VwGH vom 22.02.2012, 2009/08/0048
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des H M in Wien, vertreten durch Dr. Martin Löffler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 14, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2008-0566-9-002864, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien D vom wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld vom gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 iVm § 14 AlVG mangels Erfüllung der Anwartschaft keine Folge gegeben. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer in der gesetzlichen Rahmenfrist nur 278 Tage arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung bzw. anwartschaftsbegründende Zeiten nachweisen könne.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, er sei von Mai 1998 bis Mai 2007 in Haft gewesen. In der Haftanstalt sei er vom Strafantritt bis zum Strafende die ganze Zeit beschäftigt gewesen. Bei der Entlassung sei ihm auch ein Beschäftigungsnachweis bzw. eine Bestätigung bezüglich der Bemessungsgrundlage gemäß § 66a AlVG ausgestellt worden. Was also seine arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten betreffe, seien allein in der Strafanstalt mehr als acht Jahre durchgehende Prämien für die Arbeitslosenversicherung einbehalten worden. Im Mai oder Juni 2007 habe er einen Antrag auf Arbeitslosengeld eingebracht. Dem Antrag sei aber seitens des Arbeitsmarktservice nicht entsprochen worden. Deswegen habe er einen weiteren Antrag am gestellt, um eine schriftliche Antwort zu erhalten. Er habe angenommen, dass sein Antrag vom vorigen Jahr "ruhengelassen" worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge.
Als entscheidungserheblichen Sachverhalt stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer habe vom 2. Juli bis und vom 18. Jänner bis Arbeitslosengeld bezogen. Danach sei er in arbeitslosenversicherungspflichtigen Dienstverhältnissen gestanden. Vom bis habe er sich in Haft befunden.
Am habe der Beschwerdeführer bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien D einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt. Eine der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld sei die Erfüllung der Anwartschaft. Diese werde grundsätzlich durch arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten innerhalb der festgesetzten Rahmenfrist erworben.
Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen sei die Anwartschaft nach § 14 Abs. 2 AlVG (wiederholte Inanspruchnahme) dann erfüllt, wenn entweder innerhalb der Rahmenfrist von zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruchs (im Fall des Beschwerdeführers: vom bis ) 28 arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungswochen (= 196 Tage) oder innerhalb der Rahmenfrist von 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruchs (im Fall des Beschwerdeführers daher vom bis ) 52 arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungswochen (= 364 Tage) vorgelegen seien. Im ersten Zeitraum lägen keine, im zweiten Zeitraum lägen 278 Tage arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten vor. Somit sei weder die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 2 noch gemäß § 14 Abs. 1 AlVG erfüllt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer (unter anderem) die Anwartschaft erfüllt hat.
Gemäß § 14 Abs. 1 AlVG ist bei der erstmaligen Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.
Gemäß § 14 Abs. 2 AlVG ist bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 28 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Anwartschaft ist im Falle einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz erfüllt.
2. Der Beschwerdeführer setzt der Berechnung seiner Anwartschaft durch die belangte Behörde entgegen, diese habe sich rechtsirrig lediglich mit § 14 AlVG und den dort genannten Rahmenfristen auseinandergesetzt. Sie habe es aber unterlassen, sich auch mit § 15 Abs. 1 Z 9 AlVG auseinanderzusetzen, obwohl dies notwendig gewesen wäre. § 15 Abs. 1 Z 9 AlVG normiere nämlich, dass sich die Rahmenfrist (§ 14 Abs. 1 bis 3) um höchstens fünf Jahre um Zeiträume verlängere, in denen der Arbeitslose im Inland auf behördliche Anordnung angehalten worden sei. Der Beschwerdeführer sei vom bis zum auf behördliche Anordnung wegen einer strafrechtlichen Verurteilung angehalten worden. Die belangte Behörde hätte daher gemäß § 15 Abs. 1 Z 9 AlVG die Rahmenfrist um fünf Jahre verlängern müssen. Dies bedeute, dass im konkreten Fall die Rahmenfrist gemäß § 14 Abs. 2 iVm § 15 Abs. 1 Z 9 AlVG vom bis laufe. Gemäß der der belangten Behörde vorliegenden Bestätigung der Justizanstalt S gemäß § 66a AlVG habe der Beschwerdeführer Versicherungszeiten vom bis erworben. In der richtigerweise berechneten Rahmenfrist gemäß § 14 Abs. 2 iVm § 15 Abs. 1 Z 9 AlVG vom bis habe der Beschwerdeführer somit jedenfalls Versicherungszeiten vom bis erworben. Dass dies mehr als die vom Gesetz vorgeschriebenen 28 Wochen seien und dem Beschwerdeführer somit Arbeitslosengeld zu gewähren sei, sei schon bei einer nur flüchtigen Betrachtung des Sachverhalts klar erkennbar.
3. Gemäß § 15 Abs. 1 Z 9 AlVG in der im Beschwerdefall zeitraumbezogen anwendbaren Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 verlängert sich die Rahmenfrist (§ 14 Abs. 1 bis 3) um höchstens drei Jahre um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland auf behördliche Anordnung angehalten worden ist.
Gemäß § 15 Abs. 7 AlVG können Zeiten, die gemäß § 14 anwartschaftsbegründend sind, zur Rahmenfristerstreckung nicht mehr herangezogen werden.
Die belangte Behörde hat bei Berechnung der Anwartschaft die arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten des Beschwerdeführers innerhalb der Rahmenfristen des § 14 AlVG geprüft und ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass weder die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 noch nach § 14 Abs. 2 AlVG erfüllt ist. Einen rahmenfristverlängernden Tatbestand gemäß § 15 AlVG hat die belangte Behörde dabei zu Recht nicht angenommen:
Sämtliche innerhalb der Rahmenfrist des § 14 Abs. 1 AlVG liegenden Anwartschaftszeiten wurden vom Beschwerdeführer während seiner Haft erworben. Diese anwartschaftsbegründenden Zeiten können aber gemäß § 15 Abs. 7 AlVG zur Rahmenfristerstreckung nicht mehr herangezogen werden. Dass nach Entlassung aus der Strafhaft eine neuerliche behördliche Anhaltung erfolgt wäre oder sonstige die Rahmenfrist verlängerte Tatbestände vorliegen würden, hat der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht; auch die vorgelegten Verwaltungsakten ergeben dafür keinen Anhaltspunkt.
Innerhalb der 24-monatigen Rahmenfrist des § 14 Abs. 1 AlVG lag somit keine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung von 52 Wochen vor; zugleich lagen innerhalb dieser Frist auch keine Tatbestände vor, die zu einer Verlängerung der Rahmenfrist führen hätten können.
4. Insofern der Beschwerdeführer in seinen weiteren Ausführungen auf einen früheren Antrag auf Arbeitslosengeld Bezug nimmt, der mit rechtswidrigem und zudem nicht ordnungsgemäß zugestellten Bescheid vom abgewiesen worden sei, verkennt er den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Diesen bildet nämlich ausschließlich der in Beschwerde gezogene Bescheid der belangten Behörde vom , dem unstrittig der Antrag des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld vom zugrunde lag. Die behauptete Rechtswidrigkeit eines früheren Bescheids der erstinstanzlichen Behörde vom war in Zusammenhang mit dem vom Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom angestrengten Verfahren nicht zu prüfen. Auf die Ausführungen zur Rechtswidrigkeit des Bescheids vom war daher nicht weiter einzugehen.
Auch dem Vorbringen des Beschwerdeführers, der Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien D vom sei ihm niemals zugegangen, weshalb die belangte Behörde die Rahmenfrist vom Datum des - jenem Bescheid zugrunde liegenden - Antrags, also vom , weg berechnen hätte müssen, ist entgegenzuhalten, dass sich das gegenständliche Verfahren auf den Antrag des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld vom bezieht und dieses Datum daher als Tag der Geltendmachung im Sinne des § 46 Abs. 1 AlVG für die Berechnung der Anwartschaft gemäß § 14 AlVG heranzuziehen war.
5. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am