VwGH vom 25.07.2013, 2011/15/0141

VwGH vom 25.07.2013, 2011/15/0141

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der A. GmbH in P, vertreten durch die Dkfm. Martin Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungsgesellschaft mbH in 4320 Perg,

Linzer Straße 36, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0240- G/09, betreffend Umsatzsteuer 2006 und September 2007 sowie Normverbrauchsabgabe Juli 2006, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird, soweit sie Umsatzsteuer 2006 und Umsatzsteuer September 2007 betrifft, als unbegründet abgewiesen.

Die Entscheidung über die Beschwerde, soweit sie die Normverbrauchsabgabe Juli 2006 betrifft, sowie über die Verfahrenskosten bleibt einem anderen Senat des Verwaltungsgerichtshofes vorbehalten.

Begründung

Das Finanzamt traf im Zuge einer Nachschau die Feststellung, dass das Kraftfahrzeug Hummer H1 nicht in der Liste der Pritschenwagen gemäß § 7 der "Verordnung 1996" und § 4 zweiter Gedankenstrich der "Verordnung 2002" enthalten sei. Die Fahrzeugdaten würden gegen eine Einstufung als LKW sprechen. So verfüge das Fahrzeug nur über eine kurze Ladefläche und habe eine höchst zulässige Nutzlast von 585 kg. Derartige Fahrzeuge würden - auch wenn sie kraftfahrrechtlich als LKW zugelassen seien - der Normverbrauchsabgabe unterliegen und seien auch nicht vorsteuerabzugsberechtigt.

Demgemäß seien die in den Jahren 2006 und 2007 geltend gemachten Vorsteuern nicht abzugsfähig. Weiter sei Normverbrauchsabgabe auf Grund der am erfolgten kraftfahrrechtlichen Zulassung des Fahrzeuges für den Kalendermonat Juli 2006 festzusetzen.

Das Finanzamt erließ am den Feststellungen der Nachschau folgende Bescheide (Umsatzsteuer 2006, Umsatzsteuer September 2007 und Normverbrauchsabgabe Juli 2006).

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diese Bescheide Berufung und machte geltend, Pritschenwagen (Pick-Up-Fahrzeuge) seien nach der Verordnung 2002 ausdrücklich nicht als Personen- oder Kombinationskraftwagen anzusehen. Die Verordnung bestimme weder eine bestimmte Länge der Ladefläche noch eine höchst zulässige Nutzlast bzw. eine Beschränkung derselben. Das Fahrzeug sei herstellerseitig für ein Gesamtgewicht von 4.672 kg gebaut. Ein Vergleich des Hummer H1 mit den in einem Erlass angeführten Pritschenwagen ergebe, dass der Hummer H1 den von jenen Fahrzeugen bekannten Kriterien entspreche oder diese sogar übertreffe. Der Hummer H1 sei sohin ebenfalls als Pritschenwagen einzustufen und daher nicht als Personen- oder Kombinationskraftwagen anzusehen; er sei somit vorsteuerabzugsberechtigt. Das Fahrzeug falle auch nicht unter Kraftfahrzeuge im Sinne des NoVAG, da die sogenannten Klein-LKW als Fahrzeuge der Zolltarifnummer 8704 nicht der Nova unterlägen. Das Fahrzeug sei gemäß § 34 KFG 1967 als Lastkraftwagen/N1 eingestuft worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges im Wesentlichen aus, das streitgegenständliche Fahrzeug Hummer H1 Turbo Diesel, Modell Open Top, Baujahr 1997, weise eine Gesamtlänge von 4686 mm und einen Radstand von 3310 mm auf; die Länge der offenen Ladefläche betrage 1200 mm; das viertürige Führerhaus sei mit einem Faltverdeck abgedeckt. Das höchst zulässige Gesamtgewicht betrage

3.480 kg, die höchst zulässige Nutzlast 585 kg. Das Fahrzeug sei mit 4 Türen ausgestattet und für die Beförderung von 4 Personen in 2 Sitzreihen zugelassen. Die Bauartgeschwindigkeit betrage 158 km/h.

Das Fahrzeug weise eine Geländegängigkeit auf, "die kein anderes Fahrzeug erreicht". Die hohe Bodenfreiheit, kurze Karosserieüberhänge, Rahmenbauweise, Allradantrieb, stark untersetztes Getriebe, Differentialsperre, verschränkungsfähiges Fahrwerk, grobes Reifenprofil und robuste Technik seien typische technische Bau- und Ausstattungsmerkmale für Geländefahrzeuge. Nach der Herstellerkonzeption sei ursprünglich die Beförderung von Soldaten im unwegsamen Gelände im Vordergrund gestanden. Die Beförderungsmöglichkeit von Ausrüstungsgegenständen stehe der hauptsächlichen Konzeption zur Personenbeförderung nicht entgegen.

Beim gegenständlichen Kraftfahrzeug handle es sich um ein "Fun-Car", das dem "echten Mann" ein besonderes Image verleihe, wobei das Fahrvergnügen und das erregte Aufsehen im Straßenverkehr im Vordergrund stehe, während die Möglichkeit, auf der relativ kleinen Ladefläche (Länge: 1200 mm; Breite 1300 mm) auch Lasten zu befördern, völlig in den Hintergrund trete. Überdies verleihe auch das äußere Erscheinungsbild (4-türiges, durch ein Faltverdeck abgedecktes Führerhaus mit Personenbeförderungsmöglichkeit von 4 Personen einschließlich Fahrer) dem Fahrzeug den Charakter eines typischen Personenkraftwagens, zumal die kurze, offene Ladefläche die Lastentransportmöglichkeit in den Hintergrund rücke.

Darüber hinaus sei nach § 4 zweiter Gedankenstrich der VO BGBl. II Nr. 193/2002 für die Qualifikation eines Pritschenwagens als Kleinlastkraftwagen im weiteren Sinn neben der kraftfahrrechtlichen die zolltarifarische Einstufung als Lastkraftwagen (Kraftfahrzeuge für die Warenbeförderung) zwingend erforderlich.

Nach den Erläuterungen zum harmonisierten System werde die Einreihung bestimmter Kraftfahrzeuge in die Position 8704 (Lastkraftwagen) durch besondere Merkmale bestimmt, die darauf hinwiesen, dass die Fahrzeuge ihrer Beschaffenheit nach eher zur Güter- denn zur Personenbeförderung (Position 8703) bestimmt sind. Diese Merkmale seien besonders bei der Einreihung von Kraftfahrzeugen hilfreich, die im Allgemeinen ein zulässiges Gesamtgewicht von weniger als 5 Tonnen aufwiesen und entweder über einen gesonderten, umschlossenen Rückraum oder eine offene hintere Plattform verfügten, die üblicherweise zur Güterbeförderung genutzt werde. In diese Gruppe fielen die sogenannten "Mehrzweck"fahrzeuge (z.B. Van-artige Fahrzeuge, gewisse Freizeit("Sports Utility")fahrzeuge und bestimmte Pick-ups). Zu diesen Merkmalen zählten u.a. das Vorhandensein von Schiebe-, Ausschwing- oder nach oben klappbaren Türen ohne Fenster an den Seitenteilen und das Fehlen von Komfortmerkmalen und Ausstattungen im Güterladebereich, die dem Passagierbereich des Fahrzeugs zugerechnet werden könnten.

Aus dem Foto im Einzelgenehmigungsbescheid sei ersichtlich, dass auch die hinteren Türen bzw. der rückwärtige Teil des Führerhauses für einen Personenkraftwagen typische Sichtfenster aufwiesen. Auch die laut Rechnung der Lieferfirma vorhandene Sonderausstattung "Leather" sei ein Ausstattungsmerkmal, das nicht für Lastkraftwagen, sondern für Personenkraftwagen typisch sei.

Das Führerhaus mit seinen zwei Sitzreihen sei raummäßig wesentlich größer als der Ladebereich in der offenen, vom Finanzamt auf Grund der Länge von 1,20 m wohl zutreffend als "kurz" bezeichneten Pritsche, zumal der Radstand des Fahrzeuges 3,31 m betrage. Ausgehend von der höchst zulässigen Nutzlast von 585 kg verbleibe bei Beförderung von vier Personen mit einem durchschnittlichen Gewicht von 75 kg für die Güterbeförderung nur mehr ein Gewicht von 285 kg. Auch dieses Gewichtsverhältnis (Personengewicht: 300 kg und Gütergewicht: 285 kg) sei ein Merkmal dafür, dass das strittige Fahrzeug hauptsächlich zur Beförderung von Personen gebaut sei. Das in der Berufung genannte "herstellerseitige Gesamtgewicht von 4.672 kg" entspreche nicht dem strittigen Fahrzeugmodell, dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht laut Einzelgenehmigungsbescheid lediglich 3.480 kg betrage.

Neben diesen Merkmalen spreche für die Beurteilung als Kraftfahrzeug, das hauptsächlich zur Personenbeförderung bestimmt sei, auch die Bauartgeschwindigkeit von 158 km/h.

Die Emotionen, die das in Rede stehende Fahrzeug unter "echten Männern" wecke, seien nicht mit einer Qualifikation als "Lastkraftwagen" in Einklang zu bringen. Auch das vom Führerhaus abnehmbare Faltverdeck sei ein Ausstattungsmerkmal, das eine für Personenkraftwagen typische, als Cabrio bezeichnete Karosseriebauform auszeichne.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 gelten Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren, die im Zusammenhang mit der Anschaffung (Herstellung), Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen, ausgenommen Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge, die ausschließlich zur gewerblichen Weiterveräußerung bestimmt sind, sowie Kraftfahrzeuge, die zu mindestens 80% dem Zweck der gewerblichen Personenbeförderung oder der gewerblichen Vermietung dienen, nicht als für das Unternehmen ausgeführt. Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung die Begriffe Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen näher bestimmen.

Die u.a. zu § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 ergangene Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die steuerliche Einstufung von Fahrzeugen als Kleinlastkraftwagen und Kleinbusse, BGBl. II Nr. 193/2002, lautet auszugsweise:

"§ 1. Kleinlastkraftwagen und Kleinbusse fallen nicht unter die Begriffe 'Personenkraftwagen' und 'Kombinationskraftwagen'.

§ 2. Als Kleinlastkraftwagen können nur solche Fahrzeuge angesehen werden, die sich sowohl nach dem äußeren Erscheinungsbild als auch von der Ausstattung her erheblich von einem der Personenbeförderung dienenden Fahrzeug unterscheiden. Das Fahrzeug muss so gebaut sein, dass ein Umbau in einen Personen- oder Kombinationskraftwagen mit äußerst großem technischen und finanziellen Aufwand verbunden und somit wirtschaftlich sinnlos wäre.

§ 3. (…)

(2) Der Kleinlastkraftwagen muss die angeführten Merkmale bereits werkseitig aufweisen. 'Werkseitig' bedeutet, dass allenfalls für die Einstufung als Kleinlastkraftwagen noch erforderliche Umbaumaßnahmen bereits vom Erzeuger oder in dessen Auftrag oder von dem gemäß § 29 Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1967 Bevollmächtigten oder in dessen Auftrag durchgeführt werden müssen.

§ 4. Nicht als Personen- oder Kombinationskraftwagen sind unter den im § 2 angeführten allgemeinen Voraussetzungen weiters folgende Fahrzeuge anzusehen (Kleinlastkraftwagen im weiteren Sinn):

(…)

- Pritschenwagen (Pick-Up-Fahrzeuge); das sind Fahrzeuge, die bereits werkseitig (§ 3 Abs. 2) so konstruiert sind, dass sie ein geschlossenes Führerhaus (mit einer Sitzreihe oder mit zwei Sitzreihen) und eine sich daran anschließende, grundsätzlich offene Ladefläche aufweisen. Die Ladefläche kann auch mit einem Hardtop, einer Plane oder einer ähnlichen zum Schutz der Transportgüter bestimmten Zusatzausstattung versehen werden. Die Fahrzeuge müssen kraftfahrrechtlich und zolltarifarisch als Lastkraftwagen (Kraftfahrzeuge für die Warenbeförderung) einzustufen sein.

(…)

§ 6. (1) Die Verordnung ist in Bezug auf die Umsatzsteuer in allen nicht rechtskräftigen Fällen anzuwenden.

(2) Die Verordnung ist in Bezug auf die Einkommensteuer auf Fahrzeuge anzuwenden, die ab angeschafft (hergestellt) werden bzw. bei denen der Beginn der entgeltlichen Überlassung ab erfolgt.

(3) Entsprechend dem In-Kraft-Treten dieser Verordnung tritt die Verordnung BGBl. Nr. 273/1996 außer Kraft."

Der Verwaltungsgerichtshof ist in seinem Erkenntnis vom , 2010/15/0185, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zum Ergebnis gelangt, dass ein Kraftfahrzeug der Marke Hummer H1 sich dem äußeren Erscheinungsbild nach nicht von einem der Personenbeförderung dienenden Fahrzeug unterscheidet (§ 2 der Verordnung BGBl. II Nr. 193/2002) und nach seinem allgemeinen Erscheinungsbild und der Gesamtheit seiner Merkmale als hauptsächlich zur Beförderung von Personen gebaut und somit nicht als Lkw im Sinne der Position 8704 der Kombinierten Nomenklatur (Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif) einzustufen ist.

Somit wurde aber die Beschwerdeführerin nicht in subjektiven Rechten verletzt, wenn die belangte Behörde das Fahrzeug Hummer H1 als Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen iSd § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 beurteilt hat.

Diese Regelung (§§ 2 und 4 der Verordnung BGBl. II Nr. 193/2002 betreffend Pritschenwagen) ist auch unionsrechtlich unbedenklich (vgl. hiezu näher Ruppe/Achatz, UStG4, § 12 Tz 191 ff), da diese Bestimmungen jenen der Verordnung BGBl. Nr. 134/1993 entsprechen.

Im Hinblick auf diese rechtliche Beurteilung kann in der Beschwerde nicht aufgezeigt werden, dass Verfahrensvorschriften außer acht gelassen worden wären, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Soweit hiezu auch geltend gemacht wird, das höchst zulässige "Gesamtgewicht" betrage 4.670 kg, sodass unter Berücksichtigung des "Leergewichtes" von 3.560 kg und einer möglichen Personen-Nutzlast von 280 kg noch eine Lasten-Nutzlast von 830 kg verbleibe, so kann die Beschwerde aber nicht dartun, dass die Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde zur Frage des höchst zulässigen "Gesamtgewichtes" (3.480 kg), welche die belangte Behörde auf den Einzelgenehmigungsbescheid des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom gestützt hatte, unter Verletzung von Verfahrensvorschriften getroffen worden wäre.

Die Beschwerde war daher, soweit sie Umsatzsteuer für das Jahr 2006 und für September 2007 betrifft, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über die Beschwerde, soweit sie die Normverbrauchsabgabe betrifft, sowie über die Verfahrenskosten bleibt dem nach der Geschäftsverteilung dafür zuständigen Senat des Verwaltungsgerichtshofes vorbehalten.

Wien, am