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VwGH vom 01.07.2010, 2007/04/0148

VwGH vom 01.07.2010, 2007/04/0148

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der

A GmbH in Y, vertreten durch Estermann Pock Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Heinrichsgasse 4/Top 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-550327/15/Kü/Hu, VwSen-550330/15/Kü/Hu, betreffend Vergabenachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Parteien:

1. M GmbH in X, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schubertring 6, 2. G GmbH p.A. Heid Schiefer Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 88/2-4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde den Nachprüfungsanträgen der erst- und zweitmitbeteiligten Partei auf Nichtigerklärung der Ausschreibung der Beschwerdeführerin betreffend das Vorhaben "Angio- und Kardiobedarf" stattgegeben und die genannte Ausschreibung für nichtig erklärt (Spruchpunkt I.).

Weiters wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet, der erst- und zweitmitbeteiligten Partei die entrichteten Pauschalgebühren in der Höhe von jeweils EUR 2.400,-- binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen (Spruchpunkt II.).

Als Rechtsgrundlagen führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt I. die §§ 1, 2, 3 und 7 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006, LGBl. Nr. 130 (Oö. VergRSG 2006) iVm dem § 2, 19, 80, 96 und 98 Bundesvergabegesetz 2006, BGBl. I Nr. 17 (BVergG 2006) und zu Spruchpunkt II. § 23 Oö. VergRSG an.

Begründend stellte die belangte Behörde nach ausführlicher Wiedergabe des Verfahrensganges (soweit vorliegend relevant) fest, die Beschwerdeführerin habe mit Bekanntmachung vom im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 2007/S 46-056657, ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Auftrags über die Lieferung von "Angio- und Kardiobedarf" eingeleitet. Die Bekanntmachung im amtlichen Teil der amtlichen Linzer Zeitung sei am erfolgt und bereits am unter www.linz.at. Auftragsgegenstand sei die Lieferung von Herzschrittmachern, Defibrillatoren, Herzklappen, Stents, Kathedern, Führungsdrähten, Einführungsschleusen, Gefäßprothesen und Embolieprotektionssystemen gewesen. Die erst- und zweitmitbeteiligte Partei hätten sich durch die Anforderung der Ausschreibungsunterlagen bei der Beschwerdeführerin am Vergabeverfahren beteiligt.

Mit Eingaben jeweils vom hätten die mitbeteiligten Parteien die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens und die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Aussetzung der Angebotsfrist und der Untersagung der Angebotsöffnung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren begehrt. In diesen Anträgen sei unter anderem ausgeführt worden, dass die Anträge gemäß § 4 Abs. 3 Oö. VergRSG zulässig seien, da die Einbringung am und somit bis spätestens sieben Tage vor Ablauf der Angebotsfrist am erfolgt sei.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter anderem aus, die Anträge der mitbeteiligten Parteien richteten sich gegen die Ausschreibung und seien daher zulässig und rechtzeitig innerhalb der Frist nach § 4 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 eingebracht worden. Sodann führte die belangte Behörde zusammenfassend aus, vor dem Hintergrund der mangelnden Transparenz des Zuschlagskriteriums Qualität sowie der unklaren Leistungsbeschreibung bei einer Reihe von Produkten sei die Ausschreibung der Beschwerdeführerin rechtswidrig. Dies sei auch für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss. Die Ausschreibung sei daher im Sinne des § 7 Abs. 1 Oö. VergRSG zur Gänze für nichtig zu erklären gewesen.

Der Gebührenersatz an die erst- bzw. zweitmitbeteiligte Partei sei zuzusprechen gewesen, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Oö. VergRSG für die Zuerkennung des Gebührenersatzes erfüllt gewesen seien.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich (als öffentliche Auftraggeberin) unter anderem im Recht auf "Zurückweisung verspätet eingelangter gegen unsere Ausschreibung gerichtete Nachprüfungsanträge" verletzt und bringt zu diesem Beschwerdepunkt vor, die Nachprüfungsanträge der mitbeteiligten Parteien seien (jeweils) verfristet gewesen. Aus dem der belangte Behörde vorgelegten Vergabeakt, insbesondere den Ausschreibungsunterlagen und den diesbezüglich übereinstimmenden Angaben der Parteien ergebe sich, dass die Angebotsfrist am , 10.00 Uhr, abgelaufen sei. Nach den Feststellungen der belangten Behörde sei die europaweite Bekanntmachung am erfolgt, die Angebotsfrist betrage daher weit mehr als 15 Tage. Die Nachprüfungsanträge der mitbeteiligten Parteien seien jeweils vom datiert. Selbst unter der Annahme, dass diese Anträge noch am selben Tage eingebracht oder zur Post gegeben worden seien (eine entsprechende Feststellung sei dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen) wären beide Anträge verfristet. Nach der ausdrücklichen Regelung des § 4 Abs. 3 Oö. VergRSG werde das Ende der Angebotsfrist, also der , in die Frist vom sieben Tagen nicht eingerechnet. Demnach sei der der erste Tag der siebentägigen Frist. Der siebente Tag der siebentägigen Frist sei somit der . Gemäß § 4 Abs. 3 Oö. VergRSG müsse der Nachprüfungsantrag jedoch spätestens sieben Tage, und nicht etwa am 7. Tag vor Ablauf der Angebotsfrist eingebracht werden. Daher seien die Nachprüfungsanträge der mitbeteiligten Parteien verfristet.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie unter anderem vorbrachte, aus der gesetzlichen Formulierung des § 4 Abs. 3 Oö. VergRSG 2006 (" bis spätestens") ergebe sich, dass ein Nachprüfungsantrag, der am 7. Tag vor Ende der Angebotsfrist eingebracht werde, wobei der Tag des Endes der Angebotsfrist gesetzeskonform nicht eingerechnet werde, jedenfalls als rechtzeitig zu bewerten sei. Das Gesetz spreche nämlich nicht von "sieben Tagen vor Ende der Angebotsfrist", sondern von "bis sieben Tage vor Ablauf der Angebotsfrist" und daher habe der 7. Tag vor dem Ende der Angebotsfrist als letztmöglicher Einbringungszeitpunkt zu gelten. Die Nachprüfungsanträge der mitbeteiligten Parteien seien deshalb als rechtzeitig anzusehen.

4. Die erstmitbeteiligte Partei erstattete ebenso eine Gegenschrift, in der sie im Wesentlichen vorbringt, die Beschwerdeführerin könne durch den angefochtenen Bescheid grundsätzlich nur im Recht auf "Unterlassung der Nichtigerklärung der Ausschreibung" verletzt sein. Demgegenüber habe sie in ihrer Beschwerde lediglich "vermeintliche" Beschwerdepunkte angeführt, welche bloß als "Beschwerdegründe" zu qualifizieren seien. Insbesondere habe die Beschwerdeführerin nicht durch das von ihr geltend gemachte Recht auf "Durchführung eines Vergabeverfahrens nach den von uns festgelegten gesetzeskonformen Bedingungen" verletzt werden können. Lediglich das von der Beschwerdeführerin als Beschwerdepunkt bezeichnete Recht auf "Nichtzuerkennung des Ersatzes der von den mitbeteiligten Parteien im Vergabekontrollverfahren entrichteten Pauschalgebühren durch uns" sei zulässig, das verwaltungsgerichtliche Verfahren daher auf diesen Beschwerdepunkt beschränkt.

Zur Rechtzeitigkeit ihres Nachprüfungsantrages bringt die erstmitbeteiligte Partei im Wesentlichen vor, die Frist des § 4 Abs. 3 Oö. VergRSG entspreche der Anfechtungsfrist des § 321 Abs. 2 Z 2 BVergG 2006. Schon nach § 32 Abs. 1 AVG sei der Tag nicht mitzurechnen, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis falle, wonach sich der Anfang der Frist richten solle. Diesbezüglich habe das Bundesvergabeamt in einer näher bezeichneten Entscheidung zu § 321 Abs. 2 Z 2 BVergG 2006 festgehalten, dass der 7. Tag vor dem fristauslösenden Ereignis entscheidend sei. Auch die erläuternden Bemerkungen zur Änderung des § 321 Abs. 2 BVergG 2006 durch die Novelle des BVergG 2006 bestätigten diese Ansicht. Durch diese Novelle sollte durch die Ersetzung der Formulierung "binnen" durch "spätestens" die Rechtslage des BVergG 2006 in dieser Hinsicht dem Oö. VergRSG angeglichen werden. Aus diesen Erläuterungen ergebe sich, dass bei einer Frist von spätestens drei Tagen vor Ablauf der Angebotsfrist der dritte Tage maßgeblich sei. Im vorliegenden Fall sei der Nachprüfungsantrag der erstmitbeteiligten Partei am 7. Tag vor Ende der Angebotsfrist, sohin rechtzeitig eingebracht worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorangestellt sei, dass die Frage der Rechtzeitigkeit der Nachprüfungsanträge durch den von der Beschwerdeführerin - oben wiedergegebenen - Beschwerdepunkt erfasst wird.

2. Gemäß § 4 Abs. 3 erster Satz Oö. VergRSG 2006 sind Anträge auf Nachprüfung der Ausschreibungs- oder Wettbewerbsunterlagen bis spätestens sieben Tage vor Ablauf der Angebotsfrist bzw. der Frist zur Vorlage der Wettbewerbsarbeiten einzubringen, wobei der Tag des Endes der genannten Frist in diese sieben Tage nicht eingerechnet wird.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Bestimmung des § 321 Abs. 2 Z 1 BVergG 2006 in der Stammfassung BGBl. I Nr. 17 und der dort enthaltenen Fristenregelung "binnen drei Tagen vor ..."

festgehalten, dass sich aus dem Zweck der dortigen Regelung eindeutig ergebe, dass der Nachprüfungsantrag trotz Verwendung der

Wortfolge "binnen ... einzubringen" nicht innerhalb dieser

dreitägigen Frist, sondern spätestens drei Tage vor Ablauf der Abgabefrist eingebracht werden muss, sodass während der dreitägigen Frist des § 321 Abs. 2 Z 1 BVergG 2006 eine Antragseinbringung nicht mehr zulässig ist. Dabei handle es sich um eine verfahrensrechtliche Frist, sodass gemäß § 32 Abs. 1 AVG bei der Berechnung der dreitägigen Frist der Tag des fristauslösenden Ereignisses nicht mitzuzählen sei.

Sodann führte der Verwaltungsgerichtshof davon ausgehend fallbezogen aus, bei der Berechnung der (gemäß § 321 Abs. 2 Z. 1 BVergG 2006) dreitägigen Frist sei der Tag, an dem die Teilnahmeanträge spätestens abgegeben werden müssen, im damaligen Fall war das der , nicht mitzuzählen. Bei den drei Tagen dieser Frist handle es sich somit um den 16., den 17. und den 18. Mai. Der Nachprüfungsantrag hätte davor, also spätestens am 15. Mai eingebracht werden müssen. Der erst am 16. Mai eingebrachte Nachprüfungsantrag sei daher von der belangten Behörde im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen worden (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/04/0112).

Im Ergebnis ging der Verwaltungsgerichtshof daher davon aus, dass zur rechtzeitigen Einbringung drei volle Tage vor dem fristauslösenden Ereignis verbleiben müssen, um die Frist "binnen drei Tagen vor ..." im Sinn von "spätestens drei Tage vor" einzuhalten.

Mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/04/0140, hat es der Verwaltungsgerichtshof dahin stehen lassen, ob diese Judikatur auf § 321 BVergG 2006 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 86/2007 - auf welche sich auch die mitbeteiligte Partei beruft - übertragbar ist.

4. Die im zitierten Erkenntnis vom vertretene Sichtweise ist auf den vorliegenden Beschwerdefall übertragbar:

Auch vorliegend geht es um eine zurückzurechnende Frist, bei welcher der Nachprüfungsantrag "bis spätestens sieben Tage vor Ablauf der Angebotsfrist" einzubringen war. Weiters ist gemäß § 32 Abs. 1 AVG der Tag des Ablaufes der Angebotsfrist als Tag, in den das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll, nicht mitzurechnen.

Alleine strittig ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, ob die Wortfolge "bis spätestens sieben Tage vor" bedeutet, dass zur Einhaltung der Frist der Nachprüfungsantrag so rechtzeitig eingebracht werden muss, dass sieben volle Tage bis zum Tag, an dem die Angebotsfrist abläuft, verbleiben (so die Beschwerdeführerin) oder ob es ausreicht, dass der Nachprüfungsantrag am 7. Tag vor dem Tag, an dem die Angebotsfrist abläuft, eingebracht wird (so die mitbeteiligte Partei und offenbar auch die belangte Behörde).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im zitierten Erkenntnis vom die Wortfolge "binnen" im Sinn von "spätestens" verstanden. Davon ausgehend hat der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis festgehalten, dass zur rechtzeitigen Einbringung drei volle Tage vor dem fristauslösenden Ereignis verbleiben müssen, um die Frist "binnen drei Tagen vor ..." im Sinn von "spätestens drei Tage vor" einzuhalten.

Übertragen auf die vorliegend maßgebliche Rechtslage des § 4 Abs. 3 erster Satz OÖ. VergRSG bedeutet dies, dass fallbezogen zur rechtzeitigen Einbringung sieben volle Tage vor dem fristauslösenden Ereignis, hier dem Ablauf der Angebotsfrist, verbleiben müssen, um die Frist "bis spätestens sieben Tage vor ..." einzuhalten.

Daher ist die Beschwerdeführerin im Recht, wenn sie vorbringt, dass ausgehend vom 12. April als Tag des Ablaufes der Angebotsfrist und unter Zurückrechnung von sieben vollen Tagen der 4. April als der letzte Tag anzusehen ist, an dem der Nachprüfungsantrag rechtzeitig eingebracht hätte werden können.

Von dieser Rechtslage ausgehend, hat sich die belangte Behörde nicht - wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt - mit der Frage beschäftigt, ob die erst am 5. April bei der belangten Behörde eingelangten Nachprüfungsanträge der mitbeteiligten Partei nach § 33 Abs. 3 AVG (Nichteinrechnung der Tage des Postlaufes) allenfalls rechtzeitig waren. Diese fehlende Begründung stellt einen sekundären Verfahrensfehler dar, sodass der angefochtene Bescheid schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben gewesen war.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am