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VwGH vom 15.09.2011, 2011/15/0067

VwGH vom 15.09.2011, 2011/15/0067

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des F L in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom , Zl. RV/0721-I/10, betreffend Einkommensteuer 2008, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem in Kopie vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist seit vielen Jahren Unteroffizier des Österreichischen Bundesheeres. Seine Dienststelle ist der Truppenübungsplatz Lizum/Walchen. Im Streitjahr 2008 bezog er im Rahmen seiner nichtselbständigen Einkünfte u.a. Vergütungen gemäß § 75 Abs. 1 iVm § 72 RGV ("Truppenübungsgebühr").

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2008, mit welchem diese Vergütung als steuerpflichtig behandelt worden ist, brachte der Beschwerdeführer Berufung ein.

In der Berufung begehrte er, die Gebühr steuerfrei zu behandeln. Zur Begründung führte er aus, für den Dienst an seiner Dienststelle (Truppenübungsplatz Lizum/Walchen) seien besondere Anforderungen gegeben. Der Truppenübungsplatz sei mit einem KFZ nur über eine enge, kurvenreiche, steile Bergstraße mit einer Länge von 17 km und einer Gesamthöhendifferenz von 1.400 m zu erreichen. Es verkehrten keine öffentlichen Verkehrsmittel, ein Wohnen im Dienststellenbereich sei nicht möglich, weil dieser zum militärischen Sperrgebiet gehöre. Er müsse die Fähigkeit besitzen, bei witterungsmäßig sehr schwierigen Bedingungen (etwa Lawinengefahr) die Dienststelle zu erreichen. Einsätze seien auch immer wieder erforderlich, wenn es schon Lawinen oder Murenabgänge gegeben habe. Zudem bedeute die rasche Überwindung einer Höhendifferenz von bis zu 1.400 m eine nicht unerhebliche gesundheitliche Belastung. Hinzu kämen die Besonderheiten der Dienstverrichtung in einem Truppenübungsbetrieb (zeitlich variierender Bedarf, unregelmäßiges Beginnen und Beendigen der Übungen bzw. des Dienstes).

Im Hinblick auf diese Belastungen und die daraus resultierenden Mehraufwendungen sei den am Truppenübungsplatz tätigen Arbeitnehmern schon seinerzeit eine besondere Vergütung zuerkannt worden, welche ab 1989 auf der Basis des § 75 RGV bezahlt werde. Diese Vergütung sei in früheren Jahren steuerfrei behandelt worden, im Jahr 2008 sei es zu einer Nachversteuerung gekommen. Die in Rede stehende spezielle Vergütung stelle die Fortzahlung einer "Truppenübungsgebühr" dar, welche ihrerseits eine Form von Reisegebühren sei. Wegen der ausgeprägten Sondersituation könne nicht erwartet werden, dass eine konkrete Zuordnung zu den in der Steuerbefreiungsregelung des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 explizit genannten Fällen möglich sei. Ähnlichkeiten bestünden aber zur Außendiensttätigkeit und zur Baustellen- und Montagetätigkeit. Es entspreche dem Gesetzessinn, die Vergütung zeitlich unbeschränkt als steuerfreie Reisegebühr anzuerkennen.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt u.a. aus, die Vergütung nach § 75 Abs. 1 RGV werde nicht für das Verlassen des ständigen Dienstortes, sondern für die dauernde Dienstverwendung in einer hochalpinen Dienststelle bezahlt. Die Vergütung stelle also auf das Verbleiben am Dienstort ab. Sie sei daher nicht steuerfrei, weil sie weder unter § 26 EStG 1988 falle noch unter § 3 leg. cit. Im Vorlageantrag verwies der Beschwerdeführer wieder darauf, dass die Vergütung nach § 75 RGV aus der spezifischen Situierung der Dienststelle, einem Truppenübungsplatz im Gebirge ohne Wohnmöglichkeit in unmittelbarer Umgebung und ohne Verkehrsverbindung durch Massenbeförderungsmittel, resultiere.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab, anerkannte jedoch das große Pendlerpauschale nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 (für eine einfache Fahrtstrecke bis 20 km), welches im erstinstanzlichen Bescheid noch nicht in Abzug gebracht war. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, gemäß § 75 Abs. 1 RGV idF BGBl. Nr. 447/1990 gebühre dem Angehörigen des Bundesheeres oder der Heeresverwaltung, der am zur dauernden Dienstverwendung auf einem Arbeitsplatz im Fernmeldeaufklärungsdienst oder bei einer hochalpinen Dienststelle eingeteilt gewesen sei und der Gebühren nach §§ 22 oder 72 beziehe, ab dem anstelle dieser Geldleistung eine Vergütung entsprechend dem für ihn nach § 72 Abs. 1 lit. a oder b maßgebenden Ausmaß der Übungsgebühr in der am geltenden Höhe, solange diese Verwendung andauere. § 22 RGV regle die (eine Tages- und eine Nächtigungsgebühr umfassende) Zuteilungsgebühr im Falle der Dienstzuteilung eines Beamten.

§ 72 RGV regle die Übungsgebühr, die eine Militärperson, ein Unteroffizier oder ein Beamter der Heeresverwaltung erhalte, wenn er in einer geschlossenen Formation den Garnisonsort für länger als 24 Stunden verlasse; auch diese Übungsgebühr sei als Tagesgebühr gestaltet.

Der Beschwerdeführer sei bereits vor dem am Truppenübungsplatz Lizum/Walchen, einer hochalpinen Dienststelle, tätig gewesen. Er habe hiefür eine Truppenübungsgebühr nach § 72 RGV erhalten. Seit der Dienstrecht-Novelle BGBl. Nr. 447/1990 sei Rechtsgrundlage für die unverändert fortgezahlte Gebühr die Übergangsbestimmung des § 75 RGV.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers am Truppenübungsplatz Lizum/Walchen, seinem ständigen Dienstort, erfülle nicht den Tatbestand einer Dienstreise im Sinn des § 26 Z 4 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 45/2007. Auf das Vorhandensein einer Wohnmöglichkeit im Bereich der Arbeitsstätte komme es dabei nicht an. Die Tätigkeit falle auch unter keinen der in § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 taxativ aufgezählten Tatbestände. Die Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 sei daher nicht zu gewähren.

Dem Grundsatz von Treu und Glauben könne nur Bedeutung zukommen, wo das Gesetz der Behörde einen Vollzugsspielraum eröffne. Ein solcher Vollzugsspielraum bestehe im Beschwerdefall nicht. Der Verwaltungspraxis, die Gebühr nach § 75 RGV als Reisekostenvergütung aus Anlass einer Dienstreise lohnsteuerfrei zu belassen, sei durch die Reisekostennovelle 2007, BGBl. I Nr. 45/2007, der Boden entzogen worden.

Die in Rede stehende Gebühr sei auch keine Erschwerniszulage iSd § 68 Abs. 1 EStG 1988. Belastungen und daraus resultierende Mehraufwendungen, für welche die Sondergebühr gemäß § 75 Abs. 1 RGV gewährt worden sei, seien nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers vor allem durch die Anfahrt zur Dienststelle bzw. die Rückfahrt zum Wohnsitz über eine steile Bergstraße entstanden. Dass die zu leistenden Arbeiten überwiegend unter außerordentlich erschwerten Bedingungen erfolgt seien, werde damit aber nicht aufgezeigt.

Der Beschwerdeführer habe keine Werbungskosten geltend gemacht. Für die arbeitstäglichen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle stehe ihm jedoch das Pauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 (einfache Fahrtstrecke bis 20 km) zu.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Im Erkenntnis vom , 2010/15/0168, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Vergütung nach § 75 Abs. 1 RGV idF BGBl. Nr. 447/1990 nicht von der Steuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 erfasst ist. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof darauf verwiesen, dass diese Bestimmung eine Steuerbefreiung für Tagesgelder normiert, die vom Arbeitgeber als Reiseaufwandsentschädigungen für eine Tätigkeit gezahlt werden, bei welcher das Werksgelände des Arbeitgebers verlassen wird. Die Befreiungsbestimmung berücksichtigt also speziell die Belastungssituation einer Betätigung außerhalb der eigentlichen Betriebsstätte.

Entgegen der in der Beschwerde vorgetragenen Ansicht liegen auch nicht die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 vor. Dies schon deshalb, weil die streitgegenständliche Vergütung nach § 75 Abs. 1 RGV nicht auf das Verlassen einer Betriebsstätte des Arbeitgebers abstellt, also nicht auf die spezielle Belastung aus einer Betätigung außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers, welche der Gesetzgeber mit der in Rede stehenden Befreiungsbestimmung berücksichtigen will.

In der Beschwerde wird weiters eingewendet, die Vergütung nach § 75 Abs. 1 RGV stelle eine steuerfreie Erschwernis- und Gefahrenzulage iSd § 68 Abs. 1 EStG 1988 dar. Diese Bestimmung setze voraus, dass die Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgten, die eine außerordentliche Erschwernis oder Gefahr darstellten. Das Gesetz spreche also von Umständen, unter welchen die Tätigkeit verrichtet werde. Bei Bedachtnahme auf den Gesetzessinn seien aber nicht nur Fälle zu erfassen, in denen diese Umstände direkt bei der Arbeitsverrichtung vorlägen, sondern auch Dienstverrichtungen im Gebirge mit entsprechender Witterung - wenn auch der Dienst grundsätzlich in vor der Witterung geschützten Räumen verrichtet werde - und mit den besonderen Beschwerlichkeiten der Hin- und Rückfahrt zur und von der Arbeitsstelle.

Gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1988 sind Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge insgesamt bis 360 Euro monatlich steuerfrei.

§ 68 Abs. 5 EStG 1988 lautet auszugsweise:

"Unter Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sind jene Teile des Arbeitslohnes zu verstehen, die dem Arbeitnehmer deshalb gewährt werden, weil die von ihm zu leistenden Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgen, die


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in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirken,
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im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen, oder
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infolge der schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von Hitze, Kälte oder Nässe, von Gasen, Dämpfen, Säuren, Laugen, Staub oder Erschütterungen oder infolge einer Sturz- oder anderen Gefahr zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen."
Die Begünstigung des § 68 Abs. 1 iVm Abs. 5 EStG 1988 setzt u. a. voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeiten verrichtet, die überwiegend unter Umständen erfolgen, welche die eben angeführten Voraussetzungen (insbesondere außerordentliche Erschwernis oder Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit) erfüllen. Der Arbeitnehmer muss also während der Arbeitszeit überwiegend mit Arbeiten betraut sein, die zwangsläufig eine außerordentliche Erschwernis oder Gefahr darstellen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2000/15/0052, vom , 91/14/0057, und vom , 90/13/0102).
Im Erkenntnis vom , 2008/15/0322, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Gefahrenzulage ausgesprochen, die Steuerbefreiung hat zur Voraussetzung, dass die zu leistenden Arbeiten - worunter nur die vom Arbeitnehmer auf Grund des Dienstverhältnisses schlechthin (insgesamt) zu erbringende Arbeitsleistung verstanden werden kann - überwiegend unter Umständen ausgeführt werden, die zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen. Die Frage der außerordentlichen Erschwernis ist also nicht allein anhand jener Arbeiten zu untersuchen, mit denen diese Gefährdung verbunden ist. Vielmehr ist bezogen auf die gesamten vom Arbeitnehmer zu leistenden Arbeiten innerhalb eines Lohnzahlungszeitraums iSd § 77 EStG 1988 zu prüfen, ob sie überwiegend eine solche Gefahrenlage bewirken. Es müssen also in zeitlicher Hinsicht die Tätigkeiten, die mit den besonderen Umständen verbunden sind, überwiegen.
Soweit im gegenständlichen Fall das Beschwerdevorbringen die Erschwernis bzw. Gefahr in der Fahrt zur und von der Arbeitsstätte erblickt, lässt es nicht erkennen, dass Arbeiten überwiegend unter den in § 68 Abs. 5 EStG 1988 angeführten Umständen bewirkt werden. Soweit sich die Beschwerde aber auf die Erbringung der Arbeiten in einer Gebirgslage stützt, ist darauf zu verweisen, dass Arbeiten in geschützten Räumen von im Gebirge gelegenen Gebäuden nicht bereits eine im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen außerordentliche Erschwernis darstellen oder zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen.
Somit kann die Beschwerde nicht aufzeigen, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 68 Abs. 1 und 5 EStG 1988 erfüllt wären.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am