VwGH vom 20.01.2015, 2014/09/0004
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der Dr. J in W, vertreten durch Dr. Johannes Eltz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mölkerbastei 10, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice vom , Zl. LGSW/3/08114/ABA 1604599/2013, betreffend Anzeigebestätigung nach der Ausländerbeschäftigungsverordnung (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Ausstellung einer Anzeigebestätigung für die Beschäftigung der kenianischen Staatsangehörigen ZWM (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) als Au-pair-Kraft gemäß § 1 Abs. 4 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) iVm § 1 Z. 10 der Ausländerbeschäftigungsverordnung (AuslBVO) abgewiesen.
In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführerin sei bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgehalten worden, dass ein Au-pair-Mädchen in einem Schreiben an die Österreichische Botschaft in Paris detailliert seinen Aufenthalt in Österreich geschildert habe und mit dem sie andere Au-Pairs warnen möchte. Sie habe sich in einer Internet-Plattform um eine Au-pair-Stelle beworben und sei in eine Art von Au-pair-Müttern-Großfamilie in Wien und Graz geraten, zu der auch die Beschwerdeführerin gehöre. Einige Au-pairs seien nicht wie vertraglich vorgesehen in der Wohnung der Au-pair-Familie, sondern in gesonderten Appartements untergebracht gewesen, wo sie zum Teil ein Zimmer hätten teilen müssen. Einige Au-Pairs wären auch dazu angehalten gewesen, einen schwerkranken Mann zu betreuen. Es seien auch Kleidervorschriften gemacht worden.
Die Beschwerdeführerin habe nicht in Abrede gestellt, dass eine namentlich genannte Au-pair-Kraft im Zeitraum Mai bis November 2011 in Graz gewohnt habe und dort in der Betreuung eines Schwerkranken eingebunden gewesen sei. Zum Vorwurf, die Au-Pairs müssten bestimmte Kleidervorschriften akzeptieren, habe die Beschwerdeführerin festgestellt, dass es solche für bestimmte Anlässe gebe und es einem Au-Pair im Übrigen frei stehe, sich diesen Vorschriften zu unterwerfen oder zu gehen.
Aus der Sicht der erstinstanzlichen Behörde hätten die Vorwürfe der Autorin des Briefes nicht entkräftet werden können, die Erstbehörde habe den Antrag der Beschwerdeführerin daher abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung ausgeführt, Bekleidungsvorschriften unterlägen nicht dem Zuständigkeitsbereich des Arbeitsmarktservice und die Behauptung, einem Au-pair-Mädchen sei das Tragen alter Kleider der Beschwerdeführerin abverlangt worden, sei absurd. Vielmehr sei einer Au-pair-Kraft, der oft dazu die eigenen Mittel fehlten, Kleidung, in der Regel Designerkleidung und keineswegs von der Beschwerdeführerin vorgetragene Kleidung, zur Verfügung gestellt worden. Ob eine Au-Pair dies in Anspruch nehme, sei deren Entscheidung. Außerdem seien Au-Pairs volljährige Personen, die eigenständig entschieden, ob sie in einer Gastfamilie mit leben wollten. Im Gesetz und in der AuslBVO sei auch nicht vorgeschrieben, dass ein Au-Pair ein versperrbares Einzelzimmer zur Verfügung gestellt bekommen müsse. Das in dem Schreiben an die österreichische Botschaft angeführte Au-pair-Mädchen der Beschwerdeführerin habe zu keinem Zeitpunkt einen schwerkranken Mann betreuen müssen. In der Familie habe ein über 90 Jahre alter Mann in seinen letzten Lebenstagen gelebt.
Zu den Berufungsausführungen der Beschwerdeführerin führte die belangte Behörde aus, in dem Schreiben an die österreichische Botschaft sei ein autoritäres Klima in der Großfamilie der Beschwerdeführerin beschrieben worden, in dem Au-Pairs, darunter auch ein Au-pair-Mädchen der Beschwerdeführerin, unter anderem durch Kleidervorschriften weltanschaulich erzogen hätten werden sollen. Wenn die Beschwerdeführerin darauf hinweise, dass niemand zu einem bestimmten Tun verpflichtet worden sei, werde diese Devise relativiert, wenn es sich um junge unerfahrene Menschen handle, die eine fremde Kultur beträten, wie Mädchen aus der Mongolei oder Kenia, aber auch, wenn sie, wie in dem Schreiben eines Au-pair-Mädchens an die österreichische Botschaft beschrieben, dem Druck einer Gruppe von Personen ausgesetzt seien, die über ihre Aufmachung und über ihr Verhalten befänden, und Überlegungen zu ihrem Sexualverhalten anstellten. Vollends unglaubwürdig werde das Laissez-faire-Prinzip aber, wenn durch die Auszahlung von "Prämien" von dritter Seite Anpassung honoriert und Abweichung bestraft werde, wie dies auf der vorletzten Seite des angeführten Briefes beschrieben sei.
Die Forderung, fremde Kleider zu tragen, stelle einen Eingriff in die Privatsphäre eines Menschen dar, die im Rahmen eines Dienstverhältnisses objektive Gründe (Schutzkleidung, Repräsentationspflichten) haben müsse. Solche Gründe könnten in Verbindung mit einem Au-Pair, das für leichte Hausarbeit und die Betreuung von Kindern zuständig sei, nicht erkannt werden.
In der Familie der Beschwerdeführerin hätten Au-pair-Mädchen ihr Zimmer mit anderen Mädchen teilen müssen und hätten Dritte zu ihrem Zimmer Zutritt gehabt ("Als ich in mein Zimmer zurückkehrte, war ich überrascht einen alten Mann unter einer Sauerstoffmaske in meinem Bett zu sehen" (übersetzt)). Ein Au-pair-Mädchen der Beschwerdeführerin sei mit fünf anderen Au-pair-Mädchen im zweiten Stock eines Hauses untergebracht worden und hätte einen alten Mann durch Einflößen von Suppe, Hilfestellung beim Treppensteigen, Begleitung auf die Toilette und stundenweise Überwachung des Schlafes betreuen müssen. Die Beschwerdeführerin habe dies zwar bestritten aber eingeräumt, dass es eine solche pflegebedürftige Person gegeben habe, und "die ganze Familie ... in dessen letzten Lebenstagen beisammen" gewesen sei.
Die Beschwerdeführerin habe die zur Verfügung gestellte Bekleidung sowohl als Schutzkleidung als auch als Kleidung für Repräsentationspflichten gesehen und ausgeführt, ihr Au-pair-Mädchen habe ein versperrbares Zimmer zur alleinigen Benützung zur Verfügung gehabt, das sie auf Wunsch mit Freundinnen geteilt habe.
Die belangte Behörde führte weiters wie folgt aus (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof, Schreibweise im Original):
"In Ihren Stellungnahmen im Rahmen des Berufungsverfahrens ( und ) zu den Parteiengehören vom und vom behaupten sie,
1. dass Au-Pairs nicht als DienstnehmerInnen zu betrachten seien. Dies ist nach der Ansicht der Berufungsbehörde unrichtig, da auf Au-Pairs das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz sowie der Mindestlohntarif für Au-Pairs Anwendung findet und der Umstand, dass Au-Pairs als geringfügig Beschäftigte nur unfallversichert sind, auf ihre Qualität als Arbeitskräfte keinen Einfluss hat;
2. das Arbeitsmarktservice habe nicht das Recht die Einhaltung des Au-Pair-Vertrages zu prüfen, da es nicht Vertragspartei sei. Diese Behauptung steht nach Ansicht der Berufungsbehörde in Widerspruch zur Formulierung des § 1 Z 10 AuslBVO und den dazu ergangenen Erläuterungen;
3. dass Ihre Au-Pairs aus Repräsentations- und Schutzgründen angehalten würden, andere als ihre mitgebrachten Kleider anzulegen. Nach Ansicht der Berufungsbehörde sind Ihre Beispiele (Ärztemäntel und die Nivellierung von Klassenunterschieden) nicht geeignet, Bekleidungsvorschriften zu rechtfertigen, die manche Au-Pairs als Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit empfinden (Elle a beaucoup insiste.', ‚Mercredi, on n'a pas arrete de me dire que mes baskets ne convenaient pas');
4. dass es den Au-Pair-Vertragspartnern überlassen sei, ob ein Einzelzimmer zur Verfügung gestellt werde oder nicht. Auch das ist nach der Berufungsbehörde unrichtig da der Au-Pair-Vertrag, der den Erläuterungen zu § 1 Z 10 AuslBVO zufolge Bestandteil der Bestimmung ist, ausdrücklich vorsieht, dass dem Au-Pair ein versperrbares Zimmer zur alleinigen Benützung zur Verfügung gestellt wird. In der oa. Beschwerde des Au-Pairs wurde auf eine Verletzung dieser Vertragsbestimmung hingewiesen;
5. dass Ihnen keine Obsorgepflichten gegenüber Ihren Au-Pairs zukämen, da jene volljährig und im Übrigen nicht Ihre Dienstnehmer seien. Diese Behauptung wurde mit Auszügen aus verschiedenen Gesetzen zum Thema Arbeitgeberpflichten versehen, deren argumentativ- logischer Einschaltung die Berufungsbehörde nicht folgen kann.
6. Wenn Sie auf behördeninterne Verständigungen hinweisen, in deren Kenntnis Sie durch eine Akteneinsicht gelangt sind, so darf daran erinnert werden, dass das Arbeitsmarktservice von der Beschwerde der Frau N L über die österreichische Botschaft Paris, das Außenministerium vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz verständigt wurde, worauf das Parteiengehör auch hingewiesen hat. Die Weitergabe von Schriftstücken folgt dem Weisungszusammenhang des § 58 Abs 2 AMSG. Die Landesgeschäftsstelle Wien als Berufungsbehörde war in das erstinstanzliche Verfahren nicht einbezogen, hatte aber Kenntnis von den Beschwerdeschreiben. Zu keinem Zeitpunkt wurde von der Berufungsbehörde behauptet, dass Frau L Ihr Au-Pair gewesen sei.
7. In Ihrer Stellungnahme vom erwähnten Sie ein weiteres Beschwerdeschreiben, das Ihnen bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorgehalten worden wäre. Nachdem Sie es aber im vorliegenden Verfahren nach Einsicht Ihres Rechtsvertreters in den Akt einer anderen von ihm vertretenen Partei explizit angesprochen und somit eine Beziehung zwischen beiden Beschwerdeschreiben hergestellt haben, wurde Ihnen Gelegenheit geboten, auch zu der zweiten Beschwerde Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom haben Sie lediglich diesen Vorhalt ohne weitere Erläuterungen als rechtswidrig erklärt.
Ihr Vorbringen war insgesamt nicht geeignet, die Ansicht der Berufungsbehörde, dass der wahre wirtschaftliche Gehalt der verfahrensgegenständlichen Tätigkeit nicht dem eines Au-Pair-Verhältnisses im Sinne von § 1 Ziffer 10 AuslBVO entspricht, zu widerlegen"
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift sowie nach Abweisung seines Antrages auf Aufhebung des § 1 Z. 10 der Ausländerbeschäftigungsverordnung, BGBl. Nr. 609/1990 idF BGBl. II Nr. 54/2006, wegen Gesetzwidrigkeit durch den Verfassungsgerichtshof mit dessen Erkenntnis vom , V 67/2013 ua Zlen., erwogen:
Das gegenständliche Beschwerdeverfahren war am beim Verwaltungsgerichtshof anhängig; die Beschwerdefrist ist vor diesem Zeitpunkt abgelaufen. Aus dem Grunde des § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG waren auf dieses Verfahren daher die am geltenden Bestimmungen anzuwenden. Dies gilt - gemäß § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014 - auch für die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die folgenden Zitate des VwGG in dieser Entscheidung beziehen sich auf dessen am in Kraft gestandene Fassung.
Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die Bestätigung für die von ihr beantragte kenianische Au-pair-Kraft gemäß § 1 Z. 10 AuslBVO erteilt hätte werden müssen. Bei der erstmaligen Bestätigung einer Anzeige dürfe die Behörde den wahren wirtschaftlichen Gehalt des zukünftigen Au-pair-Verhältnisses nicht prüfen, dies könne vor dessen Beginn abstrakt nicht festgestellt werden. Es könne vielmehr nur festgestellt werden, ob der Au-pair-Vertrag durch eine befugte Agentur zu Stande gekommen sei. Auf Grund der Nichtablehnung binnen 14 Tagen gälte die Anzeige ex lege als bestätigt. Das Au-pair-Verhältnis sei kein Arbeits- oder Dienstverhältnis, da es explizit aus dem ASVG ausgenommen sei. Hätte das Arbeitsmarktservice gegen die Tätigkeit des im Schreiben an die österreichische Botschaft in Paris erwähnten Au-pair-Mädchens bei der Beschwerdeführerin Einwände gehabt, so hätte es amtswegig vorgehen müssen, dies habe das Arbeitsmarktservice jedoch unterlassen.
Der Au-Pair stehe ein versperrbares Einzelzimmer zur Verfügung. Wenn sich ein Au-Pair dazu entschließe, dieses Zimmer nicht immer zu benützen, sondern gemeinsam mit einer Freundin zu übernachten, wie dies im Fall eines Au-Pairs der Beschwerdeführerin geschehen sei, so werde die Beschwerdeführerin dem nicht entgegen stehen.
Die Unterkunft des Au-Pairs könne an der Wohnadresse der Gastmutter oder des Gastkindes oder an einem anderen Ort erfolgen. Gewährleistet müsse lediglich die Unterkunft sein oder ein finanzieller Ausgleich dafür (§ 3 Mindestlohntarif für Au-pair-Kräfte).
Es gebe keine Bestimmung, die das Arbeitsmarktservice dazu berechtige, überhaupt und im speziellen vor Antritt der Au-Pair Beschäftigung zu überprüfen, ob das Au-Pair ein versperrbares Zimmer zur alleinigen Benützung zur Verfügung gestellt bekommen werde.
Die Beschwerdeführerin müsse als Ärztin immer gut gekleidet sein, daher könne sie von ihren Au-Pairs dies ebenfalls erwarten, bei der zur Verfügung gestellten Bekleidung handle es sich um Neuware oder gebrauchte Designerkleidung.
§ 1 Z. 10 der Ausländerbeschäftigungsverordnung, BGBl. Nr. 609/1990 idF BGBl. II Nr. 54/2006 lautet:
"§ 1. Vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes sind ausgenommen:
...
10. Ausländer zwischen 18 und 28 Jahren für eine längstens zwölf Monate dauernde Beschäftigung als Au-pair-Kraft, welche die Gastfamilie zwei Wochen vor Beginn der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice angezeigt und für die das Arbeitsmarktservice eine Anzeigebestätigung ausgestellt hat. Die Bestätigung ist binnen zwei Wochen mit einer Geltungsdauer von sechs Monaten auszustellen und kann um weitere sechs Monate verlängert werden, wenn die Au-pair-Kraft nicht unerlaubt vermittelt wurde, in den letzten fünf Jahren insgesamt länger als ein Jahr als Au-pair-Kraft in Österreich beschäftigt war und weiterhin gewährleistet ist, dass das Ausmaß und der wirtschaftliche Gehalt der Tätigkeit dem eines Au-pair-Verhältnisses entspricht und insbesondere der Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache nachgewiesen wird;
..."
§ 1 Z 10 AuslBVO wird auch in § 49 Abs. 8 letzter Satz ASVG erwähnt.
§ 49 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. 189/1955 idF BGBl. I 139/2013, lautet - auszugsweise - wie folgt:
"§ 49. (1) Unter Entgelt sind die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält. (...)
(3) Als Entgelt im Sinne des Abs. 1 und 2 gelten nicht:
(...)
27. für Au-pair-Kräfte nach Abs. 8 neben dem Wert der vollen freien Station samt Verpflegung jene Beträge, die der Dienstgeber für ihren privaten Krankenversicherungsschutz und für ihre Teilnahme an Sprachkursen und kulturellen Veranstaltungen aufwendet;
(...)
(8) Au-pair-Kräfte im Sinne des Abs. 3 Z 27 sind Personen, die
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- | mindestens 18 und höchstens 28 Jahre alt und keine österreichische StaatsbürgerInnen sind, |
- | sich zum Zweck einer Au pair Tätigkeit, die der Vervollkommnung der Kenntnisse der deutschen Sprache und dem Kennenlernen der österreichischen Kultur dient, in Österreich aufhalten, |
- | eine dem Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz unterliegende und höchstens zwölf Monate dauernde Beschäftigung im Haushalt einer Gastfamilie ausüben, |
- | in die Hausgemeinschaft aufgenommen sind und |
- | im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses Kinder der Gastfamilie betreuen. |
Sofern § 1 Z 10 der Ausländerbeschäftigungsverordnung, BGBl. Nr. 609/1990, anzuwenden ist, muss eine entsprechende Anzeigebestätigung des Arbeitsmarktservice und erforderlichenfalls eine gültige Aufenthaltsbewilligung vorliegen." | |
Das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, BGBl. Nr. 235/1962, lautet auszugsweise: |
"§ 2. (1) Bei Begründung des Dienstverhältnisses sind die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis in einem Dienstschein laut Muster (Anlage zu diesem Bundesgesetz) aufzuzeichnen. Der Dienstschein ist vom Dienstgeber und vom Dienstnehmer, bei Jugendlichen von dessen gesetzlichem Vertreter, zu unterschreiben; eine Gleichschrift desselben ist dem Dienstnehmer auszuhändigen. Diese Vorschriften gelten auch für Abänderungen und Ergänzungen der im Dienstschein aufgezeichneten Rechte und Pflichten. Dienstscheine sind von Stempeln und Rechtsgebühren befreit.
(2) Bei Begründung des Dienstverhältnisses hat der Dienstgeber dem Dienstnehmer eine Ausfertigung dieses Bundesgesetzes in jeweils geltender Fassung sowie allfällige anzuwendende Kollektivverträge oder Mindestlohntarife oder ein von der gesetzlichen Interessenvertretung der Dienstnehmer aufgelegtes Merkblatt über den Dienstvertrag der Hausgehilfen auszuhändigen.
(3) Der Dienstnehmer hat die Dienste in eigener Person zu leisten und den durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigten Anordnungen des Dienstgebers zu entsprechen. Er hat die seiner Obsorge anvertrauten Personen und Sachen pflichtgemäß zu behandeln, im Rahmen des Dienstverhältnisses die Interessen des Dienstgebers wahrzunehmen und die Gebote der Sittlichkeit zu beachten. Er ist ferner zur Verschwiegenheit über alle Wahrnehmungen verpflichtet, die das Familienleben des Dienstgebers und der übrigen Angehörigen seines Hausstandes betreffen.
...
§ 4. (1) Wird dem in die Hausgemeinschaft aufgenommenen Dienstnehmer ein eigener Wohnraum zur Verfügung gestellt, muß er den gesundheits-, bau- und feuerpolizeilichen Vorschriften entsprechen und so beschaffen sein, daß die Sittlichkeit des Dienstnehmers nicht gefährdet ist; er muß in der Zeit, während der es die Außentemperatur erfordert, heizbar, von innen und außen abschließbar sein und die erforderliche Einrichtung insbesondere auch einen versperrbaren Kasten, enthalten.
(2) Kann dem Dienstnehmer kein eigener Wohnraum, sondern nur eine Schlafstelle zur Verfügung gestellt werden, so gilt hinsichtlich des Raumes, in dem sich die Schlafstelle befindet, die Vorschrift des Abs. 1; er muß jedoch nur von innen abschließbar sein.
(3) Dienstnehmer, deren Entgelt auch aus Verpflegung besteht, müssen eine gesunde und hinreichende Kost erhalten, die in der Regel der der erwachsenen gesunden Familienmitglieder entspricht.
...
Fürsorgepflicht.
§ 8. Der Dienstgeber hat bei der Regelung der einzelnen Dienstleistungen dafür zu sorgen, daß weder die verlangten Verrichtungen noch die Arbeitsgeräte und Arbeitsräume das Leben, die Gesundheit, die Sittlichkeit und das Eigentum des Dienstnehmers gefährden. Bei Erfüllung dieser Pflicht hat der Dienstgeber auf das Lebensalter, das Geschlecht und den allgemeinen Zustand des Dienstnehmers entsprechend Rücksicht zu nehmen."
§ 1 Z. 10 AuslBVO ist zur Gänze im Rechtsbestand verblieben und daher anzuwenden und dafür ein sinnvoller Inhalt zu ermitteln.
§ 49 Abs. 3 Z. 27 ASVG sieht vor, dass für Au-pair-Kräfte neben dem Wert der vollen freien Station und Verpflegung jene Beträge, die der Dienstgeber für ihren privaten Versicherungsschutz und für ihre Teilnahme an Sprachkursen und kulturellen Veranstaltungen aufwende, nicht als Entgelt gelten. Im Zusammenhang der Berechnung des sozialversicherungsrechtlichen Entgelts ist der Begriff der "Au-pair-Kraft" weiters in § 49 Abs. 8 ASVG - für den vorliegenden Zusammenhang als lex fugitiva - gesetzlich definiert. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist aber davon auszugehen, dass angesichts des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 89/09/0159, Slg. Nr. 13215 A, und vom , Zl. 2005/17/0007), dem Begriff "Au-pair-Kraft" das auf diese Weise umschriebene Begriffsverständnis auch im vorliegenden Zusammenhang zu Grunde zu legen ist, auch wenn nicht übersehen wird, dass § 49 Abs. 8 ASVG zu einem späteren Zeitpunkt als § 1 Z. 10 AuslBVO in Kraft getreten ist; der Bundesgesetzgeber hat dergestalt einen in einer Verordnung vorgefundenen Begriff klarer definiert. Die Begriffsbestimmung des § 49 Abs. 8 ASVG ist auch dem Begriff Aupair-Kraft im Sinne des § 1 Z. 10 AuslBVO zu Grunde zu legen. Nur die Verwendung einer Au-pair-Kraft im Sinne und im Ausmaß der in § 49 Abs. 8 ASVG festgelegten Begriffsumschreibung entspricht dem § 1 Z. 10 AuslBVO und nur für eine dieser Begriffsbestimmung entsprechende Verwendung darf eine Anzeigebestätigung nach § 1 Z. 10 AuslBVO ausgestellt werden. (Das European Agreement on "au pair" Placement, European Treaty Series No. 68, wurde von Österreich weder unterzeichnet noch ratifiziert, es ist kein Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung.)
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde gemeint, die von der Beschwerdeführerin beantragte Anzeigebestätigung für Frau ZWM versagen zu müssen, weil nicht gewährleistet sei, "dass das Ausmaß und der wirtschaftliche Gehalt der Tätigkeit dem eines Au-pair-Verhältnisses entspricht".
Die Beschwerdeführerin meint, bei der erstmaligen Bestätigung einer Anzeige dürfe die Behörde den wahren wirtschaftlichen Gehalt des zukünftigen Au-pair-Verhältnisses nicht prüfen, dies könne vor dessen Beginn abstrakt nicht festgestellt werden. Es könne vielmehr nur festgestellt werden, ob der Au-pair-Vertrag durch eine befugte Agentur zu Stande gekommen sei.
Dieser Auffassung der Beschwerdeführerin kann sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anschließen. Unzutreffend ist auch die Auffassung der Beschwerdeführerin, auf Grund der Nichtablehnung binnen 14 Tagen gälte die Anzeige ex lege als bestätigt, dafür besteht eine Grundlage weder im Gesetz noch in einer Verordnung. § 3 Abs. 6 drittletzter Satz AuslBG ist hier nicht anzuwenden.
Auch bei ihrer erstmaligen Entscheidung, ob für eine bestimmte Ausländerin eine Anzeigebestätigung als Au-pair-Kraft gemäß § 1 Z. 10 AuslBGVO auszustellen ist, hat sich die Behörde des Arbeitsmarktservice vielmehr damit auseinanderzusetzen, ob und inwiefern die Beschäftigung der Au-pair-Kraft den in § 1 Z. 10 AuslBVO iVm § 49 ASVG festgelegten Voraussetzungen entsprechen werde. Wenn der verordnungserlassende Bundesminister formuliert, es müsse "weiterhin" gewährleistet sein, dass das Ausmaß und der wirtschaftliche Gehalt der Tätigkeit dem eines Aupair-Verhältnisses entspricht, so deutet dies dahin, dass diese Voraussetzung auch bei der erstmaligen Ausstellung der Bestätigung gegeben sein muss. Es ist daher bei der Ausstellung einer solchen Bestätigung, sei es bei der erstmaligen Erteilung oder bei deren Verlängerung, die Beurteilung zu treffen, ob das Ausmaß und der wirtschaftliche Gehalt der Tätigkeit dem eines Au-pair-Verhältnisses entsprechen werde (zu einer von der Umschreibung des Antragstellers ausgehenden Beurteilung betreffend einen Arbeitsplatz bzw. den wahren wirtschaftlichen Gehalt einer zukünftigen Tätigkeit nach dem AuslBG vgl. etwa auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2001/09/0224, vom , Zl. 2003/09/0162 und vom , Zl. 2009/09/0240).
Bei der Tätigkeit einer Au-pair-Kraft handelt es sich um die Tätigkeit einer in die Hausgemeinschaft aufgenommenen Dienstnehmerin (oder eines Dienstnehmers) nach dem Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, deren Arbeitsplatz durch die Aufgabe der "Betreuung von Kindern der Gastfamilie" gekennzeichnet ist und die sich zugleich zum Zweck des Erwerbs von Kenntnissen der deutschen Sprache und dem Kennenlernen der österreichischen Kultur in Österreich aufhält.
Vor der ihr durch § 1 Z. 10 AuslBVO aufgetragenen Entscheidung über die Ausstellung einer Anzeigebestätigung für eine Au-pair-Kraft hat die Behörde daher nähere Feststellungen über die Bedingungen der von der Antragstellerin beabsichtigten Beschäftigung einer Au-pair-Kraft, insbesondere dahingehend zu treffen, welche Kinder in welchem Haushalt zu betreuen sind und worin die Aufgaben der Au-pair-Kraft bestehen werden sowie weiters, auf welche Weise sie in die Hausgemeinschaft aufgenommen und welcher Wohnraum oder Schlafplatz ihr zur Verfügung gestellt wird. Ausgehend von solchen Feststellungen ist in einem weiteren Schritt zu beurteilen, ob die Beschäftigung auf einem solchen Arbeitsplatz mit solchen Bedingungen nach dem Ausmaß und dem Gehalt der Tätigkeit dem eines Au-pair-Verhältnisses im Sinne des § 1 Z. 10 AuslBVO iVm § 49 Abs. 8 ASVG entspricht, insbesondere auch den im Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, vor allem dessen § 4 und § 8, näher festgelegten Bedingungen.
Wenn die belangte Behörde meint, die "Erläuterungen zu § 1 Z. 10 AuslBVO" sähen vor, der dort angeführte Au-pair-Vertrag bilde einen Bestandteil des § 1 Z. 10 AuslBVO und in diesem Vertrag sei vorgesehen, dass dem Au-pair ein versperrbares Zimmer zur alleinigen Benützung zur Verfügung gestellt werde, und es stehe die Ansicht der Beschwerdeführerin, das Arbeitsmarktservice habe nicht das Recht die Einhaltung des Au-pair-Vertrages zu prüfen, im Widerspruch zur Formulierung des § 1 Z. 10 AuslBVO und den dazu ergangenen Erläuterungen, so verkennt sie zwar, dass die von ihr angeführten Erläuterungen zur AuslBVO ebensowenig wie ein Au-Pair-Vertrag Bestandteil des § 1 Z. 10 AuslBVO sind. Die belangte Behörde hat aber zutreffend erkannt, dass Mindestanforderungen an den Wohnraum, nämlich in § 4 Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz für die Au-pair-Kraft bestehen und auch für die Ausstellung einer Anzeigebestätigung für eine Au-pair-Kraft wesentlich sind.
Besondere Bekleidungsvorschriften könnten allenfalls als Indiz dafür gewertet werden, dass es sich bei der konkreten Tätigkeit einer beantragten Ausländerin als Au-pair-Kraft nicht um die Tätigkeit einer Au-pair-Kraft sondern in Wahrheit um die Beschäftigung als Gesellschaftsdame oder mit Repräsentationsaufgaben betraute Dienstnehmerin handeln könnte.
Im vorliegenden Fall hat sich die belangte Behörde mit der Tätigkeit von Au-pair-Kräften in der Großfamilie der Beschwerdeführerin im Jahr 2011 und mit einem diesbezüglichen Beschwerdeschreiben eines Au-pair-Mädchens befasst, wonach damals Au-pair-Mädchen mit der Betreuung und Pflege eines alten Mannes beschäftigt worden seien. Ein weiteres Beschwerdeschreiben hat die belangte Behörde nur erwähnt, ohne dessen Inhalt anzugeben. Weiters hat die belangte Behörde Kritik an der Auffassung der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Erforderlichkeit der Bereitstellung eines eigenen Schlafraumes für Au-pair-Kräfte sowie an den von ihr vertretenen Bekleidungsvorschriften geübt.
Die belangte Behörde hat es im angefochtenen Bescheid jedoch unterlassen, ausgehend vom näheren Vorbringen der antragstellenden Partei und einem vorgelegten Dienstvertrag konkrete Feststellungen insbesondere dahingehend zu treffen, welche Kinder in welchem Haushalt zu betreuen sind und worin die Aufgaben der Au-pair-Kraft ZWM bestehen und wie die Bedingungen ihrer Tätigkeit gestaltet sein werden sowie weiters, auf welche Weise sie in die Hausgemeinschaft aufgenommen und welcher Wohnraum oder Schlafplatz ihr zur Verfügung gestellt wird. Ausgehend erst von solchen konkreten Feststellungen über den von der Beschwerdeführerin zu besetzenden Arbeitsplatz einer Au-pair-Kraft hätte die belangte Behörde in einem weiteren Schritt beurteilen müssen, ob die Beschäftigung auf einem solchen Arbeitsplatz mit solchen Bedingungen nach dem Ausmaß und dem Gehalt der Tätigkeit dem eines Au-pair-Verhältnisses im Sinne des § 1 Z. 10 AuslBVO iVm § 49 Abs. 8 ASVG entspricht. Dies hat die belangte Behörde jedoch unterlassen. Aus zum Teil fremdsprachigen Beschwerden früherer Au-Pair-Kräfte betreffend deren Tätigkeit in Graz bei anderen Beschäftigerinnen im Jahr 2011 hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid keine konkreten, nachprüfbaren Versagungsgründe abgeleitet. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Im Hinblick auf dieses Ergebnis konnte auch die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 und 6 VwGG unterbleiben. Der Verwaltungsgerichtshof hat den angefochtenen Bescheid auf Grundlage des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen (§ 41 Abs. 1 VwGG). Es ist nicht ersichtlich, welchen Beitrag zur Feststellung des Sachverhaltes die von der Beschwerdeführerin begehrte öffentliche mündliche Verhandlung hätte leisten können. Der Beschwerde wurde stattgegeben, womit im fortzusetzenden Verfahren weitere Ermittlungen anzustellen sind und die Beschwerdeführerin die Möglichkeit hat, ihren Standpunkt im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens darzulegen. Angesichts der in der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend gemachten Rechte sowie nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise war somit im vorliegenden Fall die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Vorheriges nicht geboten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/09/0223, mwN).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am