VwGH vom 12.09.2012, 2009/08/0004
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der Tiroler Gebietskrankenkasse in Innsbruck, vertreten durch Dr. Hans-Peter Ullmann und Dr. Stefan Geiler, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 17- 19, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. Vd-SV-1001-13-23/7/Pr, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: S P in N), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse führte im Oktober 2007 beim Mitbeteiligten eine Prüfung der Lohnsteuer, Sozialversicherung und Kommunalsteuer (jeweils März 2003 bis Dezember 2006 betreffend) durch. In der Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO hielt sie fest:
"1.) (L) - Im Zuge der Prüfung wurde festgestellt, dass im Betrieb für den betr. Dienstnehmer keine Arbeitszeitaufzeichnungen gem. § 26 AZG geführt werden. Auch konnten die tatsächlichen Arbeitszeiten des Fahrers nicht anhand der vorgelegten Tachoscheiben festgestellt werden (vorgelegter Zeitraum 10/2005 - 12/2006) da in jedem einzelnen Monat immer Tachoscheiben fehlten (min. 4 - max. 15 siehe Auswertung). Somit ist eine lückenlose Überprüfung der Arbeitszeiten in KEINEM Monat möglich. Es wird daher eine Schätzung vorgenommen. Als Berechnungsbasis für die Schätzung werden Daten ähnlich gelagerter Betriebe herangezogen. Es ist davon auszugehen, dass bei Ansatz der tatsächlichen Einsatzzeiten die Höchstbeitragsgrundlage überschritten wird. Es wir daher die abgerechnete Beitragsgrundlage auf monatlich EUR 3.750,-- (2006) EUR 3.630,-- (2005) bzw. EUR 3.450,-- (2004) angehoben.
Nachrechnung (…)
2.) (S) - aufgrund mangelhaft geführter Reisekostenaufzeichnungen (keine Grenzübertritte - Berechnung immer nur des ausl. Satzes - keine Trennung in Inlands- u. Auslandsdiäten) werden pauschal 1/3 der ausbezahlten Taggelder pflichtig nachgerechnet.
Nachrechnung (…)"
Mit Schreiben vom beantragte der Mitbeteiligte die Ausstellung eines Bescheides über die Beitragsnachrechnung vom .
Mit Bescheid der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse vom wurde der Mitbeteiligte als Dienstgeber verpflichtet, den Betrag von EUR 23.280,47 unverzüglich nach Zustellung des Bescheides an die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse zu zahlen.
Begründend führte die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse aus, sie habe am eine Sozialversicherungsprüfung durchgeführt. Im Zuge der Prüfung sei der Dienstgeber mehrmals dazu aufgefordert worden, die zur Anspruchslohnprüfung, insbesondere der international tätigen Fahrer notwendigen lückenlosen Arbeitszeitaufzeichnungen (Tachoscheiben etc.) vorzulegen. Der Dienstgeber sei dieser mehrmaligen Aufforderung nicht nachgekommen.
Auf die Dienstnehmer des Betriebes seien die Kollektivverträge für Arbeiter bzw. Angestellte des Güterbeförderungsgewerbes anzuwenden. Der Kollektivvertrag normiere, dass die gesamte Einsatzzeit, mit Ausnahme einer einstündigen Essenspause, als Arbeitszeit zu bezahlen sei. Gerade diese Regelung mache lückenlose Arbeitszeitaufzeichnungen unabdingbar, weil dies bedeute, dass auch Lade- oder Stehzeiten sowie Ruhezeiten, die ein Ausmaß von 8 Stunden nicht erreichten, als Arbeitszeit zu bezahlen seien. Auch die vorgelegten Reisekostenabrechnungsunterlagen ließen den Schluss zu, dass die auf den Lohnkonten ausgewiesenen Beitragsgrundlagen bei weitem nicht ausreichten, um die gesetzlichen bzw. kollektivvertraglichen Ansprüche der betroffenen Fahrer abzudecken.
Das Fehlen von Arbeitszeitaufzeichnungen berechtige die Gebietskrankenkasse zur Schätzung, wenn die übrigen zur Verfügung gestellten Unterlagen, insbesondere Lohnkonten, Geschäftsbücher und sonstige Aufzeichnungen nicht ausreichten, um alle für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände festzustellen, auch wenn die Möglichkeit bestanden hätte, den Dienstnehmer über die geleisteten Arbeitszeiten zu befragen. Eine Verpflichtung, vor einer Schätzung auch die Dienstnehmer über die geleisteten Arbeitszeiten zu befragen, bestehe deshalb nicht, weil die Behörde keine Verpflichtung treffe, zum Zwecke der Rekonstruktion von Aufzeichnungen, die vom Dienstgeber rechtswidrigerweise nicht geführt würden, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen. Das Gesetz erlaube vielmehr, bei Fehlen solcher Unterlagen sogleich mit Schätzung vorzugehen.
Der Dienstnehmer S sei als gewerberechtlicher Geschäftsführer zur Sozialversicherung gemeldet. In den Monaten Juli bis Oktober 2006 sei S im Fernverkehr (Tagestouren) tätig gewesen. Für diese Tätigkeiten habe S Reisekosten ersetzt erhalten; die dazu notwendigen Reisekostenaufzeichnungen seien äußerst mangelhaft. Da keine ausreichenden Aufzeichnungen über die getätigten Dienstreisen vorgelegt werden könnten und somit grundsätzlich keine Beitragsfreiheit nach § 49 Abs. 3 Z 1 ASVG bestehe, sei ein Drittel der entsprechenden Beträge der Beitragspflicht unterworfen worden.
Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Einspruch. Er machte geltend, die ohne weitere Begründung sich an der sozialversicherungsrechtlichen Höchstbeitragsgrundlage orientierende Schätzung finde keine rechtliche Deckung. Anlässlich der Prüfung seien entgegen der im Bescheid getroffenen Ausführungen weitere aussagekräftige Unterlagen tatsächlich nicht eingefordert worden; derartige Unterlagen über tatsächlich geleistete Arbeitszeiten wären nach Möglichkeit beigebracht worden. Dem angefochtenen Bescheid fehle jegliche nachvollziehbare Darlegung, auf welcher Grundlage die Schätzung bezogen auf die einzelnen Dienstnehmer und Zeiträume der Beitragszahlung erfolgt sei. Die Behörde sei auch verpflichtet, in nachvollziehbarer Weise die Berechnungsgrundlagen offen zu legen und erkennbar darzulegen, welche konkreten Umstände berücksichtigt worden seien. Im Bescheid finde sich keine Begründung der Bemessung zur Schätzung. Lediglich im Prüfbericht finde sich ein Hinweis, wonach als Berechnungsbasis für die Schätzung Daten ähnlicher Betriebe herangezogen worden seien. Eine nähere Begründung und nähere Bezeichnung solch ähnlicher Betriebe und eine Offenlegung behaupteter Vergleichsdaten sei nicht vorgenommen worden. Die Gebietskrankenkasse unterlasse auch jegliche Feststellung, welche Wochen- bzw. Monatsarbeitsleistung des in Rede stehenden Arbeitnehmers überhaupt der Bemessung bzw. Schätzung konkret unterstellt werde. Die Gebietskrankenkasse habe dem Mitbeteiligten auch nicht die Grundlagen der Schätzung im Rahmen des Parteiengehörs zugänglich gemacht. Auch die von der Gebietskrankenkasse angestrengte Schätzung betreffend die Taggeldbemessung des S sei verfehlt, wenn die Gebietskrankenkasse trotz offensichtlicher Kenntnis der von S auch belegten Auslandseinsätze überhaupt keine Diäten akzeptiere. Dies wäre jedenfalls auch entsprechend zu begründen gewesen. Auch sei S nur von Juni bis Oktober 2006 im Unternehmen des Mitbeteiligten beschäftigt gewesen, sodass die außerhalb dieses Zeitraumes gelegenen Beiträge S gar nicht betreffen könnten.
Mit dem angefochtenen Bescheid behob die belangte Behörde gemäß § 417a ASVG den Bescheid der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse und verwies die Angelegenheit zur Ergänzung der Ermittlungen und zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheides an die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse zurück.
Begründend führte die belangte Behörde nach Schilderung des Verfahrensganges aus, der Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe - Kollektivvertrag für Arbeiter enthalte folgende relevante Bestimmungen:
"15. Als Einsatzzeit gilt die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit einschließlich aller Pausen.
16. a) Die gesamte Einsatzzeit, mit Ausnahme einer einstündigen Essenspause und der in lit. b genannten Teile der Einsatzzeit, wird wie Arbeitszeit bezahlt.
18. Gemäß § 16 Abs. 3 AZG darf die Einsatzzeit über 12 Stunden hinaus soweit verlängert werden, dass die innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden, bei 2-Fahrerbesetung innerhalb eines Zeitraumes von 30 Stunden, vorgeschriebene tägliche Ruhezeit eingehalten wird. Bei Teilung der Tagesruhezeit im Sinne des § 15a Abs. 3 AZG darf die Einsatzzeit durch Ruhezeit unterbrochen werden. Bei Teilung der Tagesruhezeit beginnt eine neue Einsatzzeit nach Ablauf des mindestens 8-stündigen Teils der Ruhezeit. Die tägliche Ruhezeit kann im Fahrzeug verbracht werden, sofern es mit einer Schlafkabine ausgestattet ist und nicht fährt."
Der Mitbeteiligte sei nicht in der Lage gewesen, dem Prüfer des Versicherungsträgers Aufzeichnungen über die von seinem Dienstnehmer L tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden vorzulegen; die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse habe daher zulässig zum Mittel der Schätzung gegriffen. Im Bescheid der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse fehle jedoch die notwendige Begründung des Schätzungsergebnisses. Weder die Schätzungsmethode noch die der Schätzung zu Grunde gelegten Sachverhaltsannahmen oder die Ableitung der Schätzungsergebnisse sei erkennbar. Vielmehr sei die Gebietskrankenkasse der Meinung, dass mangels Führung von Aufzeichnungen über die eingehaltenen Ruhezeiten davon auszugehen sei, dass die nach dem Kollektivvertrag vorgeschriebene Ruhezeit von 8 Stunden nicht eingehalten worden sei und daher von einer wöchentlichen Einsatzzeit von mindestens 120 Wochenstunden auszugehen sei. Da aufgrund des Kollektivvertrages die gesamte Einsatzzeit als Arbeitszeit zu bezahlen sei, sei die Höchstbeitragsgrundlage als Grundlage der Nachrechnung herangezogen worden.
Diese Vorgehensweise könne aber weder als Fremdvergleich qualifiziert werden, weil die Gebietskrankenkasse nicht dargelegt habe, bei welchen Vergleichsbetrieben die Fahrer eine solche Einsatzzeit vorwiesen, noch seien die Daten anderer Beschäftigungsverhältnisse beim selben Dienstgeber zur Schätzung herangezogen worden. Vielmehr werde im Sinne einer Beweislastumkehr die durch Arbeitszeitaufzeichnungen widerlegbare Behauptung aufgestellt, dass der betroffene Dienstnehmer eine wöchentliche Einsatzzeit von mindestens 120 Wochenstunden erreichen werde, da keine Aufzeichnungen über die Ruhezeiten geführt würden. Somit sei auf Basis einer 120-Stunden-Woche und einer kollektivvertraglichen Entlohnung ein Nachrechnungsbetrag auf der Grundlage der Höchstbeitragsgrundlage verrechnet worden.
Eine Nachverrechnung auf der Grundlage der Höchstbeitragsgrundlage allein anhand dieser Annahme sei aber durch die Möglichkeit der Schätzung nicht gerechtfertigt; es seien vielmehr weitere Ermittlungen durchzuführen. So seien Sachverhaltsfeststellungen entweder aufgrund von Daten eines konkreten vergleichbaren Betriebes oder anhand der vom Mitbeteiligten zur Verfügung gestellten Unterlagen, wie etwa der wenn auch nicht vollständig vorhandenen Tachoscheiben und Tagesberichte allenfalls unter Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Auswertung dieser Daten zu treffen.
Da die Begründung der Schätzungsergebnisse in wesentlichen Punkten unvollständig sei und umfangreiche Ermittlungen notwendig seien, um die Höhe des Nachrechnungsbetrages feststellen zu können, sei der Bescheid der Gebietskrankenkasse zu beheben und zur Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen zurückzuverweisen gewesen.
Hinsichtlich der Reisekostenabrechnung betreffend S sei zu erwähnen, dass der Bescheid der Gebietskrankenkasse nur über einen einzigen Spruchpunkt verfüge und daher zur Gänze aufzuheben gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Gebietskrankenkasse mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Mitbeteiligte hat auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse macht zusammengefasst geltend, den Versicherungsträger treffe keine Verpflichtung, zum Zwecke der Rekonstruktion von Aufzeichnungen, die vom Dienstgeber rechtswidriger Weise nicht geführt würden, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen. Es sei daher auch nicht Aufgabe der Gebietskrankenkasse, die nicht geführten Aufzeichnungen durch die Einholung von Sachverständigengutachten zu substituieren. Der Dienstgeber sei gemäß § 26 AZG verpflichtet, Arbeitszeitaufzeichnungen zu führen; falls der Dienstgeber dieser Verpflichtung nicht nachkomme, sei die Gebietskrankenkasse zur Schätzung berechtigt.
Im erstinstanzlichen Verfahren sei das Parteiengehör nicht verletzt worden; dem Mitbeteiligten seien in der Niederschrift zur Schlussbesprechung sämtliche maßgeblichen Überlegungen zur Kenntnis gebracht worden, ohne dass Einwendungen erhoben oder Beweisanträge gestellt worden seien. Dies gelte auch für das Ergebnis der Schätzung, wonach bei Ansatz der tatsächlichen Einsatzzeiten die Höchstbemessungsgrundlage überschritten werde. Für die Gebietskrankenkasse habe daher keine Veranlassung bestanden, weitere Ermittlungen oder Begründungen zu den Annahmen und Voraussetzungen der Schätzung vorzunehmen. Die Gebietskrankenkasse habe daher berechtigterweise die Höchstbeitragsgrundlage für die Beitragsnachrechnung ansetzen können. Die Höchstbeitragsgrundlage werde bereits unter Zugrundelegung einer 5-Tage-Woche überschritten; es sei ohnehin lediglich der kollektivvertragliche Mindestlohn angesetzt worden.
Unter Zugrundelegung der gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen sei bei Vollbeschäftigung des Dienstnehmers von einer täglichen Einsatzzeit von bis zu 24 Stunden auszugehen, wobei die gesamte Einsatzzeit abzüglich einer Stunde Mittagspause als bezahlte Arbeitszeit zu qualifizieren sei. Daraus ergebe sich bei einer fünftägigen Arbeitswoche die monatliche Einsatzzeit mit 497 Stunden (davon 173 Stunden als Normalarbeitszeit und 324 Stunden als Überstunden zu entlohnen). Unter Zugrundelegung des kollektivvertraglichen Mindestlohns für Lenker von Sattelkraftfahrzeugen ergebe sich ein Anspruchslohn von EUR 4.593,23, welcher die relevanten Höchstbeitragsrundlagen bei weitem überschreite. Da die Umstände der Schätzung im Rahmen der Schlussbesprechung dem Mitbeteiligten zur Kenntnis gebracht worden seien und daraufhin keine Einwendungen erstattet worden seien, entspreche die von der Gebietskrankenkasse vorgenommene Schätzung den gesetzlichen Anforderungen.
Im Übrigen sei davon auszugehen, dass in Betrieben, welche Ruhezeiten den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend einhalten und aufzeichnen, regelmäßig Arbeitszeiten so eingerichtet würden, dass Ruhezeiten nicht als Einsatzzeiten gelten, was zu niedrigeren Beitragsgrundlagen (im Vergleich zu einer Gestaltung der Arbeitszeiten, die darauf keine Rücksicht nehme) führe. Würden Betriebe, die keine entsprechenden Aufzeichnungen vorlegten, Betrieben gleichgehalten, die Arbeitszeitaufzeichnungen korrekt vorlegten, so komme es zu einer Ungleichbehandlung. Im Zuge einer Schätzung eines Betriebes, der ordnungsgemäße Aufzeichnungen nicht vorlege, könne daher nicht auf Arbeitszeiten von Dienstnehmern in Betrieben, die diese Aufzeichnungen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend führten und vorlegten, abgestellt werden. Gegenüber einem ordnungsgemäß Aufzeichnungen führenden Betrieb habe nämlich ein Betrieb, der die Aufzeichnungen gemäß AZG nicht vorlege, die Möglichkeit, Einsatzzeiten so zu gestalten, dass - unter bewusster Inkaufnahme, dass Ruhezeiten als Einsatzzeiten qualifiziert werden müssten - vom einzelnen Dienstnehmer eine größere Wertschöpfung erzielt werde, ohne dass die entsprechend höheren Beiträge - die sich nur bei ordnungsgemäßen Aufzeichnungen ergeben würden - vorgeschrieben werden könnten. Dies führe im Ergebnis zu einem unlauteren Wettbewerbsvorteil. Würde man daher einen Fremdvergleich mit einem ordnungsgemäß und vollständig die Aufzeichnungen gemäß AZG führenden Betrieb vornehmen, wäre es zu einer unzulässigen Begünstigung des Mitbeteiligten gekommen.
2. Gemäß § 44 Abs. 1 Z 1 ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte, sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende, auf Cent gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 ASVG. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinne gilt bei den pflichtversicherten Dienstnehmern das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6 ASVG.
Unter Entgelt sind gemäß § 49 Abs. 1 ASVG die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.
Nach § 42 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber und näher bezeichnete Personen auf Anfrage des Versicherungsträgers innerhalb einer genannten Frist wahrheitsgemäß Auskunft über alle für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände zu erteilen und den Bediensteten der Versicherungsträger während der Betriebszeit Einsicht in alle Geschäftsbücher und Belege sowie Aufzeichnungen zu gewähren, die für das Versicherungsverhältnis von Bedeutung sind (zu den Aufzeichnungen hinsichtlich der Arbeitszeit von Fahrzeuglenkern vgl. §§ 17 und 26 AZG, hinsichtlich des Güterfernverkehrs vgl. Artikel 13 ff der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr sowie Artikel 10 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialverschriften im Straßenverkehr).
Reichen die zur Verfügung stehenden Unterlagen für die Beurteilung der für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände nicht aus, so ist der Versicherungsträger berechtigt, diese Umstände auf Grund anderer Ermittlungen oder unter Heranziehung von Daten anderer Versicherungsverhältnisse bei demselben Dienstgeber sowie von Daten gleichartiger oder ähnlicher Betriebe festzustellen (§ 42 Abs. 3 ASVG).
Es trifft zwar zu, dass die Behörde keine Verpflichtung trifft, zum Zweck der Rekonstruktion von Aufzeichnungen, die vom Dienstgeber rechtswidrigerweise nicht geführt worden sind, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/08/0050). Dies entbindet die Behörde aber nicht davon, die Ausübung ihres Ermessens bei der Schätzung zu begründen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob und welche anderen Unterlagen betreffend die an die Dienstnehmer geleisteten Zahlungen vom geprüften Dienstgeber zur Verfügung gestellt wurden und ob diese Unterlagen insoweit ausreichend sind, dass eine darauf gestützte vergleichsweise Schätzung der Wirklichkeit näher kommt als die Heranziehung von Fremddaten. Das Ziel der Schätzung ist nämlich, diejenigen Beitragsgrundlagen zu ermitteln, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (vgl. - zu § 184 BAO - das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/15/0201, mwN).
Im Übrigen müssen die bei der Schätzung herangezogenen Grundlagen in einem einwandfreien Verfahren ermittelt werden, wobei auch Parteiengehör zu gewähren und auf sachdienliche Behauptungen der Partei einzugehen ist. Auch die Schätzungsergebnisse unterliegen der Pflicht zur Begründung. Die Begründung hat unter anderem die Schätzungsmethode, die der Schätzung zu Grunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse darzulegen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/08/0185, und vom , Zl. 2007/08/0173, je mwN).
3. Ist der dem Landeshauptmann bzw. dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vorliegende entscheidungsrelevante Sachverhalt mangelhaft erhoben und sind aus diesem Grund umfangreiche Ermittlungen notwendig oder ist die Begründung des angefochtenen Bescheides in wesentlichen Punkten unvollständig, so kann gemäß § 417a ASVG der Landeshauptmann bzw. der genannte Bundesminister den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur Ergänzung der Ermittlungen oder der Begründung und zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Versicherungsträger oder den Landeshauptmann zurückverweisen.
Wenn die Bestimmung des § 417a ASVG unrichtig angewendet wird, kann eine Partei des Verfahrens in ihrem Recht auf Sachentscheidung durch die Einspruchs- bzw. Berufungsbehörde verletzt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0098, mwN). Da die Verwaltungsbehörden an einen verfahrensrechtlichen Bescheid der Einspruchs- oder Berufungsbehörde nach § 417a ASVG im weiteren Verfahren - neben der Bindung an die geäußerte Rechtsansicht - auch in dem Sinn gebunden sind, dass die am bisherigen Verfahren Beteiligten und Parteien - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - einen subjektiven Rechtsanspruch auf die Einhaltung der erteilten Verfahrensaufträge haben, führt ein rechtswidriger Verfahrensauftrag zur Rechtswidrigkeit eines verfahrensrechtlichen Bescheides (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/08/0257, mwN).
4. Der Auffassung der belangten Behörde, die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides sei in wesentlichen Punkten unvollständig, kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden:
Der erstinstanzliche Bescheid enthält im Wesentlichen nur allgemeine Ausführungen zur Schätzungsbefugnis. Der erstinstanzliche Bescheid enthält aber weder Feststellungen noch beweiswürdigende Erwägungen zur Beitragsgrundlage des Dienstnehmers L, ja erwähnt diesen Dienstnehmer überhaupt nicht, wobei die Beitragsnachverrechnung aber - wie aus der Niederschrift über die Schlussbesprechung hervorgeht - ganz überwiegend diesen Dienstnehmer (und nur am Rande den im erstinstanzlichen Bescheid angeführten Dienstnehmer S) betrifft.
Auch in der Niederschrift über die Schlussbesprechung wird lediglich ausgeführt, dass mangels vorliegender Arbeitszeitaufzeichnungen und nur teilweise vorgelegter Tachoscheiben eine Schätzung vorgenommen werde. Als Berechnungsbasis für die Schätzung würden Daten ähnlich gelagerter Betriebe herangezogen; es sei davon auszugehen, dass bei Ansatz der tatsächlichen Einsatzzeiten die Höchstbeitragsgrundlage überschritten werde.
Damit wird als Schätzungsmethode ein Fremdvergleich behauptet, was an sich, nämlich dann, wenn dieser geeignet ist, Beitragsgrundlagen zu ermitteln, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben, nach § 42 Abs. 3 ASVG zulässig ist. Um welche Daten es sich dabei handelt, insbesondere ob es sich hiebei um Daten gleichartiger oder ähnlicher Betriebe handelt, und was der nähere Inhalt dieser Daten ist, wird aber nicht offen gelegt. Die im Rahmen des Einspruchsverfahrens von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse behaupteten "zahlreichen Gutachten", welche ihr vorliegen und ihren Standpunkt bestätigen würden, wurden weder im Verwaltungsverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegt. Im erstinstanzlichen Bescheid (und in der Niederschrift über die Schlussbesprechung) wird auch nicht dargetan, welche Arbeitszeiten aufgrund des Fremdvergleichs (oder aufgrund sonstiger Ermittlungen oder Heranziehung anderer Daten) anzunehmen seien und wie daraus die angenommene Beitragsgrundlage (zumindest jeweils die Höchstbeitragsgrundlage) abzuleiten ist.
Damit liegen aber erhebliche Begründungsmängel im erstinstanzlichen Bescheid vor, welche die belangte Behörde zur Aufhebung und Zurückverweisung nach § 417a ASVG berechtigten.
Wenn die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse rügt, mit dem angefochtenen Bescheid zu Unrecht zur Einholung eines Gutachtens verpflichtet zu werden, so wurde im angefochtenen Bescheid aber lediglich ausgesprochen, dass (nur) allenfalls ein Gutachten einzuholen wäre; ein bindender Verfahrensauftrag liegt damit nicht vor. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof aber bereits wiederholt ausgesprochen, dass (auch) ein Gutachten der zuständigen Fachgruppe der gesetzlichen Interessenvertretung für das Güterbeförderungsgewerbe grundsätzlich geeignet sei, als Schätzungsgrundlage zu dienen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/08/0103, mwN).
5. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am