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VwGH vom 10.11.2011, 2009/07/0187

VwGH vom 10.11.2011, 2009/07/0187

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des A Z in W, vertreten durch Mag. Margit Metz, Rechtsanwältin in 3843 Dobersberg, Schellings 6, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. LF1-LAS-259/006-2008, betreffend nachträgliche Einbeziehung von Grundstücken in das Zusammenlegungsgebiet O, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die niederösterreichische Agrarbezirksbehörde (im Folgenden: ABB) bezog mit Bescheid vom unter anderem die dem Beschwerdeführer gehörenden Grst. Nrn. 14/1 und 119/2 KG O. in das Zusammenlegungsgebiet O. ein.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde, in der er sich gegen die nachträgliche Einbeziehung seiner Grundstücke wandte. Über seine beiden nachträglich in das Zusammenlegungsgebiet einbezogenen Grundstücke solle eine öffentliche Straße errichtet werden. Eine Änderung der derzeitigen Verhältnisse liege nicht in seinem Interesse. Es sei zu befürchten, dass die öffentliche Straße mitten durch seinen Reitbetrieb führen werde, wodurch eine erhebliche Beeinträchtigung desselben erfolge.

Dazu gaben ein agrartechnischer Sachverständiger und eine landwirtschaftliche Sachverständige am eine Stellungnahme ab.

Dieser Stellungnahme zufolge bestünde zwischen der Landesstraße L 59 im Osten und dem bestehenden Asphaltweg auf Grst. Nr. 746 (öffentliches Gut) ein nicht öffentlicher, jedoch befestigter Weg. Dieser schließe in weiterer Folge im Westen an die Landesstraße L XX an und stelle somit eine Hintausverbindung zwischen den beiden Landesstraßen dar.

Die Trasse liege teilweise im Verfahrensgebiet, zum Teil auf den nunmehr nachträglich einbezogenen Grundstücken des Beschwerdeführers.

Im Zusammenlegungsverfahren sei die Verbreiterung des gegenständlichen Wegabschnittes als 4 m breiter Schotterweg mit asphaltierter Einfahrtstrompete zur Landesstraße vorgesehen. Als Ausscheidungsbreite seien dafür 6 m erforderlich. Aus Kostengründen solle die bestehende Trasse jedoch beibehalten werden.

Laut einer von der ABB vorgelegten Niederschrift sei bei einer Besprechung mit dem verkehrstechnischen Sachverständigen die Situierung eines Verkehrszeichens: Fahrverbot für Fahrzeuge über 3,5 t (§ 52 lit. a Z. 9c StVO 1960) mit dem Zusatz gemäß § 54 StVO "Ausgenommen landwirtschaftlicher Verkehr und Anrainerverkehr" an beiden Straßeneinmündungen festgelegt worden, sollte das Vorhaben durchgeführt werden. Zur lückenlosen Kundmachung des Ortsgebietes, zu dem auch der gegenständliche Weg zähle, sei überdies die Absicherung mittels der zu versetzenden Ortstafel erforderlich.

Aus landwirtschaftlicher Sicht sei eine durchgehende öffentliche Verbindung in Form eines Hintausweges deshalb wünschenswert, weil dadurch ein Großteil der landwirtschaftlichen Fahrten aus dem Ortskern ferngehalten werden könnte. Der projektgemäße Ausbau der bestehenden Wegtrasse in diesem Bereich würde den heutigen betrieblichen Erfordernissen entgegenkommen. Überdies würde sich die Hofzufahrt zu der im weiteren Verlauf des Weges gelegenen Betriebsstätte verbessern.

Zu dieser Stellungnahme der beiden Sachverständigen wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewährt.

In einer Stellungnahme vom führte dieser dazu aus, dass der Weg keine "Hintausverbindung" zwischen den Landesstraßen L XY und L XX sei. Der Weg sei durch seinen Reitbetrieb abgesperrt und seit längerer Zeit nicht mehr befahrbar. Der Weg sei für aus dem Ortskern kommende landwirtschaftliche Fahrten "nicht tunlich". Es würden lediglich Grundstücke des Viktor T. sowie seine Grundstücke erschlossen werden. Die Sachverständigen hätten in ihrem Erhebungsbericht offenlegen müssen, für welche Betriebe sich die Hofzufahrt verbessern würde. Tatsächlich handle es sich um einen "Luxusweg", welcher auf Kosten der Zusammenlegungsgemeinschaft errichtet werden sollte. Die Wegführung führe zu einer Durchtrennung und damit zu einer nachhaltigen Störung seines Reitbetriebes; so wäre etwa die Verbindung zwischen Reithalle und Koppel nicht mehr gegeben. Eine solche Behinderung stünde in keinem Verhältnis zum Vorteil, der mit der Wegführung verbunden wäre. Dieser wäre minimal. Viktor T. habe erklärt, er wolle den Wegausbau nicht, weil sein Grundstück bereits ausreichend erschlossen sei.

Die Sachverständigen wären in ihrer Stellungnahme nicht darauf eingegangen, wie sich die Wegführung auf seinen Reitbetrieb auswirken würde. Reiter und Pferde würden gefährdet. Derartige Schäden hätte die Zusammenlegungsgemeinschaft abzugelten.

Sämtliche Grundstücke seien durch einen am anderen Feldende neu angelegten Weg erschlossen.

Schließlich hätte die Stellungnahme der Sachverständigen die "Hintausverbindung" besser beschreiben müssen. Die Beschreibung hätte ergeben, dass die Wegführung auch den "Betrieb B."

beeinträchtigen würde. Eine Wegverbindung würde zu einer Verkehrsanziehung führen. Es sei nicht ersichtlich, worin das öffentliche Interesse liege, den Wegabschnitt zum öffentlichen Gut zu erklären. Der öffentliche Wegausbau stünde nur für jenen Bereich, der sich im Zusammenlegungsgebiet befinde, fest. Für die restlichen Teilstücke läge keine Rechtsgrundlage vor. Es sei auch kein Verfahren anhängig, mit dem Wegflächen zum öffentlichen Gut erklärt würden.

Im Übrigen habe sich - so führte der Beschwerdeführer schließlich aus - die Aussage des verkehrstechnischen Sachverständigen auf dem Bereich des Gebietes außerhalb des Zusammenlegungsgebietes bezogen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass es weder der Systematik einer Mehrstufigkeit des Zusammenlegungsverfahrens, noch dem Wortlaut der bezughabenden Gesetzesbestimmungen entsprechen würde, für die nachträgliche Einbeziehung von Grundstücken weitere Voraussetzungen zu fordern. Bei der Auslegung von Verwaltungsgesetzen bestehe ein Vorrang der Wortinterpretation in Verbindung mit der grammatikalischen und der systematischen Auslegung. Gegenüber der Anwendung sogenannter "korrigierender Auslegungsmethoden" sei äußerste Zurückhaltung geboten. Daher sei zunächst nach dem Wortsinn zu fragen. Der Wortlaut der bezughabenden Gesetzbestimmung fordere nur die Absicht, auf einem Grundstück eine gemeinsame Anlage herzustellen, und dieses in einem Zusammenlegungsgebiet nachträglich einzubeziehen.

Grund für die gegenständliche Einbeziehung sei die geplante Errichtung eines öffentlichen Weges über die verfahrensgegenständlichen Grundstücke. Ein Hindernis bestünde nur, wenn sich erweisen würde, dass diese Absicht offenbar undurchführbar oder unzweckmäßig wäre. Durch die vorliegende Stellungnahme des Sachverständigen sei der Umstand objektiviert, dass für den landwirtschaftlichen Verkehr eine durchgehende Verbindung sichergestellt werden könnte. Für die Verwendung der vorhandenen Wegtrasse samt der nördlich gelegenen Grundstücksteile spreche überdies die Überlegung, Kosten zu minimieren. Das Verfahren erfordere eine Grobprüfung. Demnach sei eine nachträgliche Einbeziehung eines Grundstückes immer dann möglich, wenn sich bei einer überschlägigen Beurteilung ergebe, dass das Grundstück für eine gemeinsame Anlage benötigt werden könnte und keine vernünftigen Gründe dagegen sprechen würden.

Im vorliegenden Fall lägen keine Anhaltspunkte vor, dass die ins Auge gefasste Wegführung grundsätzlich unzweckmäßig wäre. Die in der technischen Stellungnahme getroffenen Aussagen seien plausibel und stünden im Einklang mit den Verfahrenszielen des Zusammenlegungsverfahrens.

Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer dem Straßenprojekt kritisch gegenüber stehe und befürchte, die öffentliche Straße würde mitten durch seinen Reitbetrieb führen, sei unerheblich. Dieser übersehe nämlich, dass die bloße Einbeziehung der verfahrensgegenständlichen Grundstücke in das Zusammenlegungsgebiet seine rechtlich geschützten Interessen (noch) nicht aktuell beeinträchtige. Durch die nachträgliche Einbeziehung würden ihm nämlich (noch) keine Verpflichtungen auferlegt. Ob die beabsichtigte Maßnahme zweckmäßig sei, werde erst im nachfolgenden Verfahren über die Planung gemeinsamer Maßnahmen zu entscheiden sein. Es sei gewährleistet, dass der Beschwerdeführer tunlichst mit Grundstücken gleicher Beschaffenheit abgefunden werde und dass hiebei insbesondere auf die speziellen Verhältnisse der einzelnen alten Grundstücke Bedacht zu nehmen sei. Seine Abfindung müsse so gestaltet sein, dass bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung ohne erhebliche Änderung der Art und Einrichtung des Betriebes ein größerer oder zumindest gleicher Betriebserfolg wie bei den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken ermöglicht werde.

Daher bedürfe es auch entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keiner Prüfung, "für welche Betriebe sich die Hofzufahrt verbessern würde". Es bedürfe keiner konkreteren Überlegungen als jener, welche in der technischen Stellungnahme angestellt worden seien. Daraus folge, dass es unerheblich sei, ob der noch zu planende Weg den Reitbetrieb "absperre" oder die bestehende Trasse seit längerer Zeit nicht mehr befahrbar sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2 des Niederösterreichischen Flurverfassungs-Landesgesetzes 1975, LGBl. 6650-6 (NÖ FLG), hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"§ 2

Zusammenlegungsgebiet; Einleitung des Verfahrens

(1) Die Behörde hat das Zusammenlegungsgebiet so zu bestimmen, dass die Ziele der Zusammenlegung (§ 1) möglichst zweckmäßig und wirtschaftlich erreicht werden können um den davon betroffenen Gemeinden Gelegenheit zur Stellungnahme dazu zu geben.

(2) Die Behörde hat das Verfahren von Amts wegen mit Verordnung durch Aufzählung aller Grundstücke einzuleiten (Einleitungsverordnung), wenn

o das Ziel der Zusammenlegung (§ 1) erreicht werden kann o der zu erwartende Erfolg dem Aufwand an Arbeit und Kosten

voraussichtlich entspricht.

(3) Gegenstand der Zusammenlegung sind alle Grundstücke, die im Zusammenlegungsgebiet liegen (einbezogene Grundstücke). Sie gliedern sich in Grundstücke, die

1. der Zusammenlegung unterzogen werden (ihre Eigentümer haben Anspruch auf Zuweisung einer Abfindung - § 17);

2. nur in Anspruch genommen werden für gemeinsame Maßnahmen und Anlagen oder Grenzänderungen (§ 18 Abs. 1);

3. nur von der Neuvermessung erfasst werden (um das Zusammenlegungsgebiet zweckmäßig abzurunden oder unvermessene Flächeneinschlüsse zu vermeiden) oder den Eigentümern ohne Vermessung verbleiben.

(4) Während des Verfahrens dürfen Grundstücke - auch auf Antrag - mit Bescheid in das Zusammenlegungsgebiet einbezogen werden, um

o gemeinsame Anlagen herzustellen,

o gemeinsame Maßnahmen durchzuführen.

o eine zweckmäßige Flureinteilung zu erzielen oder

o das Verfahren sonst durchführen zu können.

…"

Der Beschwerdeführer behauptet zunächst in Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Erwerbsausübungsfreiheit verletzt zu sein. Zudem grenze das Vorgehen der belangten Behörde an "Willkür".

Damit macht der Beschwerdeführer im Ergebnis eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend. Die Wahrung solcher Rechte obliegt indessen dem Verfassungsgerichtshof.

Nach der Judikatur von Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof ist das Kommassierungsverfahren (Zusammenlegungsverfahren) durch einen stufenförmigen Aufbau gekennzeichnet. Diesem Aufbau wohnt die Folge inne, dass jede einzelne Etappe durch einen behördlichen Akt abgeschlossen wird, dessen Rechtskraft einerseits Voraussetzung für die Durchführung des nächstfolgenden Stadiums des Verfahrens ist und der andererseits der Durchführung des weiteren Verfahrens zugrunde gelegt werden muss. Das Überspringen einer Verfahrensstufe würde der Behörde die Befugnis zur Entscheidung einer späteren Stufe des Verfahrens nehmen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2009/07/0008 bis 0009, mwN).

Die Beschwerde führt aus, dass durch den geplanten Wegebau eine gesetzmäßige Abfindung des Beschwerdeführers unmöglich würde.

Die Einbeziehung verstoße gegen § 17 NÖ FLG.

Dieses Vorbringen erweist sich als unzulässig, richtet es

sich doch gegen den noch nicht erlassenen Zusammenlegungsplan.

Die nachträgliche Einbeziehung von Grundstücken gemäß

§ 2 Abs. 4 NÖ FLG erfordert lediglich eine Grobprüfung. In diesem Stadium des Verfahrens haben konkrete Überlegungen über die Gestaltung einzelner Grundstücke im Zuge des weiteren Verfahrens keinen Platz. Die Detailprüfung und die Ausgestaltung der neuen Flureinteilung ist ebenso wie die zukünftige Gestaltung von Wegen, Anlagen oder sonstigen Maßnahmen den nachfolgenden Verfahrensabschnitten vorbehalten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/07/0138 bis 0143, mwN). Bei der nachträglichen Einbeziehung von Grundstücken ist lediglich die Prognose entscheidend, ob diese für die Abwicklung des Verfahrens und die Entwicklung der Neueinteilung zweckmäßig ist oder nicht (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/07/0164 bis 0165).

Eine solche Zweckmäßigkeit lässt sich schlüssig aus der technischen Stellungnahme des agrartechnischen Sachverständigen und der landwirtschaftlichen Sachverständigen vom ableiten. Die dort enthaltene Prognose, wonach durch die nachträgliche Einbeziehung der Grundstücke des Beschwerdeführers letztlich "ein Großteil der landwirtschaftlichen Fahrten aus dem Ortskern ferngehalten werden könnte", wird einer prognostischen Grobprüfung unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten gerecht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
XAAAE-89399