VwGH 28.03.2014, Ro 2014/02/0065
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | VStG §51e Abs3 Z3; |
RS 1 | Bei der Frage, ob im bekämpften erstinstanzlichen Bescheid eine EUR 500,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist auf jede einzelne Übertretung abzustellen und keine Zusammenrechnung mehrerer Strafen vorzunehmen (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S. 1664). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2003/05/0201 E RS 3 |
Normen | VStG §51e Abs3; VwGbk-ÜG 2013 §4 Abs5; VwGG §42 Abs2 Z3 litc; VwRallg; |
RS 2 | Die in der Berufung behauptete fehlerhafte Auswertung der Lenkzeiten verbunden mit dem Antrag der Prüfung der Auswertung durch einen Sachverständigen ist als Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung anzusehen (vgl. E , 2004/03/0148; E , 2008/02/0182; E , 2008/02/0195; E , 2005/17/0178). Die Voraussetzungen für das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 VStG lagen somit nicht vor. Der UVS war daher gemäß § 51e Abs. 1 VStG verpflichtet, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Es ist daher auch im Revisionsfall von einem "absoluten" Verfahrensmangel auszugehen, der gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führt (vgl. E , 2009/07/0039). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des M, vertreten durch Pitschmann & Santner, Anwaltspartnerschaft OEG in 6800 Feldkirch, Schillerstraße 4, der gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs-2013/14/2556-1, betreffend Übertretungen des KFG, erhobenen und zur hg. Zl. Ro 2014/02/0065 protokollierten Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
Die revisionswerbende Partei beantragt, ihrer Revision gegen den angefochtenen Bescheid - für die gemäß § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß gelten - aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers (hier: der revisionswerbenden Partei im Rahmen des Übergangsrechtes nach § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG) die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem zwingende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des Bescheides für den Beschwerdeführer (hier: die revisionswerbende Partei im Rahmen des Übergangsrechtes nach § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG) ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. den Beschluss eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10.381/A) erforderlich, dass der Beschwerdeführer schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt, es sei denn, dass sich nach Lage des Falles die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres erkennen lassen.
Im Sinne der Grundsätze dieses Beschlusses erfordert die Dartuung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils die nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Folgen der behaupteten Einbußen auf dem Boden der gleichfalls konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der beschwerdeführenden Partei. Erst die ausreichende Konkretisierung ermöglicht die vom Gesetz gebotene Interessenabwägung (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2006/03/0021).
Diesem Konkretisierungsgebot im Zeitpunkt der Antragstellung ist die revisionswerbende Partei nicht nachgekommen.
Ihrem Antrag war daher nicht stattzugeben.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Revision des D in S, vertreten durch Dr. Reinhard Pitschmann, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Schillerstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs- 2013/14/2556-1, betreffend Übertretungen des KFG (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurden dem Revisionswerber insgesamt 14 Verwaltungsübertretungen angelastet. Die Verwaltungsübertretungen nach Art. 6 Abs. 1 EG-VO 561/2006 betreffen die Spruchpunkte 3., 4., 7., 9., 10. und 12. Gemäß § 134 Abs. 1 iVm Abs. 1b KFG wurde über den Revisionswerber diesbezüglich eine Geldstrafe von EUR 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt. Die Verwaltungsübertretungen nach Art. 6 Abs. 3 EG-VO 561/2006 betreffen die Spruchpunkte 2. und 5. Dafür wurde dem Revisionswerber eine Ermahnung nach § 21 VStG erteilt.
Die Verwaltungsübertretungen nach Art. 7 EG-VO 561/2006 betreffen die Spruchpunkte 1., 6., 11., 13. und 14. Diesbezüglich wurde über den Revisionswerber gemäß § 134 Abs. 1 iVm Abs. 1b KFG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt.
Die Verwaltungsübertretung nach Art. 8 Abs. 2 EG-VO 561/2006 betrifft Spruchpunkt 8. Diesbezüglich wurde über den Revisionswerber gemäß § 134 Abs. 1 iVm Abs. 1b KFG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt.
Der Revisionswerber sei - so führte die belangte Behörde begründend aus - am um 12.47 Uhr mit einem Sattelkraftfahrzeug mit näher bestimmten Kennzeichen auf der A 12 in Fahrtrichtung Kufstein unterwegs gewesen. Bei der Kontrollstelle Radfeld/Kundl sei vom Meldungsleger eine Kontrolle der Lenkzeiten, Ruhezeiten und Fahrtunterbrechung durchgeführt worden. Dabei sei die Fahrerkarte des Revisionswerbers "ausgelesen" worden. Der Revisionswerber sei in einer Angelegenheit der Güterbeförderung von Österreich nach Niederlande unterwegs gewesen.
Vom Meldungsleger sei die Fahrerkarte einer DACO-Auswertung unterzogen worden. Dabei sei festgestellt worden, dass vom Revisionswerber im Zeitraum vom bis sechs Mal die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 EG-VO 561/2006 nicht eingehalten worden seien, wobei die Überschreitung der täglichen Lenkzeit am , 02.09 Uhr bis , 14.44 Uhr als schwerwiegend gewertet worden sei. So sei die zulässige tägliche Lenkzeit um 1 Stunde und 29 Minuten überschritten worden.
Betreffend die Verwaltungsübertretung nach Art. 6 Abs. 3 EG-VO 561/2006 (Überschreitung der Gesamtlenkzeit während zweier Wochen, welche 90 Stunden nicht überschreiten dürfe) habe die DACO-Auswertung zwei Verstöße ergeben, wobei die Überschreitung der Wochengesamtlenkzeit zweier aufeinanderfolgender Wochen einmal 6 Stunden 49 Minuten ( bis ) sowie das andere Mal im Zeitraum bis 5 Stunden 29 Minuten betragen habe. Diese Überschreitungen seien als geringfügig gewertet worden.
Bei den Verwaltungsübertretungen nach Art. 7 EG-VO 561/2006 ergebe sich, dass vom DACO-Auswertungsgerät insgesamt fünf Übertretungen festgestellt worden seien, wobei vier als geringfügig und eine als sehr schwerwiegend gewertet worden seien. Die größte Fahrtunterbrechung habe 28 Minuten in einem Zeitraum von 8 Stunden 23 Minuten betragen.
Bei der Übertretung nach Art. 8 Abs. 2 EG-VO 561/2006 (Spruchpunkt 8.) sei vom System eine Übertretung wahrgenommen worden, welche als schwerwiegend zu bezeichnen sei. Sie betreffe den bis von 5 Stunden 51 Minuten bis 5 Stunden 50 Minuten. In diesem Zeitraum wäre eine tägliche Ruhezeit von 11 Stunden vorgeschrieben; eingehalten seien jedoch nur 9 Stunden 18 Minuten worden.
Die Arbeitszeitverstöße bzw. Verstöße gegen die Ruhezeit und Lenkpausen ließen sich aus den Auswertungen zweifelsfrei nachvollziehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision, in der die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch die belangte Behörde gerügt wird.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der es die kostenpflichtige Abweisung der Revision als unbegründet beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der angefochtene Bescheid wurde dem Revisionswerber am zugestellt. Für die Behandlung der Revision gelten gemäß § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß.
In der Berufung erhob der Revisionswerber substantiierte Einwendungen gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis. Er bestritt alle ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen. So sei die Auswertung der Lenkzeiten fehlerhaft. Das Fahrtschreibergerät erkenne keine Sekundenintervalle; vielmehr betrage die kleinste Zeiteinheit 1 Minute. Es komme sohin zu Ungenauigkeiten, die sich aufsummieren würden. Der Revisionswerber beantragte in seiner Berufung die Überprüfung der Auswertung durch einen Sachverständigen.
Die belangte Behörde durfte gemäß § 51e Abs. 3 VStG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht absehen. Ein solches Absehen ist gemäß Z 3 der genannten Bestimmung nämlich nur dann möglich, wenn im angefochtenen Bescheid eine EUR 500,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der belangten Behörde ist zwar zuzugestehen, dass bei der Frage, ob im bekämpften erstinstanzlichen Bescheid eine EUR 500,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, entgegen den Revisionsausführungen auf jede einzelne Übertretung abzustellen und keine Zusammenrechnung mehrerer Strafen vorzunehmen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/05/0201, mwN).
Die in der Berufung behauptete fehlerhafte Auswertung der Lenkzeiten verbunden mit dem Antrag der Prüfung der Auswertung durch einen Sachverständigen ist jedoch im Sinne der hg. Rechtsprechung als Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung anzusehen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/03/0148, vom , Zl. 2008/02/0182, vom , Zl. 2008/02/0195, und vom , Zl. 2005/17/0178).
Die Voraussetzungen für das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 VStG lagen somit nicht vor. Die belangte Behörde war daher im Beschwerdefall gemäß § 51e Abs. 1 VStG verpflichtet, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Es ist daher auch im vorliegenden Revisionsfall von einem "absoluten" Verfahrensmangel auszugehen, der gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/07/0039, mwN).
Von der Durchführung der in der Revision beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs.11 VwGG und §§ 3 und 4 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | KFG 1967; VwGG §30 Abs2; |
Schlagworte | Darlegung der Gründe für die Gewährung der aufschiebenden Wirkung Begründungspflicht Besondere Rechtsgebiete Strafen Unverhältnismäßiger Nachteil |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2014:RO2014020065.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAE-89423