Suchen Hilfe
VwGH vom 16.10.2014, 2014/08/0074

VwGH vom 16.10.2014, 2014/08/0074

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die als Revision geltende Beschwerde des C B in L, vertreten durch die Korn Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20/1/3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-07/A/19/16243/2012-1, betreffend Übertretung nach dem ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, der Revisionswerber habe es als verantwortlicher Beauftragter und somit als gemäß § 9 Abs. 2 VStG 1991 zur Vertretung nach außen Berufener der M. KG mit Sitz in Wien zu verantworten, dass es diese Gesellschaft als Dienstgeberin vom 6. Oktober bis unterlassen habe, die als Zeitungszustellerin beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte A. L. vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Er habe dadurch § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG verletzt und werde gemäß § 111 Abs. 2 erster Strafsatz ASVG iVm § 9 VStG 1991 mit einer Geldstrafe von EUR 910,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage und 11 Stunden) bestraft.

Der Revisionswerber sei im maßgeblichen Zeitraum als verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes durch die M. GmbH gewesen, die persönlich haftende Gesellschafterin der M. KG sei. Diese habe A. L. u.a. im angeführten Zeitraum als Zeitungszustellerin beschäftigt. Eine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung dafür habe nicht vorgelegen. Der Beschäftigung habe ein schriftlicher "GSVG-Werkvertrag-Abonnentenbetreuung" zu Grunde gelegen.

Aus dem im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Vertrag ergibt sich, dass A. L. die Aufgabe hatte, die Abonnentenbetreuung (insbesondere die Hauszustellung von Zeitungen und Zeitschriften, Katalogen und sonstigen persönlich adressierten Druckwerken an Abonnenten, Kunden und sonstige Dritte) und die Abonnentenwerbung in diesbezüglich vereinbarten Zustellbezirken an den vereinbarten Zustelltagen durchzuführen. Sie schulde "die erfolgreiche Zustellung der Produkte" an die von den Kunden bzw. von der M. KG jeweils bekannt gegebenen Hinterlegungsplätzen. Auftraggeber wie Auftragnehmerin würden davon ausgehen, dass es sich bei diesem Vertragsverhältnis um eine "neue Selbständigkeit" iSd § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG handle. Eine Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse durch den Auftraggeber sollte unterbleiben. Für den Fall, dass entgegen dieser gemeinsam gewollten rechtlichen Beurteilung von einem dem ASVG unterliegenden Vertragsverhältnis auszugehen sein sollte, werde vereinbart, dass das Entgelt (auch rückwirkend) auf jene Höhe angepasst werde, die sich nach Abzug der ASVG-Dienstnehmeranteile ergeben hätte.

A. L. habe diesen Vertrag - so die belangte Behörde weiter - zu Beginn ihrer Tätigkeit im Oktober 2011 unterfertigt. Im Fall von Reklamationen von Kunden der M. KG sei ihre Tätigkeit kontrolliert worden. Der Revisionswerber habe im Verwaltungsverfahren die rechtliche Beurteilung der Tätigkeit der A. L. als arbeitnehmerähnlich und die daraus resultierende Bewilligungspflicht nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bestritten. Eine "Beschäftigung nach dem ASVG" könne durchaus auch dann vorliegen, wenn die Person, die Arbeitsleistungen erbringe, ihre Arbeitskraft noch anderweitig für Erwerbszwecke einsetzen könne. Die "dem Ausländer" übertragene Tätigkeit der Zustellung von Zeitungen zu Wohnungen sei als einfache, im unmittelbaren Arbeitsablauf zu besorgende Tätigkeit zu qualifizieren, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werde. Daran ändere nichts, dass es sich bei den "dem Ausländer" übergebenen Zustelllisten nicht um "Betriebsmittel" handle, sondern bloß um Aufzeichnungen, mit denen die Leistungspflicht "des Ausländers" konkretisiert worden sei. Solche Tätigkeiten seien derart durch die Vorgaben des Auftraggebers vorherbestimmt, dass sie als arbeitnehmerähnlich zu qualifizieren seien. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht bestehe für "den Ausländer" keine reale Möglichkeit, von den ihm vorbehaltenen Recht, Hilfspersonal einzustellen, tatsächlich Gebrauch zu machen. Sowohl Werbemittelverteiler als auch Zeitungszusteller würden kein selbständiges, näher umschriebenes Werk herstellen. Ihre Verwendung erfolge grundsätzlich in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis. Die Tätigkeit der A. L. habe sich darauf beschränkt, Druckwerke (Zeitungen) an die Abonnenten zuzustellen. Eine darüber hinausgehende "Betreuung" der Abonnenten habe nicht festgestellt werden können. Das Rechtsverhältnis sei als arbeitnehmerähnlich zu beurteilen. Die Zustellerin sei nicht selbständig als Unternehmerin tätig gewesen. Die Bezahlung sei nach einem von der Auftraggeberin fest vorgegebenen Tarif jeweils monatlich im Nachhinein erfolgt. Dies entspreche einer Entlohnung nach erbrachter Arbeitsleistung je Zeiteinheit. Es habe keine Rechnungslegung durch die Auftragnehmerin stattgefunden.

A. L. habe das Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen ..." angemeldet. Es habe sich nicht ergeben, dass in Ausübung dieses Gewerbes andere Güterbeförderungen als die aktenkundigen durchgeführt worden seien. Es sei davon auszugehen, dass A. L. in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis verwendet wurde und das Beschäftigungsverhältnis daher "der Meldepflicht des ASVG" unterliege. Es sei von einer grundsätzlichen - wenn auch in mancher Hinsicht abgeschwächten - Einordnung der Auftragnehmerin "in die Betriebsorganisation" auszugehen, die insgesamt eher für die Arbeitnehmerähnlichkeit als für die Selbständigkeit spräche. Ein "zwingendes Vorhandensein substanzieller eigener Betriebsmittel des Auftragnehmers kann für die Selbständigkeit nicht in Anschlag gebracht werden". Die Verwendung eines eigenen Fahrzeuges sei "nicht von großem Gewicht im Sinn dieses Kriteriums". Eine systematische Verwendung von Hilfspersonal durch A. L. habe nicht vorgelegen. Diese habe sich lediglich ein- oder zweimal innerhalb von zwei Jahren von einem Bekannten vertreten lassen. Zusammenfassend ergebe sich ein Überwiegen der für die Verwendung in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis sprechenden Gründe. Vor Beginn der Beschäftigung "der Ausländerin" wäre daher eine Meldung zur Sozialversicherung erforderlich gewesen. Da diese unterblieben sei, sei der Revisionswerber wie angegeben zu bestrafen.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , B 248/2014, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde die als Revision geltende Beschwerde auftragsgemäß ergänzt. Sie gilt gemäß dem analog anzuwendenden § 4 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsbarkeit-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) als Revision, für deren Behandlung gemäß § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden sind.

Das Verwaltungsgericht Wien hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Der Revisionswerber bringt vor, A. L. habe im Zuge eines Antrages auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung ihre Gewerbeberechtigung vorgelegt, auf deren Grundlage sie u.a. für die M. KG tätig geworden sei. Der belangten Behörde sei vorzuwerfen, dass sie bei ihrer "Abschreibübung" (von einem näher genannten anderen Bescheid) die Rechtslage grob missachtet und nicht berücksichtigt habe, dass auf Grund eines Werkvertragsverhältnisses eine Pflichtversicherung nach dem ASVG nicht vorliegen könne. Dass A. L. auf Grund ihrer Gewerbeberechtigung ihre Tätigkeit ausgeübt habe, habe die belangte Behörde nicht für relevant erachtet. Der Revisionswerber habe auch nicht die rechtliche Beurteilung der Tätigkeit von A. L. als arbeitnehmerähnlich bestritten, sondern das Bestehen eines der Pflichtversicherung nach dem ASVG unterliegenden Vertragsverhältnisses. Die belangte Behörde habe festgestellt, dass A. L. über eine Gewerbeberechtigung verfüge. Möglicherweise vermeine sie, dass dennoch eine Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 4 ASVG auf Grund der "Arbeitnehmerähnlichkeit" von A. L. bestanden hätte. A. L. sei jedoch im Tatzeitraum auf Grund ihrer Gewerbeberechtigung nach § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG pflichtversichert gewesen. Diese Pflichtversicherung schließe eine solche nach § 4 Abs. 4 ASVG aus. Überdies habe die belangte Behörde übersehen, dass es im Bereich des ASVG einer gesonderten Bestellung nach § 35 Abs. 3 ASVG bedürfe, um die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Verpflichtung der Anmeldung von nach dem ASVG pflichtversicherten Personen nach § 33 ASVG auf Bevollmächtigte zu überbinden. Ob der Revisionswerber nun hierzu bestellt war oder nicht, sei nicht festgestellt worden.

2. Die Revision ist berechtigt.

Die belangte Behörde hat den von ihr festgestellten Sachverhalt keiner rechtlichen Würdigung im Hinblick auf die Tatbestände des § 4 ASVG unterzogen, sondern nur zum Ausdruck gebracht, dass ein "arbeitnehmerähnliches Verhältnis" vorliege. Bei diesem Begriff handelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal des § 2 Abs. 2 lit. b des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG). Im vorliegenden Zusammenhang kann die genannte rechtliche Schlussfolgerung der belangten Behörde nur dahin verstanden werden, sie habe das Vorliegen eines freien Dienstvertrages iSd § 4 Abs. 4 ASVG angenommen. In diesem Fall schließt jedoch die Innehabung eines Gewerbescheines - und daraus folgend die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG - die Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 4 ASVG aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0157), sodass auch keine Meldepflicht iSd § 33 Abs. 1 ASVG bestanden hat und der Vorwurf an den Revisionswerber, er habe eine Meldepflicht verletzt, nicht zu Recht erfolgt ist.

3. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der gemäß §§ 3 und 4 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf "Übergangsfälle" weiter anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
VAAAE-89514