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VwGH vom 01.07.2010, 2007/04/0136

VwGH vom 01.07.2010, 2007/04/0136

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der B Ges.m.b.H. in Y, vertreten durch Dr. Josef Wolfgang Deitzer, Rechtsanwalt in 2320 Schwechat, Wiener Straße 36-38/1/24, gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates des Landes Wien vom , Zl. VKS - 2479/07, betreffend Vergabenachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Stadt Wien (Magistratsabteilung 28 - Straßenverwaltung und Straßenbau) in 1170 Wien, Lienfeldergasse 96), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1. Vergabeverfahren:

Den insoweit unstrittigen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zufolge führte die mitbeteiligte Partei als öffentliche Auftraggeberin vorliegend Verfahren im Unterschwellenbereich zur Vergabe von Bauleistungen durch. Konkret handelte es sich um die Vergabe von Straßenbauarbeiten in Wien 23, in deren Rahmen auch die in der Ausschreibung (Obergruppe 3) beschriebenen Bodenmarkierungsarbeiten ausgeführt werden sollten. Die Veröffentlichung erfolgte im Amtsblatt der Stadt Wien, der Zuschlag sollte nach dem Kriterium des niedrigsten Preises erteilt werden. Die Ausschreibungsunterlagen enthalten (in der Beilage "Technische Beschreibung", Seite 8, unter V. Angebotsbestimmungen) folgende für den Beschwerdefall maßgebliche Festlegung:

"1. Befugnisse

Zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen sind folgende Befugnisse zwingend erforderlich:

Baumeister (Tiefbau), Pflasterer, Bodenmarkierer."

Der Ausschreibung war weiters eine aus 37 Seiten samt zahlreichen Anlagen bestehende Beilage beigefügt, welche die Bedingungen und Bestimmungen für die Durchführung der Bodenmarkierungen im Bereich des Bundeslandes Wien, Projekt 23, betrafen.

Die Beschwerdeführerin hatte in ihrem Angebot die ausgeschriebenen Bodenmarkierungsarbeiten mit einem Preis von EUR 18.134,55 (ohne USt.) ausgewiesen. Zu den zur Leistungserbringung erforderlichen Befugnissen führte die Beschwerdeführerin an: "Baumeister, Pflasterer". Die Frage "Bieter selbst befugt?" wurde bei Baumeister bejaht, bei Pflasterer verneint. Einen Subunternehmer für die Durchführung der Bodenmarkierungsarbeiten nannte die Beschwerdeführerin nicht, erst nach Aufforderung durch die mitbeteiligte Partei wurde durch die Beschwerdeführerin ein Subunternehmer namhaft gemacht.

Mit Schreiben vom wurde das Angebot der Beschwerdeführerin durch die mitbeteiligte Partei gemäß § 129 Abs. 1 Z 1 iVm § 19 Abs. 1 BVergG 2006 ausgeschieden.

2. Angefochtener Bescheid:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Nichtigerklärung der Ausscheidungsentscheidung der mitbeteiligten Partei (vom ) abgewiesen (Spruchpunkt 1.), eine näher bezeichnete einstweilige Verfügung mit sofortiger Wirkung aufgehoben (Spruchpunkt 2.) und die Beschwerdeführerin zur Tragung der von ihr entrichteten Pauschalgebühren verpflichtet (Spruchpunkt 3.). Als Rechtsgrundlagen führte die belangte Behörde (undifferenziert) die §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 11 Abs. 2, 19 Abs. 2, 20 Abs. 1, 22 Abs. 2, 23 Abs. 1, 24 Abs. 1 Z 5, 25 Abs. 1, 39 WVRG 2007 iVm den §§ 2 Z 16 lit. a sublit. aa und Z 48, 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 Z 1, 69 Z 1, 83, 106 Abs. 8, 108 Abs. 1 Z 2, 129 Abs. 1 Z 2, 345 BVergG 2006 und die §§ 32 Abs. 1 und 99 GewO 1994 an.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, entscheidende Frage sei, ob das Angebot der Beschwerdeführerin mangels Befugnis zur Erbringung der gegenständlichen Bodenmarkierungsarbeiten zu Recht ausgeschieden worden sei.

Bodenmarkierungsarbeiten würden im § 99 Abs. 1 und 2 GewO 1994 nicht unter jenen Gewerken angeführt, welche der Baumeister auch ausführen dürfe. Der Baumeister könne diese zwar übernehmen, planen, berechnen und leiten, er habe sich jedoch zur Ausführung eines befugten Gewerbetreibenden zu bedienen. Die mitbeteiligte Partei habe diesbezüglich in der Ausschreibung festgelegt, dass ein Bieter Leistungen anderer Unternehmen anzugeben habe, was seitens der Beschwerdeführerin nur betreffend die Pflasterarbeiten in ihrem Angebot erfolgt sei.

Nach § 108 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 habe jedes Angebot insbesondere die Bekanntgabe der Subunternehmer, deren Leistungsfähigkeit für den Nachweis der Leistungsfähigkeit des Bieters erforderlich sei, zu enthalten. In diesem Sinne habe die mitbeteiligte Partei in den Ausschreibungsunterlagen darauf hingewiesen, dass zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen unter anderem auch die Befugnis des Bodenmarkierers erforderlich sei (Punkt V 1. der Technischen Beschreibung).

Da gemäß § 69 Z 1 BVergG 2006 die Befugnis im offenen Verfahren spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen müsse, sei die nachträglich erfolgte Nennung eines befugten Subunternehmers zur Durchführung der ausgeschriebenen Bodenmarkierungsarbeiten verspätet und stelle die nachträgliche Nennung eines Subunternehmers im Ergebnis eine nach § 106 Abs. 8 BVergG 2006 unzulässige Angebotsänderung dar.

Auch könne dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden, bei den ausgeschriebenen Bodenmarkierungsarbeiten handle es sich um geringfügige Nebenleistungen im Sinne des § 32 Abs. 1 GewO 1994.§ 32 Abs. 1 GewO 1994 nehme ausdrücklich Bezug auf geringe Nebenleistungen, die gegenständlich nicht vorlägen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass in der Ausschreibung diesbezüglich eine eigene Obergruppe (OG 03) gebildet worden sei und dazu in den Ausschreibungsunterlagen umfangreiche Ausführungsbestimmungen enthalten seien (Einsatz bestimmter Geräte und Maschinen, speziell geschulter Arbeiter, Einhaltung von Sicherheitsvorschriften etc.). Letztlich habe die mitbeteiligte Partei diesbezüglich auch einen Befugnisnachweis verlangt.

Deshalb sei die Ausscheidung der Beschwerdeführerin in vergaberechtskonformer Weise erfolgt.

3. Beschwerde:

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der im Wesentlichen vorgebracht wird, die Beschwerdeführerin habe schon nach der Bestimmung des § 99 GewO 1994 über eine grundsätzliche Befugnis für Bodenmarkierungsarbeiten verfügt. Der Umstand, dass sie über Aufforderung der mitbeteiligten Partei im Nachhinein einen Subunternehmer namhaft gemacht habe, dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Beschwerdeführerin sehr wohl berechtigt gewesen sei, die ausgeschriebenen Bodenmarkierungsarbeiten im Rahmen der Bauführung zu übernehmen. Weiters handle es sich bei diesen Bodenmarkierungsarbeiten um Leistungen in geringem Umfang nach § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994. Die Bodenmarkierungsarbeiten seien im Leistungsverzeichnis der Beschwerdeführerin mit EUR 21.761,46 inkl. 20 % USt. veranschlagt worden, was rund 1,2 % der Auftragssumme entspreche. Ausgehend von diesem Leistungsumfang seien die Bodenmarkierungsarbeiten sehr wohl als geringfügige Nebenleistungen im Sinne des § 32 GewO 1994 zu verstehen.

4. Gegenschriften:

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenso eine Gegenschrift, in der sie unter anderem auf die Festlegung (in Punkt V. der Angebotsbestimmungen, 1. Befugnisse) der Ausschreibung verweist, wonach zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistung, welche unstrittig auch Bodenmarkierungsarbeiten umfasste, folgende Befugnisse als zwingend erforderlich festgelegt worden seien:

Baumeister (Tiefbau), Pflasterer, Bodenmarkierer. Auch enthielten die Ausschreibungsunterlagen eine ausführliche Anlage M zur Technischen Beschreibung, welche ausschließlich die besonderen Vertragsbestimmungen und speziellen technischen Vorgaben betreffend die Bodenmarkierungsarbeiten regle. Daher sei festzuhalten, dass sowohl die Bedeutung, die seitens der mitbeteiligten Partei als öffentliche Auftraggeberin den Bodenmarkierungsarbeiten als eigenständiges Gewerk beigemessen worden sei, als auch die festgelegten Anforderungen an die Bieter bezüglich dieses Leistungsteiles aus den Ausschreibungsunterlagen klar hervorgegangen seien. Da eine Anfechtung der Ausschreibung nicht vorgenommen worden sei, seien diese Festlegungen für Auftraggeber und Bieter verbindlich. Die Tatsache, dass der Preis das einzige Zuschlagskriterium gewesen sei, rechtfertige nicht die von der Beschwerdeführerin vertretene Ansicht, die "Geringfügigkeit der Leistung" sei nur nach dem Preisanteil zu beurteilen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im vorliegenden Beschwerdefall geht es alleine um die Frage, ob die Beschwerdeführerin durch die mitbeteiligte Partei als öffentliche Auftraggeberin gemäß § 129 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 zu Recht wegen fehlender Befugnis ausgeschieden wurde.

2. Im Hinblick auf das Fehlen einer Befugnis und die damit zusammenhängenden gewerberechtlichen Fragen der Befugnis des Baumeisters nach § 99 GewO 1994 bzw. den Nebenrechten von Gewerbetreibenden nach § 32 Abs. 1 GewO 1994 gleicht der vorliegende Beschwerdefall jenem, der bereits mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/04/0250, entschieden worden ist. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Mit den Leistungen anderer Gewerbe "im geringem Umfang" nach § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 hat sich der Verwaltungsgerichtshof neben dem zitierten Erkenntnis vom in einem weiteren Erkenntnis vom , Zl. 2006/04/0148, beschäftigt. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 ausdrücklich

(quantitativ) von "Leistungen anderer Gewerbe ... in geringem

Umfange" spricht und nicht (qualitativ) auf die Wesentlichkeit der Leistungen abstellt. Der Verwaltungsgerichtshof sah daher die Auffassung der (dort) belangten Behörde, es reiche bereits aus, dass es sich bei einer Leistung um einen "wesentlichen Leistungsteil zur Funktion der Anlage" handle und daher könne der preisliche Aspekt und damit die Frage des prozentuellen Anteils am Gesamtentgelt bzw. an der Angebotssumme außer Betracht bleiben, als nicht durch § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 gedeckt.

3. Gleiches gilt für den vorliegenden Beschwerdefall:

3.1. Ausgehend vom Beschwerdevorbringen machen die im Beschwerdefall strittigen Leistungen (Bodenmarkierungsarbeiten) gerade 1,2 % der Auftragssumme aus. Wie sich aus der zitierten Rechtsprechung ergibt, ist es für die Beurteilung, ob es sich nach § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 um eine Leistung " in geringem Umfange" handle, nicht relevant, welche Bedeutung der öffentliche Auftraggeber dieser Leistung im Rahmen seiner Ausschreibung zugemessen hat. Es kommt nämlich nach § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 - wie oben ausgeführt - nicht qualitativ auf die Wesentlichkeit der Leistung, sondern quantitativ auf den Umfang dieser Leistung an (vgl. zur quantitativen Sicht auch die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, Gewerbeordnung2 (2003), 302f, Rz. 6 zu § 32 wiedergegebenen Materialien).

3.2. Dem stehen auch die im vorliegenden Fall bestandsfesten Festlegungen in der Ausschreibung nicht entgegen. Sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Partei beziehen sich auf die (oben wieder gegebene) Festlegung in der "Technischen Beschreibung" (V der Angebotsbestimmungen), wonach zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen die Befugnisse Baumeister (Tiefbau), Pflasterer, Bodenmarkierer zwingend erforderlich sind. Diese Festlegung ist aber nicht dahin zu verstehen, dass sie eine von § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 abweichende Regelung treffen will, sondern ist (im Zweifel) gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit dieser Bestimmung der GewO 1994 zu lesen.

3.3. Da im Beschwerdefall ebenso (wie im zitierten Vorerkenntnis vom ) auf der Hand liegt, dass die strittigen Leistungen die "eigenen Leistungen" der Beschwerdeführerin im Sinn des § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 "wirtschaftlich sinnvoll ergänzen", hätte die belangte Behörde zu den oben angeführten maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994, insbesondere zur Frage, ob Leistungen in geringem Umfang vorlagen, Feststellungen zu treffen gehabt.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit einem sekundären Verfahrensmangel belastet.

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war

abzuweisen, weil Umsatzsteuer bereits in dem in der genannten Verordnung pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist. Wien, am