VwGH 24.05.2012, 2009/07/0169
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | AVG §39 Abs2; WRG 1959 §29 Abs1; |
RS 1 | Die zur Bewilligung zuständige Wasserrechtsbehörde hat den Fall des Erlöschens eines Wasserbenutzungsrechts gemäß § 29 Abs 1 WRG 1959 von Amts wegen festzustellen. Im Rahmen des Feststellungsverfahrens hat die Behörde die für die Feststellung, ob und wann das Wasserbenutzungsrecht ex lege erloschen ist, erforderlichen Sachverhaltselemente von Amts wegen zu ermitteln (Hinweis E , 2002/07/0051). |
Normen | |
RS 2 | Ungeachtet der Amtswegigkeit des Verfahrens gemäß § 29 Abs 1 WRG 1959 ist jedoch ein subjektiv-öffentliches Recht des scheidenden Wasserberechtigten auf behördlichen Abspruch nach § 29 WRG 1959 zu bejahen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2002/07/0051 E RS 3 |
Normen | |
RS 3 | Bestreitet eine Partei das Erlöschen des Wasserbenutzungsrechts, muss es ihr in einem Verfahren nach § 29 Abs 1 WRG 1959 auch möglich sein, sich neben einem Vorbringen zu der Frage, ob das Wasserbenutzungsrecht überhaupt erloschen ist, auch als Partei zu der Frage des Zeitpunktes eines allfälligen Erlöschens des Wasserbenutzungsrechts zu äußern. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde
1. der GR und 2. des HR, beide in S, beide vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. FA13A - 30.40 - 152/2009 - 5, betreffend Behebung und Zurückverweisung nach § 66 Abs. 2 AVG in einer wasserrechtlichen Angelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft D (im Folgenden: BH) vom wurde unter Spruchpunkt I. gemäß § 27 Abs. 1 lit. g und § 29 WRG 1959 das mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark (im Folgenden: LH) vom an F F. erteilte und zu Postzahl 3/646 im Wasserbuch D ersichtlich gemachte Wasserbenutzungsrecht zum Betrieb einer Stromversorgungsanlage als erloschen festgestellt.
In Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurden die Beschwerdeführer als derzeitige Eigentümer des Grst. Nr. 1220/1, KG G., gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 dazu verhalten,
1. die Staustufe aus Wasserbausteinen bis zur Sohle der S abzutragen, die Steine zu beseitigen und
2. die Absperrvorrichtung beim Einlauf des Oberwasserkanals zu entfernen.
Begründend führte die BH aus, dass das Wasserbenutzungsrecht mit dem Eigentum an dem Grst. Nr. 1220/1, KG G., verbunden gewesen sei. Eigentümer der gegenständlichen Liegenschaft seien seit 1994 (Übergabsvertrag vom ) die Beschwerdeführer.
Ein aufwändig geführtes Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass wesentliche Teile der gegenständlichen Kraftwerksanlage im Jahre 1979 zerstört worden seien. Seit diesem Zeitpunkt sei die Kraftwerksanlage außer Funktion. Im Jahre 1979 sei das letzte von der ehemaligen Kraftwerksanlage mit elektrischem Strom versorgte Objekt an das öffentliche Verteilernetz angeschlossen worden. Der Erlöschenstatbestand für die gegenständliche Anlage sei daher spätestens mit Ablauf des Jahres 1982 erfüllt worden.
Die Angaben der Beschwerdeführer, dass die wesentlichen Anlageteile und die zur Wasserbenutzung nötigen Vorrichtungen des Kraftwerkes bis zu einem Hochwasserereignis im Sommer 2008 vorhanden gewesen wären, seien unglaubwürdig und stünden im Widerspruch zu den Zeugenaussagen und den der BH vorliegenden Fotodokumenten betreffend den baulichen Zustand des Kraftwerkshauses.
Den Beschwerdeführern als derzeitigen Eigentümern des Grst. Nr. 1220/1, KG G., komme im gegenständlichen Verfahren betreffend die Feststellung des Erlöschens des Wasserbenutzungsrechtes keine Parteistellung im Sinne des § 8 AVG zu. Auf Grund ihres Eigentumserwerbes im Jahre 1994 kämen sie auch nicht als "bisher Berechtigte" in Betracht. Es könnten ihnen somit auch keine Vorkehrungen im Sinne des § 29 Abs. 1 WRG 1959 aufgetragen werden. Die von den Beschwerdeführern ab Herbst des Jahres 2008 durchgeführten Baumaßnahmen seien daher als eigenmächtig vorgenommene Neuerungen im Sinne des § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 zu qualifizieren und stellten offenkundig eine wesentliche Beeinträchtigung des ökologischen Zustandes der S dar.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid behob die belangte Behörde aus Anlass der Berufungen der Beschwerdeführer den Bescheid der BH vom gemäß § 66 Abs. 2 AVG und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung an die BH zurück.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die BH im durchgeführten Ermittlungsverfahren eindeutig von Amts wegen den Zeitpunkt des Erlöschens des Wasserbenutzungsrechtes feststellen hätte müssen. Dies sei aber nicht erfolgt. Wie im erstinstanzlichen Bescheid ausgeführt, habe der Amtssachverständige festgehalten, dass nicht eindeutig erkennbar sei, wie lange die gegenständliche Kraftwerksanlage im Bereich des Grst. Nr. 1220/1, KG G., nicht in Betrieb gewesen sei. Auch hätten die Zeugenaussagen den Zeitpunkt des Erlöschens des Wasserrechtes nicht eindeutig darlegen können. Da somit auf Grund dieser Mangelhaftigkeit des Verfahrens ein Ermittlungsverfahren unter Durchführung eines Ortsaugenscheines unter Beiziehung von Amtssachverständigen unbedingt erforderlich erscheine, sei der Erstbescheid zu beheben und die Angelegenheit an die BH zurückzuverweisen gewesen.
Hinsichtlich des Vorbringens der Beschwerdeführer führte die belangte Behörde wörtlich aus:
"Sollte das Wasserrecht tatsächlich bereits vor dem Eigentumserwerb der … (Beschwerdeführer) … ex lege erloschen sein, so ist keine Parteistellung im gegenständlichen Löschungsverfahren für die … (Beschwerdeführer) … gegeben. Da aber in der Berufung das Erlöschen des Wasserrechtes immer bestritten wird und insbesondere der Zeitpunkt des Erlöschens des Wasserrechtes nicht klar dargelegt ist, sind diesbezüglich weitere Erhebungen erforderlich."
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
Dieser lehnte mit Beschluss vom , Zl. B 975/09- 4, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, die Beschwerde scheine zu übersehen, dass die Parteistellung der Beschwerdeführer in der Frage des "Ob" des Erlöschens des Wasserbenutzungsrechtes nicht bezweifelt werde, sodass den Beschwerdeführern - ungeachtet der amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde - als Parteirecht jedenfalls auch die Geltendmachung des Umstandes offenstehe, dass das Erlöschen des Wasserbenützungsrechtes erst während ihrer Eigentümerschaft erfolgt sei.
In ihrer über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde machen die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer führen aus, dass die BH mit dem "bekämpften Kassationsbescheid" angewiesen werde, den von ihr bis dato nicht ermittelten Zeitpunkt des Erlöschens des Wasserrechtes im ergänzend durchzuführenden Verfahren von Amts wegen genau zu erheben, um dadurch die Parteistellung im weiteren Verfahren abzuklären, wobei die belangte Behörde festhalte, dass gerade die Nichtermittlung des genauen Erlöschenszeitpunktes einen der wesentlichen Gründe für die Bescheidaufhebung dargestellt habe.
Angesichts der grundsätzlich geltenden Bindungswirkung der die Bescheidaufhebung tragenden Gründe eines berufungsbehördlichen Kassationsbescheides werde nach Ansicht der Beschwerdeführer der ersten Instanz auch bindend vorgegeben, den Beschwerdeführern eine Parteistellung im weiteren Verfahren nur dann zukommen zu lassen, wenn das Wasserrecht zu einem Zeitpunkt erloschen sei, zu welchem die Beschwerdeführer bereits Eigentümer des Grst. Nr. 1220/1, KG G., gewesen seien (also nach 1994).
Genau in diesem Punkt, dass nämlich die Beschwerdeführer in einem weiteren Verfahren keine Parteistellung mehr haben sollten, wenn die Behörde von Amts wegen feststellte, dass das Wasserrecht erloschen sei und der Erlöschenszeitpunkt vor dem Zeitpunkt gelegen sei, zu dem die Beschwerdeführer das Grst. Nr. 1220/1, KG G. erworben hätten (also vor dem Jahr 1994), erachten sich die Beschwerdeführer in ihren Rechten als verletzt. Sie hätten nämlich in diesem Falle nicht die Möglichkeit, eine Feststellung des Erlöschenszeitpunktes vor ihrem Eigentumserwerb durch die Behörde zu bekämpfen, zumal sie entschieden bestritten, dass dieses ihnen als Grundeigentümer zustehende Wasserrecht überhaupt erloschen sei.
Sollten die Beschwerdeführer im Sinne der Entscheidung der belangten Behörde ihre Parteistellung im vorliegenden Verfahren verlieren, wenn die BH feststelle, dass das Wasserrecht vor ihrem Eigentumserwerb erloschen sei, dann verlören sie auch die Möglichkeit, diese Feststellung der BH zu bekämpfen.
§ 29 Abs. 1 und 3 sowie § 102 Abs. 1 lit. c WRG 1959 haben folgenden Wortlaut:
"§ 29. (1) Im Fall des Erlöschens eines Wasserbenutzungsrechtes hat die zur Bewilligung zuständige Wasserrechtsbehörde festzustellen und hiebei auszusprechen, ob und inwieweit der bisher Berechtigte aus öffentlichen Rücksichten, im Interesse anderer Wasserberechtigter oder in dem der Anrainer binnen einer von der Behörde festzusetzenden angemessenen Frist seine Anlagen zu beseitigen, den früheren Wasserlauf wiederherzustellen oder in welcher anderen Art er die durch die Auflassung notwendig werdenden Vorkehrungen zu treffen hat.
…
(3) Ist die weitere Erhaltung einer Anlage nach Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes im öffentlichen Interesse, insbesondere zum Schutze, zur Abwehr oder zur Pflege der Gewässer erforderlich, so können die öffentlichen Körperschaften (Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände und Wasserverbände), wenn dagegen die Erhaltung nur im Interesse von Beteiligten wünschenswert erscheint, diese Beteiligten von den bisher Berechtigten die Überlassung der vorhandenen Wasserbauten, soweit dies notwendig ist, ohne Entgelt verlangen. Dabei hat jene Körperschaft den Vorzug, die mit dem bisher Wasserberechtigten einen Vertrag, betreffend die Übernahme dieser Anlagen, abgeschlossen hat. Die weitere Erhaltung und die Leistung der erst künftig fällig werdenden Entschädigungen für etwa aufrecht bleibende Zwangsrechte (§ 70 Abs. 1) obliegt denjenigen, denen die Anlage überlassen wurde.
…
§ 102. (1) Parteien sind:
…
c) im Verfahren über die Auflassung von Wasseranlagen oder über das Erlöschen von Wasserrechten die im § 29 Abs. 1 und 3 genannten Personen;"
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, hat die zur Bewilligung zuständige Wasserrechtsbehörde den Fall des Erlöschens eines Wasserbenutzungsrechtes gemäß § 29 Abs. 1 WRG 1959 von Amts wegen festzustellen. Im Rahmen des Feststellungsverfahrens hat die Behörde die für die Feststellung, ob und wann das Wasserbenutzungsrecht ex lege erloschen ist, erforderlichen Sachverhaltselemente von Amts wegen zu ermitteln (vgl. u.v.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/07/0051, mwN). Ungeachtet dieser Amtswegigkeit des Verfahrens gemäß § 29 Abs.1 WRG 1959 ist jedoch ein subjektivöffentliches Recht des scheidenden Wasserberechtigten auf behördlichen Abspruch nach § 29 WRG 1959 zu bejahen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/07/0177, mwN). Die Parteistellung kommt im Hinblick auf die (deklarative) Feststellung des Erlöschenstatbestandes nur dem bisher Berechtigten, d.h. dem Träger der bei Eintritt des Erlöschenstatbestandes bestehenden Wasserberechtigung zu (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/07/0011, und vom , Zl. 2010/07/0155, jeweils mwN).
Entgegen den Beschwerdeausführungen kann der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mit bindender Wirkung für die BH der Inhalt beigemessen werden, dass die Beschwerdeführer dann, wenn der von Amts wegen zu ermittelnde Erlöschenszeitpunkt vor dem Erwerb der bezughabenden Liegenschaft durch die Beschwerdeführer (also vor 1994) liegen sollte, keine Parteistellung im weiteren Verfahren haben und ihnen daher dann auch - mangels Parteistellung - keine Möglichkeit mehr zukommt, die Feststellung des Erlöschens des Wasserrechtes bzw. des Erlöschenszeitpunktes zu bekämpfen.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt in diesem Zusammenhang die Begründungsausführungen im Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. B 975/09-4.
In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Beschwerdeführer das Erlöschen des Wasserbenutzungsrechtes bestreiten, muss es ihnen in einem Verfahren nach § 29 Abs. 1 WRG 1959 auch möglich sein, sich neben einem Vorbringen zu der Frage, ob das Wasserbenutzungsrecht überhaupt erloschen ist, auch als Parteien zu der Frage des Zeitpunktes eines allfälligen Erlöschens des Wasserbenutzungsrechtes zu äußern. Einem solchen Auslegungsergebnis steht auch nicht die hier wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegen.
Der wörtlich wiedergegebene Begründungsteil des angefochtenen Bescheides ist auch nicht - wie die belangte Behörde unter Verweis auf den zitierten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt - im Sinne der Beschwerdeausführungen zu verstehen.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
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Schlagworte | Wasserrecht Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejaht Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2012:2009070169.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAE-89357