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VwGH vom 24.05.2012, 2009/07/0167

VwGH vom 24.05.2012, 2009/07/0167

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des Bundesamtes für Ernährungssicherheit in 1220 Wien, Spargelfeldstraße 191, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zlen. VwSen- 200380/2/Gf/Mu/Bu, VwSen-200381/2/Gf/Mu/Bu und VwSen- 200382/2/Gf/Mu/Bu, betreffend Auferlegung von Gebühren (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft; mitbeteiligte Partei: WA in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Am 6. Oktober führten Organe des Bundesamtes für Ernährungssicherheit (im Folgenden: BAES) beim Betrieb des Mitbeteiligten eine Kontrolle gemäß § 28 Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 (im Folgenden: PMG) durch.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft G (im Folgenden: BH) vom wurde über den Mitbeteiligten eine Geldstrafe in Höhe von EUR 400,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 8 Stunden) verhängt, weil er als Gewerbeinhaber des Gewerbebetriebes A.-Agrarhandel zumindest am einerseits das Pflanzenschutzmittel "Express" (Pflanzenschutzmittelregistriernummer 2434) in einer Menge von viermal 0,06 kg gelagert bzw. zum Verkauf vorrätig gehalten habe, obwohl dessen Zulassung bereits am abgelaufen sei und die Abverkaufsfrist am geendet habe, sowie andererseits das Pflanzenschutzmittel "Thiovit WG" (Pflanzenschutzmittelregistriernummer 56) in einer Menge von (einmal) 25 kg gelagert bzw. zum Verkauf vorrätig gehalten habe, obwohl dessen Zulassung bereits am abgelaufen sei und die Abverkaufsfrist am geendet habe. Dadurch seien die Rechtsvorschriften der §§ 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 1 Z. 1 lit. a PMG verletzt worden (Spruchpunkt I).

Ferner seien EUR 413,57 als Ersatz der Barauslagen für die Kontrollgebühren des BAES gemäß Gebührentarif vom zu bezahlen (Spruchpunkt II.).

Zusätzlich seien die beschlagnahmten Pflanzenschutzmittel für

verfallen zu erklären (Spruchpunkt III).

Dagegen erhob der Mitbeteiligte Berufung.

Mit Berufungsvorentscheidung der BH vom wurde der Berufung insoweit stattgegeben, als die verhängte Geldstrafe auf EUR 150,-- und die Ersatzfreiheitsstraße auf vier Stunden herabgesetzt sowie die Vorschreibung der Barauslagen für Kontrollgebühren ersatzlos gestrichen wurde. Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde hinsichtlich der Barauslagen ausgeführt, dass die belangte Behörde in ihrer neueren Judikatur - etwa VwSen- 200377/2/Gf/Mu vom - zum Ergebnis gelangt sei, dass sich weder aus dem Gesundheits- und Ernährungssicherungsgesetz 2002 (im Folgenden: GESG) noch aus dem Kontrollgebührentarif ableiten lasse, wie die verschiedenen im Tarif angeführten Kosten voneinander abzugrenzen seien. Dies sei aber erforderlich, um eine doppelte Gebührenvorschreibung zu vermeiden. Auf Grund der Unbestimmtheit dieser normativen Regelungen seien daher im gegenständlichen Fall keine Untersuchungsgebühren vorzuschreiben.

Mit Schreiben vom stellte das BAES einen Vorlageantrag und führte darin aus, dass in der Berufungsvorentscheidung nicht erklärt worden sei, inwiefern die Bedeutung der einzelnen Tarifposten unklar sei; diese seien im Gegenteil unzweifelhaft. Sohin hätten gemäß § 6 Abs. 6 GESG entsprechende Gebühren vorgeschrieben werden müssen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde dieser Vorlageantrag des BAES als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass hinsichtlich der vom BAES beantragten Vorschreibung eines Auslagenersatzes für die Tätigkeiten seiner Untersuchungsorgane § 32 Abs. 1 PMG (in der für den gegenständlichen Fall maßgeblichen Fassung) vorsehe, dass solche Gebühren nach Maßgabe eines Tarifes zu entrichten seien, den der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen durch Verordnung kostendeckend festzusetzen habe.

Auf dieser Grundlage sei mit Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen der Pflanzenschutzmittelgebührentarif 2003 (im Folgenden: PGT) erlassen worden.

Daneben bestimme § 6 Abs. 6 GESG, dass für Tätigkeiten des BAES unter anderem anlässlich der Vollziehung des PMG eine Gebühr nach Maßgabe eines Tarifs zu entrichten sei, den das BAES mit Zustimmung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und des Bundesministers für Finanzen kostendeckend festzusetzen habe. Es sei damit nach Ansicht der belangten Behörde das Verhältnis zwischen diesen beiden Rechtsvorschriften zu klären.

Die Anordnung des § 6 Abs. 6 GESG sei durch die Novelle BGBl. I Nr. 78/2003 eingefügt worden; § 32 Abs. 1 PMG habe sich bereits in der Stammfassung des am in Kraft getretenen PMG befunden. § 6 Abs. 6 GESG würde sohin grundsätzlich die lex posterior darstellen und somit dem § 32 Abs. 1 PMG derogieren. Allerdings sei mit dem BGBl. I Nr. 78/2003 das PMG selbst nicht geändert worden. Dieses Problems sei man sich offensichtlich anlässlich der Erlassung der erwähnten Novelle zum GESG nicht bewusst gewesen. Es sei vielmehr erst mit der PMG-Novelle BGBl. I Nr. 86/2009 explizit beseitigt worden, indem § 32 Abs. 1 PMG aufgehoben worden sei. Die letztgenannte Novelle sei jedoch erst am - und damit jedenfalls erst nach dem für den gegenständlichen Fall relevanten Tatzeitpunkt () - in Kraft getreten.

Eine Derogation nach dem lex posterior-Prinzip komme sohin im gegenständlichen Fall nicht zum Tragen.

Darüber hinaus sei im vorliegenden Zusammenhang davon auszugehen, dass die Bestimmung des § 32 Abs. 1 PMG jedenfalls insofern eine lex specialis darstelle, als sie nicht nur die Regelung von Gebühren für Tätigkeiten des BAES, die anlässlich der Vollziehung der in den in § 6 Abs. 1 Z. 1 bis Z. 8 GESG angeführten Gesetzen festgelegten hoheitlichen Aufgaben vorgenommen würden, erfasse, sondern - darüber hinausgehend - vielmehr die Regelung von Gebühren für sämtliche (also auch privatwirtschaftliche) Tätigkeiten aller zur Vollziehung des PMG berufenen Behörden.

Insgesamt folge daraus, dass - zum hier einschlägigen Tatzeitpunkt - noch die spezialgesetzliche Regelung des § 32 Abs. 1 PMG maßgeblich gewesen sei. Damit sei im gegenständlichen Fall die Frage der Vorschreibung einer Kontrollgebühr sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach anhand des PGT zu beurteilen. Die Anlage dieser Bestimmung sehe keine Gebühren für die Durchführung von Kontrolltätigkeiten vor. Für diesen Fall ordne § 2 Abs. 2 PGT an, dass diese Tätigkeiten dem Antragsteller im Einzelfall nach den erbrachten Aufwendungen (Personal- und Sachaufwand) zu verrechnen seien. Dem in § 32 Abs. 1 PMG festgelegten Prinzip der Kostendeckung entsprechend hätte es daher eines detaillierten Aufwandsverzeichnisses seitens des BAES bedurft, damit im gegenständlichen Fall durch die BH im Spruch ihres angefochtenen Bescheides ein entsprechender Kostenersatz zu Lasten des Mitbeteiligten bescheidmäßig hätte vorgeschrieben werden können.

Ein derartiges Aufwandsverzeichnis lasse sich jedoch der Anzeige des BAES vom nicht entnehmen, weil in dieser nur undifferenziert die Positionen "Kosten für die Bearbeitung vor Ort", "Kosten für das Kontrollverfahren" und "Kosten für die Beschlagnahme" angeführt seien und die dementsprechenden Gebührensätze offenbar dem "Kontrollgebührentarif 2008" des BAES selbst entnommen worden seien. Hierbei handle es sich jedoch nur um Pauschalgebühren, also um eine Berechnungsmethode, die gerade dem in § 32 Abs. 1 PMG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 des PGT zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Willen nach einer konkret anlassbedingten Gebührenfestsetzung gerade nicht entsprochen habe.

Auch mit dem nunmehrigen Vorlageantrag sei zumindest ein nach Personal- und Sachaufwand gegliedertes und in diesem Sinne konkretisiertes Aufwandsverzeichnis nicht nachgereicht worden. Dass unter derartigen Umständen die Höhe der Gebühr von Amts wegen zu ermitteln wäre, lasse sich jedoch aus § 32 Abs. 1 PMG iVm § 2 Abs. 2 PfGT nicht ableiten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Mitbeteiligte erstattete eine Stellungnahme, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Sachverhalt dieses Beschwerdefalles gleicht vollkommen jenem, der dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/07/0001, zugrunde gelegen ist. Auch die anzuwendenden Rechtsvorschriften sind identisch. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird daher auf die Begründungsausführungen dieses Erkenntnisses verwiesen. Die im angefochtenen Bescheid geäußerte Rechtsansicht der belangten Behörde erweist sich schon deshalb als nicht in Übereinstimmung mit der Rechtslage, da sich in § 6 GESG stets eine eigenständige Grundlage für die Vorschreibung von Gebühren, die bei der Tätigkeit des BAES auch im Zusammenhang mit dem PMG anfielen, fand. Diese - parallel zum PMG bestehende - Rechtsgrundlage für die Vorschreibung von Gebühren erweist sich auch im vorliegenden Fall als anwendbar. § 6 GESG war auch ohne Verweis im PMG auf den hier vorliegenden Sachverhalt anwendbar.

Bestätigt wird diese vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2010/07/0001, vertretene Rechtsansicht auch durch die Materialien zum Agrarrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. I Nr. 86/2009, mit dem § 32 PMG neu gefasst wurde.

Demnach ist die "Ermächtigung des Bundesministers zur Erlassung einer Verordnung über die Gebühren" in Vollziehung des PMG durch § 6 GESG obsolet. Die "Aufhebung der Ermächtigung zur Erlassung einer Verordnung" über die Gebühren in Vollziehung des PMG dient lediglich der Rechtsbereinigung (vgl. den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, 293 der Beilagen XXIV. GP 3).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2

Z. 6 VwGG abgesehen werden (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/07/0141, und vom , Zl. 2003/04/0160).

Wien, am

Fundstelle(n):
UAAAE-89348