VwGH vom 26.05.2011, 2009/07/0208

VwGH vom 26.05.2011, 2009/07/0208

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der A GmbH in S, vertreten durch Dr. Wolfgang List, Rechtsanwalt in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , Zl. BMLFUW-UW.2.1.2/0494- VI/1/2009, betreffend Feststellung nach § 6 Abs. 1 Z. 1 AWG 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei beantragte mit Eingabe vom bei der Bezirkshauptmannschaft U (in der Folge: BH) gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) die Feststellung, dass die von ihr hergestellten Baustoffe Recyclingasphalt, Recyclingbeton, Recyclinggestein, Recyclingmaterial Hochbaurestmassen sowie deren Mischgranulate keine Abfälle im Sinne des AWG 2002 seien.

Mit Bescheid vom stellte die BH fest, dass diese Materialien "allesamt entsprechend der Qualitätsklasse A bzw. A+ … auf Grund des sichergestellten Qualitätssicherungssystems" keine Abfälle seien.

In der Begründung dieses Bescheides stützte sich die BH vor allem auf das Gutachten des Amtssachverständigen für Abfallchemie und Abfalltechnik und darauf, dass die Aufbereitung der Materialien im Rahmen eines Qualitätssicherungssystems erfolge, das mit den Vorgaben des Bundes-Abfallwirtschaftsplanes 2006 übereinstimme. Die recycelten Baustoffe entsprächen der Qualitätsklasse A+ und A des Bundes-Abfallwirtschaftsplanes 2006 sowie den bautechnischen Anforderungen der ÖNORM B 3121; die Umweltverträglichkeit liege vor. Die Verwendung dieser Materialien für bautechnische Zwecke sei gemäß § 1 Abs. 1 Z. 3 AWG 2002 als Rohstoffsubstitut sowie auch im Sinne der öffentlichen Interessen gemäß § 1 Abs. 3 AWG 2002 zulässig. Die antragsgegenständlichen Recyclingbaustoffe seien somit "keine Abfälle sondern Materialien mit Produkteigenschaft".

Dieser Bescheid wurde gemäß § 6 Abs. 4 AWG 2002 der belangten Behörde vorgelegt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde in Abänderung des Bescheides der BH fest, dass die von der beschwerdeführenden Partei "hergestellten Baustoffe Recyclingasphalt (RA), Recyclingbeton (RB), Recyclinggestein (RG), Recyclingmaterial Hochbaurestmassen (RMH) sowie deren Mischgranulate, allesamt entsprechend der Qualitätsklasse A bzw. A+, … Abfälle im Sinne des AWG 2002" seien.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die zur Herstellung der gegenständlichen Materialien verwendeten Baurestmassen nach Angaben der beschwerdeführenden Partei vor allem beim Abbruch von Hochbau-, Tiefbau- und Ingenieurarbeiten sowie beim Aufbruch von Verkehrsflächen anfielen. Neben gebrochener könnten diese Materialien auch in gefräster Form vorliegen. Die aufbereiteten Baurestmassen würden insbesondere im Straßen- und Wegebau, zur Künettenverfüllung, zur Errichtung von Lärmschutzwällen, im Zuge von Untergrundverbesserungen sowie im Deponiebau verwendet werden.

Die beschwerdeführende Partei ziehe nicht in Zweifel, dass die zur Herstellung der gegenständlichen Materialien verwendeten Baurestmassen Altstoffe und damit Abfälle seien. Entscheidend sei daher, ob die Aufbereitung dieser Stoffe ein Ende der Abfalleigenschaft bewirke.

Gemäß § 5 Abs. 1 AWG 2002 würden Altstoffe - soweit eine Verordnung gemäß Abs. 2 nicht anderes bestimme - solange als Abfälle gelten, bis sie oder die aus ihnen gewonnen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet würden. Eine Verordnung zur Konkretisierung des Zeitpunktes des Abfallendes sei für Baurestmassen bis dato nicht erlassen worden. Im Unterschied zu der Vorgängerbestimmung im "alten" AWG 1990 knüpfe § 5 Abs. 1 AWG 2002 nunmehr das Abfallende an die unmittelbare Verwendung der Abfälle als Substitution von Rohstoffen oder Produkten.

Unter einer "unmittelbaren Verwendung" im Sinne des § 5 Abs. 1 AWG 2002 sei der Einsatz der Abfälle oder der aus ihnen gewonnen Stoffe ohne einen weiteren Behandlungsschritt statt eines Primärrohstoffes oder eines Produktes aus Primärrohstoffen zu verstehen. Daraus ergebe sich, dass als eine die Abfalleigenschaft beendende Behandlung nicht die Herstellung eines Zwischenproduktes in Betracht komme. Ein Abfallende könne vielmehr erst dann eintreten, wenn ein aus Abfällen hergestellter Stoff "seiner endgültigen, dh letzten, Bestimmung zugeführt" werde.

Im konkreten Fall bedeute dies - so führte die belangte Behörde in ihrer Begründung weiter aus - , dass nicht schon der (Zwischen )Schritt der Aufbereitung von Baurestmassen zu Recyclingbaustoffen bestimmter Qualitäten das Abfallende dieser Baurestmassen herbeiführe, sondern erst deren unmittelbarer Einsatz als Baustoff, da erst durch den Einbau eine "unmittelbare Verwendung als Substitution" bewirkt werde. Ein Herstellungsprozess, der den Qualitätsanforderungen gerecht werde, ändere daran nichts.

Nach dem Bundes-Abfallwirtschaftsplan 2006 würden die jeweils zulässigen Arten der Verwertung von der Qualität (Umweltqualität A+, A oder B) der recyclierten Baurestmassen abhängen. Demnach dürften recyclierte Baurestmassen der Umweltqualität A nicht für alle Baumaßnahmen verwendet werden, für welche Recyclingbaustoffe der Qualität A+ zulässigerweise eingesetzt werden könnten. Da ein Verwertungsschritt nur dann vorliegen könne, wenn die Verwertung auch zulässig sei, sei die Art des Einsatzes von recyclierten Baurestmassen entscheidend für die Frage, ob sie tatsächlich einer Verwertung zugeführt worden seien. Wenn aber erst der tatsächliche Einsatz von Baurestmassen einer bestimmten Qualität darüber entscheide, ob sie einer zulässigen Verwertung zugeführt würden, könne das Abfallende in keinem Fall schon mit deren Herstellung eintreten, auch wenn ihr Einsatz (zu welchem Zweck auch immer) gewiss sei.

Wenngleich daher auch im Rahmen des gegenständlichen Herstellungsprozesses den Forderungen nach einer Qualitätskontrolle Rechnung getragen worden sei, werde doch, solange die gegenständlichen recyclierten Baurestmassen (noch) nicht eingebaut worden seien, ihre Abfalleigenschaft nicht beendet.

Zu den Ausführungen der beschwerdeführenden Partei, wonach gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) die Abfalleigenschaft mit Vorliegen produktspezifischer Eigenschaften ende, sei festzuhalten, dass es zwar eine weitreichende EuGH-Judikatur zum Abfallbegriff, nicht jedoch eigens zum Abfallende gebe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des AWG 2002 in der hier maßgeblichen Fassung vor Inkrafttreten der AWG-Novelle 2010, BGBl. I Nr. 9/2011, haben folgenden Wortlaut:

"§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen, die unter die in Anhang 1 angeführten Gruppen fallen und

1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat, oder

2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

(4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

1. 'Altstoffe'

a) Abfälle, welche getrennt von anderen Abfällen gesammelt werden, oder

b) Stoffe, die durch eine Behandlung aus Abfällen gewonnen werden,

um diese Abfälle nachweislich einer zulässigen Verwertung

zuzuführen.

§ 5. (1) Soweit eine Verordnung gemäß Abs. 2 nicht anderes bestimmt, gelten Altstoffe so lange als Abfälle, bis sie oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet werden.

§ 6. (1) Bestehen begründete Zweifel,

1. ob eine Sache Abfall im Sinne dieses Bundesgesetzes ist,

hat die Bezirksverwaltungsbehörde dies entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Verfügungsberechtigten mit Bescheid festzustellen.

(4) Die Behörde hat den Bescheid samt einer Kopie der diesbezüglichen Akten unverzüglich an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu übermitteln. Unbeschadet des § 68 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, kann ein Feststellungsbescheid von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde innerhalb von sechs Wochen nach Erlassung abgeändert oder aufgehoben werden, wenn

1. der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde oder

2. der Inhalt des Bescheides rechtswidrig ist. Die Zeit des Parteiengehörs ist nicht in die Frist einzurechnen. …"

2.1. Die beschwerdeführende Partei bringt vor, dass auf Grund des klaren Wortlautes des § 6 Abs. 4 AWG 2002 ein Feststellungsbescheid von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde abgeändert oder aufgehoben werden könne. Den Bescheid der BH könne nur der Landeshauptmann von Niederösterreich aufheben. Der Gesetzgeber verwende das Wort "Oberbehörde" in der Einzahl. Die Interpretation, wonach die belangte Behörde auch Oberbehörde sei, stehe im Konflikt mit einem dem Verfahrensrecht inhärenten Prinzip, dass für eine Angelegenheit nur eine Behörde sachlich, örtlich und funktionell zuständig sein könne. Der angefochtene Bescheid sei "somit rechtswidrig".

2.2. § 6 Abs. 4 AWG 2002 beruft "die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde" zur Abänderung oder Aufhebung von Feststellungsbescheiden und verwendet damit denselben Begriff wie ihn auch § 68 AVG kennt. Mit dem Ausdruck "die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde" in § 68 AVG ist jede - und nicht etwa nur die unmittelbar übergeordnete - sachlich in Betracht kommende Oberbehörde angesprochen. Dies ist auch auf den in § 6 Abs. 4 zweiter Satz AWG 2002 enthaltenen gleichlautenden Begriff der "sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde" übertragbar. Der Gesetzgeber ist somit ausdrücklich davon ausgegangen, dass auch der zuständige Bundesminister als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde die Möglichkeit haben soll, Feststellungsbescheide abzuändern oder aufzuheben (vgl. zur gleichlautenden Bestimmung des § 4 Abs. 3 AWG 1990 die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 99/07/0177, vom , Zl. 2002/07/0159, sowie Hengstschläger/Leeb , AVG (2009) § 68 Rz 64).

Der Bestimmung des § 6 Abs. 4 AWG 2002 kann weder ihrem Wortlaut nach, noch unter Anwendung verfassungskonformer Interpretationsregeln entnommen werden, dass unter der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde nur eine einzige, nämlich der Landeshauptmann, verstanden werden kann. Bestehen im Vollzugsbereich eines (Bundes )Gesetzes zwei sachlich in Betracht kommende Oberbehörden, nämlich einerseits der Landeshauptmann und andererseits die belangte Behörde, so steht grundsätzlich beiden Behörden die Ausübung des in § 6 Abs. 4 AWG 2002 vorgesehenen Rechtes - bei Vorliegen der dort normierten Voraussetzungen - zu. Ein verfassungsrechtliches Gebot oder - in den Worten der Beschwerde - ein "systeminhärentes Prinzip", eine solche Möglichkeit nur einer sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde zu eröffnen, ist nicht erkennbar.

3.1. Dass die zur Herstellung der verfahrensgegenständlichen Recyclingbaustoffe verwendeten Baurestmassen "Altstoffe" im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 lit. b AWG 2002 sind, steht außer Streit. Zu beantworten bleibt somit die Rechtsfrage, wann die Abfalleigenschaft dieser "Altstoffe" gemäß § 5 Abs. 1 AWG 2002 endet. Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei § 5 Abs. 1 AWG 2002 in seiner Stammfassung BGBl. I Nr. 102/2002 zu prüfen, die zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Geltung gestanden ist. Außer Betracht hat die AWG-Novelle 2010, BGBl. I Nr. 9/2011, zu bleiben, durch die unter anderem § 5 Abs. 1 AWG 2002 novelliert wurde. Die Neufassung des § 5 Abs. 1 AWG 2002 trat mit in Kraft.

3.2. Eine Verordnung im Sinne des § 5 Abs. 2 AWG 2002 zur Konkretisierung des Abfallendes ist - wie die belangte Behörde im angefochtenen Behörde zutreffend ausführt - bislang nur für Komposte (BGBl. II Nr. 292/2001), nicht aber für Baurestmassen erlassen worden.

Die Abfalleigenschaft wäre demnach nur dann verloren gegangen, wenn die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AWG 2002 erfüllt wären, wenn also die als "Altstoffe" zu qualifizierenden Baurestmassen oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet worden wären.

Laut den Materialien zu § 5 AWG 2002 (984 Blg. NR XXI. GP, 88) ist unter einer "unmittelbaren Verwendung" im Sinne dieser Bestimmung der Einsatz der Abfälle oder der aus ihnen gewonnenen Stoffe ohne einen weiteren Behandlungsschritt statt eines Primärrohstoffes oder eines Produkts aus Primärrohstoffen zu verstehen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/07/0182, und vom , 2006/07/0164).

3.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2003/07/0017, mit der Frage des Abfallendes im Sinne des § 5 leg. cit. in einem Fall, in dem Bodenaushubmaterial zum Zweck der Wiederauffüllung bzw. des Transports zu anderen Abnehmern übernommen wurde, befasst und mit näherer Begründung (u.a.) dargelegt, dass einer bloßen Übernahme des Bodenaushubmaterials für die Frage des Abfallendes noch keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt. Ein Abfallende könnte - wenn überhaupt - erst mit der tatsächlichen Einbringung in ein Grundstück erreicht werden.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes reicht es zur Beendigung der Abfalleigenschaft noch nicht, dass die Altstoffe die in § 5 Abs. 1 AWG 2002 bezeichnete (produktähnliche) Qualität aufweisen. Entscheidend ist vielmehr die Tatsache, dass die Altstoffe bzw. die aus ihnen gewonnenen Stoffe tatsächlich in dieser Beschaffenheit "verwendet" werden.

Die verba legalia sprechen eindeutig für den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid eingenommenen Rechtsstandpunkt. Die Aufbereitung von Baurestmassen zu Recyclingbaustoffen bestimmter Qualitäten führt somit nicht das Abfallende dieser Baurestmassen herbei. Dies bewirkt erst deren unmittelbarer Einsatz als Baustoff. Lediglich der Einbau bzw. die Verbauung bewirkt eine Verwendung "unmittelbar als Substitution".

Dieses Auslegungsergebnis erweist sich auch aus folgender Überlegung als sachgerecht: Baurestmassen können nämlich nach ihrer Aufbereitung nicht generell für den Wiedereinbau, also nicht für jeden Zweck, den das ursprüngliche Material gedient hatte, eingesetzt werden. Der Einsatzmöglichkeit hängt nämlich - wie die belangte Behörde unter Verweis auf den gemäß § 8 Abs. 1 AWG 2002 erstellten Bundes-Abfallwirtschaftsplan 2006 in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt - von der konkreten herkunfts- und kontaminationsbedingten Qualität (A+, A oder B) des jeweiligen Materials ab.

3.4. Die beschwerdeführende Partei führt aus, der Verwaltungsgerichtshof habe schon mehrmals judiziert, dass für den Eintritt des Abfallendes entscheidend sei, ob das Ergebnis der Verwendung oder Verwertung ein marktfähiges Produkt sei, von dem überdies kein höheres Umweltrisiko ausgehe als bei einem vergleichbaren Rohstoff oder Primärprodukt.

Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die in diesem Zusammenhang zitierten hg. Erkenntnisse vom , Zl. 99/07/0177, vom , Zl. 2001/07/0028, und vom , Zl. 2002/07/0159, auf § 2 Abs. 3 AWG 1990 beziehen. Damit können diese zur Untermauerung eines Auslegungsergebnisses des § 5 Abs. 1 AWG 2002 nicht herangezogen werden.

4.1. Die beschwerdeführende Partei vertritt die Ansicht, dass eine Sache die Eigenschaft als Abfall bereits dann verliere, wenn sie als Rohstoff "verwendbar" gemacht werde. Als maßgebliches Kriterium für den Verlust der Abfalleigenschaft sei die "Marktfähigkeit" des in Rede stehenden Stoffes heranzuziehen. Die beschwerdeführende Partei meint dies aus der Rechtsprechung des EuGH ableiten zu können. Im Ergebnis erachtet sie damit das von der belangten Behörde zu § 5 Abs. 1 AWG 2002 erzielte Auslegungsergebnis als nicht unionsrechtskonform.

4.2. Die beschwerdeführende Partei verweist auf Rn 96 des und C-419/97, ARCO . Die beschwerdeführende Partei meint, nach den Ausführungen des EuGH an dieser Stelle sei für das Ende der Abfalleigenschaft einer Sache entscheidend, dass ein einem Rohstoff entsprechendes Erzeugnis vorliege, welches die gleichen Merkmale wie dieser Rohstoff besitze und unter den gleichen Vorsichtsmaßnahmen für die Umwelt benutzt werden könne.

4.3. Gegenstand dieses EuGH-Urteils ist die Frage, ob der Einsatz von Produktionsrückständen (C-418/97) bzw. von imprägnierten Holzspänen nach deren Sortierung und Verarbeitung zu Sägemehl (C-419/97) als Brennstoff als ein Sich-Entledigen anzusehen ist.

Dieses Urteil lautet auszugsweise (Rn 94-96) wie folgt:

" 94 Hiezu ist vorab festzustellen, dass auch dann, wenn Abfall einem vollständigen Verwertungsverfahren unterzogen worden ist, das zur Folge hat, dass der betreffende Stoff die gleichen Eigenschaften und Merkmale wie ein Rohstoff angenommen hat, dieser Stoff noch als Abfall angesehen werden kann, wenn sein Besitzer sich gemäß der Definition des Art. 1 Buchstabe A der Richtlinie seiner entledigt, entledigen will oder entledigen muss.

95 Die Tatsache, dass der Stoff das Ergebnis eines vollständigen Verwertungsverfahrens im Sinne von Anhang II B der Richtlinie ist, ist nur einer der Umstände, die bei der Feststellung zu berücksichtigen sind, ob es sich um Abfall handelt, erlaubt jedoch nicht ohne Weiteres eine entsprechende endgültige Schlussfolgerung.

96 Wenn schon ein vollständiges Verwertungsverfahren einem Gegenstand nicht notwendigerweise die Abfalleigenschaft nimmt, so gilt dies erst recht für einen reinen Sortier- oder Vorbehandlungsvorgang in Bezug auf diese Gegenstände wie die Verarbeitung mit giftigen Stoffen imprägnierter Holzabfälle zu Holzspänen oder deren Zerkleinerung zu Sägemehl, die das Holz nicht von den giftigen Stoffen reinigt, mit denen es imprägniert ist, und der er nicht die Verarbeitung dieser Gegenstände zu einem Rohstoff entsprechenden Erzeugnis bewirkt, dass die gleichen Merkmale wie dieser Rohstoff besitzt und unter den gleichen Vorsichtsmaßnahmen für die Umwelt benutzt werden kann. "

Die beschwerdeführende Partei übersieht in diesem Zusammenhang, dass die - in "umwelthygienisch vertretbarer Weise" -

wirtschaftliche (Wieder )Verwendbarkeit einer Sache dieser auch nach diesem Urteil nicht die Abfalleigenschaft nimmt (Rn 65). Vielmehr bleibt es dem nationalen Gesetzgeber überlassen, unter Berücksichtigung der Effektivität des Unionsrechtes Bestimmungen über das Ende der Abfalleigenschaft zu erlassen (vgl. dazu die Rn 41 und 70 des Urteils in der Rechtssache ARCO ).

4.4. In seinem Urteil vom , Rs C-9/00, Palin Granit Oy , befasste sich der EuGH mit der Frage nach dem Entstehen von Abfall im Rahmen eines Produktionsprozesses. Demnach wurden die Voraussetzungen untersucht, die erfüllt sein müssten, damit ein Produktionsrückstand gar nicht erst Abfall werde, sondern ein Nebenprodukt darstelle (vgl. auch das , Avesta Polarit Chrom Oy , sowie das , Niselli , Rn. 44 ff). Daraus lässt sich für die Konstellation des Beschwerdefalles entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Partei keine andere Beurteilung des Endes der Abfalleigenschaft ableiten, ist es doch unbestritten, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen "Altstoffen" nach § 2 Abs. 4 Z. 1 lit.b AWG 2002 zunächst um Abfall gehandelt hat. Die einschlägige Rechtsprechung des EuGH befasst sich dem gegenüber mit der Abgrenzungsfrage von Abfall und Nebenprodukt im Zusammenhang mit Produktionsrückständen.

4.5. Das ebenfalls von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführte , Mayer Parry , beschäftigt sich mit der stofflichen Verwertung bzw. Behandlung von metallischen Verpackungsabfällen nach der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom über Verpackungen und Verpackungsabfälle. In diesem Urteil wird festgehalten (Rn 91), dass ein Produzent von Stahlblöcken, -blechen oder -rollen aus einem näher definierten Material, das seinerseits aus metallischen Verpackungsabfällen hervorgegangen ist, eine "stoffliche Verwertung" im Sinne der Richtlinie 94/62, vornimmt. Diese hergestellten Stahlblöcke, -bleche oder -rollen sind dann nicht mehr "Verpackungsabfälle" im Sinne der Richtlinie 94/62. Daraus lassen sich für das Ende der Abfalleigenschaft in der spezifischen Konstellation des Beschwerdefalles indessen keine Rückschlüsse ziehen.

5. Die beschwerdeführende Partei verweist darauf, dass die dem gegenständlichen Feststellungsverfahren zugrunde liegenden Baustoffe den rechtlichen Vorschriften - im Besonderen dem Bauproduktegesetz - entsprechen würden.

Dem ist entgegenzuhalten, dass § 4 Abs. 2 Bauproduktegesetz (BauPG), BGBl. I Nr. 55/1997, anordnet, dass hinsichtlich der Anforderungen an Bauprodukte Rechtsvorschriften, die das Inverkehrbringen solcher Produkte aus Gründen des Gesundheitsschutzes, des Arbeitsschutzes oder des Umweltschutzes über das BauPG hinaus weitergehend einschränken oder verbieten, unberührt bleiben. Das BauPG verdrängt daher die Bestimmungen des AWG 2002 nicht. Die diesbezüglichen Regeln über das Ende der Abfalleigenschaft werden somit nicht berührt.

6. Die beschwerdeführende Partei verweist zur Unterstützung ihres Rechtsstandpunktes auf die Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle (neue Abfallrahmenrichtlinie). Das Kriterium der bloßen Verwendbarkeit (d.h. die Unabhängigkeit von einer tatsächlichen, unmittelbaren Verwendung) sei auch in Art. 6 dieser Richtlinie enthalten.

In diesem Zusammenhang genügt es darauf zu verweisen, dass die Richtlinie 2008/98/EG bis zum und somit erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides umzusetzen war. Eine unionsrechtskonforme Interpretation im Sinne dieser Richtlinie scheidet daher aus (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/12/0232).

7. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ. Art. 6 Abs. 1 MRK steht dem nicht entgegen, war doch vorliegendenfalls lediglich eine Rechtsfrage strittig (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2010/07/0097, mwN).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am