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VwGH vom 16.11.2011, 2009/08/0059

VwGH vom 16.11.2011, 2009/08/0059

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der EK in F, vertreten durch Mag. Franz Müller, Rechtsanwalt in 3470 Kirchberg/Wagram, Georg-Ruck-Straße 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. GS5-A-950/030-2008, betreffend Beitragshaftung gemäß § 38 BSVG (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der Bauern in 1030 Wien, Ghegastraße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 679 der Katastralgemeinde F, im Ausmaß von 0,4381 ha landwirtschaftlich genutzte Fläche mit einem Einheitswert von EUR 342,80. Diese Liegenschaft hat sie seit an M verpachtet.

Mit Bescheid vom sprach die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt aus, die Beschwerdeführerin hafte gemäß §§ 38 Abs. 4 Z. 2 und 3, Abs. 6 und 7 sowie 33 Abs. 4 BSVG "als Eigentümerin von Wirtschaftsgütern, und zwar mit der (zuvor genannten) Liegenschaft" für rückständige Beiträge des M zur Unfallversicherung für den Zeitraum vom bis . Der daraus "derzeit" aushaftende Betrag von EUR 158,84 sei binnen zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides zu bezahlen.

Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben.

In ihrer Bescheidbegründung ging die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges davon aus, dass M, der auf Grund der Zupachtung der gegenständlichen Liegenschaft, der Versicherungs- und Beitragspflicht in der Unfallversicherung nach dem BSVG unterlegen sei, seit Beginn der Pflichtversicherung mit der Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge säumig gewesen sei. Im Jahr 2006 sei eine Fahrnisexekution beantragt worden; die letzte Einzahlung von M in Höhe von EUR 100,-- sei am erfolgt. Zuletzt sei mit M in Zusammenhang mit seinen Rückständen am telefoniert worden, danach seien sämtliche Versuche, mit ihm Kontakt aufzunehmen, erfolglos geblieben. Durch die Bewirtschaftung von insgesamt 0,7240 ha (davon seien 0,2859 ha weinbaulich genutzte Fläche von D und 0,4381 ha landwirtschaftlich genutzte Flächen von der Beschwerdeführerin zugepachtet) auf seine Rechnung und Gefahr schulde M für den spruchgegenständlichen Zeitraum Unfallversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 158,84. Die Beschwerdeführerin sei mit Schreiben der mitbeteiligten Anstalt vom nachweislich über die Beitragsschulden und Zahlungsschwierigkeiten von M in Kenntnis gesetzt worden.

In rechtlicher Hinsicht kam die belangte Behörde nach Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin, die durch ihr Eigentum an den Pachtflächen jedenfalls zu mehr als einem Viertel Anteil am Betriebskapital von M im Sinn des § 38 Abs. 6 BSVG habe, als eine an dessen Betrieb wesentlich beteiligte Person gemäß § 38 Abs. 4 Z. 2 BSVG gelte und als solche gemäß Abs. 7 dieser Bestimmung für die geschuldeten (und der Höhe nach unstrittigen) Sozialversicherungsbeiträge hafte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde - wie auch der mitbeteiligten Anstalt - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 38 BSVG in der Fassung BGBl. I Nr. 131/2006 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Sicherung der Beiträge; Haftung für Beitragsschuldigkeiten

§ 38. (1)…

(4) Geht der Betrieb auf


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
einen Angehörigen des Betriebsvorgängers gemäß Abs. 5,
2.
eine am Betrieb des Vorgängers wesentlich beteiligte Person gemäß Abs. 6 oder
3.
eine Person mit wesentlichem Einfluß auf die Geschäftsführung des Betriebsvorgängers (zB Geschäftsführer, leitender Angestellter, Prokurist), über,
so haftet dieser Betriebsnachfolger ohne Rücksicht auf das dem Betriebsübergang zugrunde liegende Rechtsgeschäft wie ein Erwerber gemäß Abs. 2, solange er nicht nachweist, daß er die Beitragsschulden nicht kannte bzw. trotz seiner Stellung im Betrieb des Vorgängers nicht kennen konnte.

(5) …

(6) Eine Person ist an einem Betrieb wesentlich beteiligt, wenn sie zu mehr als einem Viertel Anteil am Betriebskapital hat. Bei der Beurteilung des Anteiles am Betriebskapital ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Die §§ 22 bis 24 der Bundesabgabenordnung sind sinngemäß anzuwenden.

(7) Stehen Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb dienen, nicht im Eigentum des/der Betriebsinhabers/ Betriebsinhaberin, sondern im Eigentum einer der in Abs. 4 Z 2 oder 3 genannten Personen, so haftet der/die Eigentümer/in der Wirtschaftsgüter mit diesen Gütern für die Beiträge, solange er/sie nicht nachweist, dass er/sie die Beitragsschulden nicht kannte bzw. trotz seiner/ihrer Stellung im Betrieb nicht kennen konnte.

(8) …"

Da der Betrieb des Beitragsschuldners nicht auf die Beschwerdeführerin übergegangen, sondern im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach wie vor verpachtet war, kommt eine Haftung der Beschwerdeführerin nach § 38 Abs. 4 BSVG nicht in Betracht. Die Beschwerdeführerin könnte nur gemäß § 38 Abs. 7 leg. cit. für die Beitragsschulden des Pächters ihrer Liegenschaft haften. Diese Haftung hat aber zweierlei zur Voraussetzung, nämlich das Eigentum an einem Wirtschaftsgut des Betriebes ihres Pächters (diese Voraussetzung liegt vor) und eine Beteiligung der Beschwerdeführerin am Betrieb ihres Pächters im Ausmaß von mindestens einem Vierteil Anteil am Betriebskapital.

Von einer solchen Beteiligung kann auf Grund der Feststellungen der belangten Behörde aber nicht die Rede sein:

nach der Begründung des angefochtenen Bescheides soll sich die Beteiligung (ausschließlich) aus dem Wert des verpachteten Grundstücks ergeben. Dies trifft schon deshalb nicht zu, weil das Wesen eines Pachtverhältnisses sich darin erschöpft, dass der Verpächter für die Überlassung des Pachtgrundes an den Pächter zu dessen uneingeschränkter Nutzung als Gegenleistung ein Pachtentgelt erhält. Der Verpächter erwirbt aber aus dem Pachtvertrag nicht auch einen (ideellen) Anteil am (gesamten) Betriebskapital des Unternehmens im Ausmaß des Wertes der Pachtliegenschaft. Auch der Pächter erwirbt für sein Unternehmen nicht die Liegenschaft selbst, sondern er bringt nur das Bestandrecht daran in sein Unternehmen ein. Eine Beitragshaftung der Beschwerdeführerin als Verpächterin von Grundstücken kommt daher auch gemäß § 38 Abs. 7 BSVG nicht in Betracht.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 44 Abs. 1 BSVG abzuweisen.

Wien, am