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VwGH vom 22.11.2011, 2007/04/0201

VwGH vom 22.11.2011, 2007/04/0201

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Dr. Greisberger, über die Beschwerde der M AG (nunmehr A AG) in Wien, vertreten durch Singer Fössl Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 30, gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates Wien vom , Zl. VKS - 38/07, betreffend Nachprüfung einer Zuschlagsentscheidung (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadt Wien, Magistratsabteilung 14, vertreten durch Schwartz Huber-Medek Partner Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Stubenring 2, 2. T Ges.m.b.H. in W; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinen Spruchpunkten 2.) und 4.) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Hinsichtlich Spruchpunkt 3.) wird die Beschwerde abgewiesen.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeberin) hat im Juli 2006 einen Dienstleistungsauftrag im offenen Verfahren im Oberschwellenbereich betreffend die Errichtung und den Betrieb eines virtuellen Firmennetzes (GSM) mit einem voraussichtlichen Anfangsbestand von ca. 7.000 Mobiltelefonen samt Bereitstellung der erforderlichen Hardware ausgeschrieben. Zuschlagskriterien waren der Preis (92%) und die sekundengenaue Abrechnung (8%), der Dienstleistungsauftrag sollte zum auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden. Der geschätzte Auftragswert (berechnet auf vier Jahre) betrug EUR 6,5 Mio.

Am Vergabeverfahren beteiligten sich drei österreichische Mobilfunkunternehmen. Am teilte die Auftraggeberin ihre Zuschlagsentscheidung zugunsten des Angebotes der zweitmitbeteiligten Partei (im Folgenden: Zuschlagsempfängerin) mit, das einen Gesamtpreis von (gerundet) EUR 3,08 Mio. aufwies. Das Angebot der Beschwerdeführerin wurde an zweiter Stelle gereiht.

Die Beschwerdeführerin stellte daraufhin einen Nachprüfungsantrag und begehrte die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung und den Ersatz der Pauschalgebühren.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde, soweit hier wesentlich, der Antrag auf Nichtigerklärung abgewiesen (Spruchpunkt 2.), die erteilte einstweilige Verfügung vom aufgehoben (Spruchpunkt 3.) und ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen habe (Spruchpunkt 4.).

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe in ihrem Nachprüfungsantrag geltend gemacht, das Angebot der Zuschlagsempfängerin wäre u.a. wegen nicht plausibler Zusammensetzung des Gesamtpreises bzw. wegen spekulativer Preisgestaltung auszuscheiden gewesen. Ein Vergleich des Angebotes der Zuschlagsempfängerin mit deren vorangegangenem Angebot betreffend einen früheren Leistungszeitraum (der am geendet habe) zeige, dass die Zuschlagsempfängerin trotz des nunmehr größeren Leistungsvolumens (30% längere Laufzeit, 40% mehr SIM-Karten) einen geringeren Preis verlange. Die Preisreduktion betrage gegenüber dem vorangegangenen Angebot mehr als 50% und sei weder durch die Preisentwicklung am Mobilfunkmarkt noch sonst betriebswirtschaftlich erklärbar. Insbesondere enthielten die gegenständlich anzubietenden Leistungen in drei der ausgeschriebenen Positionen Fremdleistungen, auf deren Kosten die Zuschlagsempfängerin keinen Einfluss habe und die in ihrem Angebot nicht enthalten sein könnten. Konkret betreffe dies die Kosten für die benötigten Endgeräte, für die Rufnummernportierung und für das Mobiltelefon-Gesprächsentgelt (in fremde Netze). Allein die Fremdleistungskosten der Zuschlagsempfängerin wären um ca. EUR 2 Mio. höher als der Angebotspreis der Zuschlagsempfängerin.

Abgesehen davon wäre das Angebot der Zuschlagsempfängerin nach dem Vorbringen im Nachprüfungsantrag auch deshalb auszuscheiden gewesen, weil dieser die technische Leistungsfähigkeit fehle, dies einerseits hinsichtlich der in der Ausschreibung verlangten zeitgerechten Portierung der Rufnummern und andererseits, weil die Zuschlagsempfängerin mit ihrem Mobiltelefonnetz nicht alle erforderlichen Gebiete abdecke.

Danach gab die belangte Behörde die Stellungnahmen der Auftraggeberin und der teilnahmeberechtigten Zuschlagsempfängerin zum Nachprüfungsantrag wieder. Die Auftraggeberin habe u. a. vorgebracht, sie habe eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt, in der die Zuschlagsempfängerin ihre Kalkulation offen gelegt habe, aus der ersichtlich sei, dass der Jahres-Deckungsbeitrag für die Vertragslaufzeit positiv sei. Außerdem habe die Zuschlagsempfängerin ihren niedrigen Angebotspreis mit den damit verfolgten Zielen, den Marktanteil zu erhöhen und eine öffentliche Organisation wie die Auftraggeberin als Referenzkunden zu gewinnen, erklärt. Was die Portierung der Rufnummern betreffe, so gehe die Auftraggeberin davon aus, dass es gar nicht erforderlich sein werde, alle bisherigen GSM-Nummern zu portieren, weil für den jeweiligen Nutzer die Zuteilung einer neuen Rufnummer (anstelle der Portierung der bisherigen Rufnummer) kein besonderer Nachteil sei. Zur Netzabdeckung habe die Auftraggeberin darauf hingewiesen, als Mindestkriterium sei in der Ausschreibung bloß eine österreichweite 90%ige Netzabdeckung verlangt.

Die teilnahmeberechtigte Zuschlagsempfängerin habe die nicht plausible Zusammensetzung ihres Gesamtpreises bestritten und zusammengefasst ausgeführt, dass selbst nicht kostendeckende Preise, die zum Zweck der Markterschließung notwendig seien, angemessen und betriebswirtschaftlich nachvollziehbar sein könnten. Im vorliegenden Fall seien die Preise der Zuschlagsempfängerin aber ohnedies kostendeckend, aber knapp kalkuliert, weil dies die einzige Möglichkeit sei, bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand erfolgreich zu sein.

Dazu habe die Beschwerdeführerin repliziert, dass die Auftraggeberin in ihrer Stellungnahme die Portierung der bisherigen Rufnummern nicht als zwingend ansehe, obwohl es sich dabei nach der Ausschreibung um ein Musskriterium handle, das von den Bietern auch auszupreisen gewesen sei. Daher seien die Kosten der Portierung auch "preisbildend" und hätten im Rahmen der Angemessenheitsprüfung berücksichtigt werden müssen.

Dem habe die Zuschlagsempfängerin entgegnet, dass sie die geforderten Musskriterien erfüllt habe, dass es aber der Auftraggeberin überlassen bleibe, ob sie sich für oder gegen die Ausnutzung der Rufnummernportierung entscheide.

Als entscheidungsrelevanten Sachverhalt gab die belangte Behörde zunächst wesentliche Bestimmungen der Ausschreibung wieder und stellte fest, dass die Zuschlagsempfängerin im Rahmen der Überprüfung der Musskriterien von der Auftraggeberin auch aufgefordert worden sei, die Kalkulation für eine vertiefte Angebotsprüfung gemäß § 125 BVergG 2006 offen zu legen. Die Zuschlagsempfängerin sei dem nachgekommen und habe mit Schreiben vom (zusammengefasst) ausgeführt, die besonders knappe Kalkulation ihres Angebotes verfolge das Ziel, die Marktposition im Großkundensegment zu erhöhen und sich im Bereich Business/Government gegenüber dem derzeitigen Marktführer zu etablieren. Durch das Gewinnen namhafter Referenzkunden könne auch die Weiterempfehlungsrate erhöht und damit ein Zuwachs im Consumer-Bereich erreicht werden. Unbeschadet dessen sei ein positiver Deckungsbeitrag essentielle Grundlage der Kalkulation der Zuschlagsempfängerin.

Aus den Vergabeakten sei ersichtlich, dass im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung seitens der Auftraggeberin auch eine sachverständige Prüfung der Unterlagen stattgefunden habe. In einem diesbezüglichen Amtsvermerk vom sei (hier auf das Wesentliche zusammengefasst) festgehalten worden, dass das Angebot der Zuschlagsempfängerin mehr als die Hälfte unter dem geschätzten Auftragswert liege, dass aber die offen gelegte Kalkulation und die betriebs- und marktwirtschaftlichen Ziele der Zuschlagsempfängerin (Marktanteilserhöhung im Großkundensegment und im Consumerbereich) plausibel erschienen. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Preise sei von den aktuell relevanten Marktverhältnissen (sog. 0-Cent-Tarife aller großen Anbieter) ausgegangen worden. Die genannten Ziele rechtfertigten sogar nicht kostendeckende Preise. Aus der vorgelegten Kalkulation sei aber ohnedies zu ersehen, dass der Deckungsbeitrag der Zuschlagsempfängerin positiv sei.

Vor diesem Hintergrund sei als erwiesen anzunehmen, dass die Auftraggeberin eine vertiefte Angebotsprüfung vorgenommen habe und dass die Zuschlagsempfängerin die in der Ausschreibung geforderten Musskriterien erfülle. Weiters sei als erwiesen anzunehmen, dass "jedenfalls im vierten Vertragsjahr ein positiver Deckungsbeitrag vorhanden sein wird". Von einer spekulativen Preiskalkulation könne - wie die Auftraggeberin nachvollziehbar dargestellt habe - keine Rede sein.

In ihrer rechtlichen Beurteilung ging die belangte Behörde unter Bezugnahme auf Judikatur und Literatur davon aus, dass selbst nicht kostendeckende Angebotspreise u.a. aus Markteinführungsüberlegungen oder wegen des großen Interesses zur Erlangung von Referenzprojekten erklärbar sein könnten, wobei jedoch eine Gefährdung der Liquidität des Unternehmens durch den ungewöhnlich niedrigen Preis nicht gegeben sein dürfe, weil dies im Widerspruch zum Gebot der betriebswirtschaftlichen Erklärbarkeit der Preise stünde. Die im Zuge der vertieften Angebotsprüfung abgegebenen Erklärungen der Zuschlagsempfängerin und die von ihr offen gelegte Kalkulation seien durchaus schlüssig, ihr Angebot sei aus betriebswirtschaftlicher Sicht plausibel und nachvollziehbar. Die Zuschlagsempfängerin habe unter Bedachtnahme auf die Mindestvertragsdauer von vier Jahren kostendeckende Preise angeboten, selbst nicht kostendeckende Preise wären mit dem Ziel, einen neuen Markt erschließen zu wollen, erklärbar. Außerdem habe sich auf dem Mobilfunksektor in den letzten Jahren aufgrund der Konkurrenzsituation ein starker Preisverfall eingestellt, Privatkunden würden sogar "0-Tarife" angeboten. Unter Bedachtnahme auf dieses Marktverhalten sei das Angebot der Zuschlagsempfängerin durchaus plausibel erklärbar. Soweit die Beschwerdeführerin eine unrichtige Kalkulation hinsichtlich der Terminierungsentgelte (Entgelt zwischen den Mobilfunkbetreibern) einwende, so gehe dieser Einwand ins Leere, weil es sich dabei um behördlich festgelegte Maximalentgelte handle, die auch unterschritten werden könnten. Im Übrigen könne die Zuschlagsempfängerin bei einer Auftragserteilung durch die Auftraggeberin auch mit einem Zuwachs im Consumerbereich rechnen.

Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin habe die Zuschlagsempfängerin das Musskriterium der Netzabdeckung erfüllt, weil nach der Ausschreibung nur eine österreichweite Netzabdeckung von 90% verlangt gewesen sei. Ein Grund für das Ausscheiden des Angebotes der Zuschlagsempfängerin sei somit nicht hervorgekommen, der Antrag auf Nichtigerklärung sei daher abzuweisen gewesen.

Aus diesem Ergebnis folge gemäß § 19 Abs. 1 WVRG 2007, dass die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf Ersatz ihrer Pauschalgebühren habe und dass gemäß § 31 Abs. 6 leg. cit. die einstweilige Verfügung aufzuheben sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese Beschwerde mit Beschluss vom , B 709/07-3, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerde ergänzt, die belangte Behörde und die erstmitbeteiligte Auftraggeberin haben jeweils eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde wendet sich gegen den von der belangten Behörde angelegten Maßstab für die Beurteilung, ob der Gesamtpreis des Angebotes der Zuschlagsempfängerin im Sinne des § 129 Abs. 1 Z. 3 iVm § 125 BVergG 2006 plausibel zusammengesetzt war, und gegen das Ergebnis dieser Beurteilung. Die Beschwerdeführerin führt u.a. ihr Vorbringen im Nachprüfungsantrag über die Fremdleistungskosten, die nach der Ausschreibung im gegenständlichen Angebot der Zuschlagsempfängerin enthalten sein müssten, ins Treffen. Für die Frage der Erklärbarkeit des Preises wäre es daher notwendig gewesen, zu überprüfen, ob der Angebotspreis die Fremdleistungskosten überstiegen habe. In diesem Zusammenhang habe sich die belangte Behörde aber weder mit der Frage, ob die von der Zuschlagsempfängerin zu leistenden Terminierungsentgelte (also jene Tarife, die die Mobilfunkbetreiber untereinander verrechnen, weil der Kunde ins Netz eines anderen Mobilfunkbetreibers ruft) noch mit der Frage, ob die von der Zuschlagsempfängerin zu leistenden Kosten der Rufnummernportierung (Kosten für die Übernahme der Rufnummern des bisherigen Mobilfunkbetreibers) den Angebotspreis erklärbar machen, auseinander gesetzt. Da die Preisgestaltung von Mobilfunkangeboten wegen der zu berücksichtigenden branchenspezifischen Faktoren komplex sei, hätte die belangte Behörde, wie von der Beschwerdeführerin beantragt, zur Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Erklärbarkeit des in Rede stehenden Angebotspreises das Gutachten eines Sachverständigen einholen müssen.

Im vorliegenden Fall sind folgende Bestimmungen des BVergG 2006, BGBl. I Nr. 17/2006, maßgebend:

"Prüfung der Angemessenheit der Preise - vertiefte Angebotsprüfung

§ 125. (1) Die Angemessenheit der Preise ist in Bezug auf die ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen.

(2) Bei der Prüfung der Angemessenheit der Preise ist von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen.

(3) Der Auftraggeber muss Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen und gemäß Abs. 4 und 5 vertieft prüfen, wenn

1. Angebote einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen,

2. Angebote zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen gemäß § 80 Abs. 4 aufweisen, oder

3. nach Prüfung gemäß Abs. 2 begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen.

(4) Bei einer vertieften Angebotsprüfung ist zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Geprüft werden kann insbesondere, ob

1. im Preis aller wesentlichen Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze nachvollziehbar sind;

2. der Einheitspreis (Pauschalpreis, Regiepreis) für höherwertige Leistungen grundsätzlich höher angeboten wurde als für geringerwertige Leistungen;

3. die gemäß § 97 Abs. 3 Z 3 geforderte oder vom Bieter gemäß § 109 Abs. 2 vorgenommene Aufgliederung der Preise oder des Gesamtpreises (insbesondere der Lohnanteile) aus der Erfahrung erklärbar ist.

(5) Im Zuge der vertieften Angebotsprüfung muss der Auftraggeber vom Bieter eine verbindliche schriftliche - bei minder bedeutsamen Unklarheiten auch mündliche oder telefonische - Aufklärung verlangen. Die anschließende Prüfung hat unter Berücksichtigung der eingegangenen Erläuterungen bzw. der vom Bieter allenfalls vorgelegten Nachweise zu erfolgen. Der Auftraggeber hat insbesondere Erläuterungen in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit des gewählten Fertigungs- oder Bauverfahrens bzw. der Erbringung der Dienstleistung, die gewählten technischen Lösungen, außergewöhnlich günstige Bedingungen, über die der Bieter bei der Erbringung der Leistung verfügt, die Originalität der vom Bieter angebotenen Leistung, die am Ort der Leistungserbringung geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen oder die etwaige Gewährung einer staatlichen Beihilfe an den Bieter bei der Überprüfung entsprechend zu berücksichtigen. Die vom Bieter erteilten Auskünfte sind der Niederschrift über die Prüfung der Angebote beizuschließen. Sofern der geschätzte Auftragswert 120 000 Euro nicht erreicht, kann von der Vorgehensweise gemäß diesem Absatz abgesehen werden.

Ausscheiden von Angeboten

§ 129. (1) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung hat der Auftraggeber auf Grund des Ergebnisses der Prüfung folgende Angebote auszuscheiden:

3. Angebote, die eine - durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte - nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises (zB spekulative Preisgestaltung) aufweisen;

…"

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vertieften Angebotsprüfung nach § 125 BVergG 2006 ist es Aufgabe des Auftraggebers, die Angemessenheit der Preise (gegebenenfalls im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung) zu beurteilen. Die Vergabekontrollbehörde hat nicht nur zu prüfen, ob die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit von sachkundigen Personen auf Grund ausreichend detaillierter Unterlagen geprüft worden ist. Sie hat vielmehr - ebenso wie der Auftraggeber bei der vertieften Angebotsprüfung - unter Berücksichtigung der auch dem Auftraggeber zur Verfügung gestandenen Unterlagen die Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit in der Regel aus sachverständiger Sicht zu prüfen, wobei im Einzelnen die in § 125 Abs. 4 Z. 1 bis 3 BVergG 2006 genannten Kriterien maßgeblich sind. Da es sich hiebei um eine Plausibilitätsprüfung handelt, muss zweifellos nicht die gesamte Kalkulation des Bieters minutiös nachvollzogen, sondern nur - grob - geprüft werden, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/04/0102, mit Verweis auf die Erkenntnisse vom , Zl. 2008/04/0082, und den dortigen Verweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 2006/04/0245, mwN, sowie die Erkenntnisse vom , Zl. 2011/04/0011 und Zl. 2007/04/0076, letzteres auch mit Verweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 2004/04/0032).

Im vorliegenden Fall hat die Auftraggeberin aufgrund des ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreises des Angebotes der Zuschlagsempfängerin (der Gesamtpreis betrug weniger als die Hälfte des geschätzten Auftragswertes) im Vergabeverfahren eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt und ist im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, die Kalkulation der Zuschlagsempfängerin sei kostendeckend und der von ihr angebotene Gesamtpreis plausibel, weil diese knapp kalkulierte Preise in Kauf nehme, um ihren Marktanteil in einem wesentlichen Sektor (öffentliche Hand) zu erhöhen.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen die Argumentation der Auftraggeberin übernommen und gelangte gleichfalls zum Ergebnis, die Kalkulation der Zuschlagsempfängerin sei kostendeckend (wenngleich sie auf Seite 31 des angefochtenen Bescheides lediglich davon ausgeht, es werde "jedenfalls im vierten Vertragsjahr" ein positiver Deckungsbeitrag vorhanden sein) und der Preis nachvollziehbar.

Dem steht das eingangs erwähnte Vorbringen der Beschwerdeführerin im Nachprüfungsantrag entgegen, das Angebot der Zuschlagsempfängerin könne nicht kostendeckend sein, weil darin nach den Vorgaben in der Ausschreibung auch Fremdleistungen enthalten seien (Kosten für die benötigten Endgeräte, für die Rufnummernportierung und für das Mobiltelefon-Gesprächsentgelt in fremde Netze, sog. Terminierungsentgelte), auf welche die Zuschlagsempfängerin keinen bzw. nur geringen Einfluss habe. Der Einwand ist von Bedeutung, weil nach der zitierten Rechtsprechung die Beurteilung der Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit unter Beachtung der Kriterien des § 125 Abs. 4 Z. 1 bis 3 BVergG 2006 vorzunehmen ist, also auch unter dem Gesichtspunkt, ob im Preis aller wesentlichen Positionen auch alle direkt zuordenbaren Fremdleistungskosten enthalten sind.

Die belangte Behörde begegnete einem Teil dieses Einwandes (nämlich soweit er das Mobiltelefon-Gesprächsentgelt betrifft) bloß damit, dass sog. 0-Cent-Tarife marktüblich seien und dass im Übrigen auch nicht kostendeckende Preise, wenn diese der Markteinführung oder -erweiterung dienten, nachvollziehbar seien.

Nach der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch die Beurteilung der Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit in der Regel aus sachverständiger Sicht zu prüfen. Dies gilt insbesondere auch für den vorliegenden Fall, ist doch der Beschwerdeführerin zu folgen, dass die Beurteilung der Kalkulationsgrundlage, insbesondere der Kostenstruktur, von Mobilfunkunternehmen komplexe fachspezifische Fragen aufwirft. An diesem Erfordernis vermag der Umstand, dass die Auftraggeberin - ihre - vertiefte Angebotsprüfung (im Vergabeverfahren) auf Basis eines von Sachverständigen stammenden Amtsvermerks durchführte, schon deshalb nichts zu ändern, weil dies die Vergabekontrollbehörde nicht entbunden hat, konkrete Einwände im Nachprüfungsverfahren gegen die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit ebenfalls einer Beurteilung aus sachverständiger Sicht zu unterziehen.

Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift gegen die Beiziehung eines Sachverständigen einwendet, durch ein Gutachten würden Geschäftsgeheimnisse preisgegeben, so ist ihr zu erwidern, dass es an der Behörde liegt, einen Sachverständigen entsprechend zu beauftragen (indem etwa schutzwürdige Geschäftsdaten in einem gesonderten Teil des Gutachtens wiedergegeben werden, der nicht allen Parteien zur Kenntnis gelangt).

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Preisangemessenheit immer in Bezug auf die "ausgeschriebene" Leistung zu beurteilen ist (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2011/04/0011, mwN). Im vorliegenden Fall ist daher, wie im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht wurde, der Angebotspreis auch im Hinblick auf die (im Leistungskatalog der Ausschreibung Pkt. 7.3.4. unter M28 verpflichtend vorgesehene) Rufnummernportierung für 7.000 Mobiltelefone (siehe auch Kurzleistungsverzeichnis Pos. 9) zu beurteilen, ohne dass es, wie die Auftraggeberin offenbar meinte, darauf ankommt, ob diese Rufnummernportierung tatsächlich realisiert werden soll.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid, soweit er in den Spruchteilen 2.) und 4. ) die Abweisung des Nachprüfungsantrages und des Pauschalgebührenersatzes ausspricht, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Auf das weitere Beschwerdevorbringen war daher nicht einzugehen.

Hingegen war die Beschwerde, soweit sie die mit Spruchteil 3.) verfügte Aufhebung der einstweiligen Verfügung betrifft, im Hinblick auf § 31 Abs. 6 WVRG 2007 gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, weil die einstweilige Verfügung auch bei Wegfall des über den Nachprüfungsantrag absprechenden Bescheides nicht wieder auflebt (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2010/04/0046, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).

Die beantragte Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 und Z. 6 VwGG unterbleiben (auch angesichts des Umstandes, dass eine mündliche Verhandlung ohnedies bereits vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK, stattgefunden hat).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am