachtete weitere Bewilligung zu erteilen wäre. Ist aber kein Verwaltungsverfahren anhängig, so geht auch der Antrag, in einem derartigen - tatsächlich aber nicht geführten - Verfahren Parteistellung zu erhalten, schon aus diesem Grund ins Leere und der darauf gerichtete Antrag des Revisionswerbers wurde daher im Ergebnis zurecht zurückgewiesen.
§ 85a Z 4 TKG 2003 ermöglicht der zuständigen Behörde, bei Nichtvorliegen einer erforderlichen Bewilligung gemäß § 81 TKG 2003 den Betrieb einer Funkanlage zu untersagen. Selbst wenn man - entgegen dem Vorbringen der belangten Behörde - annehmen wollte, dass die verfahrensgegenständliche Funkanlage ohne Bewilligung betrieben würde, bestünde nach dieser Bestimmung kein subjektives Recht des Revisionswerbers (der nach seinem Vorbringen Nachbar einer Liegenschaft ist, auf der die Funkanlage betrieben wird), dass die Fernmeldebehörde die Einstellung des Betriebs dieser Funkanlage verfüge und es kommt ihm insoweit auch kein Antragsrecht zu, weshalb auch der Einstellungsantrag des Revisionswerbers zu Recht zurückgewiesen wurde.
3. Soweit der Revisionswerber sich gegen die Zuständigkeit des im Verfahren als Fernmeldebehörde erster Instanz tätig gewordenen Fernmeldebüros für Wien, Niederösterreich und das Burgenland richtet, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten:
3.1. Vorauszuschicken ist, dass Änderungen der Rechtslage in Bezug auf die Zuständigkeit der Erstbehörde, die sich nach der Antragstellung des Revisionswerbers und nach der Entscheidung der Behörden in den vorangegangenen Rechtsgängen ergeben haben, mangels anderslautender Übergangsvorschriften im TKG 2003 zu berücksichtigen waren (vgl idS ).
3.2. Gemäß § 81 Abs 2 TKG in der mit in Kraft getretenen Fassung der Novelle BGBl I Nr 102/2011 ist für das Bewilligungsverfahren einer Funkanlage das Fernmeldebüro zuständig, in dessen örtlichem Wirkungsbereich die Funkanlage betrieben werden soll. Sollen mit der Funkanlage Frequenzen genutzt werden, die von der Regulierungsbehörde gemäß § 55 TKG zugeteilt wurden, ist nach § 81 Abs 3 TKG das Fernmeldebüro zuständig, "in dessen örtlichem Wirkungsbereich der Antragsteller seinen Hauptwohnsitz hat. Ist ein solcher nicht vorhanden, so ist jenes Fernmeldebüro zuständig, in dessen örtlichem Wirkungsbereich die Funkanlage das erste Mal in Betrieb genommen werden soll."
In den Gesetzesmaterialien (RV 1389 BlgNR 24. GP, 22) heißt es dazu:
"Zu § 81 Abs. 3:
Hinsichtlich der Zuständigkeit soll bei den von der Regulierungsbehörde vergebenen Frequenzen künftig nur mehr jenes Fernmeldebüro zuständig sein, in dessen Zuständigkeitsbereich der Unternehmenssitz ist, weil es sich bei diesen Frequenzen in aller Regel um ‚Netze' handelt, bei denen eine Einzelbetrachtung der Funkanlagen, die als Teil eines Gesamtsystems anzusehen sind, nach der bisherigen Rechtslage in einigen Fällen verschiedene Zuständigkeiten begründen würde."
3.3. Der Revisionswerber macht geltend, im vorliegenden Fall hätte gemäß § 81 Abs 2 TKG 2003 das Fernmeldebüro in Graz und nicht jenes in Wien entscheiden müssen, weil § 81 Abs 3 TKG 2003 nicht anwendbar sei. Die letztgenannte Vorschrift setze einen "Hauptwohnsitz" des Antragstellers voraus. Demnach könne es sich nur um eine physische Einzelperson und nicht um eine juristische Person handeln, denn nur physische Personen hätten einen Hauptwohnsitz.
3.4. Im vorliegenden Fall ist nicht strittig, dass die in Rede stehende Funkanlage zur Nutzung von Frequenzen dient, die im Sinne des § 55 TKG 2003 von der Regulierungsbehörde zugeteilt wurden. Nach § 81 Abs 3 TKG 2003 ist in solchen Fällen primär das Fernmeldebüro für das Bewilligungsverfahren zuständig, "in dessen örtlichem Wirkungsbereich der Antragsteller seinen Hauptwohnsitz hat". Die Verwendung des Begriffes "Hauptwohnsitz" scheint - wie der Revisionswerber zutreffend aufzeigt - darauf hinzudeuten, dass die Zuständigkeitsbestimmung (nur) für Antragsteller gilt, die eine natürliche Person sind, weil eine juristische Person zwar einen Sitz, nicht aber einen Wohnsitz aufweisen kann. Eine solche Auslegung der Norm würde aber dem historischen Willen des Gesetzgebers und dem Zweck der Vorschrift klar zuwiderlaufen. Die zitierten Gesetzesmaterialien lassen erkennen, dass der Gesetzgeber bei der Zuständigkeitsregelung des § 81 Abs 3 TKG 2003 vorrangig juristische Personen im Auge hatte und die Zuständigkeit jener Fernmeldebehörde festlegen wollte, in deren Bereich sich der Unternehmenssitz der antragstellenden juristischen Person befindet, um für "Netze" die einheitliche Zuständigkeit einer Behörde festzulegen. Juristische Personen von der Zuständigkeitsregelung des § 81 Abs 3 TKG 2003 auszunehmen und sie nur für natürliche Personen anzuwenden, war daher nicht beabsichtigt und es wäre eine derartige Differenzierung sachlich auch nicht zu begründen. Ausgehend davon ist § 81 Abs 3 TKG 2003 dahingehend auszulegen, dass für die Bestimmung des örtlich zuständigen Fernmeldebüros nach dieser Norm bei natürlichen Personen auf den Hauptwohnsitz, bei juristischen Personen des Inlandes aber auf den Hauptsitz des Unternehmens abzustellen ist.
Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewandt, so ist eine Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde nicht zu erkennen, zumal der Revisionswerber nicht bestreitet, dass jene Telekommunikationsunternehmen, deren zugeteilte Frequenzen unter Verwendung der gegenständlichen Funkanlage betrieben werden, ihren Hauptsitz in Zuständigkeitsbereich des Fernmeldebüros Wien, Niederösterreich und Burgenland haben.
III. Ergebnis
1. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.
3. Die Anträge des Revisionswerbers auf (neuerliche) Übermittlung der "Beschwerde" an den Verfassungsgerichtshof bzw auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens waren zurückzuweisen, weil den Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof kein diesbezügliches Antragsrecht zukommt. Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof die verfassungsrechtlichen Bedenken des Revisionswerbers im vorliegenden Fall bereits in seinem Ablehnungsbeschluss vom , B 65/2014-4, verworfen, weshalb sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht veranlasst sieht, von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Fundstelle(n):
HAAAE-89695