VwGH vom 26.01.2012, 2011/15/0168
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der M R in G, vertreten durch DI Dr. Peter Benda, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Brückenkopfgasse 2/I, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0747- G/10, betreffend Einkommensteuer 2009, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde, der Beschwerdeergänzung und dem in Kopie vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin machte im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für 2009 Aufwendungen für die auswärtige Berufsausbildung ihrer Tochter als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 geltend. Die Fahrzeit zwischen dem Wohnort Graz und dem Studienort Leoben betrage mehr als eine Stunde, sodass die tägliche Hin- und Rückfahrt nicht zumutbar sei.
Das Finanzamt versagte die Berücksichtigung des beantragten Pauschbetrages mit der Begründung, dass die Fahrzeiten innerstädtischer Verkehrsmittel bei der Berechnung der maßgeblichen Fahrzeit von mehr als einer Stunde nicht zu berücksichtigen seien.
In ihrer gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die Verordnung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992 in Bezug auf die Studienorte Graz und Leoben nicht nachvollziehbar und gleichheitswidrig sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid anerkannte auch die belangte Behörde die außergewöhnliche Belastung nicht. Graz sei in der zu § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 ergangenen Verordnung BGBl Nr. 605/1993, auf die die zu § 34 Abs. 8 EStG 1988 ergangene Verordnung verweise, als eine jener Gemeinden angeführt, von denen die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Leoben zeitlich noch zumutbar sei. Nach § 34 der angeführten Verordnung gelte die tägliche Fahrt trotz Nennung einer Gemeinde als nicht zumutbar, wenn der Nachweis erbracht werde, dass die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort durch Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel mehr als eine Stunde betrage. Dabei komme es nur auf die Hin- und Rückfahrt vom und zum Studienort an. Wegstrecken innerhalb des Wohnortes sowie Wartezeiten vor Beginn und nach Ende des Unterrichts könnten nach der Verordnung nicht berücksichtigt werden.
Dass Leoben in der Aufzählung jener Gemeinden fehle, von denen aus die Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Graz zeitlich noch zumutbar sei, könne der Berufung gleichfalls nicht zum Erfolg verhelfen, weil das bloße Fehlen einer Gemeinde in einer der Aufzählungen nicht zwingend impliziere, dass die tägliche Hin- und Rückfahrt von dieser Gemeinde zum jeweiligen Studienort zeitlich nicht zumutbar sei. Sofern Orte in der Verordnung nicht genannt seien, sei auf die Fahrzeit zwischen den Gemeinden abzustellen.
Im Beschwerdefall stünde außer Streit, dass die Fahrzeit zwischen den Bahnhöfen in Graz und Leoben in der weitaus überwiegenden Anzahl der Fälle deutlich unter einer Stunde liege. Damit komme der Berufung in diesem Punkt keine Berechtigung zu.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 859/11, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
In der für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ergänzten Beschwerde wiederholt die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen, wonach die Verordnungen jene Eltern begünstigten, deren Kinder in Graz studieren und die in Leoben ihren Wohnsitz haben, weil auf Grund der Nichtanführung der Gemeinde Leoben in Bezug auf den Studienort Graz in § 2 der VO BGBl. Nr. 605/1993 von vornherein davon auszugehen sei, dass die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Graz unzumutbar sei, während im hier vorliegenden umgekehrten Fall der Pauschbetrag nicht gewährt werde. Es könne vom Gesetzgeber nicht ernstlich gewollt sein, dass die jeweilige Anreise trotz gleicher Entfernung zwischen zwei Orten und trotz gleicher Parameter seitens der belangten Behörde unterschiedlich ausgelegt werde. Diese Ungleichbehandlung zu korrigieren, wäre der belangten Behörde möglich gewesen, indem sie den konkreten Wohnort der Tochter, von dem die Fahrt anzutreten sei, mitberücksichtigt hätte und auf diese Weise zu einer Fahrzeit von mehr als einer Stunde gelangt wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde erwogen:
Gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.
Nach § 1 der zu dieser Bestimmung erlassenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995, liegen Ausbildungsstätten, die vom Wohnort mehr als 80 km entfernt sind, nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes.
Gegenständlich ist unbestritten, dass die Entfernung zwischen Ausbildungsstätte und Wohnort weniger als 80 km beträgt. Für diesen Fall bestimmt § 2 der angeführten Verordnung in seiner ab anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 449/2001 Folgendes:
"(1) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden.
(2) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, zeitlich noch zumutbar sind. Abweichend davon kann nachgewiesen werden, dass von einer Gemeinde die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel mehr als je eine Stunde beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden. In diesem Fall gilt die tägliche Fahrt von dieser Gemeinde an den Studienort trotz Nennung in einer Verordnung gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, in der jeweils geltenden Fassung als nicht mehr zumutbar."
§ 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 lautet:
"Von welchen Gemeinden diese tägliche Hin- und Rückfahrt zeitlich noch zumutbar ist, hat der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur durch Verordnung festzulegen. Eine Fahrzeit von mehr als je einer Stunde zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel ist keinesfalls mehr zumutbar."
Die Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 605/1993, führt in ihrem § 6 Gemeinden an, von denen die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Leoben zeitlich noch zumutbar ist. Die Landeshauptstadt Graz ist in dieser Aufzählung angeführt.
Die belangte Behörde hat festgestellt, dass die Fahrzeit zwischen den Bahnhöfen in Graz und dem Studienort Leoben unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel deutlich weniger als je eine Stunde beträgt. Soweit in der Beschwerde dagegen vorgebracht wird, dass die Fahrzeit von und nach Leoben unter "Einberechnung des konkreten Wohnortes der Tochter, von dem die Fahrt anzutreten ist" zu berechnen wäre und diesfalls mehr als eine Stunde betrage, kann ihr nicht gefolgt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits im Erkenntnis vom , 2006/15/0114, mit dieser Frage befasst und insbesondere aus dem Verweis auf § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 abgeleitet, dass nur auf die Zeit für die Hin- und Rückfahrt vom und zum Studienort abzustellen ist. Individuelle Wartezeiten vor oder nach Antritt der Fahrten, Fußwege sowie Fahrten im Heimatort oder im Studienort sind in die Fahrzeit "von mehr als je einer Stunde" nicht einzurechnen. Wenn die belangte Behörde der Fahrzeit innerhalb des Wohnortes keine Bedeutung beigemessen hat, war dies somit nicht rechtswidrig.
Auch gleichheitsrechtliche Erwägungen gebieten es nicht, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Ist eine Gemeinde nicht in der Verordnung angeführt, gelten Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort als nicht innerhalb des Einzugsbereichs des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und zurück unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels mehr als je eine Stunde beträgt (vgl. den oben wiedergegebenen § 2 Abs. 1 der VO BGBl. II Nr. 449/2001). Auch dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Ungleichbehandlung der im Beschwerdefall vorliegenden Fallkonstellation zu der vergleichbaren Situation von Kindern, die in Leoben ihren Wohnort haben und deren Ausbildungsstätte in Graz liegt, ergibt sich aus den zu § 34 Abs. 8 EStG 1988 und § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 ergangenen Verordnungen demnach nicht (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0306, das zu einer nicht in den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 genannten Gemeinde ergangen ist).
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am