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VwGH vom 24.04.2014, 2011/15/0180

VwGH vom 24.04.2014, 2011/15/0180

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck in 4840 Vöcklabruck, Hatschekstraße 14, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/1106- L/11, betreffend Einkommensteuer 2010 (mitbeteiligte Partei: H S in O, vertreten durch die Achleitner Partner Steuerberatung GmbH in 4690 Schwanenstadt, Stadtplatz 41-42/2), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Im Rahmen seiner Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2010 machte der Mitbeteiligte u.a. Unterhaltsleistungen an seinen volljährigen, in Folge eines Unfalles invaliden, Sohn in Höhe von

2.625 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2010, mit dem das Finanzamt die Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen versagte, erhob der Mitbeteiligte Berufung, der mit dem angefochtenen Bescheid auch in dem angeführten Punkt der Unterhaltsleistungen Folge gegeben wurde.

Begründend führt die belangte Behörde aus, es sei offensichtlich, dass der Mitbeteiligte und seine Ehefrau, die im Streitjahr 78 bzw. 76 Jahre alt gewesen seien, den Sohn nicht persönlich pflegen könnten. Eine "Drittpflege" würde die finanzielle Leistungsfähigkeit des Mitbeteiligten (lediglich geringe ASVG-Pension) übersteigen.

Wenn sich nun der Mitbeteiligte entschließe, seinem Sohn, dessen eigenes Einkommen unter dem Existenzminimum liege, eine bescheidene finanzielle Hilfe zukommen zu lassen, stelle dies eine außergewöhnliche Belastung dar. Dieser Aufwand sei zwar freiwillig erfolgt, doch leite sich der Entschluss aus der gesetzlichen Verpflichtung des § 140 ABGB sowie des § 137 ABGB ab. Dass die Verpflichtung im Zivilrecht begründet sei, schade nicht. Gerade in einem solchen Einzelfall wie den hier vorliegenden - der Betreuung eines 50jährigen Sohnes durch den 78jährigen Vater - müsse "dies" gelten, zumal das beim Sohn errechnete Einkommen (Invaliditätspension und Bundespflegegeld) unter dem Existenzminimum von 11.000 EUR liege. Im Beschwerdefall seien auch keine Ermittlungshandlungen betreffend Pflegebedarf notwendig, weil ein erhöhter Pflegeaufwand bzw. erhöhte Pflegekosten bei einer Invalidität schon dem Grunde nach gegeben seien. Dies sei vermutlich auch der Grund gewesen, warum das Finanzamt ein E-Mail der belangten Behörde (in dem das Finanzamt gefragt worden sei, warum es in Abweichung von den Vorjahren die Unterhaltskosten nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt habe) unbeantwortet gelassen habe.

Das Ausmaß der monatlichen Unterstützung betrage rund 218 EUR. Davon sei im Rahmen der Einkommensberechnung noch ein Selbstbehalt abzuziehen. Es sei immer der jeweilige Einzelfall zu prüfen. Eine generelle Richtschnur, ab wann eine monatliche Unterstützungsleistung als außergewöhnlich eingestuft werden könne, könne nicht festgelegt werden, weil verschiedene Umstände zu würdigen seien (Einkommen des Unterhaltsverpflichteten, Höhe der Eigeneinkünfte des Unterhaltsberechtigten, Höhe des Pflegebedarfs).

Eine dem Finanzamt bekannt gegebene finanzielle Unterstützung könne auch nicht weiter aufgegliedert werden. Ein absoluter Geldbetrag werde nicht "transparenter", wenn er in Teilbeträge "gesplittet" werde. Eine schriftliche Vereinbarung zwischen Vater und Sohn zu fordern, wäre bei der gegebenen Sachlage als "überschießendes Erfordernis" zu werten. Die belangte Behörde nehme in freier Beweiswürdigung eine mündliche Vereinbarung zwischen dem Mitbeteiligten und seinem Sohn an. Auch in den Vorjahren seien Geldbeträge vom Finanzamt anerkannt worden. Die Verwendung des Betrages von jährlich 2.625 EUR für den Pflegeaufwand des Sohnes könne als glaubhaft angenommen werden.

Aus § 140 ABGB sei im Zusammenhang mit § 137 ABGB ableitbar, dass eine rechtliche Unterhaltsverpflichtung für einen zwar volljährigen, aber nicht selbsterhaltungsfähigen Sohn bestehe. Trete nun der Fall auf, dass die eigenen Einkünfte des Sohnes unter dem steuerlichen Existenzminimum lägen und dieses erst durch die monatlichen Unterstützungszahlungen überstiegen werde, könne von einer finanziell äußerst prekären Situation gesprochen werden, die zudem durch die Behinderung noch erschwert werde. Auch der Bezug von steuerfreiem Bundespflegegeld schließe eine außergewöhnliche Belastung nicht aus. Wenn der Mitbeteiligte das Pflegegeld in Form von monatlich gleichbleibenden Zuschüssen in Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gleichsam "erhöht", um die anfallenden Pflegekosten abzudecken, könne sehr wohl von einer außergewöhnlichen Belastung ausgegangen werden. Dies vor allem im Hinblick auf das eigene bescheidene Einkommen des Mitbeteiligten. Ob durch diese Unterstützungszahlungen gerade der Pflegeaufwand abgedeckt werde, könne dahingestellt bleiben, weil Geld kein "Mascherl" habe. Dem gesetzlichen Auftrag des § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 werde jedenfalls Genüge getan, auch wenn eine andere Verwendung zuträfe (z.B. Verwendung der Geldleistungen zur Deckung der normalen Lebenshaltungskosten). Die Verwendungsfrage könne nicht entscheidend sein. Das Gesamtbild sei entscheidend.

Gegen die Anerkennung der Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung wendet sich die Beschwerde des Finanzamtes. Der Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet, in der er ebenso wie die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der im Verfassungsrang stehenden Bestimmung des § 34 Abs. 7 Z 5 EStG 1988 in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996 sind Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder, für die keine Familienbeihilfe ausbezahlt wird, außer in den Fällen und im Ausmaß der Z 4 weder im Wege eines Kinder- oder Unterhaltsabsetzbetrages noch einer außergewöhnlichen Belastung zu berücksichtigen.

Nach Z 4 der angesprochenen Gesetzesstelle sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden.

Der steuerlichen Berücksichtigung des laufenden Unterhalts steht somit § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 entgegen. Die genannte Norm schließt den Abzug der laufenden Unterhaltszahlungen an Unterhaltsberechtigte aus (vgl. zur gleichlautenden Stammfassung schon das hg. Erkenntnis vom , 94/15/0028), wobei es nicht darauf ankommt, ob bzw. aus welchen Gründen der Unterhaltsberechtigte daran gehindert ist, erwerbstätig zu sein (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis 94/15/0028, sowie das hg. Erkenntnis vom , 98/14/0133).

Wenn die belangte Behörde daher die Ansicht vertritt, dem gesetzlichen Auftrag des § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 sei jedenfalls Genüge getan, auch wenn die streitgegenständlichen Geldleistungen zur Deckung der normalen Lebenshaltungskosten verwendet worden wären, hat sie die Rechtslage verkannt.

Soweit die belangte Behörde an anderer Stelle des angefochtenen Bescheides ausführt, sie nehme in freier Beweiswürdigung die Verwendung des Betrages von jährlich 2.625 EUR für den Pflegeaufwand des Sohnes als glaubhaft an, ist ihr zu entgegnen, dass der freien Beweiswürdigung nur aufgenommene Beweise unterliegen. Im Beschwerdefall hat der Mitbeteiligte seine Berufung bzw. den Vorlageantrag inhaltlich lediglich auf eine Entscheidung der (seinerzeit für Berufungserledigungen zuständigen) Finanzlandesdirektion aus dem Jahr 1991 gestützt. Diese Berufungsentscheidung betraf nach den Beschwerdeausführungen das Jahr 1988 und somit eine andere Rechtslage. Dass der geltend gemachte Betrag für Aufwendungen getätigt worden wäre, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden, hat der Mitbeteiligte nicht einmal behauptet, geschweige denn unter Beweis gestellt. Überdies steht die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, es läge Pflegeaufwand vor, auch in Widerspruch zu Ausführungen an wiederum anderer Stelle des Bescheides, wonach eine "Drittpflege" die finanzielle Leistungsfähigkeit des Mitbeteiligten bei weitem übersteigen würde. Letzteres wird in der Gegenschrift des Mitbeteiligten auch bestätigt.

Da ein Steuerpflichtiger, der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wissen will, selbst das Vorliegen jener Umstände darzulegen hat, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 98/13/0072), kann der angefochtene Bescheid auch nicht auf die mangelnde Mitwirkung des Finanzamtes gegründet werden. Im Beschwerdefall braucht daher nicht untersucht zu werden, welche verfahrensrechtliche Wirkung einem ohne Fristsetzung im Wege des E-Mail-Verkehrs an das Finanzamt gerichtetem Vorhalt zukommt.

Zur Gegenschrift des Mitbeteiligten, das Finanzamt habe in jahrzehntelanger Praxis die seit 1991 gewährten Unterstützungsbeiträge als außergewöhnliche Belastung anerkannt, genügt es darauf hinzuweisen, dass die Behörde verpflichtet ist, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 98/13/0236). Davon abgesehen könnte der Grundsatz von Treu und Glauben auch nur insoweit Auswirkungen zeitigen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 2004/14/0076). Ein derartiger Vollzugsspielraum besteht im Beschwerdefall nicht.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am