VwGH vom 26.11.2010, 2007/04/0162

VwGH vom 26.11.2010, 2007/04/0162

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über den Antrag des Oberlandesgerichtes Wien vom , gemäß § 341 Abs. 4 BVergG 2006 die Rechtswidrigkeit des Bescheides des Bundesvergabeamtes vom , Zl. N-127/01-73, festzustellen (mitbeteiligte Parteien: 1. Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17-19, 2. X Unternehmens-Beratungsgesellschaft mbH in Y, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Hamerlingplatz 7/3/14, 3. A GmbH in B, und 4. C Gesellschaft mbH in Y, die beiden Letztgenannten vertreten durch Dr. Kathrin Hornbanger, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Zelinkagasse 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 341 Abs. 4 BVergG 2006 wird festgestellt, dass der angefochtene Bescheid in seinem Spruchteil I., soweit mit diesem festgestellt wurde, dass der Zuschlag nicht dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt worden sei, rechtswidrig ist.

Begründung

Auf Grund der Feststellungen des angefochtenen Bescheides, die insoweit mit den Ausführungen des antragstellenden Oberlandesgerichtes Wien und der Aktenlage übereinstimmen, ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erstmitbeteiligte Republik Österreich (Bund; im Folgenden:

Auftraggeber) hat mit europaweiter Bekanntmachung vom die "Sanierung der Altlast Dkfm. Q Deponie" in einem nicht offenen Verfahren ausgeschrieben. Gegenstand der Ausschreibung war die (im Rahmen einer Ersatzvornahme durchzuführende) Räumung einer mit vorwiegend hausmüllähnlichen und mineralischen Abfällen verfüllten ehemaligen Kiesgrube und des kontaminierten Untergrundes, sowie der Transport und die Entsorgung der geräumten Abfälle. Nach den Teilnahmeunterlagen waren folgende Leistungen von der gegenständlichen Ausschreibung erfasst:


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Baustelleneinrichtung,
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Herstellung von Erkundungsschürfen,
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Belüftung und Entwässerung des Abfallkörpers,
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Baugrubensicherungsmaßnahmen,
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Aushub der Abfälle und des kontaminierten Untergrundes,
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Maßnahmen zur Minimierung der Emissionen,
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interne und externe Verfuhr der Abfälle zur Verladestation und zum Zwischenlager,
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Zwischenlagerung, Verladung und Verwiegung der Abfälle,
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Transport der Abfälle zu entsprechenden Beseitigungs- und Verwertungsanlagen,
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ordnungsgemäße Entsorgung der Abfälle, des kontaminierten Untergrundes und des Sickerwassers sowie
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Wiederverfüllung und Rekultivierung der Kiesgrube.
Nach den Teilnahmeunterlagen waren sowohl Bewerber- als auch Bietergemeinschaften zugelassen, wobei maximal vier befugte Unternehmen beteiligt sein durften.
Unter Punkt C der Unterlagen für den Teilnahmeantrag (Eignungskriterien und Nachweise) wurde hinsichtlich des Nachweises der Befugnis u.a. gefordert:
"Nachweis der Befugnis 'Baumeister' gemäß § 202 GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994 idgF oder gleichwertige Befugnis für die durchzuführenden Arbeiten im Sitzstaat des Unternehmens."
Dazu teilte der Auftraggeber auf Anfrage der dritt- und viertmitbeteiligten Parteien mit Telefax vom klarstellend mit, dass die Befugnis eines Baumeisters im Sinne des § 202 GewO 1994 (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002) oder eines Bauträgers im Sinne des § 225 leg. cit. "bei allen Mitgliedern einer Bietergemeinschaft" erforderlich sei.
Mit Schriftsatz vom beantragten die dritt- und viertmitbeteiligten Parteien die Nichtigerklärung der genannten Ausschreibung zur Räumung der gegenständlichen Deponie, wobei sich dieser Antrag (soweit im vorliegenden Fall von Bedeutung) auf die in den Teilnahmeunterlagen enthaltene, durch die Anfragebeantwortung vom klargestellte Forderung des Auftraggebers bezog, dass alle Mitglieder der Bewerber-/Bietergemeinschaft den Nachweis der Befugnis "Baumeister" zu erbringen hätten.
In der Begründung dieses Antrages wurde ausgeführt, dass die dritt- und viertmitbeteiligten Parteien beabsichtigten, gemeinsam mit weiteren Partnern in Form einer Bewerber-/Bietergemeinschaft an der gegenständlichen Ausschreibung teilzunehmen. Die in den gegenständlichen Teilnahmeunterlagen enthaltene Forderung , dass alle Mitglieder einer Bewerber-/Bietergemeinschaft über eine Baumeisterkonzession verfügen müssten, entbehre einer sachlichen Rechtfertigung. Vielmehr genüge zum Nachweis der Leistungsfähigkeit, dass ein einzelnes Mitglied einer Bewerber- /Bietergemeinschaft über diese Berechtigung verfüge. Jede andere Auffassung widerspräche dem Sinn und Zweck solcher Gemeinschaften.
Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den genannten Antrag auf Nichtigerklärung ab (Spruchpunkt II.), wogegen die dritt- und viertmitbeteiligten Parteien Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben.
Am erteilte der Auftraggeber den Zuschlag an die (am gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligte) Bietergemeinschaft B/S/A/P; dieser Zuschlag wurde am im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.
Mit Erkenntnis vom , B 531/02-8, hob der Verfassungsgerichtshof (soweit hier von Bedeutung) den genannten Spruchpunkt II. des Bescheides der belangten Behörde vom auf. In seinen Entscheidungsgründen sprach er, ausgehend vom Sinn und Zweck des Institutes der Bietergemeinschaft im Vergaberecht, aus, dass zwar in Fällen, in denen eine homogene Leistung zu erbringen sei, gefordert werden dürfe, dass im Falle der Angebotslegung durch eine Bietergemeinschaft alle Mitglieder die entsprechende Befugnis nachzuweisen haben. Wenn aber zulässigerweise eine Gesamtleistung ausgeschrieben sei, die unterschiedliche Befugnisse in verschiedenen Fachrichtungen erfordere, so dürfe lediglich darauf abgestellt werden, dass jedes Mitglied der Bietergemeinschaft die gewerberechtliche Befugnis für den ihm konkret zufallenden Leistungsteil nachzuweisen habe. Eine andere Auffassung würde Bietergemeinschaften verschiedener Fachrichtungen entgegen § 15 Z. 7 BVergG (1997) vom Vergabeverfahren ausschließen.
Mit Schriftsatz vom urgierten die dritt- und viertmitbeteiligten Parteien gegenüber der belangten Behörde unter Bezugnahme auf das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes die Erlassung eines Ersatzbescheides, wobei sie (soweit hier wesentlich) die Feststellung beantragten, dass die in den Teilnahmeunterlagen enthaltene Forderung, wonach jedes Mitglied einer Bewerber-/Bietergemeinschaft eine Baumeisterbefugnis benötige, rechtswidrig sei.
Mit "ergänzendem Schriftsatz" vom beantragten die dritt- und viertmitbeteiligten Parteien unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung ihrer bisher gestellten Anträge (aus Gründen der anwaltlichen Vorsicht im Hinblick auf die in § 184 Abs. 2 BVergG 2002 genannten Voraussetzungen einer Schadenersatzklage) weiters die Feststellung, "dass wegen eines Verstoßes gegen das BVergG 2002 der Zuschlag nicht dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde".
In seiner Stellungnahme vom beantragte der Auftraggeber (u.a.) die Zurückweisung der gegenständlichen Anträge infolge Verfristung, in eventu deren Abweisung, in eventu für den Fall einer Feststellung im Sinne des Antrages vom die gleichzeitige Feststellung, dass die dritt- und viertmitbeteiligten Parteien auch bei Einhaltung der Bestimmungen des BVergG 1997 und des BVergG 2002 und der hiezu ergangenen Verordnungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätten.
Mit Spruchteil I. des nunmehr angefochtenen Bescheides vom wurde - soweit dieser Gegenstand des auf § 341 Abs. 4 BVergG 2006 in Verbindung mit Art. 131 Abs. 2 B-VG gestützten Antrages (Beschwerde) des Oberlandesgerichtes Wien ist - wie folgt entschieden (Kursivschrift im Original):
"I.
Den Anträgen,
'die in Punkt 10.2 Teilnahmeunterlagen (S 26) und in der Anfragebeantwortung vom (zur Frage 1) enthaltene Forderung nach dem Nachweis der Befugnis Baumeister für alle Mitglieder einer Bewerber-/Bietergemeinschaft' sowie 'die in den Teilnahmeunterlagen enthaltene Forderung, dass im Fall einer Verbringung zu nicht in Österreich liegenden Anlagen das Vorliegen einer gültigen Exportgenehmigung spätestens zum Tag der Angebotsabgabe zu erbringen ist (Teilnahmeunterlagen, S 28) für nichtig zu erklären ', wird insofern stattgegeben, als festgestellt wird, dass wegen eines Verstoßes gegen das BVergG 2002, nämlich der Forderung, dass sämtliche Mitglieder einer Bewerber-/Bietergemeinschaft über die Befugnis 'Baumeister' zu verfügen haben, der Zuschlag nicht dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde.
..."
(Die weiteren Spruchteile, mit denen Anträge des Auftraggebers und der dritt- und viertmitbeteiligten Parteien abgewiesen wurden, sind nicht Gegenstand des vorliegenden Antrages des Oberlandesgerichtes Wien.)
Als Rechtsgrundlage des Spruchpunktes I. führte die belangte Behörde an:
In der Begründung gab die belangte Behörde (im Wesentlichen unter der Überschrift "Entscheidungsrelevanter Sachverhalt") den Verlauf des Vergabeverfahrens und des anschließenden Nachprüfungsverfahrens sowie die hier maßgebenden Bestimmungen der Teilnahmeunterlagen wieder.
In der anschließenden rechtlichen Beurteilung setzte sie sich zunächst mit der Frage auseinander, welche Rechtslage bei Erlassung des nunmehrigen Ersatzbescheides anzuwenden sei. Dabei gelangte sie zu dem Ergebnis, dass zwar die Frage der Zulässigkeit des seinerzeitigen Nachprüfungsantrages vom nach den damals geltenden Bestimmungen des BVergG 1997 zu beurteilen sei. Was das Verfahren vor dem Bundesvergabeamt betreffe, so sei zwar im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits das BVergG 2006 in Geltung gestanden. Dieses sehe aber in § 345 Abs. 4 für im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes beim Bundesvergabeamt anhängige Verfahren die Fortführung dieser Verfahren nach den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2002 vor. Auch § 188 Abs. 3 dritter Satz BVergG 2002 zeige, dass das Vergabekontrollverfahren nach den Bestimmungen des BVergG 2002 fortzuführen sei. Ausgehend von der letztgenannten Bestimmung gelangte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid (Seite 25) schließlich weiters zu dem Ergebnis, dass "trotz der Einleitung des Vergabeverfahrens vor dem auch materiell-rechtlich die Bestimmungen des BVergG 2002 maßgeblich" seien.
Was das vom Bundesvergabeamt im Anschluss an das aufhebende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 531/02, fortzuführende Nachprüfungsverfahren betreffe, so sehe § 175 Abs. 2 BVergG 2002 für einen Fall wie den vorliegenden, in dem der Zuschlag bereits erteilt worden sei, ex lege die Umwandlung des Nachprüfungsverfahrens in ein Feststellungsverfahren vor. Zu klären sei daher der Umfang der sich aus § 175 Abs. 2 BVergG 2002 ergebenden Feststellungskompetenz des Bundesvergabeamtes. Dabei sei nach Ansicht der belangten Behörde davon auszugehen, dass der Zweck des § 175 BVergG 2002 nicht darin liege, eine zusätzliche Zuständigkeit des Bundesvergabeamtes zu begründen, sondern vielmehr ein bisheriges Nachprüfungsverfahren in ein Feststellungsverfahren überzuleiten. Die belangte Behörde sei daher der Auffassung, dass das Bundesvergabeamt auch im Fall des § 175 Abs. 2 BVergG 2002 dazu berufen sei, eine Feststellung im Sinne des § 162 Abs. 3 BVergG 2002 zu treffen, sodass gegenständlich nicht bloß eine Feststellung hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der bekämpften Teilnahmeunterlagen zu treffen sei, sondern eine Feststellung im Sinne des § 162 Abs. 3 BVergG 2002, ob der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde. Ginge man nämlich gegenteilig davon aus, dass § 175 Abs. 2 BVergG 2002 nur zu einem bloßen Feststellen der Rechtswidrigkeit der Auftraggeberentscheidung berechtige, was gegenüber der Feststellung gemäß § 162 Abs. 3 leg. cit. ein "Weniger" wäre, so bliebe ungewiss, ob ein solcher Ausspruch für die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches im Sinne des § 184 Abs. 2 BVergG 2002 ausreichte. Die letztgenannte Bestimmung setze nämlich für eine Schadenersatzklage die Feststellung, dass der Zuschlag nicht dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde, voraus.
Im Rahmen der inhaltlichen Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit der gegenständlichen Teilnahmeunterlagen folgte die belangte Behörde (soweit es um die hier relevante Forderung der Teilnahmeunterlagen nach der Befugnis "Baumeister" für alle Mitglieder einer Bewerber- und Bietergemeinschaft geht) den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis B 531/02 und gelangte daher zu dem Ergebnis, dass die Teilnahmeunterlagen zumindest in diesem Punkt rechtswidrig seien. Wäre in den Teilnahmeunterlagen nicht verlangt worden, dass die genannte Befugnis bei allen Mitgliedern einer Bewerber- und Bietergemeinschaft vorliegen müsse, so wäre das gegenständliche Vergabeverfahren einem ungleich größeren Bewerber- und Bieterkreis offen gestanden, sodass "nicht auszuschließen sei, dass der Zuschlag einem anderen Bieter erteilt worden wäre". Daher sei nach Ansicht der belangten Behörde die Feststellung zu treffen gewesen, dass die Zuschlagserteilung schon aus diesem Grunde nicht an das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgt sei.
Mit Beschluss vom stellte das Oberlandesgericht Wien beim Verwaltungsgerichtshof den Antrag (die Beschwerde) gemäß § 341 Abs. 4 BVergG 2006 iVm Art. 131 Abs. 2 B-VG, die Rechtswidrigkeit des bereits zitierten Teiles des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides vom festzustellen. Gleichzeitig wurde mit dem genannten Beschluss ein beim antragstellenden Gericht anhängiges Berufungsverfahren bis zum Einlangen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes unterbrochen.
In der Begründung dieses Antrages wird zunächst der Gang des Vergabe- und des Vergabekontrollverfahrens dargestellt. Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dritt- und viertmitbeteiligten Parteien hätten im Vergabeverfahren die angefochtenen Teilnahmeunterlagen über ihr Ersuchen erhalten, sich letztlich an diesem Verfahren aber nicht beteiligt. Mit der am eingebrachten Klage hätten die dritt- und viertmitbeteiligten Parteien die Zahlung von EUR 286.177,91 durch den Auftraggeber aus dem Titel des Schadenersatzes gefordert. Dieser Betrag ergebe sich aus frustrierten (Teilnahme
)Kosten und Rechtsverfolgungskosten, die im Zusammenhang mit dem gegenständlichen und einem vorangegangenen, vom Auftraggeber widerrufenen Vergabeverfahren entstanden seien. Am gegenständlichen Vergabeverfahren hätten sich die dritt- und viertmitbeteiligten Parteien nicht beteiligen können, weil als Voraussetzung dafür unter anderem verlangt worden sei, dass alle Mitglieder der Bieter-/Bewerbergemeinschaft über eine aufrechte Befugnis des Baumeisters verfügen müssten. Der Schadenersatzanspruch werde in der Klage nicht nur auf Beteiligungskostenersatz gemäß § 338 Abs. 1 BVergG 2006, sondern auch auf jeden anderen erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere auf culpa in contrahendo gegründet. Die Rechtmäßigkeit des mit der vorliegenden Beschwerde bekämpften Spruchteiles des angefochtenen Bescheides sei für die Zivilgerichte präjudiziell: Wäre der angefochtene Bescheid nämlich im bekämpften Umfang rechtswidrig, so bestünde keine Bindungswirkung an diesen Ausspruch (keine Rechtswidrigkeit für einen Schadenersatzanspruch), allenfalls lägen aber nicht einmal die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Schadenersatzklage nach § 341 Abs. 2 BVergG 2006 vor.
Weiters führte das antragstellende Oberlandesgericht in seinem Beschluss aus, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zweitmitbeteiligte Partei bzw. deren Rechtsvorgängerin habe den Auftraggeber im Vergabeverfahren beraten und sei Nebenintervenient im zivilgerichtlichen Verfahren. Das Erstgericht habe das genannte Klagebegehren abgewiesen. Im Verfahren über die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil sei das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht zur Rechtsansicht gelangt, dass der hier angefochtene Teil des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides vom unter folgenden Gesichtspunkten rechtswidrig sei:
Zunächst sei der zitierte, stattgebende Teil des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides deshalb rechtswidrig, weil er in unzulässiger Weise den ursprünglichen Antrag auf Nichtigerklärung mit der nunmehr nach § 175 Abs. 2 BVergG 2002 vorzunehmenden Feststellung der Rechtswidrigkeit vermische. Im angefochtenen Spruchteil werde nämlich dem Antrag, "für nichtig zu erklären, insoferne stattgegeben, als festgestellt wird", dass der Zuschlag nicht dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde. Soweit die belangte Behörde daher auf die Anträge der dritt- und viertmitbeteiligten Parteien betreffend "Nichtigerklärung" abstelle, fehle dem Spruch die Rechtsgrundlage, weil § 175 Abs. 2 BVergG 2002 einen solchen Abspruch nicht vorsehe.
Weiters sei der angefochtene Spruchteil I. nach Ansicht des Oberlandesgerichtes Wien deshalb rechtswidrig, weil darin ausgesprochen werde, dass der Auftraggeber gegen Bestimmungen des BVergG 2002 verstoßen habe. Da die angefochtenen Teilnahmeunterlagen jedoch aus dem Jahre 2001 stammten, seien diese nach der materiellen Rechtslage des BVergG 1997 zu beurteilen. Für eine Beurteilung dieser Teilnahmeunterlagen nach dem erst mit in Kraft getretenen BVergG 2002 bestehe keine gesetzliche Deckung. Wenn die belangte Behörde daher die Rechtmäßigkeit der Teilnahmeunterlagen des Jahres 2001 an dem erst danach in Kraft getretenen BVergG 2002 messe, unterstelle sie damit, dass der Auftraggeber ein noch nicht absehbares Gesetz seiner Entscheidung (Teilnahmeunterlagen) hätte zu Grunde legen müssen.
Schließlich sei der angefochtene Bescheid hinsichtlich des bezeichneten Spruchteiles auch deshalb rechtswidrig, weil darin festgestellt werde, dass "der Zuschlag nicht dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde". Eine solche Feststellung sei in § 175 Abs. 2 BVergG 2002 nicht vorgesehen. Nach dieser Bestimmung wäre nämlich lediglich die Feststellung zulässig, dass die Teilnahmeunterlagen bzw. die darin enthaltenen Forderungen an die Bieter rechtswidrig gewesen seien. Einen solchen Ausspruch habe die belangte Behörde aber nicht vorgenommen. Vielmehr habe sie einen Ausspruch im Sinne des § 162 Abs. 3 BVergG 2002 vorgenommen, ohne dass für diesen die gesetzlichen Voraussetzungen, nämlich ein nach der Zuschlagserteilung vom fristgerechter diesbezüglicher Antrag, vorgelegen seien.
Gleichzeitig mit dieser Beschwerde gemäß § 341 Abs. 4 BVergG 2006 iVm Art. 131 Abs. 2 B-VG hat das Oberlandesgericht Wien die ihm von der belangten Behörde vorgelegten Teile bzw. Kopien der Verwaltungsakten (die beim Verwaltungsgerichtshof überdies zu der zur Zl. 2006/04/0154 protokollierten Beschwerde vorliegen) übermittelt. Die belangte Behörde und die mitbeteiligten Parteien haben jeweils eine Gegenschrift erstattet.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgebenden Bestimmungen des BVergG 2006, BGBl. I Nr. 17/2006, lauten (auszugsweise):

"§ 341. (1) Zur Entscheidung über Ansprüche gemäß den §§ 338 und 339 ist ohne Rücksicht auf den Streitwert in erster Instanz der mit der Ausübung der allgemeinen Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen betraute Gerichtshof ausschließlich zuständig, in dessen Sprengel der Auftraggeber seinen Sitz hat. Fehlt im Inland ein solcher Gerichtsstand, so ist das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zuständig.

(2) Eine Schadenersatzklage ist nur zulässig, wenn zuvor eine Feststellung der jeweils zuständigen Vergabekontrollbehörde erfolgt ist, dass

1. wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz oder die hierzu ergangenen Verordnungen oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht der Zuschlag nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde, oder

2. die Wahl der Direktvergabe oder eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung nicht zu Recht erfolgte, oder

3. die Erklärung des Widerrufs eines Vergabeverfahrens wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz oder die hierzu ergangenen Verordnungen oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht rechtswidrig war, oder

4. eine Zuschlagserteilung, die ohne Verfahrensbeteiligung weiterer Unternehmer direkt an einen Unternehmer erfolgte, auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes offenkundig unzulässig war, oder

5. der Auftraggeber nach erheblicher Überschreitung der Zuschlagsfrist und entgegen dem Ersuchen des Bieters um Fortführung des Verfahrens das Verfahren weder durch eine Widerrufserklärung oder Zuschlagserteilung beendet noch das Verfahren in angemessener Weise fortgeführt hat.

Dies gilt auch für die in § 338 Abs. 1 letzter Satz genannten Ansprüche sowie für Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb. Unbeschadet des Abs. 4 sind das Gericht und die Parteien des Verfahrens vor dem Bundesvergabeamt an eine solche Feststellung gebunden.

(3) ...

(4) Ist die Entscheidung des Rechtsstreites von der Frage der Rechtswidrigkeit eines Bescheides einer Vergabekontrollbehörde abhängig und hält das Gericht den Bescheid für rechtswidrig, so hat es das Verfahren zu unterbrechen und beim Verwaltungsgerichtshof mit Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides zu begehren. Nach Einlangen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen und den Rechtsstreit unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes zu entscheiden.

In-Kraft-Tretens-, Außer-Kraft-Tretens- und Übergangsvorschriften

§ 345. ...

(4) Im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes beim Bundesvergabeamt anhängige Verfahren sind vom Bundesvergabeamt nach den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2002 fortzuführen. ...

Die hier maßgebenden Bestimmungen des BVergG 2002 lauten:

§ 20. Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind folgende

Begriffsbestimmungen maßgebend:

...

3. Arbeitsgemeinschaft ist ein Zusammenschluss mehrerer Unternehmer, die sich unbeschadet der sonstigen Bestimmungen des zwischen ihnen bestehenden Innenverhältnisses dem Auftraggeber gegenüber solidarisch zur vertragsgemäßen Erbringung einer Leistung auf dem Gebiet gleicher oder verschiedener Fachrichtungen verpflichten.

...

11. Bietergemeinschaft ist ein Zusammenschluss mehrerer Unternehmer zum Zweck des Einreichens eines gemeinsamen Angebotes.

...

§ 21. (1) Aufträge über Leistungen sind nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten sowie des Diskriminierungsverbotes entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu vergeben.

...

§ 162. (1) Das Bundesvergabeamt ist auf Antrag zur Durchführung des Nachprüfungsverfahrens nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes zuständig.

(2) Bis zur Zuschlagserteilung ist das Bundesvergabeamt zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen zuständig


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1.
zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie
2.
zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.

(3) Nach Zuschlagserteilung ist das Bundesvergabeamt zuständig, festzustellen, ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz oder die hierzu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde. In einem solchen Verfahren ist das Bundesvergabeamt ferner zuständig, auf Antrag des Auftraggebers oder des Zuschlagsempfängers festzustellen, ob der Antragsteller auch bei Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der hierzu ergangenen Verordnungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte.

...

§ 175. (1) Nach erfolgtem Zuschlag oder nach erfolgtem Widerruf einer Ausschreibung hat das Bundesvergabeamt unter den Voraussetzungen des § 174 Abs. 1 auf Antrag bloß festzustellen, ob der behauptete Rechtsverstoß vorliegt oder nicht.

(2) Wird ein Bescheid des Bundesvergabeamtes vom Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof aufgehoben und wurde vor der Entscheidung des Verfassungs- oder des Verwaltungsgerichtshofes der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren widerrufen, so hat das Bundesvergabeamt unter Zugrundelegung der festgestellten Rechtsanschauung bloß festzustellen, ob die angefochtene Entscheidung des Auftraggebers rechtswidrig war.

...

§ 184. ...

(2) Eine Schadenersatzklage ist nur zulässig, wenn zuvor eine Feststellung der jeweils zuständigen Vergabekontrollbehörde erfolgt ist, ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz oder die hierzu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde bzw. ob der Widerruf wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz rechtswidrig war. Dies gilt auch für die in § 181 Abs. 1 letzter Satz genannten Ansprüche. Unbeschadet des Abs. 3 sind das Gericht und die Parteien des Verfahrens vor dem Bundesvergabeamt an eine solche Feststellung gebunden.

§ 188. (1) Für die im Zeitpunkt des jeweiligen In-Kraft-Tretens des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 99/2002 bereits eingeleiteten Vergabeverfahren gilt dieses Bundesgesetz nicht.

...

(3) ... Nach einer Aufhebung eines Bescheides des

Bundesvergabeamtes durch den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof, die nicht vor dem erfolgt, ist das Verfahren nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes fortzuführen. ...

Die maßgebenden Bestimmungen des BVergG 1997 lauten:

§ 15. Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind folgende Begriffsbestimmungen maßgebend:

...

7. Arbeitsgemeinschaft ist ein Zusammenschluss mehrerer Unternehmer, die sich unbeschadet der sonstigen Bestimmungen des zwischen ihnen bestehenden Innenverhältnisses dem Auftraggeber gegenüber solidarisch zur vertragsgemäßen Erbringung einer Leistung auf dem Gebiet gleicher oder verschiedener Fachrichtungen verpflichten.

...

10. Bietergemeinschaft ist ein Zusammenschluss mehrerer Unternehmer zum Zweck der Einreichung eines gemeinsamen Angebotes.

...

§ 16. (1) Aufträge über Leistungen sind nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, an - spätestens zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung - befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu vergeben.

...

§ 113. ...

(3) Nach Zuschlagserteilung oder nach Abschluss des Vergabeverfahrens ist das Bundesvergabeamt zuständig, festzustellen, ob wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz oder die hiezu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde. ...

§ 115. ...

(4) In den Fällen des § 113 Abs. 3 ist ein Antrag unzulässig, wenn er nicht spätestens sechs Wochen ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Zuschlages gestellt wird.

...

Die maßgebenden Bestimmungen des VwGG lauten:

Besondere Bestimmungen über Beschwerden in Amts- und Organhaftungssachen sowie in Angelegenheiten der Nachprüfung im Rahmen der Vergabe von Aufträgen Parteien

§ 64. Parteien im Verfahren nach diesem Unterabschnitt sind das antragstellende Gericht, die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, und die Parteien des Rechtsstreites vor dem antragstellenden Gericht (§ 11 des Amtshaftungsgesetzes, BGBl. Nr. 20/1949; § 9 des Organhaftpflichtgesetzes, BGBl. Nr. 181/1967; § 341 Abs. 4 des Bundesvergabegesetzes 2006 - BVergG 2006, BGBl. I Nr. 17).

...

§ 70. Soweit sich aus den §§ 64 bis 69 nicht anderes ergibt, gelten die §§ 22 bis 25, § 29, § 31, § 32, § 33 Abs. 2, § 33a, § 34, § 36 Abs. 8, § 38b, § 40, § 41 Abs. 1, § 43 Abs. 1 bis 5 und 7 bis 9 sowie die §§ 45, 46 und 62 Abs. 1 sinngemäß.

Das antragstellende Oberlandesgericht Wien hat in seinem Beschluss vom ausgeführt, weshalb die Entscheidung eines vor ihm anhängigen Rechtsstreites im Sinne des § 341 Abs. 4 BVergG 2006 von der Frage der Rechtswidrigkeit des im Antrag bezeichneten Spruchteiles des Bescheides vom abhängt und gleichzeitig die Gründe dargelegt, aus denen der genannte Spruchteil für rechtswidrig erachtet wird. Der Antrag (Beschwerde) ist daher zulässig. Im Folgenden sind daher die vom antragstellenden Gericht gegen den angefochtenen Bescheid ins Treffen geführten Gründe zu prüfen:

Von der belangten Behörde anzuwendende Rechtslage:

Der vorliegend angefochtene Bescheid stellt einen Ersatzbescheid des durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 531/02, aufgehobenen Bescheides der belangten Behörde vom dar. Daher ist zunächst zu klären, welche Rechtslage die belangte Behörde ab dem Zeitpunkt der Erlassung dieses Erkenntnisses im fortgesetzten Vergabekontrollverfahren anzuwenden hatte. Im Zeitpunkt der Erlassung des genannten Erkenntnisses vom stand das BVergG 2002 in Geltung, mit trat das BVergG 2006 in Kraft.

Gemäß § 345 Abs. 4 BVergG 2006 sind Verfahren, die (wie das gegenständliche) beim Bundesvergabeamt im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits anhängig waren, nach den Bestimmungen des BVergG 2002 fortzuführen.

Gemäß § 188 Abs. 3 dritter Satz BVergG 2002 war ein Verfahren vor dem Bundesvergabeamt, in welchem (wie gegenständlich) ein Bescheid des Bundesvergabeamtes nicht vor dem durch den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurde, nach den Bestimmungen des BVergG 2002 fortzuführen.

Die belangte Behörde hatte demnach das fortgesetzte Vergabekontrollverfahren bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nach den Bestimmungen des BVergG 2002 zu führen. Dabei hatte sie zu berücksichtigen, dass in einem Fall wie dem vorliegenden (bei Erlassung des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes war der Zuschlag vom Auftraggeber bereits erteilt) gemäß § 175 Abs. 2 BVergG 2002 bloß festzustellen war, ob die angefochtene Entscheidung des Auftraggebers rechtswidrig war.

Von der soeben behandelten Frage, nach welchen (verfahrensrechtlichen) Vorschriften das Bundesvergabeamt bei seiner Entscheidung im fortgesetzten Verfahren vorzugehen hatte, ist die Frage zu unterscheiden, nach welchen (materiellrechtlichen) Vorschriften das Bundesvergabeamt die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Auftraggebers zu beurteilen hatte.

Da der Auftraggeber das Vergabeverfahren nach den Bestimmungen des BVergG 1997 zu führen hatte (das Vergabeverfahren wurde mit Bekanntmachung vom ausgeschrieben und mit Zuschlag vom beendet), hatte die belangte Behörde die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung des Auftraggebers (Teilnahmeunterlagen) nach den Bestimmungen des BVergG 1997 zu beurteilen.

Wenn daher das antragstellende Oberlandesgerichtes Wien gegen den angefochtenen Bescheid einwendet, die belangte Behörde habe ihre Beurteilung, ob die angefochtene Entscheidung des Auftraggebers rechtmäßig war, unrechtmäßig auf die Bestimmungen des BVergG 2002 gestützt, so trifft es zu, dass im angefochtenen Spruchteil als Rechtsgrundlage nur Vorschriften des BVergG 2002 genannt sind. Die belangte Behörde hat daher im Spruch des angefochtenen Bescheides entgegen § 59 Abs. 1 AVG die angewendeten Gesetzesbestimmungen jedenfalls unzutreffend bezeichnet. Dies führt jedoch für sich allein nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, weil die belangte Behörde auch bei Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Auftraggeberentscheidung nach den Bestimmungen des BVergG 1997 (auf die sie zumindest in der Begründung ihres Bescheides (S. 34) durch einen Verweis auf § 15 Z. 7 und 10 sowie auf § 16 Abs. 1 BVergG 1997 abstellt und die im Wesentlichen inhaltsgleich mit den im Spruch unzutreffend zitierten § 20 Z. 3 und 11 und § 21 Abs. 1 BVergG 2002 sind) schon infolge der Bindung an das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, B 531/02, zum Ergebnis gelangen musste, dass die bekämpfte Forderung der Teilnahmeunterlagen (wonach bei allen Mitgliedern einer Bieter-/Bewerbergemeinschaft die Befugnis "Baumeister" vorliegen müsse) rechtswidrig sei.

Zur Formulierung des Spruchpunktes I:

Das beschwerdeführende Oberlandesgericht vermeint eine weitere Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in der Formulierung des hier angefochtenen Teiles des Spruchpunktes I. zu erblicken, als dieser einem Antrag, die Teilnahmeunterlagen "für

nichtig zu erklären, ... insofern stattgibt, als festgestellt wird

...". In diesem Zusammenhang ist dem Oberlandesgericht Wien zuzugestehen, dass die genannte Formulierung auf den ersten Blick Zweifel erwecken könnte, ob es sich dabei um einen Rechtsgestaltungsbescheid (Nichtigerklärung einer Auftraggeberentscheidung) oder um einen Feststellungsbescheid handelt, für die jeweils unterschiedliche Voraussetzungen gelten (Nichtigerklärung gemäß § 162 Abs. 2 BVergG 2002 bis zur Zuschlagserteilung, Feststellungsbescheid gemäß Abs. 3 leg. cit. erst nach diesem Zeitpunkt).

Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die belangte Behörde die in Rede stehende Entscheidung (infolge des aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , B 531/02) auf § 175 Abs. 2 BVergG 2002 zu stützen hatte. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Zl. 2004/04/0012, ausgeführt, § 175 Abs. 2 BVergG 2002 habe zur Folge, dass ein Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers, dessen Antrag sich im Nachprüfungsverfahren ursprünglich auf die Nichtigerklärung einer Entscheidung des Auftraggebers gerichtet hat, im Falle einer zwischenzeitigen Zuschlagserteilung fortbesteht und (nunmehr) auf Feststellung des im Nachprüfungsverfahren behaupteten Verstoßes gerichtet ist. Damit ergibt sich aber, dass der ursprüngliche, auf Nichtigerklärung gerichtete Antrag auch nach der Aufhebung des Bescheides des Bundesvergabeamtes durch den Verfassungsgerichtshof weiterhin aufrecht war und gemäß § 175 Abs. 2 BVergG 2002 ex lege lediglich in einen Feststellungsantrag modifiziert wurde (vgl. zum Fortbestehen und zur Modifikation des ursprünglichen Antrages auf Nichtigerklärung, wenngleich im Fall des § 175 Abs. 1 BVergG 2002 auf Grund gesonderter Antragstellung, das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/04/0161, unter Verweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 2006/04/0119).

Ist aber nach dem Gesagten davon auszugehen, dass der Antrag der dritt- und viertmitbeteiligten Parteien auf Nichtigerklärung der Teilnahmeunterlagen auch bei Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides noch existent war (und durch das Gesetz lediglich in einen Feststellungsantrag umgewandelt wurde), so kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie in der Formulierung des Spruches des angefochtenen Bescheides - auch wenn dies der Klarheit dieses Spruches nicht förderlich ist - auf den ursprünglichen Antrag betreffend Nichtigerklärung Bezug nahm. Trotz dieser Bezugnahme ist dem hier angefochtenen Spruchteil nämlich (noch) mit ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die belangte Behörde - im Sinne des § 175 Abs. 2 BVergG 2002 - einen feststellenden (und keinen rechtsgestaltenden) Spruch erlassen hat. Davon geht letztlich auch das beschwerdeführende Oberlandesgericht in seiner Beschwerde unter Punkt 4.2.3. aus.

Zum Gegenstand der Feststellung:

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass sie als Folge des aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes, B 531/02, im fortgesetzten Verfahren auf Grund des zwischenzeitig erteilten Zuschlages nicht mehr über die ursprünglich beantragte Nichtigerklärung der Teilnahmeunterlagen abzusprechen, sondern zufolge § 175 Abs. 2 BVergG 2002 nur mehr die Feststellung zu treffen hatte, ob die angefochtene Entscheidung des Auftraggebers rechtswidrig war.

Dennoch hat die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides die Feststellung getroffen, dass wegen eines Verstoßes gegen das BVergG 2002 "der Zuschlag nicht dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde".

Dagegen bringt das beschwerdeführende Oberlandesgericht vor, ein solcher Abspruch sei in § 175 Abs. 2 BVergG 2002 nicht vorgesehen und daher nicht zulässig. Nach der letztgenannten Bestimmung hätte die belangte Behörde nur feststellen dürfen, dass die genannte Forderung der Teilnahmeunterlagen (wonach sämtliche Mitglieder einer Bewerber-/Bietergemeinschaft über die Befugnis "Baumeister" verfügen müssten) "rechtswidrig war". Mit dem Ausspruch unter Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides habe die belangte Behörde vielmehr eine Feststellung gemäß § 162 Abs. 3 BVergG 2002 getroffen, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen dieser Bestimmungen vorgelegen seien.

Wie erwähnt hat sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit der Frage auseinander gesetzt, in welcher Form die Feststellung gemäß § 175 Abs. 2 BVergG 2002 zu treffen sei. Sie ist dabei zusammengefasst zu dem Ergebnis gelangt, dass auch im Fall des § 175 Abs. 2 BVergG 2002 eine Feststellung gemäß § 162 Abs. 3 BVergG 2002 zu erfolgen habe, weil dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden könne, er habe zwei verschiedene Arten von Feststellungsentscheidungen vorsehen wollen. Außerdem sei die Feststellung, ob "der Zuschlag dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde", eine notwendige Voraussetzung für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gemäß § 184 Abs. 2 BVergG 2002.

Dieser Rechtsansicht steht Folgendes entgegen:

Gemäß § 175 Abs. 2 BVergG 2002 hat das Bundesvergabeamt unter den Voraussetzungen dieser Bestimmung bloß festzustellen, ob "die angefochtene Entscheidung des Auftraggebers" rechtswidrig war. Die Feststellung im Sinne des § 175 Abs. 2 BVergG 2002 hat sich somit nur auf jene Entscheidung des Auftraggebers zu beziehen, die Gegenstand des ursprünglichen Antrages auf Nichtigerklärung war. Dass die vom Nachprüfungsantrag betroffene Auftraggeberentscheidung im Fall § 175 Abs. 2 BVergG 2002 unverändert bleibt und durch diese Bestimmung lediglich eine Modifikation des Antragsbegehrens (Feststellung anstelle Nichtigerklärung) erfolgt, wurde bereits oben dargelegt.

Im vorliegenden Fall betraf der Antrag der dritt- und viertmitbeteiligten Parteien vom die Nichtigerklärung der Teilnahmeunterlagen. Daher konnte auch Gegenstand der Feststellung im Sinne des § 175 Abs. 2 BVergG 2002 nur die Rechtswidrigkeit dieser Teilnahmeunterlagen sein, nicht aber die Rechtswidrigkeit einer anderen Entscheidung des Auftraggebers.

Der Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides erweist sich im hier angefochtenen Umfang daher als rechtswidrig, weil die belangte Behörde festgestellt hat, "der Zuschlag" sei nicht dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt worden, obwohl Gegenstand ihrer Feststellung gemäß § 175 Abs. 2 BVergG 2002 nach dem Gesagten nur die Rechtmäßigkeit der Teilnahmeunterlagen sein konnte.

An diesem Ergebnis ändert der eingangs erwähnte (ergänzende) Antrag der dritt- und viertmitbeteiligten Parteien vom nichts, mit dem die Feststellung begehrt wurde, dass der Zuschlag wegen eines Verstoßes gegen das BVergG 2002 nicht dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt worden sei. Dieser Antrag vermag den hier angefochtenen Spruchteil des angefochtenen Bescheid schon deshalb nicht zu tragen, weil er nicht fristgerecht eingebracht wurde. Wie dargestellt wurde der Zuschlag nämlich am erteilt und am im Amtsblatt veröffentlicht, sodass der genannte Feststellungsantrag vom außerhalb der sechswöchigen Antragsfrist der §§ 113 Abs. 3 iVm § 115 Abs. 4 BVergG 1997 (ebenso § 168 Abs. 2 BVergG 2002) eingebracht wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt im Übrigen auch nicht die Ansicht der belangten Behörde, dass es gegenständlich aus Rechtsschutzüberlegungen notwendig gewesen sei, die gemäß § 175 Abs. 2 BVergG 2002 vorgesehene Feststellung betreffend die Rechtswidrigkeit der Auftraggeberentscheidung (hier: der Teilnahmeunterlagen) in eine Feststellung, ob der Zuschlag dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt worden sei, umzudeuten, um die Voraussetzung des § 184 Abs. 2 BVergG 2002 für eine Schadenersatzklage zu schaffen. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich im Erkenntnis vom , Zl. 2003/04/0199 (unter Hinweis auf das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2004/04/0012) ausgesprochen, dass die Vergabekontrollbehörde gemäß § 175 Abs. 2 BVergG 2002 - als Voraussetzung für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen - festzustellen hat, ob die angefochtene Entscheidung des Auftraggebers rechtswidrig war. Damit ist im Sinne des Art. 2 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom sicher gestellt, dass demjenigen, der durch einen Rechtsverstoß geschädigt worden ist, Schadenersatz zuerkannt werden kann (vgl. dazu etwa das , Stadt Graz gegen Strabag, Rn 32f).

Zusammengefasst erweist sich der angefochtene Bescheid in dem vom Oberlandesgericht Wien bekämpften Teil des Spruchpunktes I. daher deshalb als rechtswidrig, weil die belangte Behörde - abweichend vom Nachprüfungsantrag vom , der sich gegen die Teilnahmeunterlagen des Auftraggebers gerichtet hat - über den Zuschlag des Auftraggebers abgesprochen hat und somit die Sache des Vergabekontrollverfahrens überschritten hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher auf Grund des Antrages des Oberlandesgerichtes Wien gemäß § 341 Abs. 4 BVergG 2006 festzustellen, dass der angefochtene Bescheid in seinem Spruchteil I, soweit mit diesem dem Antrag der dritt- und viertmitbeteiligten Parteien stattgegeben wurde, rechtswidrig ist.

Wien, am