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VwGH vom 18.02.2015, 2014/12/0004

VwGH vom 18.02.2015, 2014/12/0004

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ro 2014/12/0020 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma sowie die Hofrätinnen Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Beschwerde des L S in H, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 202.832/38- I/1/b/13, betreffend besoldungsrechtliche Stellung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Amtsdirektor (Beamter des allgemeinen Verwaltungsdienstes in der Verwendungsgruppe A2) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die belangte Behörde.

Mit Eingabe vom beantragte er die Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages unter Einbeziehung von vor der Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten anrechenbaren Zeiten (Schulzeiten, Zeiten als Vertragsbediensteter und "sonstige Dienstzeiten").

Mit Eingabe vom beantragte er unter Verwendung des in § 113 Abs. 12 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54 (im Folgenden: GehG), vorgesehenen Formblattes die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages "gemäß § 113 Abs. 10 GehG".

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde "auf Antrag des Beschwerdeführers vom " mit Wirkung vom dessen Vorrückungsstichtag in Anwendung der §§ 12 und 113 GehG, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 82/2010 durch zusätzliche Voransetzung von Zeiten mit dem festgesetzt.

Dieser Bescheid enthält eine nicht im Spruch enthaltene "Mitteilung", wonach diese Anrechnung zur Folge hat, dass die besoldungsrechtliche Stellung des Beschwerdeführers zum dem Gehalt der Verwendungsgruppe A2, Gehaltsstufe 13, mit nächster Vorrückung am entspreche. Nach den unbestrittenen Behauptungen in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde entsprach dies (auf Grund der Anwendung der neuen Vorrückungsregeln gemäß § 8 Abs. 1 zweiter Satz GehG idF BGBl. I Nr. 82/2010) (lediglich) einer Verbesserung der besoldungsrechtlichen Stellung um ein halbes Jahr.

Der Bescheid der belangten Behörde vom erwuchs in Rechtskraft.

Mit Antrag vom begehrte der Beschwerdeführer die Neufestsetzung seiner besoldungsrechtlichen Stellung, wobei er sich in diesem Zusammenhang insbesondere auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2012/12/0007, berief und - der Sache nach - geltend machte, dass er infolge der Anwendung der Vorrückungsregel des § 8 Abs. 1 zweiter Satz GehG idF BGBl. I Nr. 82/2010 trotz Verbesserung seines Vorrückungsstichtages seine besoldungsrechtliche Stellung nicht in dem Ausmaß verbessern konnte, wie dies bei Anrechnung der in Rede stehenden vor dem 18. Lebensjahr gelegenen Vordienstzeiten unter Berücksichtigung der Vorrückungsregeln des Altrechts der Fall gewesen wäre.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde dieser Antrag gemäß § 8 Abs. 1 GehG idF BGBl. I Nr. 82/2010 in Verbindung mit § 7a GehG idF BGBl. I Nr. 120/2012 abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, durch die Einführung des § 7a GehG in der vorzitierten Fassung sei gesetzlich klargestellt, dass § 8 Abs. 1 GehG idF BGBl. I Nr. 82/2010 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Folgenden: RL) entspreche. Für den Beschwerdeführer gelte daher ein fünfjähriger Zeitraum bei der Vorrückung von der Gehaltsstufe 1 in die Gehaltsstufe 2.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend. Er beantragt, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden; hilfsweise wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Mit aus Anlass dieser Beschwerde gefasstem Beschluss vom , Zl. EU 2013/0005-1 (2013/12/0076), legte der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 276 AEUV näher ausgeführte Fragen betreffend die Vereinbarkeit des durch die Novelle BGBl. I Nr. 82/2010 geschaffenen Regelungssystems mit dem Unionsrecht vor.

Mit Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom in der Rechtssache C-530/13, Schmitzer , wurde über dieses Vorabentscheidungsersuchen wie folgt zu Recht erkannt:

"1. Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach zur Beendigung einer Diskriminierung wegen des Alters Schulzeiten und Zeiten der Berufserfahrung, die vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt wurden, berücksichtigt werden, aber für die von dieser Diskriminierung betroffenen Beamten zugleich eine Verlängerung des für die Vorrückung von der jeweils ersten in die jeweils zweite Gehaltsstufe jeder Verwendungs- bzw. Entlohnungsgruppe erforderlichen Zeitraums um drei Jahre eingeführt wird.

2. Die Art. 9 und 16 der Richtlinie 2000/78 sind dahin auszulegen, dass ein Beamter, der durch die Art der Festsetzung seines Vorrückungsstichtags eine Diskriminierung wegen des Alters erlitten hat, die Möglichkeit haben muss, unter Berufung auf Art. 2 der Richtlinie 2000/78 die diskriminierenden Wirkungen der Verlängerung der Vorrückungszeiträume anzufechten, auch wenn dieser Stichtag auf seinen Antrag hin neu festgesetzt wurde."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren war am beim Verwaltungsgerichtshof anhängig; die Beschwerdefrist ist vor diesem Zeitpunkt abgelaufen. Aus dem Grunde des § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG waren auf dieses Verfahren daher die am geltenden Bestimmungen dieses Gesetzes anzuwenden. Dies gilt - gemäß § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014 - auch für die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die folgenden Zitate des VwGG in dieser Entscheidung beziehen sich auf dessen am in Kraft gestandene Fassung.

Zur unionsrechtlichen Rechtslage und zur Entwicklung der innerstaatlichen Rechtslage im vorliegenden Sachzusammenhang wird in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf deren ausführliche Wiedergabe in dem zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom verwiesen.

Die dort wiedergegebene Rechtslage war die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides vom maßgebliche. Sie bildet - jedenfalls insoweit der Verwaltungsgerichtshof von seiner Befugnis in der Sache selbst zu entscheiden nicht Gebrauch macht - den Prüfungsmaßstab für die nachprüfende Kontrolle eines bei ihm angefochtenen Bescheides. Wenn der Gesetzgeber zwischen der Erlassung des angefochtenen Bescheides und der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof das Gesetz rückwirkend ändert, hat dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren unbeachtlich zu bleiben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/12/0125).

Vor diesem Hintergrund spielen die durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 32/2015, welches am herausgegeben wurde, getroffenen Neuregelungen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des hier angefochtenen Bescheides im Rahmen der hier durchzuführenden nachprüfenden Kontrolle keine Rolle. An diesem Ergebnis ändert auch die Übergangsbestimmung des § 175 Abs. 79 Z. 2 und 3 GehG in der Fassung des zuletzt zitierten Bundesgesetzes - unbeschadet der Frage ihrer sonstigen Auslegung - schon deshalb nichts, weil das hier zu beurteilende "Verfahren" im Zeitpunkt der Herausgabe dieses Bundesgesetzes rechtskräftig abgeschlossen war und daher (jedenfalls bis zur Aufhebung des Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof) weder ein "laufendes" noch ein "künftiges" Verfahren im Verständnis dieser Übergangsbestimmung darstellt.

Der in Rechtskraft erwachsene Bescheid vom hat lediglich über den Vorrückungsstichtag, nicht aber über die besoldungsrechtliche Stellung des Beschwerdeführers abgesprochen. Dies folgt daraus, dass der Spruch des genannten Bescheides lediglich die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages betrifft, während die am Ende dieses Bescheides enthaltene "Mitteilung" nicht rechtskraftfähig ist.

Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers vom die ihm am zugekommene besoldungsrechtliche Stellung festzusetzen.

Durch die Abweisung des diesbezüglichen Antrags des Beschwerdeführers brachte die belangte Behörde offenbar zum Ausdruck, dass sie die in der vorzitierten Mitteilung angenommene besoldungsrechtliche Stellung des Beschwerdeführers zum als zutreffend erachtet.

Bei dieser Beurteilung hat die belangte Behörde die Vorrückungsregel des § 8 Abs. 1 zweiter Satz GehG idF BGBl. I Nr. 82/2010 zur Anwendung gebracht und dem Argument des Beschwerdeführers, sie sei unionsrechtswidrig, entgegen gehalten, dass der österreichische Gesetzgeber in § 7a GehG idF BGBl. I Nr. 120/2012 die Unionsrechtskonformität der von ihm selbst geschaffenen Regel festgestellt habe.

Wie sich freilich aus dem vorzitierten Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom (Z. 1 des Urteilstenors) ergibt, beruhte die in § 7a GehG intendierte "Feststellung" des österreichischen Bundesgesetzgebers auf einer Fehlbeurteilung des Unionsrechtes. Es ist offenkundig, dass eine unionsrechtswidrige innerstaatliche Regelung nicht dadurch unionsrechtskonform gemacht werden kann, dass der innerstaatliche Gesetzgeber die Unionsrechtskonformität der von ihm seinerzeit geschaffenen Regelung gleichsam im Nachhinein "gesetzlich feststellt".

Wie der Gerichtshof der Europäischen Union in Z. 2 des Tenors des in Rede stehenden Urteiles ausführte, muss ein Beamter die Möglichkeit haben, unter Berufung auf Art. 2 RL die diskriminierenden Wirkungen der Verlängerung der Vorrückungszeiträume anzufechten, auch wenn er zuvor eine Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages nach Neurecht durch diesbezügliche Antragstellung erwirkt hat.

Diese unionsrechtlich gebotene Anfechtungsmöglichkeit besteht innerstaatlich in einem Verfahren zur Feststellung der dem Beamten am zugekommenen besoldungsrechtlichen Stellung, ist letztere doch für die dem Beamten von diesem Zeitpunkt an zeitraumbezogen gebührenden Bezüge, also für das "Arbeitsentgelt", in Ansehung dessen das Gleichbehandlungsgebot nach dem Alter besteht, maßgeblich. Der Beschwerdeführer konnte sich daher im Verfahren vor der belangten Behörde wirksam auf das unmittelbar anwendbare Diskriminierungsverbot gemäß Art. 2 RL berufen (vgl. Rz 48 des zitierten Urteils).

Bei Ermittlung der besoldungsrechtlichen Stellung bewirkt der Anwendungsvorrang des Unionsrechtes, dass § 8 Abs. 1 zweiter Satz GehG idF BGBl. I Nr. 82/2010 insoweit verdrängt wird, als er den Beschwerdeführer gegenüber anderen "Altbeamten", welche entsprechende anrechnungstaugliche Zeiten, jedoch im Gegensatz zu ihm, erst nach dem 18. Lebensjahr erworben haben, diskriminiert (vgl. hiezu schon das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/12/0007).

Indem die belangte Behörde dies verkannte und sich bei ihrer Entscheidung ausschließlich auf § 7a GehG idF BGBl. I Nr. 120/2012 stützte, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Da sich der Verwaltungsgerichtshof zu einer Entscheidung in der Sache selbst nicht veranlasst sieht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 f VwGG.

Wien, am