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VwGH vom 10.12.2014, 2014/09/0056

VwGH vom 10.12.2014, 2014/09/0056

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Revision des Disziplinaranwalt-Stellvertreters Dr. Ludwig Franckenstein beim Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer in 6060 Hall in Tirol, Reimmichlstraße 23, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , Zl. LVwG- 2014/24/0679-12, betreffend Disziplinarstrafe nach dem ÄrzteG 1998 (mitbeteiligte Partei: Dr. XY in Z, vertreten durch Hämmerle & Hübner Rechtsanwälte GmbH in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Kostenantrag des Revisionswerbers wird abgewiesen.

Begründung

Der im Jahr 1963 geborene Mitbeteiligte ist als Arzt für Allgemeinmedizin in T (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) tätig.

Mit Bescheid des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Tirol vom wurde der Mitbeteiligte wie folgt für schuldig erkannt:

"er hat die Berufspflichten verletzt, zu deren Einhaltung er sich anlässlich der Promotion zum Doctor medicinae universae verpflichtet hat und zu deren Einhaltung er nach diesem Bundesgesetz (dem ÄrzteG 1998) verpflichtet ist und dadurch fahrlässig den Tod des am geborenen JK unter besonders gefährlichen Verhältnissen herbeigeführt, indem er in der Zeit von Ende Juni 2008 bis als behandelnder Hausarzt des Opfers in Kenntnis des bei diesem vorliegenden schweren kombinierten Immundefektes, des potentiell schweren, sogar tödlichen Verlaufes auch banaler Erkrankungen sowie in Kenntnis des Erfordernisses der Vorbeugung solcher Erkrankungen durch Verabreichung geeigneter Medikamente und Behandlung von Erkrankungen durch die Verabreichung ausreichender (intravenöser) Antibiotikagaben, am besten in einem Krankenhaus, sowie in Kenntnis der Häufung immer schwerer verlaufender Erkrankungen, JK bis zuletzt in häuslicher Pflege beließ und dort nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend, nämlich durch Verabreichung erforderlicher (intravenöser) Antibiotikagaben behandelte und auch nicht die Einlieferung in ein Krankenhaus veranlasste bzw. diesbezüglich nicht das Gespräch mit den Eltern des Opfers gesucht.

(Der Mitbeteiligte) hat hierdurch begangen das Disziplinarvergehen nach § 136 Abs. 1 Zahl 2 Ärztegesetz 1998 und wird hiefür nach § 139 Abs. 1 Zahl 4 Ärztegesetz zur Disziplinarstrafe der Streichung aus der Ärzteliste sowie gemäß § 163 Ärztegesetz zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens, wobei der Kostenersatz mit EUR 1.100,-- bestimmt wird, verurteilt."

Begründend führte die Behörde zusammengefasst aus, dass der Mitbeteiligte wegen des ihm vorgeworfenen Verhaltens mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Abs. 1 Z. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt worden sei, wobei diese Strafe gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Die ausführliche Begründung des Gerichtsurteils wurde von der Behörde in ihrer Entscheidung wiedergegeben.

Die Behörde habe ihre Feststellungen auf Grund der Einvernahme des Mitbeteiligten, der Einsichtnahme in den Abschlussbericht des Landeskriminalamtes Tirol, die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft sowie zweier Urteile des Landesgerichts Innsbruck (zuletzt vom ) und des Obersten Gerichtshofes und nach einer Disziplinarverhandlung getroffen. In der Disziplinarverhandlung habe sich der Mitbeteiligte hinsichtlich des Disziplinarvorwurfes nicht für schuldig bekannt. Die Ergebnisse des gerichtlichen Strafverfahrens würden vom Mitbeteiligten jedoch nicht substanziell bestritten. Und vom erkennenden Senat als unbedenklich erachtet und den Feststellungen zum Schuldspruch zu Grunde gelegt.

Als mildernd sei die bisherige Unbescholtenheit des Disziplinarbeschuldigten, sowie der Umstand zu werten, dass seine strafbare Handlung bereits längere Zeit zurück liege, als erschwerend, dass die Berufspflichtverletzung über einen längeren Zeitraum, nämlich von Ende 2008 bis zum erfolgt sei. Sie sei nach den Feststellungen des Schöffengerichts als bewusste Fahrlässigkeit zu werten. Zwar sei auch ein Mitverschulden der Eltern des Kindes anzunehmen, der Vorwurf einer groben und bewussten Fahrlässigkeit über einen längeren Zeitraum bleibe gegen den Mitbeteiligten bestehen.

Das Nachtatverhalten und das künftig zu erwartende Verhalten des Mitbeteiligten sei mit zu berücksichtigen gewesen. Eine grundlegende Änderung seiner Einstellung lasse sich auch aus seiner im gegenständlichen Verfahren abgegebenen Verantwortung nicht entnehmen.

Unter Berücksichtigung der Schwere der dem Mitbeteiligten zur Last liegenden Schuld und der auf Grund seines Verhaltens eingetretenen höchstmöglich negativen Folgen, nämlich des Todes des Knaben JK, aber auch im Hinblick auf die mangelnde Schuldeinsicht des Mitbeteiligten, könne nur die strengste Disziplinarsanktion, nämlich die Streichung aus der Ärzteliste, als angemessene Strafe erachtet werden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Berufung, die ausweislich der Verwaltungsakten am bei der bescheiderlassenden Behörde einlangte. Der Bescheid wurde nur hinsichtlich seines Strafausspruches angefochten.

Mit Schreiben des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer vom wurde dem seit zur Entscheidung über die Berufung des Mitbeteiligten zuständigen Landesverwaltungsgericht Tirol die Berufung samt Verwaltungsakten vorgelegt.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom wurde der Berufung gemäß § 28 VwGVG insofern stattgegeben, als die verhängte Disziplinarstrafe (Streichung aus der Ärzteliste) gemäß § 139 Abs. 3 ÄrzteG 1998 unter Festsetzung einer Bewährungsfrist von zwei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Die Erhebung einer ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für zulässig erklärt.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol stellte folgenden Sachverhalt fest:

"Der Bub (JK) wurde am in (X) geboren. Seine bereits verstorbenen Brüder litten an einer auffallenden Hautkrankheit. Nach mehreren Vorfällen mit Bronchititis und Phlegnohmen wurde das Kind im Krankenhaus (I) untersucht und dabei ein schwerer Immundefekt (SCID) festgestellt. SCID Erkrankungen verlaufen unbehandelt meist binnen weniger Monate maximal Jahre tödlich. Die Eltern wurden über die Diagnose aufgeklärt und ihnen mitgeteilt, dass nur eine Knochenmark-Transplantation eine Chance auf Heilung biete. Daraufhin wurden im Klinikum (U) in Deutschland Vorbereitungen diesbezüglich getroffen und ein Transplantationstermin für den festgesetzt. Die Eltern verweigerten jedoch die Transplantation und verließen gegen den Rat der Ärzte das Klinikum in (U).

In mehreren Gesprächen mit OA Dr. (K-F) von der Universitätsklinik (I) wurden die Eltern erneut über die Konsequenzen der Nichtdurchführung der Knochenmark-Transplantation aufgeklärt und ausdrücklich darauf verwiesen, dass bis zu einer allfälligen Transplantation jede Infektion potenziell lebensbedrohlich sei. Wöchentliche Kontrolltermine wurden nicht eingehalten und die Verabreichung von Immunglobuline verweigert.

Die Eltern erklärten, dass ihr Sohn bei Dr. (JG), einem Kinderarzt in (X), der Alternativmedizin betreibe, in Behandlung sei. Diese Behandlung wurde nicht weitergeführt, sondern am Kontakt zum (Mitbeteiligten) aufgenommen, welcher praktischer Arzt ist und eine naturheilkundliche Ordination betreibt.

Am fand das vereinbarte Gespräch mit der Ärzteschaft der Universitätsklinik (I) und den Kindeseltern samt beigezogener Vertrauensperson, nämlich des (Mitbeteiligten), hinsichtlich der Überlegungen für das Für und Wider einer Transplantation in (I) statt. Dabei wurde ausdrücklich hingewiesen, dass eine Infektion nur durch eine intensive, intravenöse Gabe von Antibiotika bekämpft werden könnten. Der (Mitbeteiligte) stellte sich als medizinischen Betreuer von (JK) vor und erklärte, bei allfälliger Verschlechterung des Gesundheitszustandes von (JK) die Klinik (I) zu informieren. Seit diesem Gesprächstermin haben die Eltern mit (JK) weder die Universitätsklinik (I) noch eine andere Klinik aufgesucht.

Weitere Telefonate zwischen OA Dr. (K-F) und dem (Mitbeteiligten) folgten, wobei am der (Mitbeteiligte) mitteilte, dass sich die Eltern bis auf weiteres gegen die Behandlung mit Immunglobulinen und gegen die Transplantation entschlossen haben. Seit diesem Zeitpunkt nahm auch der (Mitbeteiligte) nie mehr Kontakt zur Klinik (I) auf.

Zwischen Juli und Oktober 2008 wurde (JK) vom (Mitbeteiligten) wiederholt wegen Bronchitis, auf Wunsch der Eltern hauptsächlich naturheilkundlich, behandelt. Diese Behandlungen führten bis ca Ende 2008 stets zur Besserung des Gesundheitszustandes von (JK), jedoch kam es gegen Jahresende 2008 häufiger zu fieberhaften Infekten mitsamt starken Durchfällen, wobei diese Behandlungen zunehmend weniger erfolgreich waren.

Am diagnostizierte der (Mitbeteiligte) bei (JK) eine Ohrenentzündung sowie eine Pilzinfektion im Mundbereich, welche in weiterer Folge mittels herkömmlichen, oral verabreichten Antibiotikum, Spülungen sowie einer Lasertherapie behandelt wurde. Diese Behandlung wurde bis Anfang März 2009 fortgesetzt. Eine Überstellung von (JK) in ein Krankenhaus wurde nicht thematisiert.

Bei einem Hausbesuch des (Mitbeteiligten) bei der Familie (K) am wurde neben der bereits diagnostizierten Ohrenentzündung ein beginnendes Gerstenkorn, vermehrte Hustengeräusche, eine Hautläsion am Bauch, leicht geschwollenen Füße sowie nach wie vor anhaltendes Fieber festgestellt. Eine Änderung der laufenden Behandlung wurde nicht vorgenommen und auch die Einweisung in ein Krankenhaus wurde nicht angesprochen. Am Vormittag des kontaktierten die Eltern den (Mitbeteiligten), dass sich der Zustand von (JK) verschlechtert habe. Auf die Frage des (Mitbeteiligten) ob die Rettung benötigt werde, wurde dies von den Eltern verneint. Auf dem Weg des (Mitbeteiligten) erfolgte ein erneuter Anruf der Kindesmutter, dass es (JK) schlecht gehe. Vor Ort befand sich (JK) in einem verschlechterten Allgemeinzustand. Er wies Schwäche und eine blasse Hautfarbe auf sowie hatte er sehr schwache Atemgeräusche und einen erschwerten Husten. Noch während der Untersuchung wurde (JK) bewusstlos und verstarb schließlich um 11.25 Uhr, nachdem der (Mitbeteiligte) mit dem Kindesvater über 20 Minuten lang (JK) zu reanimieren versuchten.

Die gerichtsmedizinische Obduktion ergab als Todesursache eine chronische eitrige Entzündung der oberen und unteren Luftwege mit Lungenbeteiligung (Lungenentzündung), von der die rechte Lunge praktisch als Ganzes betroffen war. Linksseitig wurde eine Begleitneuritis und ein Erguss in der linken Brusthöhle festgestellt, sowie Entzündungszeichen an der Außenhaut des Herzens. In den beiden Gehörgängen wurde eitriges Material vorgefunden und bei den Knöcheln wurden Flüssigkeitseinlagerungen festgestellt. (JK) war stark abgemagert und aufgrund der entzündlichen Lungenveränderungen kam es zu einem septischen Zustandsbild.

Die Behandlung von (JK) durch den (Mitbeteiligten) wurde jedoch anlassbezogen durchgeführt, sodass die Eltern bei gesundheitlichen Problemen diesen aufsuchten oder auch der (Mitbeteiligte) Hausbesuche vornahm. Regelmäßige Behandlungstermine wurden nicht vereinbart. Die Eltern haben den (Mitbeteiligten) aufgesucht und beauftragt, da dieser neben der Schulmedizin auch mit homöopathischen Mitteln behandelt. Der (Mitbeteiligte) wurde im Rahmen der einzelnen Behandlungsverträge beauftragt, (JK) vorzugsweise mit homöopathischen Mitteln zu behandeln.

Dem (Mitbeteiligten) waren seit dem ersten Behandlungsvertrag die Diagnose von (JK) sowie der potenziell lebensbedrohliche Verlauf bei einer allenfalls auftretenden Infektion samt der dazugehörigen Behandlung, welche ausschließlich durch intensive intravenöse Gabe von Antibiotika durchgeführt werden muss, bekannt. Trotz des verschlechterten Gesundheitszustandes von (JK) hat der (Mitbeteiligte) die Antibiotika lediglich oral verabreicht und auch einen stationären Aufenthalt in einer Klinik nicht veranlasst, da er subjektiv der Meinung war, dass seine angewendeten Behandlungsmethoden ausreichend sind. Der gegenständliche Verlauf mit der Todesfolge wäre bei zumutbarer und gebotener Sorgfalt vorhersehbar gewesen.

Mit Urteil des Landesgerichtes (I) vom , 28 Hv 16/10t, wurde der (Mitbeteiligte) neben den Eltern, als zwei weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Quälens oder Vernachlässigens von unmündigen Personen nach § 92 Abs 2 und 3

2. Fall StGB jeweils zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt, wobei die Strafe jeweils unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Dagegen erhob der (Mitbeteiligte) beim Obersten Gerichtshof Nichtigkeitsbeschwerde, während die Eltern das Urteil unbekämpft ließen. Dieser hat in Stattgebung der erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde mit Urteil vom , Zahl 13 Os 163/11m, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache hinsichtlich des (Mitbeteiligten) zu neuer Verhandlung sowie Entscheidung an das Landesgericht (I) verwiesen. Der Schuldspruch betreffend die Eltern wurde ebenfalls aufgehoben, da ihnen der Vorsatz fehlte, ihre Verpflichtung zur Fürsorge und Obhut gröblich zu vernachlässigen. Begründend wurde ausgeführt, dass das Urteil keine ausreichenden Feststellungen zur Frage enthält, ob den (Mitbeteiligten) aufgrund des nicht näher beschriebenen Behandlungsvertrages eine Fürsorgepflicht traf, deren gröbliche Verletzung ihm angelastet werden kann. In der Sache selbst hat der OGH entschieden, dass die Kindeseltern jeweils des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt werden.

Mit Urteil des Landesgerichtes (I) vom , 28 Hv 116/10t wurde der (Mitbeteiligte) wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Abs 1 Z 1 StGB betreffend (JK) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Monaten verurteilt, wobei die Strafe gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Gleichzeitig wurde er von dem weiteren Vorwurf des Vergehens des Quälens oder Vernachlässigens von Unmündigen nach § 92 Abs 2 StGB betreffend (MM) rechtskräftig mangels Fehlbehandlung freigesprochen.

Im Verfahren vor der Disziplinarkommission für Tirol brachte der (Mitbeteiligte) in der nichtöffentlichen Disziplinarverhandlung am vor, dass er sich hinsichtlich des Disziplinarvorwurfes für nicht schuldig bekenne. Aus heutiger Sicht fühle er sich, insbesondere auch aus moralischer Sicht nicht für den Tod des (JK) schuldig. Er habe in dem Verfahren gelernt, dass man nicht gegen den Willen eines Patienten eine Behandlung durchführen könne. Aus heutiger Sicht würde er anders handeln, weil er die Erfahrung aus den letzten vier Jahren einfließen lassen würde. Er würde insofern anders handeln, indem er sich juristischen Rat einholen würde. Aus ärztlicher Sicht könne er nicht konkret sagen, ob er in einem gleichwertigen Fall anders handeln würde. Damals sei er auf dem Standpunkt gestanden, dass er nicht gegen den Willen der Erziehungsberechtigten behandeln kann, wobei er dies aus heutiger Sicht differenzierter betrachten würde.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol am erklärte der (Mitbeteiligte) zusammengefasst, dass er im Zeitpunkt der Einvernahme vor dem Disziplinarrat irrtümlich der Meinung gewesen sei, dass er nur entsprechend dem Elternwillen ärztliche Maßnahmen ergreifen durfte. Heute wisse er, dass es ein Irrtum gewesen sei, wofür er auch eine Verurteilung erhalten habe. Damals habe er sich nicht schuldig gefühlt, weil er der Auffassung gewesen sei, dass er alles getan habe, was er meinte was rechtens sei. Heute sehe er das anders. Im Übrigen verwies er auf seine Angaben vor dem Ehrenrat der Österreichischen Ärztekammer.

In diesem Zusammenhang ist folgendes hervorzuheben:

a. Im Zusammenhang mit dem Tod des (JK) wurde der (Mitbeteiligte) weiters zweimal vom Ehrenrat der Österreichischen Ärztekammer zur Prüfung der Vertrauenswürdigkeit vorgeladen. Die erste Prüfung fand am nach der Verurteilung durch das Landesgericht (I) vom wegen § 92 StGB statt, welches mittlerweile vom Obersten Gerichtshof als nichtig aufgehoben wurde und das zweite Mal am nach der Verurteilung des (Mitbeteiligten) durch das Landesgericht (I) vom wegen § 81 StGB.

In der Sitzung am brachte der (Mitbeteiligte) vor, dass ihn die bisher noch nicht in Rechtskraft erwachsene Verurteilung schwer getroffen habe, da er dies mit dem unerträglichen Vorwurf, er hätte seine ärztlichen Betreuungs- und Behandlungsplichten gegenüber (JK) vorsätzlich vernachlässigt, verbinde. Dieser Vorwurf treffe ihn jedoch zu Unrecht, da der Behandlungserfolg zunächst positive Entwicklungen aufgezeigt habe und deshalb für ihn kein Anlass bestanden habe, an der Sachgerechtheit der Verabreichung angemessener Antibiotikagaben zu zweifeln. Darüber hinaus legte er seine Eindrücke der Kindeseltern dar, die eine Haltung von ausgeprägter Angst aufgewiesen hätten, dass ihnen im Falle einer stationären Unterbringung des Kindes von den Behörden mit der Kindesabnahme gedroht würde. Sie hätten daher ihr dringendes Interesse an einer häuslichen Pflege dargetan. Die Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Kindes sei noch nicht so alarmierend gewesen, dass er die Veranlassung einer stationären Betreuung als einzige unabdingbare Behandlungsmaßnahme angesehen hätte.

Der Vorsitzende des Ehrenrates hielt fest, dass der Ehrenrat lediglich eine Hilfestellung für die einschlägigen berufsrechtlichen Entscheidungen der Ärztekammer zu erfüllen habe, nicht aber selbst die entsprechenden Entscheidungen zu treffen habe. Der Ehrenrat gelangte zur Überzeugung, dass aus derzeitiger Sicht und auf Basis des gewonnenen Eindruckes von der Persönlichkeit des (Mitbeteiligten) und seiner Einstellung kein hinreichender Anlass bestehe, diesem die Vertrauenswürdigkeit abzusprechen. Dies wird damit begründet, dass der (Mitbeteiligte) seine ärztliche Praxis seit vielen Jahren unbeanstandet geführt habe und ihm der Vorfall des (JK) als singulär gelagerte Ausnahmesituation zuzubilligen sei. Die Annahme liege nahe, dass dieser Vorfall seine praktischen Erfahrungen mit einer Nachhaltigkeit präge, die für seine zukünftige ärztliche Tätigkeit das Risiko der Wiederholungsgefahr eines gleichartigen Strategiefehlers weitgehend ausschließt.

b. Im zweiten Verfahren vor dem Ehrenrat am erfolgte eine weitere Prüfung der Vertrauenswürdigkeit und zwar nach der Verurteilung wegen § 81 StGB durch das Landesgericht (I) vom .

In dieser Sitzung brachte der (Mitbeteiligte) vor dem Ehrenrat vor, dass sich ein pflichtbewusster Arzt auch keine fahrlässigen Delikte erlauben darf. Seinem Fehlverhalten sei primär eine falsche Rechtsauffassung zugrunde gelegen, weil er der irrigen Meinung gewesen sei, dass er bei der Behandlung des Kindes nicht gegen den Willen der Eltern behandeln dürfe. Er habe gegenüber den Eltern mehrfach eine stationäre Behandlung zur Sprache gebracht, doch die Eltern seien entschlossen gewesen, dem Kind den familiären Rahmen zu erhalten und diesem eine Belastung im Rahmen einer stationären Behandlung zu ersparen. Aus diesem Hintergrund habe er die falschen Konsequenzen gezogen. Ihm sei bewusst, dass er die rechtliche Fehleinschätzung zu verantworten habe. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen werde er zukünftig die als Fehler erkannte Vorgangsweise vermeiden. Darüber hinaus habe er entgegen seiner beruflichen Dokumentationspflicht die Gespräche mit den Kindeseltern nicht dokumentiert. Diesen Fehler werde er in Hinkunft vermeiden. Er habe die notwendigen Lehren gezogen und werde zukünftig die ärztlichen Berufsanforderungen pflichtgemäß erfüllen.

Der Ehrenrat hielt in diesem Zusammenhang fest, dass derzeit ein Disziplinarverfahren gegen den (Mitbeteiligten) anhängig sei. Weiters gehe er davon aus, ohne dem Ausgang des Disziplinarverfahrens vorzugreifen, dass der Beschwerdeführer bereit sei, die gebotenen Konsequenzen für sein zukünftiges ärztliches Wirken zu ziehen. Begründend wurde angeführt, dass sich der Beschwerdeführer einsichtig gezeigt habe und sich dazu einsichtig geäußert habe.

Zusammenfassend hat der Ehrenrat in beiden Fällen dem (Mitbeteiligten) das Vertrauen ausgesprochen und die Vertrauenswürdigkeit ausdrücklich bestätigt."

In rechtlicher Hinsicht traf das Landesverwaltungsgericht nach Darstellung der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen folgende Erwägungen:

"Das Landesverwaltungsgericht Tirol kommt im gegenständlichen Fall aufgrund des festgestellten Sachverhalts und der Vorgehensweise des (Mitbeteiligten) in Bezug auf die Behandlung des Kindes (JK) zur Ansicht, dass dieser die ärztlichen Berufspflichten verletzt hat, zu deren Einhaltung er sich anlässlich der Promotion zum Doktor medicinae universae verpflichtet hat. Dem (Mitbeteiligten) wäre es zumutbar gewesen, zumindest das Krankenhaus (I) bzw OA Dr. (K-F) zu informieren oder anzurufen, (JK) stationär in ein Krankenhaus aufnehmen zu lassen sowie (JK) lege artis Antibiotika intravenös zu verabreichen. Dies wird seinerseits nicht bestritten.

Diese Berufspflichtverletzung wurde in dem Zeitraum zumindest von Ende 2008/Anfang 2009 bis begangen und ist als bewusste Fahrlässigkeit zu werten. Das Kind (JK) hatte bereits am eine spastische Bronchitis. Der (Mitbeteiligte) diagnostizierte auch am eine Bronchitis. Am behandelte der (Mitbeteiligte) das Kind unter anderem wegen einer Bronchitis, am , und am wegen einer Otitis (Entzündung des äußeren Gehörgangs), einer oralen Mykose sowie einer Hautläsion. Auch am 23.03 und am (richtig wohl: 23.02. und ) wurde vom (Mitbeteiligten) neuerlich eine Otitis und Mykosis festgestellt. Am wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass das Kind eine Körpertemperatur von 38,8 Grad und es erbrochen habe. Am wurden vom (Mitbeteiligten) wiederum ein Hustenreiz, Knöchelödeme und belegte Gehörgänge diagnostiziert, wogegen er ein entzündungshemmendes Medikament 'Nureflex' verschrieb. Der (Mitbeteiligte) behandelte diese für das Kind bekanntermaßen gefährlichen Erkrankungen über mehrere Monate. Auch wenn der (Mitbeteiligte) subjektiv zunächst eine Besserung des Gesundheitszustandes des Kindes verzeichnen durfte, darf nicht übersehen werden, dass beim Kind im Hinblick auf die Gefährlichkeit des Immundefekts der Einsatz von Antibiotika mittels H2O2-Spülungen und Lasertherapie dringend geboten war. Zudem war eine entsprechende Behandlung in einem Krankenhaus notwendig gewesen. Dies war dem (Mitbeteiligten) aufgrund wiederholter Aufklärung (durch Dr. (K-F)) bewusst.

Bewusste Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand zwar erkennt, dass er eventuell eine Straftat begeht, aber gleichzeitig darauf hofft, die rechtswidrige Folge möge nicht eintreten. Besonders schwerwiegend ist auch die Tatsache, dass die Berufspflichtverletzung gegenüber einem minderjährigen Patienten erfolgt ist, welcher sich wegen seines jungen Alters nicht wehren konnte.

Die Verurteilung der Eltern des (JK) wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen lässt ein Mitverschulden der Eltern annehmen, jedoch ist bei einem Arzt aufgrund seiner ärztlichen Berufspflicht ein höherer Sorgfaltsmaßstab anzusetzen. Der Vorwurf einer groben und bewussten Fahrlässigkeit über einen längeren Zeitraum ist somit dem (Mitbeteiligten) zu machen.

Insofern erscheint dem Landesverwaltungsgericht Tirol die Streichung aus der Liste der Ärzte sehr wohl geboten und in Hinblick auf das Verhalten des (Mitbeteiligten) zweifelsfrei angemessen.

Allerdings war das Landesverwaltungsgericht Tirol im gegenständlichen Fall der Auffassung, dass die verhängte Disziplinarstrafe der Streichung aus der Liste der Ärzte unter der Verhängung einer Bewährungsfrist von 2 Jahren bedingt verhängt werden konnte, da anzunehmen war, dass ihre Androhung genügen wird, um den (Mitbeteiligten) von weiteren Disziplinarvergehen abzuhalten und es nicht der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung von Disziplinarvergehen durch andere Ärzte entgegenzuwirken. Der (Mitbeteiligte) zeigte sich in dem Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol einsichtig. Er machte einen sehr reumütigen Eindruck und zeigte sich vor allem bereit, die gebotenen rechtlichen und medizinischen Konsequenzen für sein weiteres Wirken als Arzt zu ziehen. Eine Änderung seiner Einstellung betreffend die Schulmedizin und Naturheilkunde, vor allem in Bezug auf seine Handlungspflichten und den rechtlichen Dokumentations- und Aufklärungspflichten, lässt sich damit ableiten.

Zu berücksichtigen war auch in diesem Zusammenhang das oben dargestellte Verfahren vor dem Ehrenrat der österreichischen Ärztekammer, in dem ihm gegenüber die Vertrauenswürdigkeit ausgesprochen wurde.

Weiters war zu berücksichtigen, dass der Vorfall bereits 5 Jahre zurückliegt und seit dem keine weiteren derart gelagerten Beschwerden gegen den (Mitbeteiligten) vorlagen. Hinzu kommt, dass der (Mitbeteiligte) - soweit aktenkundig - seine Ordination seit vielen Jahren nach dem Vorfall unbeanstandet führte, sodass auszugehen war, dass er seine ärztlichen Pflichten erfüllen konnte.

Schließlich ist in den Erwägungen auch der Umstand miteinzubeziehen, dass es sich im gegenständlichen Krankheitsfall des (JK) um einen sehr speziell und komplex gelagerten Fall handelte, in der auch im Hintergrund die Eltern für die Handlungsweise des (Mitbeteiligten) wahrscheinlich eine große Rolle spielten.

Das Landesverwaltungsgericht war zusammenfassend der Auffassung, dass nicht nur der unglückliche Krankheitsverlauf und schicksalhafte Kindstod, sondern auch das Verfahren vor dem Landesgericht (welches in einer Verurteilung endete), der Disziplinarbehörde, dem Ehrenrat und vor dem Landesverwaltungsgericht in Verbindung mit dem drohenden Verlust der Berufsbefugnis eingehend prägt, sodass zugunsten des (Mitbeteiligten) in Zukunft eine medizinische Behandlung lege artis einschließlich die notwendigen Aufklärungs- und Dokumentationspflichten zu erwarten ist.

Insgesamt erscheint daher die Streichung aus der Liste der Ärzte unter Verhängung einer Probezeit von 2 Jahren als angemessen."

Zur Frage der Zulässigkeit der Erhebung einer ordentlichen Revision führte das Landesverwaltungsgericht Tirol aus, dass die Frage der Verhängung der Disziplinarstrafe der Streichung aus der Liste der Ärzte im Zusammenhang mit einer Verurteilung nach § 81 StGB unter Berücksichtigung des Ausspruches über die bestehende Vertrauenswürdigkeit durch den Ehrenrat und der besonderen Fallkonstellation (komplexer Krankheitsverlauf) in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht eindeutig beantwortet worden ist. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Tirol sei im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen gewesen, der iSd Art. 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukomme.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die gemäß Art. 133 Abs. 8 B-VG iVm § 141 ÄrzteG 1998 erhobene Revision des Disziplinaranwalt-Stellvertreters beim Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission Tirol.

Der Revisionswerber bekämpft das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes insoweit, als dieses die Disziplinarstrafe der Streichung aus der Ärzteliste unter Setzung einer Bewährungsfrist in der Dauer von zwei Jahren bedingt nachgesehen hat und führt aus, dass die klare und deutliche Aussage des Mitbeteiligten in der Verhandlung vor der Disziplinarbehörde am nichts Anderes bedeute, als dass der Mitbeteiligte von seiner verpönten Handlungsweise in Zukunft, abgesehen davon, dass er sich besser juristisch beraten lassen wolle, keinen "Deut" abweichen würde. Diese Aussage sei zweifellos die Entscheidungsgrundlage der Disziplinarkommission für Tirol für die von ihr verhängte unbedingte Streichung aus der Ärzteliste gewesen. Der Mitbeteiligte stelle auf jeden Fall in Zukunft eine Gefahr für die Patienten dar.

Gerade dann, wenn die Patientenschaft davon Kenntnis erlange, dass die Ärztekammer sehr sorgsam mit der ihr übertragenen Aufgabe, nämlich Disziplinarvergehen entsprechend zu ahnden, umgehe, werde das Vertrauen der Patienten zu den Ärzten wiederhergestellt.

Anders als das Landesverwaltungsgericht zu Recht erkannt habe, habe der Mitbeteiligte die gegenständliche Tat mit "dolus eventualis" begangen. Das Landesverwaltungsgericht habe zutreffend die Strafe der Streichung aus der Ärzteliste verhängt. Wenn sich ein Arzt fünf Jahre nach dem Tod des JK, den er verschuldet habe, weder reumütig, noch einsichtig zeige, könne wohl von einem besonders krassen Fall ausgegangen werden. Sowohl aus spezial- als auch generalpräventiven Gründen sei die Disziplinarstrafe unbedingt zu verhängen.

Der Mitbeteiligte sowie der Bundesminister für Gesundheit erstatteten eine Revisionsbeantwortung, wobei der Mitbeteiligte die Abweisung der Revision beantragte, der Bundesminister für Gesundheit sich hingegen vollinhaltlich den Ausführungen der Revision anschloss.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol legte dem Verwaltungsgerichtshof die gegenständliche Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens sowie der Revisionsbeantwortungen zur Entscheidung vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat die Revision gegen sein Erkenntnis im vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 1 VwGG für zulässig erklärt. Der Verwaltungsgerichtshof ist an diesen Ausspruch und dessen Begründung zwar nicht gebunden (vgl. § 34 Abs. 1a VwGG), er erachtet aber ebenfalls die Zulässigkeit der Revision insbesondere angesichts des Umstandes als gegeben, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 139 Abs. 3 des Ärztegesetzes 1998 noch nicht ergangen ist und die Revision von der Auslegung dieser Bestimmung abhängt, weshalb eine Rechtsfrage vorliegt, der gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision ist daher zur Gänze zulässig.

Die § 49, § 136 und § 139 des Ärztegesetzes 1998, BGBl. I Nr. 169, idF BGBl. I Nr. 80/2013 bzw. 110/2001 (ÄrzteG 1998), lauten auszugsweise:

"Behandlung der Kranken und Betreuung der Gesunden

§ 49. (1) Ein Arzt ist verpflichtet, jeden von ihm in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden und Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen. ...

Disziplinarvergehen

§ 136. (1) Ärzte machen sich eines Disziplinarvergehens

schuldig, wenn sie im Inland oder im Ausland

1. das Ansehen der in Österreich tätigen Ärzteschaft

durch ihr Verhalten der Gemeinschaft, den Patienten oder den

Kollegen gegenüber beeinträchtigen oder

2. die Berufspflichten verletzen, zu deren Einhaltung

sie sich anläßlich der Promotion zum Doctor medicinae universae

verpflichtet haben oder zu deren Einhaltung sie nach diesem

Bundesgesetz oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sind.

(2) Ärzte machen sich jedenfalls eines Disziplinarvergehens

nach Abs. 1 Z 1 oder Z 2 schuldig, wenn sie

1. den ärztlichen Beruf ausüben, obwohl über sie

rechtskräftig die Disziplinarstrafe der befristeten Untersagung

der Berufsausübung (§ 139 Abs. 1 Z 3) verhängt worden ist oder

2. eine oder mehrere strafbare Handlungen vorsätzlich

begangen haben und deswegen von einem in- oder ausländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder zu einer Geldstrafe von zumindest 360 Tagessätzen oder zu einer Geldstrafe von mehr als 36 340 Euro verurteilt worden sind.

Werden in einem oder mehreren Urteilen Freiheitsstrafen und Geldstrafen (nebeneinander) verhängt, ist die Summe der Freiheitsstrafen und der für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafen verhängten Freiheitsstrafen maßgeblich. Wird in einem oder mehreren Urteilen ausschließlich auf Geldstrafen erkannt, sind diese zusammen zu zählen.

...

(5) Die disziplinäre Verfolgung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der dem angelasteten Disziplinarvergehen zugrunde liegende Sachverhalt einen gerichtlichen Straftatbestand oder einen Verwaltungsstraftatbestand bildet.

(6) Die disziplinäre Verfolgung ist jedoch ausgeschlossen, soweit der Arzt oder außerordentliche Kammerangehörige bereits von einem anderen für ihn zuständigen Träger der Disziplinargewalt hinsichtlich derselben Tat disziplinär bestraft worden ist. Bis zur Erledigung eines vor diesem anhängig gemachten Verfahrens ist das Verfahren vor dem Disziplinarrat zu unterbrechen.

(7) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, genügt für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten (§ 6 StGB).

(8) Ein Disziplinarvergehen ist vom Disziplinarrat nicht zu verfolgen, wenn die Schuld des Arztes gering ist und sein Verhalten keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat.

...

§ 139. (1) Disziplinarstrafen sind

1. der schriftliche Verweis,

2. die Geldstrafe bis zum Betrag von 36 340 Euro,

3. die befristete Untersagung der Berufsausübung,

4. die Streichung aus der Ärzteliste.

(2) Die Strafe gemäß Abs. 1 Z 3 darf im Falle eines Disziplinarvergehens gemäß § 136 Abs. 2 höchstens auf die Zeit von drei Jahren verhängt werden. In den übrigen Fällen darf die Strafe gemäß Abs. 1 Z 3 höchstens für die Dauer eines Jahres, das erste Mal höchstens für die Dauer von drei Monaten verhängt werden. Die Untersagung der Berufsausübung gemäß Abs. 1 Z 3 bezieht sich auf die Ausübung des ärztlichen Berufes im Inland mit Ausnahme der ärztlichen Berufsausübung im Zusammenhang mit den Dienstpflichten von Ärzten, die ihren Beruf im Rahmen eines Dienstverhältnisses bei einer Gebietskörperschaft oder einer anderen Körperschaft öffentlichen Rechts mit eigenem Disziplinarrecht ausüben.

(3) Die Disziplinarstrafen gemäß Abs. 1 Z 2 bis 4 können bedingt unter Festsetzung einer Bewährungsfrist von einem Jahr bis zu drei Jahren verhängt werden, wenn anzunehmen ist, daß ihre Androhung genügen werde, um den Beschuldigten von weiteren Disziplinarvergehen abzuhalten und es nicht der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung von Disziplinarvergehen durch andere Ärzte entgegenzuwirken.

(4) Die Disziplinarstrafe gemäß Abs. 1 Z 4 ist insbesondere zu verhängen, wenn der Beschuldigte den ärztlichen Beruf ausübt, obwohl über ihn die Disziplinarstrafe gemäß Abs. 1 Z 3 verhängt worden ist, sofern nicht nach den besonderen Umständen des Falles mit einer geringeren Strafe das Auslangen gefunden werden kann.

(5) Nach Verhängung der Disziplinarstrafe gemäß Abs. 1 Z 4 kann eine erneute Eintragung in die Ärzteliste erst erfolgen, wenn der ärztliche Beruf insgesamt drei Jahre nicht ausgeübt worden ist. Wegen mangelnder Vertrauenswürdigkeit kann die erneute Eintragung auch nach Ablauf dieses Zeitraumes von der Österreichischen Ärztekammer verweigert werden (§ 27 Abs. 8).

(6) Liegen einem Beschuldigten mehrere Disziplinarvergehen zur Last, so ist, außer im Falle des Abs. 10, nur eine Disziplinarstrafe zu verhängen. Die §§ 31 und 40 StGB gelten sinngemäß.

(7) Bei Bemessung der Strafe ist insbesondere auf die Größe des Verschuldens und der daraus entstandenen Nachteile, vor allem für die Patientenschaft, bei Bemessung der Geldstrafe auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten, Bedacht zu nehmen. Die §§ 32 bis 34 StGB sind sinngemäß anzuwenden.

(8) Wird ein Arzt nach Gewährung einer bedingten Strafnachsicht (Abs. 3) wegen eines neuerlichen, innerhalb der Probezeit begangenen Disziplinarvergehens schuldig erkannt, so ist entweder die bedingte Strafnachsicht zu widerrufen oder, wenn dies ausreichend erscheint, den Beschuldigten von weiteren Disziplinarvergehen abzuhalten, die Probezeit bis auf höchstens fünf Jahre zu verlängern. Die Entscheidung darüber kann nach Anhörung des Beschuldigten entweder im Erkenntnis wegen des neuen Disziplinarvergehens oder in einem gesonderten Beschluß erfolgen.

(9) Wird eine bedingte Strafnachsicht nicht widerrufen, so gilt die Strafe mit Ablauf der Probezeit als endgültig nachgesehen. Die §§ 49, 55 und 56 StGB gelten sinngemäß. Zeiten, in denen der ärztliche Beruf nicht ausgeübt worden ist, werden in die Probezeit nicht eingerechnet.

(10) Sofern es im Interesse der Wahrung des Ansehens der österreichischen Ärzteschaft und der Einhaltung der Berufspflichten gelegen ist, kann im Disziplinarerkenntnis auf Veröffentlichung des gesamten Disziplinarerkenntnisses in den Mitteilungen der zuständigen Ärztekammer oder allenfalls zusätzlich auch in der Österreichischen Ärztezeitung erkannt werden."

§ 43 Abs. 1 StGB in der Fassung BGBl. I Nr. 105/1997 lautet:

"§ 43. (1) Wird ein Rechtsbrecher zu einer zwei Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe verurteilt, so hat ihm das Gericht die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von mindestens einem und höchstens drei Jahren bedingt nachzusehen, wenn anzunehmen ist, daß die bloße Androhung der Vollziehung allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, und es nicht der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Dabei sind insbesondere die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen."

Im vorliegenden Fall hat der Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Tirol, gegen den Mitbeteiligten die Disziplinarstrafe der Streichung von der Ärzteliste gemäß § 139 Abs. 1 Z 4 ÄrzteG 1998 verhängt und vom Ausspruch einer bedingten Nachsicht dieser Strafe gemäß § 139 Abs. 3 ÄrzteG 1998 abgesehen. Auf Grund der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Berufung, die vom Landesverwaltungsgericht Tirol als Beschwerde zu behandeln war, hat das Landesverwaltungsgericht Tirol die Streichung des Mitbeteiligten von der Ärzteliste unverändert gelassen. Dieser Ausspruch ist daher in Rechtskraft erwachsen. Bloß der Ausspruch über die bedingte Nachsicht gemäß § 139 Abs. 3 ÄrzteG 1998 wurde vom Landesverwaltungsgericht Tirol getroffen. Nur gegen diesen Ausspruch ist die Revision gerichtet, er ist vom Ausspruch über die Strafe auch trennbar.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum ÄrzteG 1998 wird zu § 138 Abs. 3 und 4 Folgendes ausgeführt (RV 1386 BlgNR 20. GP, 112):

"Abs. 3 sieht in Entsprechung des § 43 Abs. 1 StGB vor, daß eine bedingte Strafnachsicht nur unter der (weiteren) Voraussetzung zum Tragen kommen kann, daß es der Vollstreckung der Strafe nicht bedarf, um der Begehung von Disziplinarvergehen durch andere Ärzte entgegenzuwirken.

Abs. 4 trägt den Erfahrungen des Disziplinarrates Rechnung, wonach in gravierenden Fällen von Disziplinarvergehen nur eine endgültige Streichung aus der Ärzteliste dem Unrechtsgehalt der Tat gerecht wird. Durch die Einfügung des Wortes 'insbesondere' in den geltenden Gesetzestext soll klargestellt werden, daß die Strafe der Streichung aus der Ärzteliste nicht nur als Sanktion gegen die Übertretung eines befristeten Berufsverbotes, sondern auch in anderen gravierenden Disziplinarfällen zur Verfügung stehen soll."

Auch bei § 43 Abs. 1 StGB ist die Entscheidung über die Gewährung der bedingten Nachsicht der Strafe strikt von der davor zu treffenden Entscheidung über die Höhe der Strafe zu trennen, so können etwa Umstände spezial- oder generalpräventiver Natur, die schon für die Bemessung der Strafe maßgeblich waren, auch bei der Entscheidung über die bedingte Nachsicht Bedeutung haben (vgl. Jerabek, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2011, zu § 43, RZ 3). Dies gilt gleichermaßen für die bedingte Nachsicht nach § 139 Abs. 3 ÄrzteG 1998.

Bereits nach § 101 Abs. 3 des Ärztegesetzes 1984 konnten Disziplinarstrafen bedingt nachgesehen werden, damals nach der Voraussetzung, dass anzunehmen ist, dass ihre Androhung genügen werde, um den Beschuldigten von weiteren Disziplinarvergehen abzuhalten. Demgegenüber ist nach der nunmehrigen Rechtslage des Ärztegesetzes 1998 eine bedingte Nachsicht nur zulässig, wenn zusätzlich dazu anzunehmen ist, dass es nicht der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung von Disziplinarvergehen durch andere Ärzte entgegenzuwirken.

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Disziplinarstrafe nach dem ÄrzteG 1998 bedingt verhängt werden kann, ist in einer Gesamtwürdigung auf alle Umstände, aus denen sich Schlüsse auf das künftige Verhalten des Disziplinarbeschuldigten und die abschreckende Auswirkung für das Verhalten anderer Ärzte ziehen lassen, abzustellen.

Dabei wird es - ähnlich wie bei der Vorbildbestimmung des § 43 Abs. 1 StGB - sinngemäß insbesondere auf die Art des Disziplinarvergehens, die Person des Disziplinarbeschuldigten, den Grad seiner Schuld und sein berufliches Verhalten als Arzt vor und nach dem zur Disziplinierung führenden Sachverhalt ankommen (vgl. sinngemäß auch etwa § 78 Abs. 2 der Wiener Dienstordnung 1994 zur bedingten Nachsicht einer Disziplinarstrafe).

Wie schon bei der Beurteilung, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Arzt von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, ist auch bei der Entscheidung über die bedingte Nachsicht der Strafe zu eruieren, ob bei Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit weiteren Dienstpflichtverletzungen zu rechnen wäre. Bei der dabei anzustellenden Prognose ist die Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit weiterer Disziplinarvergehen unter Bedachtnahme auf sein Verhalten vor sowie nach dem gesetzten disziplinär relevanten Sachverhalt nach einer Beurteilung seiner - auch in der Berufspflichtverletzung zum Ausdruck gebrachten - Persönlichkeit zu beurteilen.

Wie bei der Vorbildbestimmung des § 43 Abs. 1 StGB wird die spezialpräventive Erforderlichkeit der unbedingten Wirksamkeit der Disziplinarstrafe nicht erst dann anzunehmen sein, wenn sich die Aussichten auf ein künftiges Unterbleiben von Disziplinarvergehen in einer vagen Hoffnung erschöpfen würden, und umgekehrt nicht nur bei besonderer Gewähr dafür zu verneinen sein. Abzustellen ist vielmehr auf den dazwischen liegenden Maßstab einer begründeten Wahrscheinlichkeit (vgl. dazu sinngemäß Jerabek, a.a.O. Rz 17 zu § 43 und Rz 15 zu § 46). An die nur teilweise - nämlich in Bezug auf weitere gerichtlich strafbare Handlungen - auf die gleiche Gefahr bezogene Prognose des Strafgerichts ist die Disziplinarbehörde dabei, anders als hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen des Strafgerichts, nicht gebunden. Eine Gewährung der bedingten Strafnachsicht durch das Strafgericht, deren Gewicht auch von der Ausführlichkeit und dem näheren Inhalt ihrer Begründung abhängen wird, kann nur als Indiz gegen die Annahme einer Wiederholungsgefahr sprechen (vgl. zu ähnlichen spezialpräventiven Erwägungen im Disziplinarrecht der Beamten das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2005/09/0115).

Gemäß § 4 Abs. 2 Z 3 des ÄrzteG 1998 ist als eine der Voraussetzung für die selbständige Ausübung des ärztlichen Berufes als Arzt die Vertrauenswürdigkeit festgelegt. Der Wegfall der Vertrauenswürdigkeit führt gemäß § 59 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 zum Erlöschen der Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes, was gemäß Abs. 3 leg. cit. die Streichung von der Ärzteliste und die Feststellung der Ärztekammer zur Folge hat, dass eine Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht besteht. Umstände, die gegen das Weiterbestehen der Vertrauenswürdigkeit sprechen, werden in der Regel auch als Gründe zu bewerten sein, die im Fall eines Disziplinarvergehens gegen eine positive spezialpräventive Prognose im Sinne des § 139 Abs. 3 ÄrzteG 1998 sprechen. Das Vorliegen von Gründen für das Weiterbestehen der Vertrauenswürdigkeit wird demgegenüber eher für die Zulässigkeit einer bedingten Nachsicht aus spezialpräventiver Hinsicht sprechen. Vertrauenswürdigkeit bedeutet das "Sichverlassenkönnen" darauf, dass ein Arzt bei Ausübung des ärztlichen Berufes den Berufspflichten nach jeder Richtung entspricht. Es sind demnach insbesondere strafbare Handlungen bei der Ausübung des ärztlichen Berufes, aber auch sonstige Straftaten geeignet, die Vertrauenswürdigkeit eines Arztes zu erschüttern, sofern sich darin ein Charakter manifestiert, der auch in Zukunft die Begehung strafbarer Handlungen bei der Ausübung des ärztlichen Berufes erwarten lässt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 97/11/0317, und vom , Zl. 2010/11/0075).

Beurteilungen der Vertrauenswürdigkeit eines Arztes durch den nach § 124 Abs. 3 ÄrzteG 1998 eingerichteten beratenden Ausschuss, des Ehrenrates der Österreichischen Ärztekammer, sind für die das Disziplinarverfahren führende Disziplinarbehörde bzw. das Verwaltungsgericht allerdings nicht bindend; derartige Beurteilungen unterliegen ebenso wie Sachverständigengutachten der freien Beweiswürdigung durch die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht (vgl. dazu das ein Sachverständigengutachten betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/07/0095).

Im vorliegenden Fall hat das Landesverwaltungsgericht Tirol seine Beurteilung, dass die bloße Androhung der Streichung von der Ärzteliste genügen werde, um den Mitbeteiligten von weiteren Disziplinarvergehen abzuhalten, in erster Linie mit dem reumütigen Eindruck durch den Mitbeteiligten in der mündlichen Verhandlung und seiner dort gezeigten Bereitschaft begründet, die gebotenen rechtlichen und medizinischen Konsequenzen für sein weiteres Wirken als Arzt zu ziehen. Auch das Wohlverhalten des Mitbeteiligten seit dem Vorfall spreche für die bedingte Nachsicht der Disziplinarstrafe.

Diese Erwägungen sprechen ebenso wie die für den Mitbeteiligten abschreckende Wirkung der strafgerichtlichen Verurteilung für die Beurteilung, dass die Androhung der Streichung von der Ärzteliste unter diesem Gesichtspunkt genügen werde, um ihn von weiteren Disziplinarvergehen abzuhalten. Der vom Verwaltungsgericht weiter ins Treffen geführte Umstand, der gemäß § 124 Abs. 3 ÄrzteG 1998 eingesetzte Ehrenrat der österreichischen Ärztekammer habe dem Mitbeteiligten gegenüber dessen Vertrauenswürdigkeit ausgesprochen, ist demgegenüber für sich allein genommen für diese Beurteilung nicht von maßgeblicher Bedeutung, vielmehr allenfalls die Umstände, die den Ehrenrat zu einer solchen Meinungsäußerung veranlasst haben; diese sind im angefochtenen Erkenntnis aber nicht genauer angeführt, ebenso wie Erwägungen dazu, ob sich der Mitbeteiligte, wie vom Revisionswerber ausgeführt, erst mehrere Jahre nach der Tat schuldeinsichtig gezeigt hat.

Für die bedingte Nachsicht der Strafe nach § 139 Abs. 3 ÄrzteG 1998 ist aber nicht nur die begründete Annahme erforderlich, dass ihre Androhung genügen werde, um den Beschuldigten von weiteren Disziplinarvergehen abzuhalten, sondern auch, dass es nicht der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung von Disziplinarvergehen durch andere Ärzte entgegenzuwirken.

Der Oberste Gerichtshof hat zu § 43 Abs. 1 StGB ausgeführt, dass es unter dem positiven Aspekt der Generalprävention auf die Erhaltung und Stärkung der Normentreue im Allgemeinen und in Ansehung potenzieller Täter in ähnlicher Lage im Besonderen ankommt (vgl. die Entscheidung des ). Beim Gesichtspunkt der Generalprävention kommt es auf die Abschreckung potentieller Täter an und ist die Strafe und deren Vollzug als Mittel der Bekräftigung des Geltungsanspruches der Rechtsordnung insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung des Vertrauens der Bevölkerung auf Durchsetzung des Rechts zu sehen. Ein hoher Grad der Schuld, ein besonderes Gewicht und eine erhebliche Sozialschädlichkeit der Tat sowie die schweren Folgen einer Tat sprechen für die Strafvollstreckung und die Abstandnahme von einer bedingten Strafnachsicht aus generalpräventiver Sicht (vgl. Jerabek, a.a.O. Rzlen 18 und 22). Diese Erwägungen gelten grundsätzlich sinngemäß auch für die bedingte Nachsicht nach § 139 Abs. 3 ÄrzteG 1998.

Gerade hinsichtlich der Berufsausübung durch Ärzte, denen eine besondere Vertrauensstellung in der Bevölkerung bzw. Patientenschaft zukommen soll, ist es erforderlich, dem Ansehen der Ärzteschaft abträgliche Einflüsse hintanzuhalten und bei ärztlichem Fehlverhalten, etwa in Form mangelnder ärztlicher Gewissenhaftigkeit, eine entsprechende disziplinäre, spürbare Reaktion zu setzen, die der Öffentlichkeit ein ausreichendes Signal der Rechtsbewährung vermittelt.

Zwar kann generell keine Kategorie von Disziplinarvergehen vom Institut der bedingten Strafnachsicht ausgeschlossen werden. Jedoch ist bei einem Disziplinarvergehen, dessen zugrunde liegender - oben dargestellter Sachverhalt - dazu führte, dass der Arzt wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen verurteilt wurde und der verhängten Disziplinarstrafe vom Landesverwaltungsgericht zugrunde gelegt wurde, dass der Disziplinarbeschuldigte über einen längeren Zeitraum, grob und bewusst fahrlässig gehandelt hat, hinsichtlich der Generalprävention dem Erfordernis einer schlüssigen Begründung jedenfalls nicht entsprochen, wenn das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - lediglich ausführt, dass es nicht der Vollstreckung der Strafe bedürfe, um der Begehung von Disziplinarvergehen durch andere Ärzte entgegenzuwirken.

Gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG sind die Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte zu begründen. Nach § 60 des gemäß § 17 VwGVG anzuwendenden AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

In der Begründung des Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichts ist in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Parteien ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise darzutun, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete. Sind die einen tragenden Teil der Begründung darstellenden Ausführungen für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar und somit nicht überprüfbar, so liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der zur Aufhebung des Bescheides führt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/21/0249, mwN).

Das Verwaltungsgericht hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. zum Ganzen die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 0189/68, mwN, vom , Zl. 2009/09/0143, vom , Zl. 2013/09/0196, sowie etwa auch die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , U 1137/08, VfSlg 18799, und vom , U808/10, VfSlg 19181, siehe auch Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, zu § 60 RZ 7 ff).

Hinsichtlich der Frage, ob es der Vollstreckung der Strafe der Streichung aus der Ärzteliste bedarf, um der Begehung von Disziplinarvergehen durch andere Ärzte entgegenzuwirken, hat das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis aber nicht ausreichend begründet.

Weil nicht auszuschließen ist, dass das Verwaltungsgericht bei Vermeidung dieses Begründungsfehler zu einem anderen Erkenntnis hätte kommen können, wäre das in Revision gezogene Erkenntnis schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben. Das Erkenntnis ist jedoch auch mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Das Landesverwaltungsgericht führt auch aus, dass es sich beim gegenständlichen Krankheitsfall um einen sehr speziell und komplex gelagerten Fall gehandelt habe, in dem auch im Hintergrund die Eltern für die Handlungsweise des Mitbeteiligten wahrscheinlich eine große Rolle gespielt hätten. Es stellt einen "unglückliche(n) Krankheitsverlauf und schicksalhafte(n) Kindstod" fest. Diese Umstände sprächen für die bedingte Nachsicht der Strafe.

Dieser Beurteilung kann sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anschließen. Im Falle einer verurteilenden Entscheidung durch ein Strafgericht besteht nämlich eine Bindung der Verwaltungsbehörde und eines Verwaltungsgerichtes in der Frage, dass dadurch (vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens) mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt ist, dass die schuldig gesprochene Person die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des Strafurteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 98/21/0160, und vom , Zl. 2012/03/0021). Auch wenn im ÄrzteG 1998 eine solche Bindungswirkung nicht ausdrücklich normiert ist, folgt sie aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft, wie sie unanfechtbaren gerichtlichen Entscheidungen eigen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/09/0158).

Die materielle Rechtskraft des strafgerichtlichen Schuldspruchs bewirkt auch im gegenständlichen Fall, dass dadurch - vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens - mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann bindend festgestellt ist, dass der Mitbeteiligte die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des betreffenden Urteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/18/0133).

Im Strafurteil vom wurde der Mitbeteiligte rechtskräftig verurteilt, dass er in der Zeit von Ende 2008 bis fahrlässig den Tod des am geborenen JK unter besonders gefährlichen Verhältnissen herbeigeführt hat, indem er als behandelnder Hausarzt des Opfers in Kenntnis des bei diesem vorliegenden schweren kombinierten Immundefektes, des potentiell schweren, sogar tödlichen Verlaufes auch banaler Erkrankungen sowie in Kenntnis des Erfordernisses der Vorbeugung solcher Erkrankungen durch Verabreichung geeigneter Medikamente und Behandlung von Erkrankungen durch die Verabreichung ausreichender (intravenöser) Antibiotikagaben, am besten in einem Krankenhaus, sowie in Kenntnis der Häufung immer schwerer verlaufender Erkrankungen, JK bis zuletzt in häuslicher Pflege beließ und dort nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend, nämlich durch Verabreichung erforderlicher (intravenöser) Antibiotikagaben behandelte und auch nicht die Einlieferung in ein Krankenhaus veranlasste bzw. diesbezüglich nicht das Gespräch mit den Eltern des Opfers suchte. Dieser Sachverhalt stand für das Landesverwaltungsgericht ebenso bindend fest, wie dass der Mitbeteiligte dadurch das Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen gemäß § 81 Abs. 1 Z 1 StGB begangen hat.

In seiner Begründung hat das Landesgericht I. nach Beiziehung eines Sachverständigen zu diesem bindenden Ausspruch festgestellt, dass durch die Behandlung der zumindest in den letzten Wochen vor dem Tod des JK vorliegenden Lungenentzündung, der Ohrenentzündungen und der Durchfallerkrankung in einem Krankenhaus, verbunden mit intravenöser Gabe von Antibiotika, der Tod des JK am mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgewendet hätte werden können. Auf die einjährige Behandlung durch den Mitbeteiligten angesprochen, habe der Sachverständige ausgeführt, dass diese nicht als "eigentlich erfolgversprechend" bezeichnet werden könne; das Kind habe genau genommen Glück gehabt, dass es solange ohne ausreichende Behandlung überlebt habe.

Von einem "unglücklichen Krankheitsverlauf" und einem "schicksalshaften Kindestod" kann bei dieser Sachlage daher keine Rede sein. Vielmehr war der Tod des JK auf eine nicht "lege artis" durchgeführte Behandlung durch den Mitbeteiligten zurückzuführen.

Auch der vom Landesverwaltungsgericht in Betracht gezogene Umstand, dass im Hintergrund die Eltern für die Handlungsweise des Mitbeteiligten wahrscheinlich eine große Rolle gespielt hätten, spricht nicht für eine Herabminderung der gegen die bedingte Nachsicht der Disziplinarstrafe sprechenden Umstände: Ein Arzt hat nämlich gemäß § 49 Abs. 1 erster Satz des Ärztegesetzes 1998 jeden von ihm in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden und Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen. Es bedarf keines Hinweises auf Art. 1 und 6 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern, BGBl. I Nr. 4/2011, dass jeder Arzt in Ausübung seines Berufes verpflichtet ist, auch gegenüber und wenn erforderlich auch gegen die Obsorgeberechtigten Maßnahmen zum Schutz eines Kindes umzusetzen.

§ 176 Abs. 1 und 2 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (idF BGBl. I Nr. 35/2000, nunmehr § 181) lauten auszugsweise:

"§ 176. (1) Gefährden die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des minderjährigen Kindes, so hat das Gericht, von wem immer es angerufen wird, die zur Sicherung des Wohles des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen. Besonders darf das Gericht die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise, auch gesetzlich vorgesehene Einwilligungs- und Zustimmungsrechte, entziehen. Im Einzelfall kann das Gericht auch eine gesetzlich erforderliche Einwilligung oder Zustimmung ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen.

(2) Solche Verfügungen können von einem Elternteil, etwa wenn die Eltern in einer wichtigen Angelegenheit des Kindes kein Einvernehmen erzielen, den sonstigen Verwandten in gerader aufsteigender Linie, den Pflegeeltern (einem Pflegeelternteil), dem Jugendwohlfahrtsträger und dem mündigen Minderjährigen, von diesem jedoch nur in Angelegenheiten seiner Pflege und Erziehung, beantragt werden. Andere Personen können solche Verfügungen anregen."

Wenn sohin tatsächlich im Hintergrund die Eltern für die Handlungsweise des Mitbeteiligten eine große Rolle gespielt hätten, die gebotene Behandlung des Kindes hintanzuhalten, so wäre es die standesrechtliche Verpflichtung des Mitbeteiligten gewesen, erforderlichenfalls die Durchsetzung der notwendigen Behandlung auch mit Hilfe des zuständigen Bezirksgerichtes und des Jugendwohlfahrtsträgers zu veranlassen.

Auch dies hat das Landesverwaltungsgericht verkannt, dem es allerdings aufgrund der oben dargestellten Bindungswirkung verwehrt war, entgegen der Auffassung des Revisionswerbers abweichend vom Strafgericht hinsichtlich der subjektiven Tatseite Eventualvorsatz des Mitbeteiligten anzunehmen.

Nach dem Gesagten war das angefochtene Erkenntnis sohin wegen prävalierender Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Kostenantrag des Revisionswerbers war abzuweisen, da nach § 47 Abs. 4 VwGG der Revisionswerber bzw. der Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG in den Fällen des Art. 133 Abs. 8 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz haben.

Wien, am