VwGH vom 20.12.2016, Ro 2014/01/0012

VwGH vom 20.12.2016, Ro 2014/01/0012

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision des L S in L, gegen das Erkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates Vorarlberg vom , Zl. UVS-1-895/E2-2012, betreffend eine Übertretung nach dem Meldegesetz 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom wurde dem Revisionswerber ein Verstoß gegen § 22 Abs. 2 Z 6 iVm § 7 Abs. 6 MeldeG 1991 zur Last gelegt. Er habe es als Inhaber des Beherbergungsbetriebes "(L's) Hütte" - entgegen seiner Verantwortung - unterlassen, dafür zu sorgen, dass Frau H - welche in der Zeit von ab 14:00 Uhr bis in diesem Beherbergungsbetrieb aufhältig gewesen sei - ein Gästeblatt ausfülle. Über den Revisionswerber wurde wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß § 22 Abs. 2 Z 6 MeldeG 1991 eine Geldstrafe in Höhe von EUR 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt.

2 In der dagegen erhobenen Berufung vom führte der Revisionswerber zusammengefasst aus, bei seiner Hütte handle es sich um keinen Beherbergungsbetrieb. Vielmehr liege eine bloße Raumüberlassung vor. Er erbringe neben der bloßen Vermietung der Hütte keine Dienstleistungen, die nicht üblicherweise von bloßen Raum- oder Flächenvermietern erbracht würden. Daher sei weder nach der GewO 1994 noch nach dem MeldeG 1991 von einer Gästebeherbergung auszugehen. Im Übrigen bestehe schon deshalb keine Verpflichtung, die von der Meldebehörde aufgelegten Gästeblätter auszufüllen, weil diese einen rechtswidrigen Inhalt aufweisen würden. So sei, entgegen den Vorgaben des MeldeG 1991, in diesen Gästeblättern noch nicht die Möglichkeit vorgesehen, den "eingetragenen Partner" einzutragen.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies der Unabhängige Verwaltungssenat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Berufung des Revisionswerbers ab. Begründend führte der Unabhängige Verwaltungssenat u.a. aus, der Revisionswerber habe hinsichtlich des Aufenthalts der Familie H in "(L's) Hütte" von Frau H nicht verlangt, dass diese für sich und ihre Familienangehörigen ein Gästeblatt ausfülle. Aufgrund der Merkmale der Beherbergung und Unterbringung der Familie H in "(L's) Hütte" sei anzunehmen, dass die Hütte im Rahmen eines Beherbergungsbetriebes genutzt worden sei. Von einer bloßen Vermietung von Räumen könne nicht ausgegangen werden, da von Frau H kein schriftlicher Mietvertrag abgeschlossen worden sei, was für eine Raummiete aber typisch wäre. Außerdem habe die stattgefundene Gästebeherbergung, im Rahmen derer Schlafplätze und eine Küche mit Geschirr zur Verfügung gestellt worden seien, nur für einen Zeitraum von drei Tagen stattgefunden. Dies sei für eine Raummiete ebenfalls untypisch. Der von Frau H für die Beherbergung bezahlte Betrag in Höhe von EUR 1.150,-- sei ein typisches Entgelt für eine gastgewerbliche Beherbergung. Die dem Revisionswerber angelastete Tat sei somit in objektiver und subjektiver Hinsicht verwirklicht. Auf die Rechtskonformität der von der Gemeinde aufgelegten Gästeblätter müsse nicht eingegangen werden, da solche den Gästen nicht zur Eintragung übergeben worden seien.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH), der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 632/2013-11, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers mit Beschluss vom , B 632/2013-13, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.

5 Der Revisionswerber brachte nach Aufforderung eine Verbesserung in Form einer Revision nach § 4 VwGbk-ÜG ein.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens durch das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 Vorauszuschicken ist, dass in sinngemäßer Anwendung des § 4 VwGbk-ÜG vorzugehen ist, wenn der VfGH - wie im vorliegenden Fall - eine Bescheidbeschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung nach Ablauf des an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat, sodass die Beschwerde als Revision gilt und für deren Behandlung nach § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden sind (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom , Zl. Ro 2014/10/0029, und vom , Zl. Ro 2014/01/0032).

8 In der Revision wird zur Zulässigkeit u.a. vorgebracht, es bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff des Beherbergungsbetriebes iSd § 1 Abs. 3 und § 22 Abs. 2 Z 6 MeldeG 1991.

Die Revision ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

9 Das Bundesgesetz über das polizeiliche Meldewesen (Meldegesetz 1991 - MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992 in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009, lautet auszugsweise:

"§ 1. (...)

(3) Beherbergungsbetriebe sind Unterkunftsstätten, die unter der Leitung oder Aufsicht des Unterkunftgebers oder eines von diesem Beauftragten stehen und zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Unterbringung von Gästen zu vorübergehendem Aufenthalt bestimmt sind. Beaufsichtigte Camping- oder Wohnwagenplätze sowie Schutzhütten gelten als Beherbergungsbetriebe.

(...)

§ 5. (1) Wer als Gast in einem Beherbergungsbetrieb Unterkunft nimmt, ist ohne Rücksicht auf die Unterkunftsdauer unverzüglich, jedenfalls aber innerhalb von 24 Stunden nach seinem Eintreffen, durch Eintragung in ein Gästeblatt anzumelden.

(...)

§ 7. (1) Die Meldepflicht trifft den Unterkunftnehmer.

(...)

(5) In Beherbergungsbetrieben können die Eintragungen in die Gästeblätter auch vom Inhaber des Beherbergungsbetriebes oder dessen Beauftragten vorgenommen werden, wenn der Meldepflichtige die erforderlichen Angaben macht. (...)

(...)

(6) Der Inhaber des Beherbergungsbetriebes oder dessen Beauftragter ist für die Vornahme der Eintragungen in den Gästeblättern verantwortlich; er hat die Betroffenen auf deren Meldepflicht aufmerksam zu machen. Weigert sich ein Meldepflichtiger die Meldepflicht zu erfüllen, so hat der Inhaber des Beherbergungsbetriebes oder dessen Beauftragter hievon unverzüglich die Meldebehörde oder ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu benachrichtigen.

(...)

§ 10. (1) Die Inhaber von Beherbergungsbetrieben oder deren Beauftragte haben zur Erfüllung der Meldepflicht eine von der Meldebehörde signierte Gästeblattsammlung aufzulegen. Die für die Eintragung der Meldedaten bestimmten Blätter der Gästeblattsammlung haben eine laufende Nummerierung aufzuweisen und hinsichtlich Inhalt und Form dem Muster der Anlage B zu entsprechen; (...)

(...)

(5) Der Meldepflichtige (...) hat mit seiner Unterschrift die Richtigkeit der Meldedaten zu bestätigen.

§ 22. (...)

(2) Wer

(...)

6. als Inhaber eines Beherbergungsbetriebes oder als dessen

Beauftragter gegen seine Verpflichtungen nach § 7 Abs. 6 (...) verstößt,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 360 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis zu 1 090 Euro, zu bestrafen.

(...)"

10 Nach den Erläuterungen (RV 418 BlgNR 8. GP, 10) zum MeldeG 1972, dessen § 1 Abs. 3 weitgehend unverändert in das MeldeG 1991 übernommen wurde, sind für den Begriff des Beherbergungsbetriebes drei Kriterien maßgebend: 1. Er muss unter der Leitung oder Aufsicht des Unterkunftgebers oder eines von diesem Beauftragten stehen; 2. es muss sich um die Unterbringung von "Gästen" (Urlauber, Geschäftsreisende, Kurgäste u. dgl.) handeln; 3. die Unterkunftsstätte muss zum vorübergehenden Aufenthalt bestimmt sein. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Beherbergung auf Gewinn gerichtet ist, gegen ein kostendeckendes Entgelt, gegen Entrichtung eines Anerkennungsbeitrags oder kostenlos erfolgt. Als Beherbergungsbetriebe kommen nach den Erläuterungen daher nicht nur gewerbliche Beherbergungsbetriebe (Hotels, Pensionen, Gasthöfe u. dgl.) sondern auch der "Privatzimmervermietung" dienende Unterkunftsstätten und "Appartements" in Betracht. Darüber hinaus zählt § 1 Abs. 3 MeldeG 1991 auch beaufsichtigte Camping- und Wohnwagenplätze sowie Schutzhütten zu den Beherbergungsbetrieben.

11 Der Begriff des "Beherbergungsbetriebes" in § 1 Abs. 3 MeldeG 1991 ist somit weiter als jener der gastgewerblichen Beherbergung in § 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994. Liegt eine gewerbsmäßige Beherbergung und keine bloße Zurverfügungstellung von Wohnräumen vor, sind die Kriterien für das Vorliegen eines Beherbergungsbetriebes iSd MeldeG 1991 jedenfalls erfüllt.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mit Beschlüssen vom , 2010/04/0015, vom , 2010/04/0035, und vom , 2013/04/0092, die Ansicht geteilt, wonach es sich bei "(L's) Hütte" um einen gewerblichen Beherbergungsbetrieb iSd § 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 handelt. Die Revision enthält keine konkreten Anhaltspunkte, die eine abweichende rechtliche Beurteilung erforderlich machen würden.

13 Der belangten Behörde ist daher nicht entgegen zu treten, wenn sie zur Ansicht gelangt, dass eine gastgewerbliche Beherbergung und somit auch ein Beherbergungsbetrieb iSd § 1 Abs. 3 MeldeG 1991 vorliegt.

14 Soweit der Revisionswerber die Auffassung vertritt, dass er keine "Leitung oder Aufsicht" iSd § 1 Abs. 3 MeldeG 1991 inne habe, ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz keine besondere Intensität der Leitung verlangt und es keiner Aufsicht "rund-umdie-Uhr" bedarf, um dieses Kriterium zu erfüllen (vgl. Keplinger , Meldegesetz 19915 (2016) 31).

15 Für den Revisionswerber ist auch aus seinem - erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde erstatteten - Vorbringen, wonach eine Verletzung der Verpflichtung nach § 7 Abs. 6 MeldeG 1991 schon deshalb ausscheide, weil er für Frau H und ihre Familienangehörigen in Entsprechung der Vorgaben des § 7 Abs. 5 MeldeG 1991 selbst ein Gästeblatt ausgefüllt habe, nichts zu gewinnen.

16 Nach § 10 Abs. 1 MeldeG 1991 hat der Inhaber des Beherbergungsbetriebes für die Erfüllung der Meldepflicht "eine von der Meldebehörde signierte Gästeblattsammlung" aufzulegen. Die für die Eintragung der Meldedaten bestimmten Blätter der Gästeblattsammlung haben eine laufende Nummerierung aufzuweisen und müssen hinsichtlich Inhalt und Form dem Muster der Anlage B entsprechen. Der Revisionswerber behauptet nicht, eine solche, von der Meldebehörde signierte, Gästeblattsammlung verwendet zu haben. Vielmehr bringt er nur vor, ein aus dem Internet ausgedrucktes Gästeblatt-Formular ausgefüllt zu haben.

17 Im Übrigen verkennt der Revisionswerber den Inhalt der Bestimmung des § 7 Abs. 5 MeldeG 1991, wonach dem Inhaber des Beherbergungsbetriebes die Möglichkeit eingeräumt wird, die Eintragungen in die Gästeblätter selbst vorzunehmen, wenn der Meldepflichtige die erforderlichen Angaben gemacht hat. § 7 Abs. 5 MeldeG 1991 entbindet den Meldepflichtigen nicht von der in § 10 Abs. 5 MeldeG 1991 normierten Verpflichtung, mit seiner Unterschrift am Gästeblatt die Richtigkeit der Meldedaten zu bestätigen (vgl. Grosinger/Szirba , Melderecht6 (2002) 118). Dies wird durch die Erläuterungen (RV 279 BlgNR 18. GP, 19) zum MeldeG 1991, BGBl. Nr. 9/1992, bestätigt, wonach - im Unterschied zu der nach dem Meldegesetz 1972 geltenden Regelung - "ausschließlich" der Meldepflichtige durch seine Unterschrift die Richtigkeit der Angaben im Gästeblatt zu bestätigen hat. Dass der Revisionswerber Frau H ein von ihm "vorausgefülltes" Gästeblatt zur Unterschrift vorgelegt hätte, wird vom Revisionswerber aber gar nicht behauptet.

18 Der belangten Behörde ist daher nicht entgegen zu treten, wenn sie zum Ergebnis gelangt, dass der Revisionswerber seiner Verpflichtung nach § 7 Abs. 6 MeldeG 1991 nicht nachgekommen ist.

19 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG iVm § 4 VwGbk-ÜG als unbegründet abzuweisen.

20 Von der vom Revisionswerber beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Art. 6 Abs. 1 EMRK stand dem nicht entgegen, weil der Beschwerdeführer schon im Verwaltungsverfahren Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor der als Tribunal eingerichteten belangten Behörde (dem unabhängigen Verwaltungssenat Vorarlberg) vorzutragen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2011/01/0006, mwN).

21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz für die Aktenvorlage gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 (vgl. § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG iVm § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014).

Wien, am